Pfad des Ewigen Ausgleichs - Prolog
Der von Hitze erfüllter Gesang des Windes bahnte sich den Weg an ihrem Gesicht vorbei. Winzig kleine Sandkörnchen wurden von der aufsteigenden Luft an ihr Gesicht herangetragen. Manch einer mochte dies als lästig oder gar unangenehm empfinden. Doch für sie war es Heimat – sie empfand es sogar als angenehm.
Die Sonne bahnte sich schon langsam wieder ihren Weg über den Horizont und verkündete die baldige, hereinbrechende Nacht. Auch wenn die Hitze jetzt noch allgegenwärtig war, so würde es in schon wenigen Stunden fröstelnd kalt sein.
Sie saß vor alten mit Sandstein errichteten Gemäuern – kurz vor Nalveroth. Der Wüstensand hatte auch an diesen Gemäuern seine Zeichen hinterlassen und Kerben in das Gestein geschlagen. Manche Teile des Gemäuers wurden so stark geschwächt, dass sie in sich zusammengefallen waren.
Doch der Wüstensand wusste um das hier stehende Gebilde Bescheid, beschädigte es nicht weiter, füllte die vernarbten Strukturen mit schützenden Sandfugen und legte sich vorsichtig vor die Gemäuer der Strukturen.
Dies war ihre Heimat. Das Equilibrium hatte sie hier gebracht – in die Neue Welt. Trotzdem blieben die Erinnerungen an die alte Heimat allgegenwärtig. Sie schloss die Augen für einen Moment und kehrte dorthin zurück, wo alles begann.
>>Endlich..<<
Entkam es der ausgetrockneten Kehle äußerst erleichtert. Sie hatte ihr Ziel erreicht. Der Pfad führte sie über die Berge, in das Land Britain. In der Ferne konnte man das Königreich Britain und die prachtvollen Wälder des Reiches erkennen.
Britain, die Hauptstadt befand sich weit im Süden und hatte den größten Hafen im ganzen Land.
Krankheiten, Hungersnöte, Raub und Mord waren der Alltag in diesen Gebieten. Kromas lag einige Kilometer östlich von der Hauptstadt entfernt und hatte ebenso wie die Hauptstadt große Erzvorkommen aufzuweisen.
Teana war eine junge Frau, im Alter von 21 Wintern. Dunkelblondes, glattes Haar ragte ihr bis weit unter die Schultern. Von der einfallenden Sonne des wolkenfreien Himmels, funkelten ihre Augen wie ein beschlagender Saphir. Vor nun mehr als zwei Wochen begann ihre Reise. Sie war die Tochter eines Bauern aus Jelomnia. Dort half sie ihrem Vater und ihrem Bruder bei der Bewirtschaftung der Felder und kümmerte sich mit ihnen um den Hof.
Im Haus erledigte sie die typischen Arbeiten für ein Mädchen in ihrem Alter. Früh wurde ihr diese Verantwortung übertragen, da ihre Mutter aufgrund einer schwerwiegenden Krankheit verstarb, als Teana erst 16 Jahre alt war. Nun verabschiedete sich Teana, die ihren Vater jedoch nicht ohne weiteres im Stich lassen wollte. Er konnte es sich inzwischen leisten, ein paar Hilfsarbeiter zu bezahlen und kam auch gut ohne Teana zurecht. Außerdem war da noch Arthemias, der Bruder von Teana. Er unterstütze seinen Vater tatkräftig und das in allen Angelegenheiten.
Teana wollte in das Land Britain aufbrechen, um dort ihr Können als Schriftengelehrte unter Beweis zu stellen, um somit einige Goldstücke zu verdienen.
Ihre Fähigkeiten bezüglich dieser Kenntnis wuchsen immer weiter. Sie zeichnete korrekte Karten von großräumigen Gebieten, die sie einst besucht hatte. Sie schrieb Studien auf, die sie in der Natur machte und hielt Geschichten fest, die in ihrem Kopf entstanden. Im Land Britain, erhoffte sie sich Menschen die sich nach dem Ungreifbaren sehnten und ihre Fähigkeiten mehr zu schätzen wussten als man es in Jelomnia tat.
Die erste Stadt die sie aufsuchen würde, wäre die Hauptstadt gewesen. Es war eine riesige Stadt und dementsprechend gab es dort viele Menschen, die die verschiedensten Bedürfnisse hatten. Also würde man dort bestimmt eine Schreiberin suchen.
Nun hatte sie also das Land Britain erreicht, stand vor den Toren der Stadt und bereitwillig erlaubte man ihr den Eintritt in diese riesige Metropole. Jeder war hier willkommen. Die Stadt war mit Menschen vom ganzen Kontinent gefüllt. Hier war das Zentrum des Kontinents und das Umschlaglager für alle Händler.
Bereits nach dem ersten Blick der durch das Innere der Stadt flog, sah sie mit großem Erstaunen die Anhäufung von Menschen. Die Wege waren mit Steinen gepflastert, so dass die Menschen sich leichter orientieren konnten und die Händler mit den Kutschen es leichter hatten von einem Punkt zum anderen zu kommen. So etwas kannte Teana aus ihrer Heimat nicht. Die Pfade führten in alle erreichbaren Bereiche der Stadt. Die Leute gingen die Wege in alle Richtungen verstreut. Die einen waren gemütlich unterwegs, lachten und amüsierten sich herzhaft. Andere hingegen gingen hektisch die Wege entlang und waren von Arbeit gezeichnet. Auch Kutschen fuhren durch die Stadt. Es hatte ganz den Anschein, als würden die Menschen den Kutschen instinktiv ausweichen und einen Bogen darum machen, um nicht überfahren zu werden.
