Man muss Fuchs und Hase sein, Schwarz und Weiß können

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Kalea H. Kranhain
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Man muss Fuchs und Hase sein, Schwarz und Weiß können

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Der Anfang vom Ende

Wenige Jahre in der Vergangenheit

Warm drang der Wind durch die Bretter der Wand und brachte somit die Flammen der Kerzen, welche für eine spärliche Beleuchtung in den Räumlichkeiten sorgten, zum Flackern. Kurz bauschten die mattroten Vorhänge am Fenster auf, als der Wind sich auch diesen Zugang suchte und letztendlich ein aufgeschlagenes Buch dazu brachte hektisch in seinen eigenen Seiten zu blättern. Der störrische Wind wurde mit einem Murren der kleinen Schwarzhaarigen quittiert, die sich unter einem leisen Plätschern des Seifenwassers aus ihrem Zuber erhob und die wenigen Schritte zum offenen Fenster absolvierte. Ehe sie zu den Fensterläden griff, richtete sie ihren Blick in die Nacht hinaus, wo sich ein ihr vertrauter Anblick offenbarte.
Die beleuchteten Docks des eher zwielichtig anmutenden Hafens der tropischen Kleininsel, ein Betrunkener der torkelnd über die feuchten Holzplanken wanderte, Rum der dabei verschüttet wurde, dicht gefolgt von einem verärgerten Ausruf über eben jenes Missgeschick. Unterhalb ihres Fenster erblickte sie Catarina, die mit ihren knapp geschnittenen Kleid ihre ganz persönliche Ware an den Mann bringen wollte und es würde auch nicht lange dauern, da war die Schwarzhaarige sich sicher, da würde einer der Hafenarbeiter dem Anblick nicht widerstehen können – möge es noch so viele Münzen kosten.

Mit einem Schmunzeln zog sie das Fenster schließlich zu, sperrte den tropischen Seewind somit aus ihren Räumlichkeiten aus und macht sich auf den Weg zum Bett, auf welchem das aufgeschlagene Buch lag. Ohne sich abzutrocknen oder sich anzuziehen, setzte sie sich auf das Bett um das Buch zwischen die schlanken Finger zu nehmen. Die, im spärlichen Licht gar schwarz wirkenden, Mandelaugen huschten kurz zur gegenüberliegenden Wand, angezogen von den Lauten die von dort kamen. Es waren Geräusche die man hier alltäglich hörte, die Teil von ihrem Leben waren, seitdem sie das erste Mal das Licht dieser Welt erblickt hatte und jeder der sie hörte, wusste was dort nebenan in dem Zimmer gemacht wurde. Ein anderes Mädchen hatte sich wohl einen der Männer schnappen können, der ihr im Gegenzug dafür ein paar Münzen überreichen würde.
Mit einem kleinen Schmatzen senkte sich ihre Aufmerksamkeit auf das Buch, der Wind hatte die Seiten so weit umgeblättert, dass die aller erste zum Vorschein kam und obwohl sie selber die Verfasserin der Schrift war, konnte sie nicht widerstehen das Niedergeschriebene zu lesen. 
 
12. Tag des 7. Monats im Jahr 58
„Ich bin mir nicht sicher, wie man so etwas anzufangen hat. Wie und warum führt man ein Tagebuch? Dient es nur dazu, dass dem eigenen Geist keine Erinnerungen abhanden kommen oder ist es gar eine Art der Therapie bei all dem Mist, den man hier täglich erleben darf? Vielleicht sollte ich einfach mit dem Anfang beginnen? Mit dem Anfang von allem?

Der Name der mir von meiner Mutter gegeben wurde lautet Madalyn, aber mittlerweile werde ich von den Meisten nur noch Lyn gerufen und mein Leben verdanke ich vermutlich weniger meiner Mutter, sondern eher meinem Vater. Sie erzählte mir einst, dass sie mich abgegeben hätte oder ich gar nicht zur Welt gekommen wäre, wenn mein Vater nicht ein Kunde aus den fernöstlichen Ländereien gewesen wäre. Eine Tatsache die mir ein, für diese Breitengrade, exotischen Aussehen verlieh und das war etwas sehr Gutes. Warum? Es gab viele Männer die nach etwas Abwechslungsreichen suchten, nach etwas, was sie nicht alltäglich sahen und so kam es, dass ich behalten wurde. Sie zog mich hier auf, wo ich heute noch bin, im Freudenhaus der kleinen topischen Insel ohne Namen. Das Freudenhaus, welches von meiner Mutter selbst, die von allen nur „Minfay“ gerufen wurde, geleitet wurde und dessen Kundenstamm zum größten Teil aus Kauf- oder Seemännern bestand.

