Mit Fäusten durchs Leben...

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Adal
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Mit Fäusten durchs Leben...

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Adal
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Re: Mit Fäusten durchs Leben...

Beitrag von Adal »

Triggerwarnung - in der Geschichte gibt es Teile in denen Gewalt an Kindern vorkommt.
Ich distanziere mich ausdrücklich von der Verharmlosung, oder gar Verherrlichung von Gewalt an Kindern.
Es geht hier rein um die Erzählung einer Geschichte, nicht mehr und nicht weniger.


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Die Familie Faust lebte am Rand der Stadt Siegessold. Eine Stadt die in ihrem Herzen durch große Söldnergilden bestach, daher wohl auch der Name – außerordentlich hohe Soldzahlungen für gute Aufträge. Dennoch, wie jede größere Stadt auf Rimor waren die dunkleren Gassen gezeichnet von Armut, Menschenhandel, und Gewalt.

Das Leben war hart und von Entbehrungen geprägt, besonders für die jungen Brüder. Ihre Mutter war bei Adals Geburt gestorben, und ihr Vater, Gunfried Faust, hatte sich seitdem nie wieder erholt. Er hatte seinen Beruf als Grobschmied aufgegeben und war dem Alkohol verfallen, unfähig, den Verlust zu verarbeiten. Das Haus, einst ein bescheidener, aber liebevoll geführter Haushalt, war nun ein düsterer Ort voller Schmerz und Leid.

"Nicht schon wieder." dachte Wilhelm im Anflug von Angst und Verzweiflung, während ihn die schlammverschmierten Stiefel über den holprigen Weg trugen. Der Gang fiel ihm schwer. Die Last der beiden Tonkrüge in den Kinderhänden, das Gefühl von zehrendem Hunger und einfachem Durst. Doch viel mehr war es das unheilvolle Poltern und die gedämpften Schreie, die ihn bereits von weitem willkommen hießen, waren es auch jene Laute, die das Band um seinen Magen zuzogen.

Die ruhige Lage außerhalb der Stadtmauern hatte in diesen Momenten ihren Nachteil… es gab keine Ohren, die hellhörig wurden, keine Nachbarn, die zur Hilfe eilten, wenn dann verirrten sich nur einzelne Handwerker in diese Ecke, die auf der Suche nach der Mine waren – war die alte Schmiede doch nahe der Mine gebaut, aber nicht auf unmittelbarem Weg.

Die Tür ihres einfachen Hauses stand offen, er beschleunigte seine Schritte und trat hastig in den kleinen, düsteren Wohnraum. War die alte Schmiede einst ein Ort herausragender Handwerkskunst, war sie aber inzwischen nur noch ein dreckiges, nach Alkohol stinkendes Loch. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen bei dem Anblick, der sich ihm bot: Adal lag wimmernd auf dem Boden. Die Stirn auf den Boden gepresst, den Körper in der vergeblichen Suche nach Schutz zusammengekauert, hatte der kleine Leib des Jungen offenbar die volle Wut seines Vaters erfahren müssen. Der kleine Kinderrücken gezeichnet von blutigen Striemen, war von den alten, zerrissenen Lumpen, die bereits Wilhelm in dem Alter trug, die Haut nicht mehr genügend bedeckt, als dass das Leder in den Fingern Gunfrieds jene nicht hätte treffen können. Der breite, muskulöse Leib stand über den Kinderleib gebeugt. Die gläsernen Augen von Zorn erfüllt, während in der grobschlächtigen Rechten noch der Gürtel ruhte.
Wilhelm ging in die Hocke, um die Tonkrüge auf dem Boden abzustellen und noch bevor ein weitere Schlag Adal erreichen konnte, zwang er sich dazwischen und verpasste seinem Vater einen Stoß mit dem vollen Kindesleib in den Bauch.

"Vater, hör auf! Er kann doch nichts dafür!" rief Wilhelm in einer Mischung aus Wut, Trauer und Angst, während er versuchte den ehemaligen Grobschmied auf Abstand zu bringen. Tatsächlich stapfte Gunfried einen Schritt zurück und wandte sich nunmehr dem größeren Jungen zu, seine Augen glühten vor Zorn und Schmerz. "Nichts dafür?" donnerte er. "Er hat deine Mutter getötet, Wilhelm! Er hat sie uns genommen!“

