Es war ein angenehmer Abend und die Sonne war wohl schon vor Stunden untergegangen, als Van noch einmal durch die Stadt zog, um seinen treuen Gefährten in die Stallbox zu bringen. Seine Schritte führten ihn an der Taverne vorbei und er betrachtete noch beiläufig die schönen Blumen, die sich an der Mauer davor befanden. Sie hatten sich ein Fleckchen zwischen dem gepflasterten Weg und der Trennmauer erobert und strahlten in allen Farben, die man sich nur ausmalen konnte. Langsam ritt er gen Stadttor und die Hufe seines Pferdes schienen einen gleichmäßigen Takt in die Straßen zu schmettern.
twas verwundert erblickte er dann Corvin im Gespräch mit einem Mann. “Wie immer noch am Schuften” dachte er bei sich und trat sachte näher. Corvin stellte den Mann als Giselbrecht Gosselhelm vor. Er trug eine unscheinbare Robe und seine Stimme klang, als wäre sie mit den Geheimnissen der Welt vertraut. Giselbrecht wirkte wie jemand, der schon vieles gesehen hatte, und dessen Wissen tiefer reichte, als es Worte jemals ausdrücken konnten. Er schaffte es geschickt, mit seinen Worten zu umschmeicheln, gleichwohl es aber nicht geheuchelt wirkte. Corvin machte sich beiläufig aus dem Staub und überließ Van dem geschehen.
Giselbrecht zog einen kleinen, unscheinbaren Samen aus seiner Manteltasche hervor. Der Samen lag sicher in seiner Handfläche, als wäre er ein wertvoller Schatz, und Van konnte einen schwachen, goldenen Schimmer auf seiner Oberfläche erkennen. Giselbrecht sprach weiter, während Van immer noch prüfenden Blickes den Samen einzuschätzen versuchte. „Dieser Samen, junger Van“, sprach er mit ruhiger Stimme, „ist kein gewöhnlicher Samen. Ich habe ihn vor langer Zeit von einer Frau erhalten, deren Namen ich nicht kenne. Sie sagte mir, dieser Samen solle zu einer Pflanze heranwachsen, um Sie zu retten. Scheinbar, um ihren ewigen Frieden zu finden.“ Van nahm den Samen in die Hand und betrachtete ihn genau. Er spürte eine subtile Kraft, die von ihm ausging, und etwas in ihm sagte, dass dieser Samen tatsächlich außergewöhnlich sein könnte.
“Ich habe es nicht geschafft, ihn zum Keimen zu bringen“ gestand Giselbrecht. „Ich habe viele Versuche unternommen, doch der Samen blieb inaktiv, als ob ihm etwas Wesentliches fehlte.” Nachdem er aus seinen Erinnerungen der Begegnung mit der Frau noch einige Hinweise offenbart hatte, welche die Vorgehensweise zum Anwachsen bis hin zum Aufwachsen in rätselhaften Verse darlegten war die Neugier gänzlich in Van erwacht. Van fühlte, wie die Schwere der Verantwortung auf ihm lastete, doch zugleich verspürte er eine tiefe Neugier und eine leise Aufregung. Er wusste, dass diese Aufgabe mehr war als nur ein Spiel – es war hoffentlich ein Pfad, der der Frau ihren Frieden geben kann. Oder sollte es doch zu etwas Großem führen? „Ich werde es versuchen“, sagte Van schließlich. „Ich werde alles machen, dass dieser Samen wachsen kann.“