Das Geschäft der Hurerei war somit schon immer etwas sehr Normales für mich, nichts für das man sich schämen musste, nichts was irgendwie besonders war. Natürlich gibt es Tage auf die man mehr Lust hat, als auf andere, gerade wenn man mal wieder einen Kunden hat, dessen volltrunkener und stinkender Leib einen zu erdrücken droht. Aber am Ende zählt nur das Gefühl des kalten Goldes, welches sich in die Handinnenfläche schmiegt und ein weiterer Tag den man hier überlebt. Im Grunde kann ich wohl froh sein, hier in einem Freudenhaus zu sein, als ein Mädchen auf der Straße, welches wesentlich niedrigeren Bedingungen ausgesetzt ist.

Natürlich hatte ich in meiner Jugend darüber nachgedacht wie meine Zukunft aussehen würde, gerade als Kind waren viele meiner Tage unendlich langweilig gewesen. Ich saß oft nur in der Taverne des Freudenhauses, unterhielt mich mit den Erwachsenen die dort tranken oder war Draußen um mit den Straßenkindern am spielen. Das Schreiben und Lesen brachte ich mir selber bei, das Rechnen lernte ich von den Dirnen – das war immerhin sehr wichtig für meine Zukunft. Ich stellte mir oft vor, dass mein Weg mich irgendwann weg von der Insel bringen würde, aber irgendwie war dieses Vorhaben immer mit so vielen Unsicherheiten behaftet, dass ich bis heute hier blieb und versuche das Beste aus dem zu machen, was sich mir anbietet. Meine Mutter sagt mir immer, dass ich nur wissen muss, wie ich meine Reize einzusetzen habe und dann würde mir die Welt offen stehen. Vermutlich meint sie damit die Welt dieser Insel, aber das wird wohl eher die Zeit zeigen.

Ich will versuchen meine Erfahrungen und Erinnerungen hier festzuhalten, als wäre dieses Buch der einzige Gesprächspartner dem ich vertrauen kann. Vertrauen ist in diesem Leben unbezahlbar und daher viel zu selten.“


Mit einem dumpfen Geräusch wurde das Buch wieder zugeklappt und auf den Nachtisch des ausladenden Bettes gelegt. Schmunzelnd lehnte die kleine Frau sich zurück, kreuzte die Arme hinter ihrem Hinterkopf und blickte zur Decke des Raumes hinauf. Sie war noch immer hier, auf dieser kleinen Insel und auch noch immer in dem Freudenhaus ihrer Mutter Minfay, aber sie musste sich nicht mehr jedem Mann anbiedern. Sie hatte sich einen gewissen Ruf erarbeitet, sie hatte mittlerweile das Geschenk erhalten, sich die Kunden aussuchen zu können, die alle bereit waren einen entsprechenden Preis zu bezahlen. So war es angenehmer und konnte unter Umständen sogar Spaß machen, was wollte sie also mehr?

Das Klopfen an ihrer Tür riss sie aus ihren Gedanken und sie richtete sich mit einem reizenden Lächeln auf den Lippen wieder auf. Es war Zeit zu arbeiten und sie wusste wer da an der Tür auf sie wartete. Rasch strich sie sich das feuchte Haar über die Schultern, überkreuze die Beine in halb aufrechter Position auf dem Bett und erhob die Stimme:
»Komm nur herein Lieber...«
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Kalea H. Kranhain
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Man muss Fuchs und Hase sein, Schwarz und Weiß können

Beitrag von Kalea H. Kranhain »

Der Wandel kommt mit der Zeit

Ein Jahre in der Vergangenheit

Sorgsam wurde das Gold in der schweren, eisernen Schatulle gelegt und jene im Anschluss verschlossen. Sich die Schatulle, welche mittlerweile ein ordentliches Gewicht erreicht hatte, unter den Arm klemmend wanderte sie zum Wandschrank um ihren Schatz dort zu hinterlegen. Sie schweren Türen des Wandschrankes wurden unter einem knarren zugeschoben und im Anschluss abgeschlossen. Sie wusste um die gierigen Langfinger hier auf der Insel und sie musste es diesen ja nicht noch einfacher machen, indem sie alles offen ließ. Zufrieden wandte sie sich vom Wandschrank ab und ließ ihren schwarzbraunen Blick über das Zimmerchen schweifen. Die Bettdecke war noch vom letzten Kunden zerwühlt, der erst vor wenigen Momenten den Raum verlassen hatte und ihre Klamotten lagen auf dem Boden verstreut.
Er war ein eher ungeduldiger Geselle gewesen, aber umso schneller war es immerhin vorbei gewesen. Die Stirn leicht in Falten ziehend setzt sie sich nun in Bewegung um die Klamotten aufzuklauben und in die Ecke auf einen Haufen zu schmeißen, wo sie vermutlich liegen bleiben würden, bis sie die Zeit und die Lust gefunden hatte sie zu waschen. Der nächste Griff ging zur Öllampe neben dem Bett, welches sie zum kleinen, schiefen Schreibtisch trug um sie dort abzustellen. Sie wollte sich gerade niederlassen, da ging ein Rumsen durch die Wand an der ihr Schreibtisch stand, dass ein kleines Zittern durch die Gegenstände auf diesem ging. Fast wäre sie alarmierend wieder aufgesprungen, wäre da nicht der eindeutig positive Laut aus dem Nebenzimmer gekommen, der den Ursprung für sie erklärte. Noebe. Die Rothaarige aus dem Nebenzimmer war halt schon immer rücksichtslos.
Leise grummelnd ließ sie sich letztendlich gänzlich nieder um aus einer der Schubladen ihr Tagebuch zu kramen. Ein kurzes Blättern in diesem, dann angelte sie sich ihre Schreibfeder.
 
