Die Chroniken des Assandros

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Assandros
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Die Chroniken des Assandros

Beitrag von Assandros »

Teil I – Der Junge im Kloster

Der Wind trug den Geruch von feuchtem Stein und alten Manuskripten durch die Gänge des Klosters St. Aurelian. Zwischen hohen Mauern, wo Stille und Gebet den Alltag bestimmten, hallte das Lachen eines Jungen durch das Gemäuer – ein Klang, der wie ein frischer Windhauch gegen den ewigen Ernst der Mönche anstürmte.

Assandros war kein gewöhnliches Kind. Als Säugling war er in einer regnerischen Nacht vor den Toren des Klosters gefunden worden, in eine Decke gewickelt, mit nichts als einem Amulett um den Hals. Bruder Raiden, der älteste Priester des Ordens, hatte ihn in seine Obhut genommen, nicht aus Pflicht, sondern aus einer merkwürdigen inneren Überzeugung heraus. Seitdem war Assandros wie ein junger Falke unter Tauben – wild, neugierig, ungestüm.

„Assandros!“, rief Raiden, als wieder ein leises Klirren aus der Küche kam. Der Junge, etwa zwölf Sommer alt, tauchte mit zerzaustem Haar und schmutzigen Händen aus einem Türrahmen auf, das Gesicht halb schuldbewusst, halb schelmisch.

„Ich wollte nur… den Wein kosten. Für das Abendmahl. Nur ein kleiner Schluck“, sagte er und grinste frech.

Raiden seufzte, doch seine Augen funkelten vor Wärme. „Du bist ein Wirbelwind, Assandros. Und doch… du lernst schneller als jeder Novize hier.“

Der Priester war ein Mann der Ordnung und der Stille, doch seit Assandros da war, hatte sich sein Leben verändert. Der Junge brachte Unruhe, ja – aber auch Leben. Zwischen den alten Bänden der Heiligen Schrift und den Gebeten der Morgenmesse versuchte Raiden, dem Jungen die Lehren des Herren zu vermitteln. Es war kein einfacher Weg.

Assandros hörte zu, wie er es immer tat, wenn Raiden sprach. Doch oft schweiften seine Gedanken ab – zu den Bäumen hinter den Mauern, den Geschichten der alten Brüder, den Liedern, die der Wind manchmal brachte.

„Aber warum hat der Herr mich dann so gemacht?“ fragte er eines Abends, als die Sonne blutrot hinter den Hügeln versank. „So wild. So… anders?“

Raiden legte ihm die Hand auf die Schulter. „Weil du für etwas Großes bestimmt bist. Auch Sturmwind gehört zur Schöpfung. Manchmal braucht es einen Wirbelwind, um das Alte zu erneuern.“

Der Junge sah ihn lange an. Vielleicht verstand er nicht jedes Wort, aber in Raidens Blick lag eine Wahrheit, die selbst ein Kind spüren konnte.

Und so begann Assandros’ Weg – ein Weg, der weder leicht noch gerade war. Doch irgendwo zwischen Bibelseiten und zerbrochenen Tonkrügen wuchs etwas in ihm heran. Etwas, das stärker war als Trotz, schneller als seine Füße und tiefer als seine Fragen.

Etwas, das eines Tages die Welt verändern könnte.

Assandros Jung.png
 
Zuletzt geändert von Assandros am 27 Apr 2025, 13:26, insgesamt 6-mal geändert.
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Assandros
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Re: Die Chroniken des Assandros

Beitrag von Assandros »

Teil II – Zwischen Licht und Glut

Die Glocke des Klosters St. Aurelian schlug zur Prim. Assandros, nun achtzehn Jahre alt, war längst auf den Beinen. Mit sicherem Schritt bewegte er sich durch die kühlen Gänge, trug Pergamente zur Bibliothek, half beim Brotbacken in der Früh und verbeugte sich respektvoll vor den älteren Brüdern. Seine Bewegungen waren ruhig, seine Worte bedacht, sein Gesicht klar wie ein stiller See.