Alles schien im Einklang miteinander zu sein. An den Wegrändern wurden vielerlei Pflanzen und Bäume eingepflanzt. Man sah einige Männer und Frauen an den Wegrändern, die sich um das Geäst und die Pflanzen kümmerten. Diese Fassade wirkte so perfekt. Als würde jeder hier seinen Platz haben. Auch Teana wollte hier einen Platz finden und sie war zuversichtlich. Aber wo sollte sie mit ihrer Anfrage beginnen?
>>Das Schloss des Königs?<<
Schoss es ihr durch den Kopf. Sie nickte etwas, um sich selbst in diesem Gedankengang zu bestätigen und blickte sich ein wenig um. In der Ferne konnte man das prachtvolle Schloss erkennen. Als erste Anlaufstelle gleich das größte Ziel?
>Warum nicht?<
Kam der naive Gedanke gänzlich ohne Zweifel.
Schreiber waren bei den Adeligen immer sehr beliebt gewesen. Bürokratie war eine Bürde, die man gerne jemanden abgab. Teana konnte zwar keine Lehre vorweisen, hatte jedoch genügend Erfahrungen durch ihren Vater und ihren Bruder gewonnen. Schlussfolgernd konnte sie sich also auch in ihren Fähigkeiten beweisen. Vorsichtig betrat sie einen der vielen Steinpfade und ging in Richtung schloss. Weißes Gestein ragte in die Höhe und ein künstlich angelegter Deich umzäunte das Schloss.
Ein unangenehmes Gefühl erwachte in ihr, als sie die Menschenmenge neben sich erkannte. Sie schien kein Teil des Stroms zu sein, da sie hin und wieder von einigen Bürgern angerempelt wurde. Mit mürrischem Gesicht und trotzdem immer noch motiviert, verfolgte sie auch weiterhin ihren Weg zum Schloss. Zwei Wachen, gekleidet in Plattenrüstungen aus weiß glänzendem Metall und bewaffnet mit Hellebarden, standen vor der Brücke die in das Schloss führte. An diesem Tag brannte die Sonne mit unbändiger Hitze auf die Großstadt hinunter und trotzdem verharrten die Ritter vor dem Schloss des Grafen. Dies sollte auf demonstrative Art die Treue der Ritter gegenüber dem König zeigen.
>>Ich würde gern beim Kämmerer des Königs vortreten.<<
Entkam es ihr zielsicher und schnell.
>>Habt Ihr eine Audienz oder eine Vereinbarung mit dem getroffen, um den Kämmerer treffen zu können?<<
Kam die auswendig gelernte Floskel aus dem Wachmann heraus. Ohne lange zu überlegen Antwortete Teana mit einem kurzen.
>>Nein.<<
>>Dann geht wieder nach Hause Kindchen, der König und seine Gefolgschaft sind vielbeschäftigte zu diesen Zeiten.<<
Entgegnete ihr einer der beiden Männer. Mit mürrischer Mine trat Teana vor den Ritter und sprach ihm verärgert entgegen.
>>Hört mir zu mein Lieber, ich komme aus Jelomnia und möchte mich um eine Position als Schreiberin bewerben.<<
Die unbeteiligte Wache lachte dann heiter auf, als er Teanas Worte vernahm. Die andere Wache hingegen lächelte nur amüsiert und meinte anschließend >>Was du nicht sagst – du kannst doch gar nicht schreiben Kindlein.<<
Dann drückte Teana mit dem Zeigefinger immer wieder gegen den Brustpanzer des Soldaten und meinte
>>Ich kann wahrscheinlich viel besser schreiben als Ihr kämpfen könnt!<<
Jetzt ertönte ein lautes und unerwartetes.
>>Achtung!<<
Aus dem Burghof und einige Reiter kamen auf die Brücke zu. Schnell stellten sich die Ritter aufrecht hin und blickten gerade aus. Ein junger Mann mit einem dunkelbraunen Zopf ritt voraus. Hinter ihm ritt ein älterer Mann mit gepflegtem und äußerst weißem Vollbart. Der Bärtige war in äußerst edel wirkenden Gewändern gekleidet. Jeweils links und rechts von ihm ritt ein weiterer Reiter mit Brustpanzer und gehafteter Klinge. Die Männer ritten langsam an Teana vorbei und dann ertönten erneut einige Wortlaute aus Teana hervor
>>Seid Ihr der Kämmerer des Königs?<<
Der junge Mann der vor dem Edelmann ritt, wendete das Pferd.
>>Ihr wagt es so mit dem König zu sprechen?<<
Urteilte er streng und laut.
>>Ich wollte ihn doch nur etwas fragen.<<
Kam es wie eine kindliche Entschuldigung aus ihr heraus. Der sich als König von Britain entpuppte Mann sah Teana nur etwas verdutzt an. Der junge Mann ritt nahe an Teana heran und ehe sie sich versehen konnte, ohrfeigte er die junge Frau. Natürlich war das ein unerwarteter Moment für Teana und sie wusste nicht gleich auf Anhieb, wie sie reagieren sollte.
>>Entschuldige dich bei König Aliri...<<
Schrie er fast schon auffordernd. Der Edelmann hob dann die Hand an und meinte auffordernd. >>Es reicht! Sie ist eine junges Ding!<< Der Ritter nickte nur etwas und verharrte dann in Stille.
>>Kinder zu schlagen ist nicht das was ich von dir erwarte oder in naher Zukunft erwarten würde.<< Der junge Mann nickte daraufhin etwas und entschuldigte sich respektvoll.