22. Tag des 8. Monats im Jahr 64
„Meine ganz persönliche Goldkasse ist mittlerweile auf ein beachtliches Niveau gestiegen und ich hoffe noch immer, dass meine Mutter nichts davon mitbekommt. Wenn sie erfahren würde, dass ich diese Insel verlassen will, um auf eigenen Beinen, mit meinem eigenen Haus zu stehen, würde sie mich vermutlich an mein Bett ketten. Keine schöne Vorstellung.
Fesselspielchen gehören nicht zu meinen Favoriten.
Ich glaube ich muss nur noch ein paar Monate arbeiten, bis ich genügend habe um mit dem nächsten Schiff aufzubrechen. Ich bin mir nicht so sicher, wohin ich möchte, aber ein Kaufmann erzählte mir einst von einer Insel, die sehr belebt und wesentlich größer als unsere sein soll. Das Klima soll dort sehr variabel sein, von sehr kalt, bis sehr heiß, also muss ich schauen, dass ich den kalten Regionen dort eher fern bleibe. Auch erwähnte er, dass es dort kein wirkliches Freudenhaus geben würde, nur ein ziemlich kleines, verwahrlostes Freudenhaus in einem der Häfen. Was für mich bedeutet, dass ich gute Chancen habe etwas Größeres und Schöneres aufzubauen und ein paar der Mädchen, die es verdient haben, von der Straße zu pflücken. Ich muss mir eingestehen, dass es schon eine gewisse Vorfreude ist, die sich da in mir bildet.
Irgendwann, wenn ich an der Position bin, an der meiner Mutter aktuell ist, werde ich nur noch auf die Mädchen aufpassen und das Geschäft leiten. Keine schmierigen Kerle mehr, die glauben sie dürften alles, weil sie Gold für mich bezahlt haben. Keine Schmerzen durch merkwürdige Sonderwünsche mehr, kein Gefühl der Erniedrigung.
Ich bin zwar eine Hure, aber das heißt nicht, dass ich keinerlei Selbstachtung habe. Ich bin kein Stück Fleisch und irgendwann, werde ich an dem Punkt sein, an dem ich mich auch so verhalten kann, ohne als Bettler auf der Straße zu landen.“

Sorgsam wurde das Buch, nachdem die Tinte getrocknet war, zugeklappt und in der Schublade des Schreibtisches verstaut. Mit einem kleinen Gähnen drückte sie sich auf, klaubte eines der kurzen Kleider aus ihrem Schrank, welches sie sich überzog, damit ihr nächster Gang hinunter in die Taverne des Freudenhauses vollzogen werden konnte. Rasch pflückte sie noch ein klimperndes Beutelchen vom Nachtisch, den Anteil den sie ihrer Mutter geben musste, ehe sie sich hinunter begab und sich dort an die Theke setzte. Ihre Mutter hatte bereits auf sie gewartet, das sah sie in ihren erwartungsvollen Augen als sie die Hand ausstreckte und jene erst zurück zog, als sie das klimpernde Beutelchen ihrer Tochter in der Hand hielt. Ein Handwink gen Clarette, die blonde und aufreizend gekleidete Bardame, wurde vollführt und so kam auch Lyn an diesem Abend endlich zu ihrem Essen.
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Kalea H. Kranhain
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Re: Man muss Fuchs und Hase sein, Schwarz und Weiß können