Doch Raiden, der ihn nun seit beinahe zwei Jahrzehnten aufzog, sah tiefer.

Assandros war ein Kind des Feuers gewesen – wild, neugierig, manchmal unerträglich. Doch über die Jahre hatte sich etwas verändert. Er hatte gelernt zu gehorchen, hatte sich den Regeln gebeugt, hatte Gebete nicht nur auswendig gelernt, sondern verstanden. Die Lehren des Herrn flossen ihm fast mühelos von den Lippen. In der Meditation verharrte er stundenlang. Und doch war da etwas, das Raiden mehr beunruhigte als all die alten Streiche je zuvor: die Stille in seinen Augen.

Der Alltag im Kloster war geprägt von Struktur und Disziplin. Assandros folgte beidem ohne Zögern. Doch in den Nächten, wenn das Kerzenlicht über die Seiten der Schriften tanzte und draußen der Wind gegen die Mauern schlug, hörte Raiden manchmal, wie der Junge – nein, der junge Mann – leise mit sich selbst sprach. Worte, Fragen, Gedanken, die nicht in Psalmen standen. Es war ein leiser Hunger, der in ihm brannte – nicht nach Fleisch oder Reichtum, sondern nach mehr. Nach Tiefe, nach Wahrheit, nach etwas, das die Worte allein ihm nicht geben konnten.

Raiden rang mit sich. Er hatte Assandros zu einem Mann des Glaubens erzogen, hatte ihm jedes Gebet, jede Regel beigebracht. Doch war das genug? Oder – war es vielleicht zu viel?

In stillen Momenten dachte er an die frühe Zeit zurück, an den kleinen Jungen mit den wilden Augen, der fragte, warum die Engel keine Schwerter trügen, oder ob auch ein Gebet laut sein dürfe. Nun war dieser Junge ruhig, klug, bedacht – doch das Feuer in ihm schien gedämpft, fast erstickt.

Raiden wusste: Der Glaube durfte nie ein Käfig sein.

So führte ihn sein Weg an einem klaren Frühlingstag in die Stadt, zu einem alten Freund.

Am nächsten Leertag bat Raiden Assandros, ihm in den Hof zu folgen. Dort stand ein Mann, breitschultrig, wetterfest, mit grauen Schläfen und einem prüfenden Blick. Er trug keinen Habit, sondern das Wappen der Stadtgarde – einen silbernen Löwen auf rotem Grund.

„Das ist Rodirian“, sagte Raiden, ohne viel Aufhebens. „Hauptmann der Garde. Ein ehrenhafter Mann. Und ein Krieger.“

Assandros runzelte die Stirn, sein Blick wanderte vom Mann zum Priester. „Warum ist er hier?“

Raiden atmete tief ein. „Weil ich glaube, dass es Dinge gibt, die ich dir nicht lehren kann.“

In Assandros’ Augen flackerte es zum ersten Mal seit langem – nicht Zweifel, nicht Angst. Sondern Erwartung.
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Re: Die Chroniken des Assandros

Beitrag von Assandros »

Teil III – Die Klinge in der Stille

Der erste Schlag traf ihn an der Schulter. Nicht hart genug, um zu verletzen – aber deutlich genug, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Assandros taumelte, stolperte rückwärts und landete unsanft auf dem staubigen Boden des Klosterhofs. Rodirian lachte trocken, nicht spöttisch, sondern herzlich.

„Du denkst zu viel“, sagte der Hauptmann, während er ihm die Hand reichte. „Das Schwert fragt nicht nach Versmaß oder Gleichnis.“

Assandros nahm die Hand an, grinste schief und rappelte sich hoch. Der Holzstab, der sein Trainingsschwert ersetzte, lag ein paar Schritte entfernt. Er hob ihn auf, atmete durch – und ging wieder in Stellung.

Die ersten Wochen des Trainings waren eine Prüfung. Für den Körper, der an Bücher und Gebete gewöhnt war. Für den Geist, der lernen musste, dass es Momente gab, in denen man nicht denken durfte, sondern handeln musste. Und doch war da etwas, das ihn zog, wie einst die Psalmen – ein Rhythmus, ein Gleichgewicht, das er zu verstehen begann.