>>Verzeiht meinen Fehler mein Lord.<<
Der König nickte dann nur und sie setzten ihren Ritt fort.
Teana blickte den Reitern nach und fragte dabei die königlichen Ritter hinter sich.
>>Wo möchte der König hin?<<
Dann rieb sie sich die rote Wange etwas.
>>Ihr solltet wissen, dass sich unser König persönlich um sein Volk kümmert. Immer wieder macht er Rundgänge durch die Stadt und sieht nach dem Rechten.<<
>>Wo geht er jetzt hin?<<
Wollte Teana dann unbedingt wissen. Ihr Blick traf den Soldaten dann erneut voller Neugierde. >>Wahrscheinlich gehen sie zum Friedhof im nordwestlichen Ausgang der Stadt, um...<<
Ehe der Soldat seinen Satz beenden konnte, war Teana auch schon wieder aufgebrochen. Schnellen Schrittes ging sie wieder auf dem Steinpflaster entlang und folgte den Wegweisern, die durch die Stadt führten.
>>Ihr solltet ihn nicht verärgern!<<
Rief der junge Ritter ihr nach. Teana wandte sich kurz um und meinte
>>Nicht mehr als ich Euch verärgert habe!<<
Freundlich und mit einem Lächeln aufgelegt, winkte sie den beiden Rittern zu.
>>Ein naives und dummes Mädchen.<<
Schlussfolgerte der ältere der beiden.
>>Aber hübsch ist sie.<<
Ergänzte der junge Ritter seinen Kollegen und schmunzelte anschließend etwas.
Ein kleines Tor führte im Südwesten aus der Stadt. Auf dem Schutzwall wurden einige Wachen positioniert. Direkt vor dem Gemäuer begann ein dichter Laubwald. Doch ein kleiner Pfad führte auf eine Erhöhung. Teana folgte dem Pfad und langsam konnte sie auf der Anhebung Gitter aus Eisen erkennen, die ein Gebiet eingrenzten. Desto näher sie dem Ort kam, desto intensiver wurde der süßliche Geruch, der in der Luft lag. Das hier war der Friedhof von Britain. Eine düstere und kalte Umgebung. Tatsächlich waren der König und seine Ritter anwesend.
Vor ihnen stand ein Mann und der König gestikulierte etwas herum und schien eine Auseinandersetzung mit dem Mann zu haben. Die Haut des Fremden war von starker Sonneneinstrahlung gebräunt und sein langes, braunes Haar machte einen gepflegten Eindruck und das obwohl seiner ärmlichen Kleidung.
>>Ihr seid ein Gefangener in Eurem eigenen Kerker, wo Ihr Euch in Sicherheit glaubt.<<
Kritisierte die Stimme des Fremden den Grafen mit äußerst vorlauter Stimme. Jetzt schritt derjenige Reiter, der Teana zuvor geohrfeigt hatte, wieder in den Vordergrund und holte erneut zum Schlag aus.
Teana wusste genau was dieser junge, enthusiastische Ritter versuchen wollte. Kurz bevor der Schlag den Landstreicher hätte treffen sollen, passierte etwas völlig Unerwartetes. Der Mann hatte die Hand des Ritters mit der Linken abgefangen und umfasste diese fest. Der junge Ritter knurrte mürrisch, dann stieß der Fremde die angreifende Hand von sich.
>>So voraussehbar, einfältig und beschränkt. Sowohl das Wort als auch die Handlung von Simplizissimus geprägt.<<
Jetzt zog der Ritter mit wütendem Blick seine Klinge aus dem Waffengurt und richtete sie auf den Mann. >>Der Junge benötigt eine Klinge um den Landstreicher zum Schweigen zu bringen. Welch eine herrlich bittere Bestätigung meine Thesen hier doch immer wieder bekommen. Ich danke Euch für die Anteilnahme junger Mann.<<
Verspottete der Fremde den Ritter. Dieser bebte innerlich vor Wut und war kurz davor auszuholen. >>Lass ab, was sollen die Menschen denken, wenn du jemanden wie ihn auf dem Friedhof ermordest.<<
Wies der König seinem Untertan ruhig an.
>>Aber mein Lord.<<
Widersprach der Ritter seinem Herren, während sein wütender Blick immer noch auf dem Mann vor sich gerichtet war, der ihm lediglich ein süffisantes Lächeln entgegen brachte.
>>Glaube mir, wir treffen irgendwann wieder aufeinander und dann...<<
Ehe der junge Ritter seinen Satz vollenden konnte, begann der Fremde zu sprechen >>Da bin ich mir leider ziemlich sicher.<<
>>Außerhalb der Stadt könnt Ihr tun und lassen was Ihr wollt, aber falls Ihr Eure Predigten innerhalb dder Stadtmauern nicht unterlasst, werden wir Eurem Tun nicht konsequenzlos entgegen sehen!<<
Auch dem König brachte der Mann nur ein stummes und selbstsicheres Lächeln entgegen, das jedoch auf keine Weise arrogant oder selbstverliebt wirkte.
Dann wendeten die Männer ihre Pferde um und machten sich wieder auf den Weg in die Stadt. Der Ritter blickte gerade aus an Teana vorbei und die Wut in seinem jungen Gesicht war immer noch deutlich erkennbar.
Diese eigenartige Person weckte ein besonderes Interesse in Teana. Die Art wie er gekleidet war - er wirkte gänzlich wie ein armer Hund. Wortwahl und Gemüt erinnerten an einen weisen, alten Mann, der schon einige Lebenssituationen gemeistert hatte. Dabei schien er gerade erst um die 25 zu sein.