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Unverhofft kommt oft

Die Monate vor der Ankunft

Kurze Einträge in teilweise verschwommener Schrift offenbaren sich auf den Seiten, als wäre die Schreiberin gestört worden oder als hätte sie auf einem unregelmäßigen, beweglichen Untergrund geschrieben. Hier und da mischen sich Tintenkleckse in das Bild ein, komplementieren den Eindruck einer unruhigen Umgebung oder Hand.
17. Tag des 3. Monats im Jahr 65
„Endlich habe ich es geschafft! Ich habe vor wenigen Momenten das Schiff mit all meinem Hab und Gut betreten und werde diese kleine, dreckige Tropeninsel für immer verlassen. Natürlich habe ich keinem Bescheid gesagt, meine Mutter hätte mich niemals gehen lassen. Immerhin behandelt sie mich wie ihr persönliches Eigentum. Das Schiff ist verhältnismäßig groß, ein Dreimaster mit wenig geflickten Segeln und gut geteerten Deck - ich hätte es vermutlich schlechter treffen können. Auch die Mannschaft macht einen motivierten und gesunden Eindruck.“
[…]
25. Tag des 3. Monats im Jahr 65
„Die Seemänner verhalten sich nach wenigen Tagen schon so, als hätten sie für Monate keine Frau mehr gesehen, was nicht unbedingt zu meinem Nachteil ist. Ich kann ihnen sicherlich noch ein paar Münzen abnehmen, um meine Startkasse für mein eigenes Freudenhaus zu erweitern. Das ist doch eigentlich eine ganz gute Idee? Seemänner auf hoher See, ohne ansehnliche Frauen am Bord... das ist als würde man ausgehungerten Wölfen ein Stück frisches Fleisch vorwerfen. Ein Kinderspiel!“
[…]
19. Tag des 4. Monats im Jahr 65
„Ich versteh nicht, was der Kapitän dagegen hat, wenn ich seinen Männern die paar Münzen abnehme, die er ihnen überlässt? Es ist doch die Sache seiner Männer, was die mit ihrem Gold machen und dennoch pisst er sich an's Bein, weil ich auf 'seinem Schiff' Gold verdiene. Was für ein unsympathischer und gieriger Kerl. Ich sollte mich eventuell bis zum Ende der Überfahrt ein wenig bedeckt halten, ich hab das ungute Gefühl, dass er etwas plant... und das nicht nur, weil er mir damit gedroht hat und ich mich irgendwie mehr beobachtet fühle als sonst...“
[…]
07. Tag des 5. Monats im Jahr 65
„Ich hab mich erst einmal beruhigen müssen, ehe ich wieder etwas niederschreibe, einfach weil ich zu wütend und verzweifelt war, dass mir die Worte fehlten. Es ist alles weg, dieser Sohn einer dreckigen Hafenhure hat mir tatsächlich alles genommen was ich mir über die Jahre angespart habe. ALLES! Bis auf die letzte, kleinste Münze und all den Schmuck den ich mir über die Zeit hart erarbeitet habe.
Ich habe die ganze Nacht überlegt, was ich nun machen soll und letztendlich bleibt mir nicht viel anderes übrig, als noch einmal von vorne anzufangen. Ich werde gewiss nicht wieder zurück zum Haus meiner Mutter, diese Erniedrigung muss ich mir nicht antun. Ich kann mir ihr rechthaberisches Grinsen bis in das kleinste Detail vorstellen. Grausam.“

[…]
10. Tag des 05. Monats im Jahr 65
„Morgen geht es endlich an Land. Endlich, ein Lichtblick!
Ich kann dieses ewige Geschunkel und die gierigen, sabbernden Blicke der Männer nicht mehr ertragen - ein paar davon habe ich ranlassen müssen, weil ich ihnen nicht traute sich noch länger unter Kontrolle zu haben.
Nun freue ich mich endlich auf etwas Ordentliches zu Essen, auf einen guten Wein und ein richtiges, warmes und kuscheliges Bett. Ansilon.
Ansilon klingt doch eigentlich nach einem netten Örtchen und ich bin mir sicher, dass ich dort auch den ein oder anderen Kerl erwischen kann, der mir ein wenig beim ersten Gold unter die Arme greift. Ich muss diese elendige Reisekleidung und das Salzwasser von meiner Haut loswerden.“

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Kalea H. Kranhain
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Re: Man muss Fuchs und Hase sein, Schwarz und Weiß können

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Gemischte Gefühle

2. Tag des 10. Monats im Jahr 66
„Es ist eine ganze Weile her, dass ich etwas in diesem abgegriffenen und teilweise zerfledderten Büchlein niedergeschrieben habe. Das liegt grundlegend an all den Dingen die mir hier, nach der Ankunft in Ansilon, passiert sind. Dinge die mich ständig beschäftigten, so dass ich nur selten einen Moment fand, um etwas auf Papier zu bringen.
Warum finde ich nun die nötige Zeit und Ruhe?
Weil ich sauer bin. Verdammt sauer... und ich weiß nicht, wohin damit. Es gibt keine Lösung die sich mir offenbart, kein Weg den ich mit Gewissheit gehen kann.
Um meine Gedanken zu ordnen, will ich aber von Vorne beginnen.

Wie ich auf dem Schiff vermutet hatte, war es eine Leichtigkeit in Ansilon einen Mann zu finden, der bereit war, für eine kleine Gegenleistung mir ein wenig unter die Arme zu greifen. Zugegeben hatte ich eher auf einen reichen Schnösel oder Händler gehofft, als auf diesen waldschratigen Dieb, aber ich musste wohl das nehmen, was sich mir anbot.

Es fiel mir nicht sonderlich schwer hier Fuß zu fassen. Kunden gab es genug, Räumlichkeiten und Unterkünfte auch. Der Dieb der mir unter die Arme gegriffen hatte, wurde mit der Zeit eine Art Geschäftspartner – auch wenn seine unausstehliche Art teilweise an meinen Nerven zerrt. Bei meiner Berufung ist es niemals falsch jemanden zu haben, der ein Auge mehr offen hält. Es strich einige Zeit an mir vorbei und ich muss mir eingestehen, dass diese Art von Geschäftspartner mehr Vor- als Nachteile mit sich bringt. Selbst ein Waldschrat und ein Dieb kann wohl gute Seiten offenbaren.