Tagsüber half er wie immer in der Klosterküche, las aus den Schriften, lehrte jüngere Novizen das Lesen und Singen. Nach der Vesper aber, wenn der Himmel sich golden färbte, stand er mit Rodirian auf dem Hof, die Klinge in der Hand, den Blick klar.

Raiden beobachtete diese Wandlung mit einem stillen Stolz, den er sich selbst kaum eingestehen mochte. Assandros war kein Kind mehr. Und er war auch kein gewöhnlicher Bruder im Glauben. Er war etwas dazwischen – oder vielleicht etwas Neues. Etwas, das wachsen wollte, das beides vereinte: das Wort und das Schwert.

In den Nächten saßen sie manchmal zu dritt am Feuer. Rodirian erzählte von den Grenzen des Landes, von der Wildheit der Welt draußen. Assandros hörte mit leuchtenden Augen zu – nicht aus Fluchtlust, sondern weil er wissen wollte, wofür er glauben, wofür er kämpfen sollte. Raiden sprach dann von den alten Lehren, von Demut, von Mitgefühl. Und Assandros war der Anker zwischen ihnen – jung, fragend, wachsend.

Es war kein einfacher Weg. Manchmal verletzte er sich beim Training, manchmal verlor er sich in den Worten alter Schriften. Doch mit der Zeit lernte er, das Gleichgewicht zu halten. Die Klinge lehrte ihn Klarheit und Entscheidung. Die Lehren des Herrn gaben seinem Handeln Richtung.

„Er ist nicht mehr der Junge aus der Klosterküche“, sagte Rodirian eines Tages, als Assandros in der Ferne mit präzisen Bewegungen übte. „Er wird ein Mann. Und einer, den man einmal brauchen wird.“

Raiden nickte, die Hände gefaltet, das Herz ruhig. „Ich wollte ihn zu einem Diener des Herrn machen. Doch vielleicht... vielleicht wird er mehr als das.“

In diesem Moment wusste er: Er hatte nicht versucht, das Feuer in Assandros zu löschen. Er hatte ihm beigebracht, es zu tragen. Nicht zu zerstören – sondern zu leuchten.

Und Assandros, der nun mit festem Stand und ruhiger Seele das Schwert hielt, war bereit, seinen eigenen Weg zu gehen. Nicht allein. Sondern geführt von Glauben, Freundschaft – und der wachsenden Ahnung, dass seine Geschichte gerade erst begann.

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Zuletzt geändert von Assandros am 27 Apr 2025, 13:26, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die Chroniken des Assandros

Beitrag von Assandros »

Teil IV – Der Ruf des Bundes

Die Tage vergingen, und Assandros wurde besser. Nicht nur geschickter mit dem Schwert – schneller, präziser, mit schärferem Auge –, sondern auch ruhiger im Herzen. Er schlug nicht mit Wut, sondern mit Maß. Er verteidigte, statt zu zerstören. Rodirian stand oft neben ihm, die Arme verschränkt, das Gesicht von einem leichten Lächeln durchzogen. Einem, das selten war bei ihm – ehrlich, voller Stolz.

„Du bist kein Schüler mehr, Assandros“, sagte der Hauptmann eines Abends, als sie gemeinsam das Training beendeten. „Du bist ein Kämpfer. Und mehr als das – du bist ein Mann mit Grund.“

Assandros senkte leicht das Holzschwert, der Atem schwer, aber zufrieden. „Weil ihr mir beide vertraut habt“, antwortete er. „Raiden mit dem Wort. Du mit der Klinge.“

Und in diesen Worten lag Wahrheit. Denn so sehr das Schwert seine Bewegungen leitete, so sehr formten ihn die Verse der alten Schriften, die Predigten und stillen Gebete. Wenn andere Brüder ihn beim Training beobachteten, sahen sie keinen Krieger. Sie sahen einen, der beides war: Schützer und Suchender. Geist und Stärke. Wort und Klinge.

