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Abschied aus Solgard

Verfasst: 01 Mär 2025, 16:41
von Bernard de Molay
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Die Prüfung der Seele
Die Nacht war kalt, als Bernard de Molay die Tore von Solgard hinter sich ließ. Der Wind strich über die Straßen, trug das Echo der Stadt mit sich, während seine Schritte schwer auf dem Pflaster klangen.
Nicht die Kälte war es, die ihn frösteln ließ.
Nicht die Dunkelheit war es, die ihn erschütterte.

Es war die Erkenntnis.

Die Erkenntnis, dass er diesen Ort nicht mehr aus seiner Perspektive einen Hort des Lichts nennen konnte.

Nicht, weil Solgard gefallen war.
Nicht, weil das Reich verdorben war.
Sondern, weil die Tugenden, die sein Leben geleitet hatten, hier nicht mehr der Maßstab waren.

Bernard war kein törichter Mann. Er wusste um die Ordnung, um das Gesetz, um die Notwendigkeit, das Volk zu schützen. Doch an diesem Tag, in diesem Moment, war es nicht mehr der Schutz der Tugendhaften, sondern die Unterwerfung unter ein Gesetz, das er nicht für das Richtige hielt.
Die Worte Fenrias hallten in seinem Geist.
Er wusste um die Vergangenheit. Er wusste um die Kämpfe gegen die Dunkelelfen, um die Intrigen, um das Blut, das vergossen wurde. Und doch wusste er ebenso, dass sein Glaube nicht den Fehler machte, in Kollektiven zu urteilen. Das Licht sah den Einzelnen. Die Tugenden galten für jeden, nicht für Gruppen, nicht für Stände, nicht für Rassen.
Doch Solgard sprach nicht die Sprache des Glaubens, wie es Bernards Verständnis entsprach.
Nicht mehr.


Die Last der Tugenden
Er kannte die Wege der Tugend. Sie standen nicht in einem Buch allein, sondern waren das lebendige Gesetz, das der Herr in die Herzen der Gerechten schrieb.

Rechtschaffenheit verlangte, dass er nach der Wahrheit handelte, nicht nach dem, was befohlen wurde.
Gerechtigkeit forderte, dass er nicht blind urteilte, sondern das Individuum betrachtete.
Ehre war nicht der Gehorsam gegenüber Menschen, sondern die Unbeugsamkeit vor dem Herrn.
Tapferkeit lag nicht im Kampf, sondern in der Weigerung, sich dem Unrecht zu beugen.
Mitgefühl hieß, nicht nach der Vergangenheit eines Menschen zu fragen, sondern nach seinem Herzen.
Demut bedeutete, dass er sich nicht über den Herrn stellte, aber auch nicht über die Wahrheit hinweg sah.

Doch die Welt war nicht aus Tugenden allein gemacht.
Die Menschen fanden Wege, sie zu beugen. Sie redeten von Ordnung und meinten Gehorsam. Sie riefen nach Gerechtigkeit und meinten Rache. Sie verlangten Disziplin und meinten Unterwerfung.

Die Dunkelelfe hatte niemandem geschadet.

Sie hatte sein Leben gerettet.
Sie hatte sich als rechtschaffen erwiesen.
Und doch war sie für Solgard nichts weiter als eine Feindin, geboren in einem Volk, das man verachtete.

Er hätte ihre Ankunft melden sollen.
Er hätte um Erlaubnis bitten sollen, für einen Schutz, den er einem anderen gewährte.
Doch woran sollte sich ein Priester wenden, wenn selbst die Gesetze gegen die Tugenden standen?

Es gab keine Antwort.

Nur die Gewissheit, dass er seine Pflicht getan hatte.
Nicht für den Orden der Paladine.
Nicht für Solgard.
Sondern für den Herrn.

Und das reichte.


Die Wahl des Glaubens
Als Fenria sprach, war ihre Stimme fest. Sie hatte ihren Standpunkt, ihre Überzeugung. Sie sprach von ihrer Pflicht, von den Gesetzen, von dem, was die Ordnung verlangte.
Bernard hörte zu.
Er widersprach nicht.
Denn er wusste, dass Worte nichts ändern würden.
Das Gesetz war das Gesetz.
Und er hatte es in ihren Augen gebrochen.
Nicht aus Trotz.
Nicht aus Hochmut.
Sondern weil das Gesetz nicht über den Tugenden stand.
Er wusste, dass sein Weg hier endete.
Nicht, weil sie ihn zwangen.
Nicht, weil er bestraft wurde.
Sondern weil sein Glaube ihn zwang, eine Wahl zu treffen.
Ein Priester konnte nicht an einem Ort verweilen, an dem sein Wort nichts mehr galt.
Ein Paladin konnte nicht in einer Stadt dienen, in der das Gesetz höher stand als die Tugenden.
Er konnte Fenria und Tonya nicht hassen.
Denn sie taten, was sie für richtig hielten.
Aber was für sie richtig war, war für ihn falsch.
Er stand auf.
Sammelte seine Gedanken.
Und sprach.
Keine langen Reden, keine bittere Abrechnung.
Nur eine Wahrheit.
Die Wahrheit, dass er gehen musste.
Nicht, weil er Solgard hasste.
Sondern, weil Solgard nicht mehr sein Zuhause war.