Ich nahm ihn gar mit, als ich für zwei Mondläufe wieder in die Heimat musste, weil es meiner Mutter nicht gut ging und ich es dann doch irgendwie, trotz allem was sie mir angetan hatte, nicht über das Herz bringen konnte. Rückblickend war es wohl aber ein Fehler, dass ich ihn dort mit hingenommen hatte. Ein Fehler der mir nun wie ein Stein auf den Schultern ruhte und ohne den alles einfacher sein könnte.

Es war vor vier Tagen, als er – für einen Tageslauf – aufbrechen wollte, um einen wichtigen Auftrag zu erledigen. Ich hatte mir zuerst Sorgen gemacht, als er selbst am zweiten Tag nicht aufgetaucht war, aber mittlerweile bin ich nur noch sauer. Hätte er mir dieses Problem nicht an das Bein gebunden, wäre ich nun einfach gegangen, ich hätte mir sein Gold gekrallt, mir ein Heim in Ansilon gesucht und wäre meiner Arbeit wieder nachgegangen. Aber so?
Hatte er es sich anders überlegt und sich klammheimlich verpisst? Wenn dem so ist, wird er, werde ich ihn jemals wieder sehen, wirklich kennen lernen, zu was ein Mädchen von der Insel fähig ist.
Oder war ihm einfach etwas passiert? Aber selbst dann, es änderte nichts an meiner Situation. Hier tief im Wald, in der arschkalten Gegend, mit einem Problem, welches ich nicht loswerde.

Hätte ich doch nur auf Mutter gehört.

Ja, dann wäre es vermutlich ganz anders verlaufen. Dieses Bemitleidung meiner Person ist aber ebenso wenig hilfreich, wie das dumme Rumsitzen in dieser verdammten Hütte. Ich bin aktuell noch zu wütend, um einen klaren und strukturierten Gedanken zu fassen, aber vielleicht fällt mir die Tage ein, was ich nun tun soll. Immerhin... habe ich hier genug Zeit. Mitten im Wald.

Hab ich schon einmal geschrieben, dass ich die Natur hasse?"
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Kalea H. Kranhain
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Re: Man muss Fuchs und Hase sein, Schwarz und Weiß können

Beitrag von Kalea H. Kranhain »

Ein neues Leben.

Fast ein Jahreslauf war sie nun in diesem Land, welches von einer Vielzahl an Überraschungen, unerwarteten Fügungen und seltsamen Persönlichkeiten geprägt wurde und sie hatte wohl nicht damit gerechnet, dort zu landen, wo sie nun war. Wenn sie die Augen schloss konnte sie manchmal noch den tropischen Wind ihrer Heimat in den onyxschwarzen Haaren ihres Hauptes spüren oder das Geräusch der Palmen hören, die sich raschelnd dem stürmischen Seewind beugten, welcher in der Nacht nicht selten über die kleine Insel fegte. Damals wusste sie, wenn der salzige Seewind sich heulend durch die Bretter des Freudenhauses zwängte und der Geruch von Rum, Schweiß und Schwefel aus dem Erdgeschoss ihr in die Nase stieg, dass sie Zuhause war. Es hatte ihr gesamtes Leben ausgemacht, war stets ein fester Teil davon gewesen, bis sie sich entschlossen hatte den Anker zu kappen und sich der wilden See der Ungewissheit zu widmen.

» Freiheit «

Der simple Wunsch nach dem Gefühl niemanden mehr Rechenschaft schuldig zu sein, sich keinen Regeln oder Auflagen ihrer Mutter mehr beugen zu müssen, war es der sie mit vollen Segeln davon trug. War sie mit ihrem fernöstlichen Aussehen schon in ihrer tropischen Heimatsinsel ein Exot gewesen, geschuldet dem ihr unbekannten Vater, so fühlte sie sich in diesem Land nun gar deplatziert in der ersten Zeit. Die fast schwarzen und mandelförmigen Augen, denen nur im Sonnenschein in dunkler Braunton entlockt werden konnte, passten nicht unbedingt in das Bild der anderen Bewohner hinein – aber vielleicht war auch gerade diese Auffälligkeit, die sie dorthin brachte, wo sie nun war.

Tief in den Wäldern, bei einem Mann den sie ihren Geschäftspartner nannte, einen Dieb, ein Betrüger, ein Wichtigtuer und doch lag ihr vermutlich mehr an ihm, als sie es vor sich selber zugeben würde. Dass sie sich selber belog, würde sie vermutlich erst viel später registrieren.