Raiden spürte diese Verwandlung mit wachsendem Staunen. Assandros war nicht länger der Junge, der Fragen stellte, sondern der Mann, der Antworten suchte – und manchmal selbst welche geben konnte. Raiden hatte ihn geformt, ihn geleitet, geliebt wie einen Sohn. Doch nun spürte er: Es war an der Zeit, ihn ziehen zu lassen.

In den Nächten durchforstete Raiden alte Schriften, las von Bündnissen, von Orden und von jenen, die mehr waren als Mönche oder Soldaten. Und irgendwann fand er, was er suchte – in einem vergilbten Codex, in einem Randvermerk, kaum mehr lesbar: Der Orden der Paladine. Männer und Frauen, die in sich Glaube, Weisheit und Kampf vereinten. Ein Bund aus altem Wissen und heiligem Schwur.

Eines Morgens rief er Assandros in den kleinen Skriptoriumssaal, wo das Licht durch ein hohes Rundfenster fiel. Der junge Mann trat ein – aufrecht, entschlossen, die Klinge an der Seite, ein Band mit Psalmen in der Hand.

„Assandros“, begann Raiden leise, „du bist hier gewachsen. Du hast gelernt, was ich dir lehren konnte. Doch dein Weg endet nicht an diesen Mauern.“

Assandros blickte ihn an – erst überrascht, dann still.

„Es gibt einen alten Bund“, fuhr Raiden fort, „der das bewahrt, was du geworden bist: Glaube, Geist, Schwert. Die Paladine. Du sollst sie suchen. Sollst dich ihrer Lehre anschließen. Nicht, weil du unvollständig bist – sondern weil du bereit bist, vollständig zu werden.“

Assandros’ Herz pochte. Nicht aus Angst. Sondern aus etwas Tieferem. Eine Ahnung von etwas Großem. Von Bestimmung.

„Und du… du meinst, ich bin bereit?“, fragte er.

Raiden trat zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter – schwer und voller Wärme. „Du warst bereit, seit du mich das erste Mal gefragt hast, warum Engel keine Schwerter tragen.“

In der Ferne schlug die Mittagsglocke. Und mit ihrem Klang begann ein neuer Abschnitt in Assandros’ Leben – leise, wie ein Gebet. Und doch gewaltig, wie ein Ruf.


 
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Re: Die Chroniken des Assandros

Beitrag von Assandros »

Teil V – Der Aufbruch

Die Vorbereitungen für die Reise liefen leise, fast ehrfürchtig ab. Assandros ging die gewohnten Wege durch das Kloster, doch diesmal mit einem neuen Gewicht auf den Schultern – nicht der Last von Zweifeln, sondern der Vorfreude auf das, was vor ihm lag. Er sprach wenig über den Abschied, aber in seinen Blicken lag eine Tiefe, die die Worte ersetzte.

Am Abend entzündeten Raiden und Rodirian ein Lagerfeuer im alten Hof. Sie saßen zu dritt im Kreis, eingehüllt in den Schein der Flammen, während die Sterne am klaren Nachthimmel auf sie herabsahen.

„Weißt du noch, wie du das erste Mal versucht hast, mit einem Holzschwert zu kämpfen?“ Rodirian lachte rau, aber warm. „Du hast eher das Gras als deinen Gegner erschlagen.“

Assandros schmunzelte, fuhr mit den Fingern durch das kurze, dunkle Haar. „Ich habe damals geglaubt, Kraft allein wäre alles.“ Er blickte zu Raiden. „Doch ihr habt mir beigebracht, dass Stärke zuerst im Herzen wächst.“

Raiden nickte nur, sein Blick glänzte im Licht des Feuers. Sie sprachen über alte Tage: von Assandros’ ersten, unbeholfenen Predigten, von heimlichen Ausflügen in den Obstgarten und von jenen stillen Momenten in der Bibliothek, wenn die Welt draußen zu verschwinden schien.