Die Straße ins Ungewisse
Die Stadt lag hinter ihm. Der Weg vor ihm.

Bernard de Molay war nicht mehr Priester.
Nicht mehr Paladin.
Doch war er noch ein Mann des Glaubens.


Doch nicht hier.
Nicht mehr hier.

Er ließ Solgard zurück.
Nicht in Zorn.
Nicht in Hass.
Aber in Gewissheit.

Denn ein Mann kann den Ort verlassen, den er als Heimat betrachtete.
Doch ein Mann kann nicht den Glauben verlassen, wenn er sein Herz führt.
Und Bernard de Molay folgte noch immer seinem Glauben.
Nur nicht mehr hier.


 

Re: Abschied aus Solgard

Verfasst: 01 Mär 2025, 20:51
von Tonya Darez
Der Abend war lang gewesen.
Viele Worte waren, wie ein Fluss, an mir vorbei gerauscht.
Alte Geschichten, gleich einem Lehrbuch aus der Schule, wurden vorgetragen. Lehrreich und doch so fern.
Namen, die Kometengleich an mir vorbei Strichen.
Einige Namen bleiben im Kopf, Malina, Alirion, in ihren Taten große Menschen waren.
Doch nun sind sie Geschichten, Geschichten aus der man lernen kann, an denen man sich Moralisch und vielleicht sogar manchmal Seelisch entlang hangeln kann. Beispiele für glorreiche Taten, Glorreiche Zeiten.
Heute stehe ich an einem Punkt, an dem Geschichten zwar lehrreich, aber nicht ausschließlich für den eigenen Erfolg Maßgeblich sind.
Ein unabdingbarer Fakt sind die Gesetze.
Auf der See folgst du anderen Gesetzen, den Gesetzen des Schiffes, denen des Kapitäns, denen der Natur.
Zieht ein Sturm auf, wissen alle was zu tun ist.

In Solgard sind die Gesetze klar.
Klar formuliert und definiert.
Ein Rahmen, in dem es sich zu bewegen gilt, den es nicht zu Diskutieren gilt.
Es gibt einen gewissen Spielraum, der für alle gleich ist.
Die Tugenden....
Die Tugenden sind moralische Stützen des Glaubens.
Werte, die ein jeder in sich trägt, wenn er dem Glauben des Herren folgt.
Jede Tugend für sich genommen ist stark, prägen Wege, eben Wege.
Alle Tugenden gleichermaßen auf eine Waagschale zu legen und diese gegen die Gesetze aufzuwiegen ist schier unmöglich.
Gerechtigkeit, etwas, was mir sehr am Herzen liegt, bedeutet, alle nach gleichem Maß zu messen.
Alle.
Jedes einzelne Individuum in Solgard, welches sich als Bürger, als Freund, als Verbündeter präsentiert wird gleichermaßen behandelt.
So bereue ich keinen Augenblick auch deMolay den gleichen, gerechten, Maßstäben unterzogen zu haben.
Ein Kautziger Mann, dessen Taten ihm wie ein Herold vorher gehen.
Wohl gäbe es kaum einen größeren Gegensatz zu mir, nehmen wir mal die Suromer aus.
Ein gutes Herz, redliche Absichten, aber Wege, die es mir schwer machen.
Vielleicht könnten wir, so wir Ziele definieren würden, gleichermaßen jeder für sich arbeiten und wir würden gemeinsam erstaunliches Bewegen können.

Bernard deMolay, ein Priester des Herren, der die Tugenden wie ein Schutzschild um sich trägt, aber mein großes Ganzes nicht akzeptieren will.
Vielleicht liegt es an unausgesprochenen Worten, vielleicht liegt es an zu vielen Worten im falschen Kontext.
Wer weiß es schon?

Die Wachen tuschelten, sprachen davon, dass Bernard spät Abends gegangen sei.
Sein Weg wird ihn leiten, durch Höhen und Tiefen, durch Engpässe und Schluchten. Freie Wege, Geröll, Felsen, Berge.
  
Vielleicht wird das nächste Gespräch anders verlaufen.