- Wenige Tage nach der Geburt -

Nachdenklich schwappte ihr Blick vom „schlafenden“ Ar'dran und dem Neugeborenen zurück zum noch leeren Pergament, welches vom flackernden, dumpfen Schein der kleinen Kerze erhellt wurde. Die Finger tippelten nervös auf dem hölzernen Untergrund des Tisches herum, während die Schreibfeder immer wieder in das Tintenfässchen getauft wurde, nur damit sie im Anschluss ratlos auf das Pergament starren konnte. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie ihr Inneres schließlich zusammenraffte, um den Brief an ihre Mutter zu verfassen.


Möge die See dir gnädig sein Mutter

Ich bin mir sicher, du hast nicht damit gerechnet je wieder von mir zu hören, nachdem wir dich im letzten Jahreslauf zum letzten Mal besucht hatten. Auch wenn ich dir sagte, dass ich nie wieder wiederkehren würde und ich mir in diesem neuen Land selber etwas aufbauen würde, fühle ich mich unter den aktuellen Umständen gezwungen dich von etwas in Kenntnis zu setzen.

Du erinnerst dich sicher an den breitschultrigen Mann, den ich dir als meinen Geschäftspartner vorgestellt habe und du schlägst sicherlich die Hände über den Kopf zusammen, wenn ich dir nun mitteile, dass er der Vater meiner Tochter, deiner Enkelin ist. Glaub mir, wenn ich dir schreibe, dass es Anfangs nur ein Handel war, den ich eingegangen bin, als sich herausstellte, dass die Vorsicht nicht schwanger zu werden, misslungen war. Er hat mir einiges dafür geboten, dass ich sein Kind weiter austrage und was soll ich sagen, die Gier nach Gold steckt nicht nur in dir, sondern auch in mir.

Natürlich habe ich zwischenzeitlich gezweifelt und dir muss ich wohl nicht erklären, wie ätzend es war schwanger zu sein. Das Gefühl immer runder und fetter zu werden, die schmerzenden Füße, der jammernde Rücken und die Stimmungsschwankungen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Frau je schlimmer darin sein wird, als ich es über die letzten Monde war. Man muss Ar'dran wohl dafür respektieren, dass er mich nicht einfach vor die Tür seiner Hütte gesetzt hat – auch wenn eine unglückliche Fügung dazu führte, dass er mich tatsächlich für einen Mondlauf allein im Wald zurückgelassen hatte. Ich weiß, spricht nicht unbedingt für ihn.

Du kennst deine Tochter, du weißt wie ich werden kann, wenn etwas nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle und ich war mehr als einmal kurz davor den Handel abzubrechen und ihm jedes Seeungeheuer und Schiffsunglück zu wünschen, welches nur irgendwie möglich war. Auch wenn ich lange gebraucht habe um ihn zu verzeihen, für etwas, wofür er im Grunde gar nichts konnte, hatte es auch seine guten Seiten. Gute Seiten für uns, du würdest dich nun wohl fragen, was aus deiner 'Erziehung' geworden ist – aber das Leben nimmt manchmal wohl auch Wege die man selber nicht für einen in Betracht gezogen hat.

Ich habe mich mit den Gedanken angefreundet eine 'Mutter' zu sein, auch wenn ich es mir noch immer nicht so recht vorstellen kann und ich vermutlich nicht die beste Wahl für so etwas bin, jedoch macht Ar'dran sich gut als Vater und ich weiß, das ihm etwas an uns liegt, auch wenn es mir schwer fällt das richtig zurückzugeben.
Manchmal frage ich mich, was aus einem Mädchen wird, dessen Eltern eine Hure und ein Dieb sind – aber dann wiederum betrachte ich unsere gesamte Situation und bin zufrieden. Ich bin in einem Freudenhaus aufgewachsen und auch wenn einige sagen würden, ich wäre ganz und gar nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechend, so fühle ich mich damit wohl. Ich denke das wir diese Zufriedenheit mit dem, was man hat, zu leben auch unserer Tochter mit auf den Weg geben können.

Es hat sich so angefühlt als wäre ich es dir schuldig gewesen, dich darüber in Kenntnis zu setzen und nun da diese Zeilen geschrieben sind, bin ich mir gar noch mehr darüber bewusst, dass ich die richtige Entscheidung getroffen habe. Es ist mit Sicherheit nicht einfach, aber ich wäre sowieso nicht mehr am Leben, wenn du mich als Schwächling erzogen hättest.

Ich hoffe du findest endlich deinen Frieden damit und deine Geschäfte auf der Insel laufen wie du sie dir wünscht. Grüß die Mädchen von mir.

Stets eine sichere Fahrt, Mutter.

gez.
Lyn
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Kalea H. Kranhain
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Re: Man muss Fuchs und Hase sein, Schwarz und Weiß können

Beitrag von Kalea H. Kranhain »

Ein endgültiger Schlussstrich

Stillschweigend lauschte sie dem Rauschen des kalten Herbstwindes, welcher durch die immer lichter werdenden Blätterkronen des Nordwaldes strich. So gut wie alle Blätter hatten mittlerweile einen roten oder braungoldenen Ton angenommen und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Baumkronen kahl, wie unheimliche Gestalten, sich in den Nachthimmel erheben würden.
Ein deutlicherer Windzug presste sich durch die Bretter der Holzhütte und ließ sie für einen Moment frösteln, wodurch sie wenige Augenblicke später eines der Felle näher zog und einen kontrollierenden Blick zur Wiege von Lien warf, um sicherzugehen, dass die kaum zwei Mondläufe alte Tochter auch wirklich gut eingepackt war.