Die Stunden vergingen wie im Flug, bis nur noch die Glut im Feuerkorb leise glomm. Jeder von ihnen wusste, dass dies die letzte Nacht in dieser vertrauten Runde war. Doch keiner sprach es aus.

Am nächsten Morgen empfing Raiden ihn in seinen Gemächern. Der alte Priester stand an seinem schweren Eichenschreibtisch, auf dem ein sorgfältig gepacktes Bündel lag: Reiseproviant, eine kleine Sammlung heiliger Schriften, Verbandszeug und ein Amulett, schlicht, aber gesegnet.

„Nimm dies“, sagte Raiden leise. „Möge es dich schützen, wenn meine Worte dich nicht erreichen.“

Assandros nahm das Bündel entgegen, seine Hände fest, doch das Herz schwer. Dann ging er, um sich zu verabschieden.

 In der Klosterhalle warteten die Schüler, die er gelehrt hatte, einer nach dem anderen. Besonders Ferodin, der Jüngste, trat mit feuchten Augen vor ihn. Assandros kniete sich zu ihm hinab, legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Wachse“, sagte er einfach. „Suche das Licht – und fürchte nicht den Schatten.“

Dann verließ er das Gebäude.

Am Tor stand Raiden, die Kapuze seines Umhangs tief ins Gesicht gezogen. Neben ihm Rodirian, ein stolzes, stilles Lächeln auf den Lippen.

„Bevor du gehst“, sagte Rodirian, und hinter ihm tauchte ein schmaler, in Leder gewickelter Gegenstand auf, „habe ich noch etwas für dich.“

Mit vorsichtiger Hand überreichte er Assandros das Paket.

Als er es entrollte, kam ein neues Schwert zum Vorschein – schlank, elegant, perfekt ausbalanciert. Die Klinge schimmerte im frühen Licht, als würde sie das Morgenrot selbst spiegeln. Auf der Parierstange war ein kleines Zeichen eingraviert: die stilisierte Feder eines Schreibers, durchzogen von einer Flamme.

„Für den, der Wort und Klinge gleichermaßen trägt“, sagte Rodirian mit heiserer Stimme.

Assandros' Finger schlossen sich fest um den Griff. Worte fanden keinen Platz in seiner Kehle, doch seine Augen sprachen Bände.

Ein letztes Mal umarmte er Raiden, fest, lange. Ein letztes Nicken zu Rodirian. Dann schritt er hinaus – auf seinen Weg.

Später stand Assandros auf dem Deck eines kleinen Flussbootes. Der Bug durchschnitt leise das Wasser, das Land glitt langsam davon. Er stand aufrecht, die Hand am neuen Schwert, den Blick nach hinten gewandt.

In der Ferne sah er das Kloster, klein und ruhig wie eine Erinnerung.

Und während die ersten Sonnenstrahlen den Horizont küssten, wusste er: Seine Geschichte hatte gerade erst begonnen.

Der Mann und das Kloster am Fluss.png

 
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Re: Die Chroniken des Assandros

Beitrag von Assandros »

Teil VI – Der Ruf des Sturms

Das Flussboot glitt durch das Delta und mündete schließlich in das offene Meer. Die Luft wurde salziger, schwerer, und ein stetiger Wind blähte die Segel. Am Hafen einer kleinen Küstenstadt angekommen, wechselte Assandros auf ein größeres Schiff – die Silberkrähe, ein wuchtiger Dreimaster, der Waren, Händler und Reisende in ferne Länder brachte.

Es war das erste Mal, dass Assandros das Meer in seiner ganzen Weite sah: endlos, wogend, voller fremder Versprechen. Er spürte, wie das Wasser unter dem Schiff lebte, wie es atmete. Es war nicht wie der ruhige Fluss hinter dem Kloster – es war etwas Eigenes, Wildes.

