Lars einmalige Kenntnis über die Runensteine ermöglichte es ihm, einen Prozess zu entwickeln, der sogar von Personen durchgeführt werden konnte, die keine magische Affinität hatten. Es war im Grunde ein Handwerksprozess, der bei strikter Nachahmung zum Erfolg führte. Diese Errungenschaft ermöglichte vor allem Rüstungsgegenstände mit mystischen Wirkungen zu versehen - zum Vorteil des Trägers.
Lars legte den neuen Runenstein, den er “Runenstein der Feder” taufte, beiseite und rollte ein leeres Pergament aus. Er tauchte einen Federkiel ins Tintenfass und begann zu schreiben:
Wie bei allen Runensteinen lassen sich die Mysterien der Wirkweise nicht konkret klären. Ungeklärt bleibt der Ursprung der Runensteine und deren Rohlinge - in keinem meiner Versuche ist es geglückt, derartiges magisches, arkanes Potential an ein Objekt zu binden, wie es bei den fertigen Runensteinen des alten Kontinents der Fall ist. Selbst unter Berücksichtigung und Nachahmung der Runenprägungen lässt sich kein Erfolg ausmachen. Zweifelsohne liegt es an dem unbekannten Material, aus dem die Runensteine bestehen. Vermutlich herrscht eine Synergie zwischen Runensymbolik und dem Rohstoff. Das an Stein erinnernde Material stellt hierbei das größte Mysterium dar. Es lässt sich mit Weisssagungsmagie kein Ursprung ausmachen und tatsächlich auf keine mir bekannte extradimensionale Ebene zurückverfolgen. Irgendetwas muss also diese Errungenschaft auf unsere materielle Ebene gebracht haben. Die neue Welt, auf der wir gelandet sind, weist wundersamerweise ein vermehrtes Aufkommen von rohen Runensteinen auf. Dieses Halbzeug war nun Kern meiner Experimente.
Runenstein der Feder
Benötigte Materialien:
- 1 unbeschädigter Runensteinrohling
- 1 magischer Kristall brauner Gattung
- 20 Federn, mittlere Größe
- Einfaches Runenpulver
- Mein eigens entwickeltes Runenschmiedewerkzeug bestehend aus Hammer, Meißel und Zange (Konstruktionspläne anbei im “Runenschmieden-Kompedium Teil I”)
- Mörser zum Pulverisieren der Knochen und der Zusatzmaterialien (In diesem Fall die Federn)
- Schraubstock
Zum Herstellungsprozess:
Wird ein Runenstein gefunden, gilt es, darauf zu achten, dass er unbeschädigt ist. Durchsetzen den Stein Risse oder gibt es Bruchstellen, die den Bereich für das Runensymbol oder der magischen Kristallfassung verletzen, sollte man von der Bearbeitung absehen. Unerwünschte, explosive Entladungen und Zerstörung des Halbzeugs sind sonst die Folge.
Der Runenstein wird von Verunreinigungen befreit und in einen Schraubstock eingebracht. Mit Hilfe eines Kohlestiftes wird die gewünschte Rune für den späteren Wunscheffekt aufgezeichnet. Die Proportionen müssen exakt dem Muster entsprechen. Runen und deren Muster findet man ebenso in dem Kompendium-Kompendium Teil I. Anschließend folgt die Gravur mit Hilfe des Graviermeißels vom Runenschmiedewerkzeug. Die Methodik der Gravur ist nicht anders als bei einem Steinmetz. Ist die Gravur frei von Makeln geglückt, setzt man einen magischen Kristall in die Fassung und aktiviert damit einen Teil seines Energien.
Die eingebrachte Rune sollte nun blau lumineszieren. Jetzt nimmt man die Runenpulver, das aus Knochen gewonnen wurde und mit dem pulverisierten Zusatzmaterial (in diesem Fall Federn) vermengt wurde.
Ähnlich wie beim Salzen von so mancher Speise, lässt man das Pulver auf die Rune herabrieseln. Ein helles, blaues Aufglühen der Rune signalisiert den geglückten Runenschmiedeprozess. Die fertige Rune kann dann in ein Rüstungsteil eingesetzt werden, um dann federleicht zu werden!
Lars steckte den Federkiel zurück ins Tintenfass und lehnte sich auf seinem Stuhl mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck zurück. “Mit dieser Errungenschaft werde ich mindestens eine Millionen Groschen machen!” plapperte er vor sich hin.
Ohne seine Werkstatt noch aufzuräumen, verließ Lars dann den Raum. Es war schon spät in der Nacht und die vergangenen Monate auf der Insel haben dem gierigen, alten Mann sehr viel abverlangt. Die Runensteine waren sein Lebenswerk und er war sich sicher, dass er der Einzige ist, der ihr Geheimnis offenbaren kann.
Diese Tatsache war auch allgemein bekannt - vor allem dem Erzmagier Thalador Eisenglanz.
“-Ex Por-” flüsterte der Erzmagier als Worte der Macht. Mit einem klickenden Geräusch öffnete sich dann schon das Schloss der Tür zu Lars Werkstatt. Thalador klopfte sich den Reagenzienstaub von den Händen, um dann eine neue Prise magischer Zutaten in die Hand zu nehmen. Diesmal waren es die Worte “An Lor Xen", die einen Effekt herbeiführen. Ein Wimpernschlag später war der alte Zauberwirker mit dem übergroßen Magierhut unsichtbar. Nur ein Knarren des alten Dielenboden verriet die Bewegungen des alten Mannes. Schritt für Schritt auf Zehenspitzen näherte sich Thalador dem Objekt der Begierde: Lars Buch über das Runenschmieden. Aus dem Nebenraum versicherten deutliche Schnarchgeräusche, dass keine Gefahr droht, entdeckt zu werden.
So wurde die Schrittfolge des Erzmagiers hastiger - am Werkstatttisch angekommen hielt er es dann schon in den Händen. “Endlich!” rief er dann lauter aus als er sollte.
Abrupt stoppte das Schnarchen aus dem Nebenzimmer. Eilige Schrittgeräusche drangen in Richtung der Werkstatt. Zu Thaladors Überraschung war Lars trotz des ebenfalls fortgeschrittenen Alters recht flott unterwegs. Schnell wurde das Runenschmiedebuch in eine Tasche gesteckt. Ihm blieb nur die Flucht mit Magie. Mit eifrigem Gestikulieren und Herumrudern der Arme und natürlich dem Einsatz von Reagenzien und Worten der Macht rief er “Kal Ort Por!”. Lars kam gerade zur Tür rein, als er Thalador sich in Luft auflösen sah.
So kam es nun, dass durch eine Fehde zwischen Erzmagier Thalador Eisenglanz und Lars das Wissen über das Runenschmieden an die Öffentlichkeit geriet.