Sie schlief friedlich – noch. Wenn Madalyn wach war, was das meist der Fall, doch mittlerweile keimte in ihr die Vermutung hinauf, dass dieses kleine Wesen nur darauf wartete auf sich aufmerksam zu machen, sobald seine Mutter glaubte, endlich ein wenig Ruhe zu haben. In ihren Adern floss nun einmal das Blut der Isla, das Blut von Seeräubern und anderem Gesindel.

Bei den Gedanken an ihrer Heimat warf sie die schwarzbraunen Mandelaugen zum Fenster, durch welches sie in die dunkle Nacht blicken konnte. Vereinzelt konnte sie die hellen Sterne am dunklen Himmelszelt erblicken und auch der Mond war durch die Baumkronen zu erkennen. Sie dachte an ihre Mutter. Die Frau, die Besitzerin des Freudenhauses der Isla, welche der Grund dafür war, dass sie ihr gesamtes Leben in eben diesem Freudenhaus verbracht hatte... bis auf die letzten anderthalb Jahre.

In diesen letzten Jahren hatte sie gemerkt, wie schön es war einfach frei zu sein und jede Entscheidung selber treffen zu können. Die Ketten ihrer Mutter abgeworfen, schon mit der Reise in diese neue Welt. Doch trotz all dem hatte sie nach wie vor das Gefühl an sie gebunden zu sein, nicht nur durch das Blut, sondern auch durch den gemeinsamen Namen „Minfay“. In ihrer alten Heimat war „Minfay“ ein bekannter Name gewesen, jeder dreckige Seemann und jeder schmierige Händler wusste, womit dieser Name in Verbindung stand. Wenn sie daran dachte, dass sie selber diesen Namen … oder noch schlimmer Lien … ihn trug, keimte eine unbestimmte Wut in ihr hinauf.

Sie hatte gewiss nichts gegen die Hurerei, ganz im Gegenteil. Sie hatte noch immer das Ziel vor Augen irgendwann selber ihr Freudenhaus zu eröffnen, aber nicht unter eben diesen Namen. Sie wollte selbständig sein, vollkommen losgelöst von den Ketten der Vergangenheit und keiner sollte Wissen mit wem sie durch das Blut verbunden war. Lien sollte losgelöst von diesem schwerwiegenden Namen aufwachsen können.

Nachdenklich zog sie das Fell enger um die Schultern, ehe sie aus einer der Kisten ein altes, abgebrabbeltes Büchlein nahm. Ihr Tagebuch welches sie nun gute zehn Jahre führte und entsprechend war dies nur eines von vielen Büchern, wo sie ihre Gedanken festgehalten hatte. Sie suchte zwei bestimmte Einträge und so blätterte sie eine Weile, bis sie diese gefunden hatte...


23. Tag des 8. Monats im Jahr 62
Ich habe diesmal nicht Ruhe gegeben und meine Mutter so lange genervt, bis sie mir mehr von meinem Vater erzählt hat. Baihu Li Zhang. Ein merkwürdiger Name, doch musste das mit seiner Herkunft zusammenhängen, denn Mutter teilte mir mit, dass er aus Ländereien im fernen Osten stammen würde und das alle Menschen dort die schmalen, dunklen Mandelaugen und das seidige schwarze Haar hätten, was ich auch mein eigen nennen darf.

Zu meiner Enttäuschung konnte sie mir auch nicht sonderlich viel mehr erzählen. Sie sagte, dass er zwischendrin von seiner Arbeit geredet hätte. Er schien so etwas wie ein Gelehrter gewesen zu sein, ein Schriftführer, Forscher oder Entdecker? Das konnte ich nicht so richtig schlussfolgern, denn Mutter war eher grimmig bei unserer gesamten Unterhaltung. Wie immer wenn ich meine Wurzeln versuchte zu ergründen – denn in ihren Augen gab es nur die Isla für mich und alles was mich von jener wegleiten konnte, war eine Gefahr.

Ich konnte nur hoffe, dass er irgendwann seinen Weg zurück zur Isla finden würde. Vielleicht auf einer erneuten Forschungsreise? Vielleicht wusste er von mir? Wobei nein, wenn er von mir wissen würde, dann wäre er schon längst zurück gekehrt. Mutter hat es ihn bestimmt verheimlicht. Ich verwette meinen nächsten reichen Kerl darauf!



