Teil I
Lana d’Arvor war nie das Kind, das brav am Rand stand. Mit zehn Jahren schlich sie sich – gerüstet mit Holzschwert und unerschütterlichem Willen –
in die Trainingsplätze der Stadt. Verkleidet, neugierig und voller Lebenslust schlüpfte sie zwischen die Reihen der Übenden,
immer ein verschmitztes Grinsen auf den Lippen. Man hätte sie fortschicken sollen – doch ihr Eifer war ansteckend.
Und so ließ man sie bleiben. Erst heimlich, dann geduldet, schließlich willkommen.
Mit dreizehn Jahren wurde sie zur Aspirantin erklärt – und unter die Obhut von Isarian gestellt.
Ein Krieger alter Schule, streng, gerecht und von unerschütterlicher Ehre. Von ihm lernte Lana nicht nur zu kämpfen, sondern auch zu leben.
„Suche niemals den Kampf – aber fliehe nicht, wenn jemand in Not ist.“
„Urteile nie, wenn du nicht alles weißt.“
„Nimm nie, was dir nicht gehört – doch verwehre niemandem, was er braucht.“
Diese und viele andere Lehren prägten Lana tief – und machten sie zu mehr als einer Kriegerin.
Die Jahre vergingen in einem Rhythmus aus Training, Wachdiensten und gelegentlichen Patrouillen.
Lana wuchs heran, ihre Bewegungen wurden präziser, ihr Blick schärfer – und ihr Herz wuchs mit jeder Begegnung.
Doch der Trott sollte nicht ewig währen.
Auf ihrer Heimatinsel begannen Spannungen zwischen zwei Glaubensrichtungen zu brodeln: Licht und Chaos –
zwei Seiten einer alten Münze, deren Streitigkeiten mehr als nur Worte wurden. Die ersten Unruhen ließen sich noch schlichten.
Doch der Vulkan, der unter der Oberfläche loderte, brach schließlich aus.
Straßen wurden zu Schlachtfeldern. Freundschaften zerbrachen unter dem Gewicht der Ideologien.
Und während beide Seiten in Fanatismus versanken, kämpfte Lana mit ihrer Truppe für das, was ihr wichtig war:
Die Unschuldigen. Die Hilflosen. Diejenigen, die weder Licht noch Dunkelheit suchten – sondern einfach nur Frieden.
Lanas Trupp, stets bemüht, Unschuldige zu schützen, stellte sich gegen die blinde Wut – und wurde selbst zum Feindbild.
Denn Neutralität ist ein gefährliches Pflaster in einem Krieg der Extreme.
Nicht Licht, nicht Chaos – das war für viele gleichbedeutend mit Verrat.
Der Tag, an dem ihr Leben zerbrach, kam schleichend – und endete in Blut.
Zurückgedrängt bis an die Küste, verwundet und erschöpft, wusste Isarian, dass es kein Entkommen für alle geben würde.
Mit einem letzten Blick sammelte er, was an Ausrüstung blieb, warf es in ein Boot – und mit der Kraft der Verzweiflung schleuderte er Lana hinterher.
„Lebe, Lana!“, rief er. „Finde deinen Weg – finde deinen Grund!“
Dann wurde er von drei Klingen durchbohrt – und Lana trieb davon, hinaus auf das offene Meer.
Tage trieb sie auf offener See. Der Hunger nagte, der Durst schmerzte, und das Meer forderte seinen Tribut.
Ziellos und gepeinigt von ihrem erlebten, allein mit diesen Gedanken auf See, begann sie langsam ihr Schicksal zu akzeptieren.
Der Proviant war aufgebraucht. Die Ausrüstung die ihr Ausbilder in ihr Boot warf, erlag dem zornigen Wellengang. Sie war erledigt.
Bei einem Versuch die Taue an einem Masten zu lösen, schaffte es noch eine Welle ihr letztes Hab- und Gut der Heimat in die offene See zu ziehen.
Ihr Schwert, welches Sie immer geehrt und geschätzt hat, versank langsam im tiefen Blau des Meeres.
Es war soweit... sie lag sich mit dem Rücken auf den Boden des Bootes und hatte abgeschlossen. Ihr Schicksal akzeptiert.
In einem der wenigen ruhigen Momente, ihr kam es wohl länger vor als es war, verdunkelte sich die Sonne ein wenig.
Es war keine Wolke, kein Einbrechen der Dunkelheit. Es war eine Welle, so groß, dass ihr Schiff zerberstete.
Sie strampelte allein, auf dem offenen Meer mit nichts als einer Robe und noch einem Paar Riemensandalen das sie an hatte.
Als sie so treibte spielte sie mit dem Gedanken sich einfach sinken zu lassen, nicht mehr aufzuschieben, was sich nicht aufschieben lässt.
Doch eine Welle zusammen mit der darunten führenden Strömung drehte sie in eine andere Richtung.
Eine Richtung in der Sie Land erblicken konnte. Es war ungefähr 150 Fuß weit. Geschafft und doch Willens die letzten Reserven zu mobliliseren,
begann sie zu schwimmen. Aber der Wellengang zollte seinen Tribut und die Ausdauer war schneller aufgebraucht als sie gedacht hätte.
Doch da erkannte sie etwas auf dem Wasser, ein Holz? Es sah nicht aus wie Treibholz, aber es schwamm auf der Oberfläche. Sie eilte in dessen Richtung und griff danach.
Es war eine Blockflöte. Kein Stück Holz auf dem sie sich ausruhen konnte, aber etwas das ihr genug Auftrieb gab um es über das Wasser zu schaffen.
Mit letzter Kraft zog sie sich an einen fremden Strand. Im Sand, von Salz und Sonne gezeichnet, hielt sie noch immer die Flöte in der Hand,
die ihre Finger wie in Trance umklammert hielten. Ein Instrument. Kein Schwert. Kein Schild. Nur Klang und Holz.
„Vielleicht für einem neuen Zweck…“ flüsterte sie und zum ersten Mal seit langer Zeit war ihre Stimme nicht vom Verlust gezeichnet – sondern von Hoffnung.
Wenn das Schwert die Saiten wechselt
- Lana d'Arvor
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