>>Du hast das Gespräch belauscht?<<
Hakte er dann mit einem ernstem Gesichtsausdruck nach. Vorsichtig näherte sich Teana dem Mann. >>Ich bewundere Eure Art zu sprechen Herr. Ihr habt diesen Deppen besiegt und das ohne eine Klinge zu benutzten.<<
Der Mann begann dann eine ausführliche Erklärung abzugeben.
>>Euer Denken ist so einfach. Warum sollten Konflikte und Kriege immer nur mit der Klinge gelöst werden? Weil die Menschen es so gelernt haben oder weil es so in den Geschichtsbüchern steht? Der einfachste Mensch darf sich nicht beklagen, denn die Ketten an seinen Händen hat er sich selbst geschmiedet. Sie werden vom Vater zum Sohn, von der Mutter zur Tochter gereicht, indem man alte Gebote lehrt und sich der freien Entfaltung des Geistes verschließt.<<
Teana brauchte um diese verinnerlichen zu können. Es herrschte für einige Zeit Stille. Der Fremde ließ ihr die Zeit. Tatsächlich schienen die Worte nach einigen Herzschlägen einleuchtend auf Teana.
>>Diese Welt, wie wir sie kennen, ist so einfach gestrickt – zumindest für die Menschen.<<
Nicht verstehend schüttelte Teana etwas den Kopf. Dann fügte der Mann noch etwas hinzu.
>>Wir tun das was uns beigebracht wurde. Wir lernen von dem herrschenden System. Derjenige, der die Macht hat, lehrt und erzieht. Die meisten Menschen sind daher unfähig selbst zu handeln, um der Welt eigenes Handlungsvermögen zu präsentieren.<<
Teana nickte dann nur zaghaft, auch wenn sie in diesem Mann völlig neue Ansichten über das Dasein entdeckte und sie äußerst skeptisch war.
Der Mann lächelte dann nur und wirkte dabei äußerst zufrieden.
>>Was ist denn?<<
Hakte Teana anschließend etwas irritiert nach.
>>Du verstehst nicht ganz, was ich dir damit sagen möchte. Aber das ist nicht weiter schlimm. Du unterscheidest dich nicht viel von den anderen Menschen innerhalb oder außerhalb dieser Stadtmauern.<<
Teanas stummer und ernster Blick verharrte weiterhin auf dem Landstreicher.
>>Erst die Selbsterkenntnis wird dir der Schlüssel zum Tor sein. Dahinter verbirgt sich dir der steinige Weg zur Verständnis.<<
Die junge Frau jedoch schüttelte nur etwas den Kopf und eine fragende Mimik baute sich in ihrem Gesicht auf.
>>Zu wissen wer man ist, warum man hier ist und was man für ein Ziel vor Augen hat. Eine Grenze zwischen der Wirklichkeit und der Illusion zu schaffen, in der wir uns befinden.<<
>>Aber das weiß ich doch – ich meine, ich weiß warum ich hier bin.<<
Versicherte Teana ihrem Gegenüber.
>>Sag es mir.<<
Forderte er sie anschließend knapp auf. Teana zögerte jedoch einen Moment und musterte den Fremden erneut, ehe sie wieder das Wort ergriff. >>Ich möchte eine Schreiberin des Königs werden.<< Der Mann nickte nur und umkreiste Teana dann mit langsamen Schritten.
>>Du willst also dem einfachen Weg folgen und ein Teil dieser großen Illusion werden.<<
Schlussfolgerte er nüchtern. Teana drehte ihren Kopf und folgte den Schritten des Mannes.
>>Nein, ich will...<<
Doch auch sie hatte keine Chance ihren Satz zu beenden
>>Doch, das ist es doch was du mir eben mitgeteilt hast – nicht wahr?<<
Die junge Frau aus Jelomnia schluckte etwas und war sich nicht mehr wirklich darüber bewusst, was sie wirklich wollte.
>>Was ist richtig und was ist falsch? Was ist die Lüge und was die Wahrheit? Licht und Dunkelheit, verkörpern diese Bestandteile wirklich Gut und Böse? Und welche Stellenwerte haben das Gute und das Böse wirklich? Oder sind sie vielleicht sogar haargenau dasselbe? Du bist ein Teil dieses wirren Geästs. Doch wo gehörst du hin?<<
Es schien ganz und gar so als würde sein Fragefluss gar kein Ende mehr nehmen wollen. Dementsprechend reagierte Teana. Sie war völlig ratlos und erstaunt zugleich.
>>Sagt mir, woher nehmt Ihr diese Theorien und diese merkwürdigen Annahmen?<<
Dann deutete der anscheinende Landstreicher seinen linken Zeigefinger nach oben und wedelte diesen nach links und rechts.
>>Keine Theorien und noch weniger Annahmen. Fragen die ich mir gestellt habe und im Laufe der Zeit fand ich weniger plausible Antworten darauf, die mir jedoch meinen Weg ebneten.<<
Kurz schüttelte sie etwas den Kopf, um wieder etwas Fassung zu gewinnen.
>>Erklärt es mir bitte.<<
Teana ließ sich von den Worten des Fremden beeindrucken und mehr nur als das, ließ sie für den Moment sogar ihr eigentliches Ziel aus den Augen. Der Prediger war erfolgreich und hatte Teana in seinen Bann gezogen.
>>Morgen zur Mittagsstunde werde ich auf dem Marktplatz sein. Dort wirst du mich finden, wenn du denn möchtest.<<
Was dann passierte versetzte die junge Frau noch mehr in Staunen. Ein leises Surren und ein helles Licht. Teana war unfähig irgendwas im naheliegenden Areal zu erkennen. Als das Licht wieder abnahm und ihre Augen die Umgebung erneut erkannten, musste sie feststellen das der Mann fort war.