Die ersten Tage auf See waren für ihn eine Prüfung. Der Boden unter seinen Füßen schien zu tanzen, jeder Schritt musste neu gefunden werden. Die Matrosen, wettergegerbte Männer mit rauen Stimmen, nahmen ihn mit neugierigem Spott auf. Doch Assandros begegnete ihnen mit Respekt und stiller Wachsamkeit – Eigenschaften, die ihm schnell Anerkennung einbrachten.

Am zweiten Tag begann er, sich auf dem Schiff freier zu bewegen. Er half beim Setzen der Segel, sprach mit einem alten Steuermann über die Sterne, lauschte den Geschichten von fremden Ländern, in denen Wälder glühten und Städte aus weißem Stein erbaut waren. Die Stunden vergingen in der Mischung aus Arbeit und Entdeckung.

Immer aber suchte er in den Momenten der Stille seinen Platz an der Reling. Dort stand er oft, das neue Schwert bei sich, den Blick weit hinaus auf die schimmernde, unendliche Fläche.

An einem dieser Abende, als die Sonne bereits hinter einem blutroten Horizont versank, bemerkte er es zuerst: dunkle Schatten am Rand des Himmels, schwer und wogend wie dunkle Berge. Die Luft war drückender geworden, die Möwen schrien lauter und schienen die Nähe des Wassers zu meiden.

Assandros legte die Hand an die Reling, die raue Nässe des Salzes unter seinen Fingern spürend. Sein Herz schlug ruhig, doch wachsam.

Ein Sturm zog auf.

Über ihm begannen sich die Wolken zu ballen, tief und drohend. Die Silberkrähe ächzte leise unter dem aufkommenden Wind.

Assandros Sturm.png
Zuletzt geändert von Assandros am 27 Apr 2025, 14:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die Chroniken des Assandros

Beitrag von Assandros »

Teil VII – Im Herzen des Sturms

Das Schiff lebte. Es ächzte, knarrte, vibrierte unter den donnernden Befehlen des Kapitäns. Matrosen hasteten über das Deck, zogen Seile straff, sicherten Ladung und Segel. Der Wind heulte inzwischen wie eine wütende Bestie, riss an Kleidung und Haaren, peitschte salzigen Nebel über die Planken.

Assandros hielt sich fest an einer der Relings Stangen, sein Mantel flatterte wild um ihn. Die Gischt des aufgewühlten Meeres schlug ihm ins Gesicht, scharf und beißend. Die Luft war durchtränkt von Salz und Regen, schwer und drückend.

Er spürte es deutlich: Er war hier nur ein Hindernis.

Mit schnellen, festen Schritten suchte er den Weg unter Deck. Doch schon jetzt war es schwer, aufrecht zu gehen. Das Schiff schlingerte erbarmungslos in den ersten hohen Wellen, das Holz stöhnte unter der Gewalt des Wassers. Unten war es dunkel, feucht, das Schwanken noch stärker.

Mit geübten Griffen band Assandros sein Schwert fest an seiner Seite. Die Bewegung war beinahe automatisch, instinktiv. Er befestigte das kleine Bündel, das er bei sich trug, mit Lederriemen an seiner Brust. Nichts durfte verloren gehen.

Dann kniete er nieder, stützte sich auf die Klinge, und sprach ein leises Gebet. eine Stimme ging beinahe unter im Heulen des Windes und dem Krachen der Planken.

Als er fertig war, richtete er sich entschlossen auf.

Er musste zurück an Deck.

Die Stufen bebten unter seinen Füßen, das Tosen wurde lauter mit jedem Schritt. Über ihm schlugen Wellen über die Bordwände, peitschten durch die Luft, als wollten sie das Schiff selbst verschlingen. Männer schrien, Kommandos gingen im Lärm unter.

Assandros kämpfte sich auf das Hauptdeck zurück, das Gesicht dem peitschenden Regen entgegengestreckt.

Und dann – mit einem Mal - ein gewaltiges Bersten.

Ein Grollen, als ob der Himmel selbst zersplittern würde.

Die Silberkrähe brach unter der unbändigen Wut des Sturms.

Trümmer, Schreie, Wasser – alles vermischte sich zu einem einzigen, tobenden Chaos.