06. Tag des 11. Monats im Jahr 63
Ich kann gar nicht glauben was heute passiert ist. Der Tag fing so unscheinbar an, doch am Mittag legte ein Schiff im Hafen an, welches für eine gewisse Aufruhr unter den Tagelöhnern und Seeleuten führte. Es hatte unzählige Segel, mehr als man es von gewöhnlichen Schiffen kannte und das Holz war in einer auffälligen roten Farbe gestrichen. Am Bug befand sich der Kopf eines... Löwen? Oder eines Drachens? Das war schwer zu beschreiben, es wirkte sehr kunstvoll und demnach nicht nah an der Realität. Ich glaube jedoch es war mehr ein verschnörkelter Löwe mit komischen Gesichtsausdruck.

Die Mannschaft an Bord trug fremdartige Kleidung und alle samt hatten ein ähnliches Aussehen – ähnlich wie meines. Ich wusste sofort, dass das ein Schiff aus dem fernen Osten sein musste. Ich hörte das Tuscheln unter den Mädchen, während wir in der Runde saßen und aus dem Fenster hinaus, auf den Hafen blickten, wo da geschäftige Gewusel seinem Lauf nahm. Sie zerrissen sich nun schon die Mäuler darüber, wie es wohl mit „so einem“ sein musste.

Ich jedoch hoffte darauf, dass auch mein Vater unter den Anwesenden sein würde und so harrte ich zwar den ganzen Tag aus, aber es passierte nichts. Ich sah die Männer in den Abendstunden mit den Mädchen auf deren Zimmer verschwinden... und das war's. Vielleicht ergibt sich etwas Morgen? Mutter wirkt ziemlich ungehalten und beobachtet mich die ganze Zeit.



07. Tag des 11. Monats im Jahr 63
Wie soll ich das nun anfangen? Auch heute dachte ich, es wäre wieder vergebenes Warten gewesen, doch in den Abendstunden sprach mich einer der fremdländischen Männer schließlich an. Im ersten Moment war ich wohl genervt, weil ich dachte, er würde nur dem typischen Geschäft in diesem Haus nachgehen – doch ich irrte mich.

Er sprach zuerst in fremder Zunge mit mir, als würde er, ob meines Aussehens erwarten, dass ich ihn verstehen würde – doch er wechselte schnell in eine eher gebrochene Handelssprache, als er wohl meinen fragenden Gesichtsausdruck bemerkte. Er fragte nach meinen Namen, dann wie ich hier her kommen würde.

Ich erzählte ihm meine ereignislose Geschichte und was soll ich schreiben? Es war tatsächlich mein Vater, der da vor mir saß und mit dem ich mich den ganzen Abend unterhalten hatte, bis ich nun hier vor diesem Buch sitze und versuche meine Gedanken zu ordnen.

Er war wirklich so etwas wie ein Schriftführer, er erzählte mir, dass er im Namen seines Kaisers die Meere zeichnen sollte um neue Handelsrouten und dergleichen zu offenbaren. Ein Kartograph vermute ich, auch wenn er das Wort in der Handelssprache nicht zu finden schien. Er erzählte mir, dass er aus dem Reich des Shixin kommen würde, aus einem Ort welchen er Yazhen nannte. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich diese Namen richtige schreibe, seine Sprache klingt so fremdartig.

Gut das meine Mutter an diesem Abend gut mit den Gästen des Schiffes beschäftigt war, denn hätte sie mitbekommen, wie mein Vater mir angeboten hatte, mit ihm zu kommen, hätte sie vermutlich einen typischen Tobsuchtsanfall bekommen. Natürlich fragte ich ihn warum und er erzählte mir, dass er seine Frau früh verloren hätte, ohne das sie je Kinder bekommen hätten und das sein Blut auch in meinen Adern fließen würde. Das schien genug Grund für ihn zu sein, aber ich lehnte ab. Ich gehörte zu dieser Isla und doch war ich unendlich froh endlich diesen Teil meiner Wurzeln kennen gelernt zu haben.


Mit den Fingerspitzen strich sie über den Namen ihres Vaters ehe ein kleines Seufzen über ihre Lippen drang und sie das Buch wieder zuklappte. Wie naiv sie damals gewesen war. Sie hätte das Angebot des Vaters annehmen sollen – aber es war im Grunde noch nicht zu spät? Er hatte Recht gehabt, in ihr floss nicht nur das Blut der Isla, das Blut der Minfay's, sondern eben auch das Blut der Li Zhang's und wäre sie unter gewöhnlichen Umständen geboren, hätte sie den Namen ihrer Mutter niemals getragen.

Das Schwarzbraun der Augen strich zu schlummernden Lien und die Mundwinkel hoben sich sanft an. Das Kapitel der Isla, die Ketten der Mutter, würden endgültig gelöst werden, wenn sie sich auf den Namen ihres Vaters berufen würde und irgendwann, da war sie sich sicher, würde sie diesen sicher wiedersehen.

Sie war nicht länger eine Minfay, sie war Madalyn Li Zhang, ein Name der ihrem Aussehen entsprach und hoffentlich mehr ihrem Wesen. Ein Name den auch Lien als ihre Tochter tragen würde.
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