Die Sonne bahnte sich schon langsam wieder ihren Weg über den Horizont und verkündete die baldige, hereinbrechende Nacht. Auch wenn die Hitze jetzt noch allgegenwärtig war, so würde es in schon wenigen Stunden fröstelnd kalt sein.
Sie saß vor alten mit Sandstein errichteten Gemäuern – kurz vor Nalveroth. Der Wüstensand hatte auch an diesen Gemäuern seine Zeichen hinterlassen und Kerben in das Gestein geschlagen. Manche Teile des Gemäuers wurden so stark geschwächt, dass sie in sich zusammengefallen waren.
Doch der Wüstensand wusste um das hier stehende Gebilde Bescheid, beschädigte es nicht weiter, füllte die vernarbten Strukturen mit schützenden Sandfugen und legte sich vorsichtig vor die Gemäuer der Strukturen.
Dies war ihre Heimat. Das Equilibrium hatte sie hier gebracht – in die Neue Welt. Trotzdem blieben die Erinnerungen an die alte Heimat allgegenwärtig. Sie schloss die Augen für einen Moment und kehrte dorthin zurück, wo alles begann.
Der Bettlerkönig
>>Endlich..<<
Entkam es der ausgetrockneten Kehle äußerst erleichtert. Sie hatte ihr Ziel erreicht. Der Pfad führte sie über die Berge, in das Land Britain. In der Ferne konnte man das Königreich Britain und die prachtvollen Wälder des Reiches erkennen.
Britain, die Hauptstadt befand sich weit im Süden und hatte den größten Hafen im ganzen Land.
Krankheiten, Hungersnöte, Raub und Mord waren der Alltag in diesen Gebieten. Kromas lag einige Kilometer östlich von der Hauptstadt entfernt und hatte ebenso wie die Hauptstadt große Erzvorkommen aufzuweisen.
Teana war eine junge Frau, im Alter von 21 Wintern. Dunkelblondes, glattes Haar ragte ihr bis weit unter die Schultern. Von der einfallenden Sonne des wolkenfreien Himmels, funkelten ihre Augen wie ein beschlagender Saphir. Vor nun mehr als zwei Wochen begann ihre Reise. Sie war die Tochter eines Bauern aus Jelomnia. Dort half sie ihrem Vater und ihrem Bruder bei der Bewirtschaftung der Felder und kümmerte sich mit ihnen um den Hof.
Im Haus erledigte sie die typischen Arbeiten für ein Mädchen in ihrem Alter. Früh wurde ihr diese Verantwortung übertragen, da ihre Mutter aufgrund einer schwerwiegenden Krankheit verstarb, als Teana erst 16 Jahre alt war. Nun verabschiedete sich Teana, die ihren Vater jedoch nicht ohne weiteres im Stich lassen wollte. Er konnte es sich inzwischen leisten, ein paar Hilfsarbeiter zu bezahlen und kam auch gut ohne Teana zurecht. Außerdem war da noch Arthemias, der Bruder von Teana. Er unterstütze seinen Vater tatkräftig und das in allen Angelegenheiten.
Teana wollte in das Land Britain aufbrechen, um dort ihr Können als Schriftengelehrte unter Beweis zu stellen, um somit einige Goldstücke zu verdienen.
Ihre Fähigkeiten bezüglich dieser Kenntnis wuchsen immer weiter. Sie zeichnete korrekte Karten von großräumigen Gebieten, die sie einst besucht hatte. Sie schrieb Studien auf, die sie in der Natur machte und hielt Geschichten fest, die in ihrem Kopf entstanden. Im Land Britain, erhoffte sie sich Menschen die sich nach dem Ungreifbaren sehnten und ihre Fähigkeiten mehr zu schätzen wussten als man es in Jelomnia tat.
Die erste Stadt die sie aufsuchen würde, wäre die Hauptstadt gewesen. Es war eine riesige Stadt und dementsprechend gab es dort viele Menschen, die die verschiedensten Bedürfnisse hatten. Also würde man dort bestimmt eine Schreiberin suchen.
Nun hatte sie also das Land Britain erreicht, stand vor den Toren der Stadt und bereitwillig erlaubte man ihr den Eintritt in diese riesige Metropole. Jeder war hier willkommen. Die Stadt war mit Menschen vom ganzen Kontinent gefüllt. Hier war das Zentrum des Kontinents und das Umschlaglager für alle Händler.
Bereits nach dem ersten Blick der durch das Innere der Stadt flog, sah sie mit großem Erstaunen die Anhäufung von Menschen. Die Wege waren mit Steinen gepflastert, so dass die Menschen sich leichter orientieren konnten und die Händler mit den Kutschen es leichter hatten von einem Punkt zum anderen zu kommen. So etwas kannte Teana aus ihrer Heimat nicht. Die Pfade führten in alle erreichbaren Bereiche der Stadt. Die Leute gingen die Wege in alle Richtungen verstreut. Die einen waren gemütlich unterwegs, lachten und amüsierten sich herzhaft. Andere hingegen gingen hektisch die Wege entlang und waren von Arbeit gezeichnet. Auch Kutschen fuhren durch die Stadt. Es hatte ganz den Anschein, als würden die Menschen den Kutschen instinktiv ausweichen und einen Bogen darum machen, um nicht überfahren zu werden.