Adal nutzte die Gelegenheit und schob sich auf den Knien in Richtung der Raumecke, wobei die weinenden Laute, gezeichnet von Kummer und Schmerz, eine Ruhe in der Hütte stets fernhielt. Während er sich in die Ecke kauerte, sauste ein weiteres Mal das Leder peitschend durch die Luft, doch diesmal war es Wilhelm, der den Schlag in Empfang nahm.
Die Unterarme schützend vor dem Gesicht, knallte der Gürtel auf den Stoff, was dem Älteren einen Schmerzenslaut entlockte. Unweigerlich schossen ihm Tränen in die Augen, jede Faser in seinem Körper angespannt, in Erwartung eines weiteren Hiebes. Doch sie blieben aus… der Vater hatte sich mit einem Schnauben abgewendet, warf den Gürtel achtlos auf den Boden und verzog sich mit den beiden Krügen in das Elternschlafzimmer, welches durch ein einfaches Fell vom Rest des Raumes abgetrennt war.
Adal sah zu Wilhelm auf, die gläsernen, dunkelbraunen Augen gezeichnet von Angst und Schmerz. "Bruder… bitte geh nicht mehr weg...". klang die Stimme des kleinen Jungen in einem volumenlosen Flüstern, getragen von der schweren, aufgeregten Atmung des vergangenen Leids.
Wilhelm kniete sich zu Adal hinunter und nahm ihn fest in die Arme. "Ich lass dich nicht allein." versprach er mit brüchiger Stimme. Er spürte die Verzweiflung seines Bruders, die Last der Verantwortung und die schreckliche Gewissheit, dass sich nichts ändern würde, solange ihr Vater lebte…


 
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Adal
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Re: Mit Fäusten durchs Leben...

Beitrag von Adal »

Triggerwarnung - in der Geschichte gibt es Teile in denen Gewalt an Kindern vorkommt.
Ich distanziere mich ausdrücklich von der Verharmlosung, oder gar Verherrlichung von Gewalt an Kindern.
Es geht hier rein um die Erzählung einer Geschichte, nicht mehr und nicht weniger.


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Wilhelm und ich saßen noch lange zusammen. Er hielt mich fest, und ich klammerte mich an ihn, als wäre er der einzige Anker in einem tobenden Sturm. Seine Umarmung war das Einzige, was mir in diesen Momenten Halt gab. Die Nacht zog sich endlos hin, und wir schliefen wenig. Unsere Gedanken kreisten um die Ereignisse des Tages und die düstere Zukunft, die vor uns lag.
Am nächsten Morgen war es still im Haus. Vater hatte sich offenbar in den Schlaf getrunken, und wir nutzten die Gelegenheit, um ein wenig Ordnung zu schaffen und uns um unsere Wunden zu kümmern. Wilhelm brachte mir Wasser und wusch vorsichtig die blutigen Striemen auf meinem Rücken. Seine Berührungen waren sanft, und ich konnte die Sorge in seinen Augen sehen. Die Stille war bedrückend, als ob das Haus selbst den Atem anhielt, in Erwartung des nächsten Ausbruchs.
Wilhelm bereitete einen einfachen Brei zu, und wir aßen schweigend. Ich konnte sehen, dass er über etwas nachdachte, doch ich wagte nicht, ihn zu fragen. Etwas in seiner Haltung verriet mir, dass sich etwas ändern würde. Doch ich wusste nicht, was.
In den nächsten Tagen wiederholte sich das Muster. Vater trank, schlief, schrie und schlug uns. Wir versuchten, uns so gut es ging, aus seiner Reichweite zu halten. Aber ich konnte die Anspannung in Wilhelm spüren. Er war ständig auf der Hut, als würde er auf den richtigen Moment warten.
Eines Nachmittags, als Vater tief und fest schlief, gingen Wilhelm und ich vor das Haus. Die Sonne schien, und zumindest für einen Moment vergaßen wir die düstere Realität, in der wir lebten. Wilhelm hob einen kleinen, flachen Stein auf und warf ihn mir zu. "Fang, Adal!" rief er, und ich fing den Stein, bevor er auf dem Boden aufprallte. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, und ich warf den Stein zurück zu ihm.
Wir spielten eine Weile, warfen uns Steine zu und lachten, wenn einer von uns den Wurf verfehlte. Es war ein kurzer Moment der Normalität, in dem wir uns wie normale Brüder fühlten. Doch unser Spiel wurde abrupt beendet, als Vater aufwachte und aus dem Haus torkelte. "Wilhelm!" brüllte er, und wir erstarrten. Er warf Wilhelm ein paar Groschen zu. "Geh in die Stadt und besorg mir was zu saufen!“
Wilhelm fing die Münzen auf und nickte. "Komm, Adal. Lass uns gehen." Wir machten uns auf den Weg in die Stadt, und obwohl ich wusste, dass wir für einen schrecklichen Zweck unterwegs waren, genoss ich die Zeit mit meinem Bruder.
In der Stadt herrschte geschäftiges Treiben. Händler priesen ihre Waren an, und Menschen hasteten umher. Wilhelm führte mich geschickt durch die Menge, und als wir an einem Bäcker vorbeikamen, blieb er stehen. "Warte hier," flüsterte er mir zu und verschwand in der Menge. Wenige Augenblicke später kam er mit einem Laib Brot zurück. "Lauf!" rief er, und wir rannten so schnell wir konnten, bis wir sicher waren, dass uns niemand verfolgte.
Mit dem geklauten Brot in der Hand machten wir uns schließlich auf den Weg den Alkohol zu beschaffen. „Bier oder Wein?“ fragte mich Wilhelm, als wir vor der Auslage des Händlers ankamen. Ich wusste es nicht. Unser Vater trank alles, solange es seinen Effekt erzielte. So entschied sich Wilhelm für die verkorkte Tonkaraffe mit Wein.
Auf dem Rückweg nach Hause machten wir auf halbem Wege halt. Suchten uns ein schattiges Plätzchen unter einem Baum und genoßen das noch warme Brot. Zuhause hätte es uns Vater vermutlich abgenommen, oder uns nur ein paar Brocken zurückgelassen. Aber so… so reichte der Laib, dass wir uns beide den Magen füllen konnten.
Wir kamen erst am Abend, als die Dunkelheit schon hereinbrach, zurück. Kaum hatten wir die Türschwelle übertreten, flog auch schon das Fell des Schlafgemachs zur Seite und unser Vater torkelte uns entgegen. „Was hat das so lange gedauert… nichts könnt ihr!“ Ich spürte, wie sich meine Muskeln anspannten, in stiller Erwartung eines Hiebs, der die Worte meines Vaters untermauern würde, aber gleichzeitig spürte ich den Arm meines Bruders vor meiner Brust. Ein sanfter Druck mit dem Wilhelm versuchte mich hinter sich zu schieben.