Und Assandros, mitten darin, bereit, sich seinem Schicksal zu stellen.

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Re: Die Chroniken des Assandros

Beitrag von Assandros »

Teil VIII – Der Sturm hat ihn nicht bezwungen

Langsam, schwer wie Blei, öffnete Assandros die Augen. Über ihm wölbte sich der graue Himmel, von dünnen Schleiern aus Wolken durchzogen. Er spürte den groben Sand unter sich, feucht von der Gischt des Meeres. Um ihn herum lagen Trümmerteile – zerschmetterte Planken, Seile, ein zerbrochener Mast ragte schief aus dem nahen Wasser.

Sein Körper war wund, jeder Muskel schien gegen ihn zu arbeiten, doch er blieb liegen, den Blick gen Himmel gerichtet, während das gleichmäßige Rauschen der Wellen ans Ufer brandete.

Wie er hierher gekommen war, wusste er kaum. Nur bruchstückhafte Bilder wirbelten durch seinen benommenen Geist:

Das kalte Wasser, das ihn ergriff.

Die unaufhörlichen Wellen, die ihm die Luft raubten.

Und dann – diese eine Planke.

Er hatte sie umklammert, als hinge sein Leben daran. Vielleicht hatte es das auch.

Wie lange er so auf dem Meer getrieben war, konnte er nicht sagen. Die Stimmen seiner Kameraden waren bald verklungen, verschluckt vom tosenden Sturm. Alles, was blieb, war das Ringen mit dem Wasser – und sein unbändiger Wille zu leben.

Nun war er hier.

Am Leben.

Mit einem leisen Schnauben richtete er sich langsam auf. Jeder Knochen schien zu knirschen. Er tastete an sich herunter – sein Schwert, das Hab und Gut, die Riemen, mit denen er alles befestigt hatte – sie waren noch da. Eine leise Dankbarkeit durchflutete ihn. Er hatte kaum etwas besessen, aber das Wenige war ihm nun umso kostbarer.

Schwankend kam er auf die Beine und blickte über den Strand. In der Ferne erkannte er Umrisse – Gebäude, Mauern vielleicht, Türme, die sich gegen den Horizont abzeichneten. Eine Stadt.

Mit mühsamen, schleppenden Schritten bewegte er sich darauf zu. Jeder Schritt schien ihn mehr Kraft zu kosten als der vorherige. Sein Körper wollte nicht mehr, doch sein Wille trieb ihn weiter. Immer näher, bis seine Knie nachgaben und sein Blick schwarz wurde.

Das nächste, was Assandros wahrnahm, war Wärme. Und das leise Klirren von Gefäßen.

Er lag in einem einfachen, aber sauberen Raum. Ein Holzbalken zog sich über die Decke, der Geruch von Kräutern und Seife lag in der Luft. Ein Mann in einer schlichten Robe – grau und abgetragen – huschte geschäftig durch den Raum. Als er bemerkte, dass Assandros die Augen geöffnet hatte, trat er sofort an das Bett.

„Der Herr muss eine wache Hand über euch gehalten haben“, sagte er mit freundlicher, beruhigender Stimme. „Arbeiter haben die Trümmer am Strand gefunden... und euch auf halbem Weg zur Stadt. Sie haben euch sofort zu mir gebracht.“

Der Mann lächelte warm. „Ich bin Markus, der Heiler.“

Assandros rang sich ein heiseres Wort ab. „Wo... bin ich?“ fragte er, die Stimme rau von Salz und Erschöpfung.

„In Solgard“, antwortete Markus. „Ihr seid in Sicherheit, junger Mann. Aber ihr müsst euch ausruhen. Noch eine Nacht – und ihr werdet wieder auf den Beinen sein.“

Assandros nickte kaum merklich und schloss für einen Moment die Augen. Er war erschöpft, zerschlagen – aber er war am Leben. Und irgendwo in ihm glomm bereits wieder ein kleines, unbeugsames Feuer.

Assandros Bett.png
 
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