Alles schien im Einklang miteinander zu sein. An den Wegrändern wurden vielerlei Pflanzen und Bäume eingepflanzt. Man sah einige Männer und Frauen an den Wegrändern, die sich um das Geäst und die Pflanzen kümmerten. Diese Fassade wirkte so perfekt. Als würde jeder hier seinen Platz haben. Auch Teana wollte hier einen Platz finden und sie war zuversichtlich. Aber wo sollte sie mit ihrer Anfrage beginnen?
>>Das Schloss des Königs?<<
Schoss es ihr durch den Kopf. Sie nickte etwas, um sich selbst in diesem Gedankengang zu bestätigen und blickte sich ein wenig um. In der Ferne konnte man das prachtvolle Schloss erkennen. Als erste Anlaufstelle gleich das größte Ziel?
>Warum nicht?<
Kam der naive Gedanke gänzlich ohne Zweifel.
Schreiber waren bei den Adeligen immer sehr beliebt gewesen. Bürokratie war eine Bürde, die man gerne jemanden abgab. Teana konnte zwar keine Lehre vorweisen, hatte jedoch genügend Erfahrungen durch ihren Vater und ihren Bruder gewonnen. Schlussfolgernd konnte sie sich also auch in ihren Fähigkeiten beweisen. Vorsichtig betrat sie einen der vielen Steinpfade und ging in Richtung schloss. Weißes Gestein ragte in die Höhe und ein künstlich angelegter Deich umzäunte das Schloss.
Ein unangenehmes Gefühl erwachte in ihr, als sie die Menschenmenge neben sich erkannte. Sie schien kein Teil des Stroms zu sein, da sie hin und wieder von einigen Bürgern angerempelt wurde. Mit mürrischem Gesicht und trotzdem immer noch motiviert, verfolgte sie auch weiterhin ihren Weg zum Schloss. Zwei Wachen, gekleidet in Plattenrüstungen aus weiß glänzendem Metall und bewaffnet mit Hellebarden, standen vor der Brücke die in das Schloss führte. An diesem Tag brannte die Sonne mit unbändiger Hitze auf die Großstadt hinunter und trotzdem verharrten die Ritter vor dem Schloss des Grafen. Dies sollte auf demonstrative Art die Treue der Ritter gegenüber dem König zeigen.
>>Ich würde gern beim Kämmerer des Königs vortreten.<<
Entkam es ihr zielsicher und schnell.
>>Habt Ihr eine Audienz oder eine Vereinbarung mit dem getroffen, um den Kämmerer treffen zu können?<<
Kam die auswendig gelernte Floskel aus dem Wachmann heraus. Ohne lange zu überlegen Antwortete Teana mit einem kurzen.
>>Nein.<<
>>Dann geht wieder nach Hause Kindchen, der König und seine Gefolgschaft sind vielbeschäftigte zu diesen Zeiten.<<
Entgegnete ihr einer der beiden Männer. Mit mürrischer Mine trat Teana vor den Ritter und sprach ihm verärgert entgegen.
>>Hört mir zu mein Lieber, ich komme aus Jelomnia und möchte mich um eine Position als Schreiberin bewerben.<<
Die unbeteiligte Wache lachte dann heiter auf, als er Teanas Worte vernahm. Die andere Wache hingegen lächelte nur amüsiert und meinte anschließend >>Was du nicht sagst – du kannst doch gar nicht schreiben Kindlein.<<
Dann drückte Teana mit dem Zeigefinger immer wieder gegen den Brustpanzer des Soldaten und meinte
>>Ich kann wahrscheinlich viel besser schreiben als Ihr kämpfen könnt!<<
Jetzt ertönte ein lautes und unerwartetes.
>>Achtung!<<
Aus dem Burghof und einige Reiter kamen auf die Brücke zu. Schnell stellten sich die Ritter aufrecht hin und blickten gerade aus. Ein junger Mann mit einem dunkelbraunen Zopf ritt voraus. Hinter ihm ritt ein älterer Mann mit gepflegtem und äußerst weißem Vollbart. Der Bärtige war in äußerst edel wirkenden Gewändern gekleidet. Jeweils links und rechts von ihm ritt ein weiterer Reiter mit Brustpanzer und gehafteter Klinge. Die Männer ritten langsam an Teana vorbei und dann ertönten erneut einige Wortlaute aus Teana hervor
>>Seid Ihr der Kämmerer des Königs?<<
Der junge Mann der vor dem Edelmann ritt, wendete das Pferd.
>>Ihr wagt es so mit dem König zu sprechen?<<
Urteilte er streng und laut.
>>Ich wollte ihn doch nur etwas fragen.<<
Kam es wie eine kindliche Entschuldigung aus ihr heraus. Der sich als König von Britain entpuppte Mann sah Teana nur etwas verdutzt an. Der junge Mann ritt nahe an Teana heran und ehe sie sich versehen konnte, ohrfeigte er die junge Frau. Natürlich war das ein unerwarteter Moment für Teana und sie wusste nicht gleich auf Anhieb, wie sie reagieren sollte.
>>Entschuldige dich bei König Aliri...<<
Schrie er fast schon auffordernd. Der Edelmann hob dann die Hand an und meinte auffordernd. >>Es reicht! Sie ist eine junges Ding!<< Der Ritter nickte nur etwas und verharrte dann in Stille.
>>Kinder zu schlagen ist nicht das was ich von dir erwarte oder in naher Zukunft erwarten würde.<< Der junge Mann nickte daraufhin etwas und entschuldigte sich respektvoll.
>>Verzeiht meinen Fehler mein Lord.<<
Der König nickte dann nur und sie setzten ihren Ritt fort.
Teana blickte den Reitern nach und fragte dabei die königlichen Ritter hinter sich.