Fast gleichzeitig atmeten wir beide auf, als sich unser Vater dann doch damit zufrieden gab die Karaffe zu nehmen und wieder in seinem Loch zu verschwinden.
Ich kauerte mich in die Ecke mit den Fellen, während sich Wilhelm noch einmal kurz zum Abort verabschiedete. „Ich bin gleich zurück…“. Wie ich meinen Bruder nachsah, wie er aus der Tür verschwand, kam mir die Dunkelheit noch erdrückender vor.
Der Schlag mit dem plötzlich die Felle auf flogen ließ mir das Blut in den Adern erfrieren.

„Verdammte Scheiße! Ich wollte Bier… Bier!“


Ich blickte in die gläsernen, dunklen Augen meines Vaters. Sie waren gezeichnet von Wut und blankem Zorn. Ich kauerte mich zusammen, schlug die Arme über dem Kopf zusammen und harrte dem Schmerz, der mich gleich ereilen würde. Meine Atmung beschleunigte sich, und ich spürte die Tränen, die unaufhaltsam über meine Wangen flossen. Es blitzte vor meinen Augen, als ich die flache Hand meines Vaters auf meinen Hinterkopf traf, ein Schlag, der Schmerz und gleichsam Verzweiflung in mir auslöste.
Ich wagte es nicht, mich zu bewegen. Meine Knie waren zu Gelee geworden, und ich spürte den kalten Schweiß auf meiner Stirn. Die Augen geschlossen, wartete ich auf den nächsten Schlag…
Dann hörte ich Schritte, schnelle und entschlossene. Die Tür schwang auf und als sich zu dem Schmerz kein weiterer gesellte traute ich mich in die Richtung des Geräusches zu spähen.Wilhelm stand dort, sein Gesicht eine Maske aus Entschlossenheit und schmerzhafter Wut. Seine Augen trafen sich kurz mit meinen, voller Sorge und Entschuldigung.

Er zögerte keinen Moment. Mit einem Aufschrei griff er nach dem schweren Hammer, der an der Wand lehnte. Ich sah wie sich die Muskeln in seinem Arm anspannten und er das schwere Werkzeug erstaunlich einfach hochhob. In einer fließenden Bewegung aus dem Sturm heraus lies er den Hammer mit scheinbar erschütternden Kraft auf unseren Vater niedersausen. Ein dumpfer, donnernder Schlag erfüllte den Raum. Mein Vater fiel zu Boden, regungslos und still. Es wirkte fast als schien die Welt für einen Moment den Atem anzuhalten und still zu stehen.

Wilhelm stand da, das Gesicht verzerrt vor Anstrengung und einer Mischung aus Schmerz und Erlösung. Er atmete schwer, der Hammer noch in seiner Hand, die Finger um den Griff gekrampft.
Ich konnte kaum glauben, was geschehen war. Mein Herz raste, und ich fühlte mich, als wäre ich in einem bösen Traum gefangen. Doch die Realität war unausweichlich. Vater lag regungslos auf dem Boden, und Wilhelm stand mit zitternden Händen über ihm.

Wir sahen einander an… es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Ich sah in den Augen meines Bruders eine Mischung aus Trauer, Wut, aber auch ein Funken von Erleichterung. Mit einem lauten Poltern fiel Wilhelm rücklinks auf seinen Hosenboden, das Werkzeug noch immer in der Hand. Ich kroch zu Wilhelm und klammerte mich an ihn. Tränen strömten über mein Gesicht, doch diesmal waren es nicht nur Tränen der Angst und des Schmerzes, sondern auch der Erleichterung. „Es ist vorbei,“ murmelte Wilhelm, „ich beschütze dich. Immer.“
In diesem Moment wusste ich, dass unser Leben sich für immer verändern würde. Die Schrecken der Vergangenheit waren noch nicht vergessen, doch die Zukunft schien heller, und ich wusste, dass ich dank meines Bruders eine Chance auf ein besseres Leben hatte.

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