>>Wo möchte der König hin?<<
Dann rieb sie sich die rote Wange etwas.
>>Ihr solltet wissen, dass sich unser König persönlich um sein Volk kümmert. Immer wieder macht er Rundgänge durch die Stadt und sieht nach dem Rechten.<<
>>Wo geht er jetzt hin?<<
Wollte Teana dann unbedingt wissen. Ihr Blick traf den Soldaten dann erneut voller Neugierde. >>Wahrscheinlich gehen sie zum Friedhof im nordwestlichen Ausgang der Stadt, um...<<
Ehe der Soldat seinen Satz beenden konnte, war Teana auch schon wieder aufgebrochen. Schnellen Schrittes ging sie wieder auf dem Steinpflaster entlang und folgte den Wegweisern, die durch die Stadt führten.
>>Ihr solltet ihn nicht verärgern!<<
Rief der junge Ritter ihr nach. Teana wandte sich kurz um und meinte
>>Nicht mehr als ich Euch verärgert habe!<<
Freundlich und mit einem Lächeln aufgelegt, winkte sie den beiden Rittern zu.
>>Ein naives und dummes Mädchen.<<
Schlussfolgerte der ältere der beiden.
>>Aber hübsch ist sie.<<
Ergänzte der junge Ritter seinen Kollegen und schmunzelte anschließend etwas.
Ein kleines Tor führte im Südwesten aus der Stadt. Auf dem Schutzwall wurden einige Wachen positioniert. Direkt vor dem Gemäuer begann ein dichter Laubwald. Doch ein kleiner Pfad führte auf eine Erhöhung. Teana folgte dem Pfad und langsam konnte sie auf der Anhebung Gitter aus Eisen erkennen, die ein Gebiet eingrenzten. Desto näher sie dem Ort kam, desto intensiver wurde der süßliche Geruch, der in der Luft lag. Das hier war der Friedhof von Britain. Eine düstere und kalte Umgebung. Tatsächlich waren der König und seine Ritter anwesend.
Vor ihnen stand ein Mann und der König gestikulierte etwas herum und schien eine Auseinandersetzung mit dem Mann zu haben. Die Haut des Fremden war von starker Sonneneinstrahlung gebräunt und sein langes, braunes Haar machte einen gepflegten Eindruck und das obwohl seiner ärmlichen Kleidung.
>>Ihr seid ein Gefangener in Eurem eigenen Kerker, wo Ihr Euch in Sicherheit glaubt.<<
Kritisierte die Stimme des Fremden den Grafen mit äußerst vorlauter Stimme. Jetzt schritt derjenige Reiter, der Teana zuvor geohrfeigt hatte, wieder in den Vordergrund und holte erneut zum Schlag aus.
Teana wusste genau was dieser junge, enthusiastische Ritter versuchen wollte. Kurz bevor der Schlag den Landstreicher hätte treffen sollen, passierte etwas völlig Unerwartetes. Der Mann hatte die Hand des Ritters mit der Linken abgefangen und umfasste diese fest. Der junge Ritter knurrte mürrisch, dann stieß der Fremde die angreifende Hand von sich.
>>So voraussehbar, einfältig und beschränkt. Sowohl das Wort als auch die Handlung von Simplizissimus geprägt.<<
Jetzt zog der Ritter mit wütendem Blick seine Klinge aus dem Waffengurt und richtete sie auf den Mann. >>Der Junge benötigt eine Klinge um den Landstreicher zum Schweigen zu bringen. Welch eine herrlich bittere Bestätigung meine Thesen hier doch immer wieder bekommen. Ich danke Euch für die Anteilnahme junger Mann.<<
Verspottete der Fremde den Ritter. Dieser bebte innerlich vor Wut und war kurz davor auszuholen. >>Lass ab, was sollen die Menschen denken, wenn du jemanden wie ihn auf dem Friedhof ermordest.<<
Wies der König seinem Untertan ruhig an.
>>Aber mein Lord.<<
Widersprach der Ritter seinem Herren, während sein wütender Blick immer noch auf dem Mann vor sich gerichtet war, der ihm lediglich ein süffisantes Lächeln entgegen brachte.
>>Glaube mir, wir treffen irgendwann wieder aufeinander und dann...<<
Ehe der junge Ritter seinen Satz vollenden konnte, begann der Fremde zu sprechen >>Da bin ich mir leider ziemlich sicher.<<
>>Außerhalb der Stadt könnt Ihr tun und lassen was Ihr wollt, aber falls Ihr Eure Predigten innerhalb dder Stadtmauern nicht unterlasst, werden wir Eurem Tun nicht konsequenzlos entgegen sehen!<<
Auch dem König brachte der Mann nur ein stummes und selbstsicheres Lächeln entgegen, das jedoch auf keine Weise arrogant oder selbstverliebt wirkte.
Dann wendeten die Männer ihre Pferde um und machten sich wieder auf den Weg in die Stadt. Der Ritter blickte gerade aus an Teana vorbei und die Wut in seinem jungen Gesicht war immer noch deutlich erkennbar.
Diese eigenartige Person weckte ein besonderes Interesse in Teana. Die Art wie er gekleidet war - er wirkte gänzlich wie ein armer Hund. Wortwahl und Gemüt erinnerten an einen weisen, alten Mann, der schon einige Lebenssituationen gemeistert hatte. Dabei schien er gerade erst um die 25 zu sein.
>>Du hast das Gespräch belauscht?<<
Hakte er dann mit einem ernstem Gesichtsausdruck nach. Vorsichtig näherte sich Teana dem Mann. >>Ich bewundere Eure Art zu sprechen Herr. Ihr habt diesen Deppen besiegt und das ohne eine Klinge zu benutzten.<<
Der Mann begann dann eine ausführliche Erklärung abzugeben.
>>Euer Denken ist so einfach. Warum sollten Konflikte und Kriege immer nur mit der Klinge gelöst werden? Weil die Menschen es so gelernt haben oder weil es so in den Geschichtsbüchern steht? Der einfachste Mensch darf sich nicht beklagen, denn die Ketten an seinen Händen hat er sich selbst geschmiedet. Sie werden vom Vater zum Sohn, von der Mutter zur Tochter gereicht, indem man alte Gebote lehrt und sich der freien Entfaltung des Geistes verschließt.<<
Teana brauchte um diese verinnerlichen zu können. Es herrschte für einige Zeit Stille. Der Fremde ließ ihr die Zeit. Tatsächlich schienen die Worte nach einigen Herzschlägen einleuchtend auf Teana.
>>Diese Welt, wie wir sie kennen, ist so einfach gestrickt – zumindest für die Menschen.<<
Nicht verstehend schüttelte Teana etwas den Kopf. Dann fügte der Mann noch etwas hinzu.
>>Wir tun das was uns beigebracht wurde. Wir lernen von dem herrschenden System. Derjenige, der die Macht hat, lehrt und erzieht. Die meisten Menschen sind daher unfähig selbst zu handeln, um der Welt eigenes Handlungsvermögen zu präsentieren.<<
Teana nickte dann nur zaghaft, auch wenn sie in diesem Mann völlig neue Ansichten über das Dasein entdeckte und sie äußerst skeptisch war.
Der Mann lächelte dann nur und wirkte dabei äußerst zufrieden.
>>Was ist denn?<<
Hakte Teana anschließend etwas irritiert nach.
>>Du verstehst nicht ganz, was ich dir damit sagen möchte. Aber das ist nicht weiter schlimm. Du unterscheidest dich nicht viel von den anderen Menschen innerhalb oder außerhalb dieser Stadtmauern.<<
Teanas stummer und ernster Blick verharrte weiterhin auf dem Landstreicher.
>>Erst die Selbsterkenntnis wird dir der Schlüssel zum Tor sein. Dahinter verbirgt sich dir der steinige Weg zur Verständnis.<<
Die junge Frau jedoch schüttelte nur etwas den Kopf und eine fragende Mimik baute sich in ihrem Gesicht auf.
>>Zu wissen wer man ist, warum man hier ist und was man für ein Ziel vor Augen hat. Eine Grenze zwischen der Wirklichkeit und der Illusion zu schaffen, in der wir uns befinden.<<
>>Aber das weiß ich doch – ich meine, ich weiß warum ich hier bin.<<
Versicherte Teana ihrem Gegenüber.
>>Sag es mir.<<
Forderte er sie anschließend knapp auf. Teana zögerte jedoch einen Moment und musterte den Fremden erneut, ehe sie wieder das Wort ergriff. >>Ich möchte eine Schreiberin des Königs werden.<< Der Mann nickte nur und umkreiste Teana dann mit langsamen Schritten.
>>Du willst also dem einfachen Weg folgen und ein Teil dieser großen Illusion werden.<<
Schlussfolgerte er nüchtern. Teana drehte ihren Kopf und folgte den Schritten des Mannes.
>>Nein, ich will...<<
Doch auch sie hatte keine Chance ihren Satz zu beenden
>>Doch, das ist es doch was du mir eben mitgeteilt hast – nicht wahr?<<
Die junge Frau aus Jelomnia schluckte etwas und war sich nicht mehr wirklich darüber bewusst, was sie wirklich wollte.
>>Was ist richtig und was ist falsch? Was ist die Lüge und was die Wahrheit? Licht und Dunkelheit, verkörpern diese Bestandteile wirklich Gut und Böse? Und welche Stellenwerte haben das Gute und das Böse wirklich? Oder sind sie vielleicht sogar haargenau dasselbe? Du bist ein Teil dieses wirren Geästs. Doch wo gehörst du hin?<<
Es schien ganz und gar so als würde sein Fragefluss gar kein Ende mehr nehmen wollen. Dementsprechend reagierte Teana. Sie war völlig ratlos und erstaunt zugleich.
>>Sagt mir, woher nehmt Ihr diese Theorien und diese merkwürdigen Annahmen?<<
Dann deutete der anscheinende Landstreicher seinen linken Zeigefinger nach oben und wedelte diesen nach links und rechts.
>>Keine Theorien und noch weniger Annahmen. Fragen die ich mir gestellt habe und im Laufe der Zeit fand ich weniger plausible Antworten darauf, die mir jedoch meinen Weg ebneten.<<
Kurz schüttelte sie etwas den Kopf, um wieder etwas Fassung zu gewinnen.
>>Erklärt es mir bitte.<<
Teana ließ sich von den Worten des Fremden beeindrucken und mehr nur als das, ließ sie für den Moment sogar ihr eigentliches Ziel aus den Augen. Der Prediger war erfolgreich und hatte Teana in seinen Bann gezogen.
>>Morgen zur Mittagsstunde werde ich auf dem Marktplatz sein. Dort wirst du mich finden, wenn du denn möchtest.<<
Was dann passierte versetzte die junge Frau noch mehr in Staunen. Ein leises Surren und ein helles Licht. Teana war unfähig irgendwas im naheliegenden Areal zu erkennen. Als das Licht wieder abnahm und ihre Augen die Umgebung erneut erkannten, musste sie feststellen das der Mann fort war.