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Vidars Bestiarium - von Tieren, sonderbaren Wesen und anderen Monstrositäten

Verfasst: 07 Jun 2025, 15:17
von Vidar
Kapitel 1 - Der Beginn der Feldforschung

Die Sonne stand tief über dem Horizont, als Vidar, Druide aus dem Trolleichenwald des alten Kontinents, seinen Blick über die endlosen Ebenen des neuen Landes schweifen ließ. Es war nun mehrere Monde her, seit er dem Untergang der alten Welt entkommen ist, um auf diesem ungezähmten, fremden Kontinent Fuß zu fassen. Anfangs war es der Überlebenswille gewesen, der ihn geleitet hatte – das Errichten einer Hütte, der Wiederaufbau einer Existenz, das Beobachten der Sonnenpfade und Mondzyklen. Doch allmählich wuchs in ihm wieder jener alte Hunger – nicht nach Nahrung, sondern nach Wissen und der Erkenntnis aus Forschung und Studium.

Jetzt war die Zeit gekommen, seine druidischen Studien zu vertiefen. Die fremden Biome des neuen Landes – Wälder, Täler, schneebedeckte Gipfel, staubige Wüsten, dampfende Vulkanränder und sogar die tiefen, meist dunklen Reiche unter der Erde – riefen ihn mit ihrem uralten Flüstern. Vidar hörte sie alle. Mit seinem Stab in der Hand und einem Kohlestift sowie einem zerfledderten Buch an seiner Seite, machte er sich daran, diese Welt mit den Augen eines Forschers zu durchdringen. Nicht mehr als Wanderer, sondern als Teil der neuen Natur. Er beobachtete, dokumentierte, skizzierte und begann, die Wesen und Kreaturen dieser wilden Länder in sorgfältig geführten, eigenen Kategorien zu ordnen – jedes Wesen wurde Teil eines größeren Mosaiks, das er mit jedem Schritt weiter zusammensetzte.

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Auszug aus Vidars Feldnotizen: Unterteilung der Wesen in nachfolgende Kategorien
1. tierische oder tierähnliche Wesen
  • Von einfachen Waldbewohnern bis zu monströsen Raubtieren
  • Verhalten meist instinktiv, territorial oder schützend
  • Einige mit besonderen Fähigkeiten (Tarnung, Giftspeichel, Magieresistenz)
  • Viele einheimisch – andere eingewandert oder verändert
  • Können als Zeichen für das Gleichgewicht des Bioms gedeutet werden

2. Untote Wesen
  • Kein Puls, keine Körperwärme, oft verwesend oder skelettiert
  • Bewegungen oft ruckartig oder unnatürlich gleichmäßig
  • Reagieren selten auf Schmerz, Ausdauer scheinbar unbegrenzt
  • Stören das Gleichgewicht des Lebens – Vidar betrachtet sie mit Misstrauen
  • Besonders anfällig für heilige oder naturverbundene Magie

3. Elemtare Wesen
  • Verkörperungen reiner Urkräfte (Feuer, Wasser, Erde, Luft, Eis, Blitz)
  • teilweise humanoide Form – bestehen aus lebendiger Energie oder Materie
  • Verhalten oft instinktiv, wie Naturgewalten
  • In reinen Zonen ihres Elements besonders mächtig
  • Können spontan erscheinen, wo Magie stark konzentriert ist

4. Riesen
  • Enorme Größe, zwischen 4 bis 12 Schritt hoch
  • Leben oft abgeschieden in Bergen, Tälern oder Steppen
  • Intelligenz variiert: manche töricht und brutal, andere weise und alt
  • Hierarchie innerhalb der Stämme -  Häuptlinge, Schamanen und Krieger
  • Stammeskultur mit uralten Traditionen

5. Dämonen
  • Körperliche Verzerrungen (Hörner, Klauen, Schuppen)
  • treten in verschiedenen Formen und Größen auf
  • wirken meist angsteinflößend und sind überwiegend feindselig
  • Oft immun gegen bestimmte Elemente wie Feuer oder Magie
  • widersprechen der natürlichen Ordnung - Entstehung nicht im Kreislauf aus Leben und Tod

6. Drachen
  • Intelligenz auf Ebenen über den meisten Sterblichen
  • Alte, machtvolle Wesen mit elementarer Affinität (Feuer, Eis, Blitz, Gift)
  • Schuppenpanzer nahezu undurchdringlich
  • Fähigkeit zu Fliegen und Zauber zu wirken
  • Wächter uralter Orte oder Schätze – nicht immer feindlich

7. sonstige, nicht kategorisierbare Wesen
  • Weder Tier noch Körper, weder Dämon noch Drache
  • Formen oft instabil oder surreal (z. B. Körper aus Licht, Nebel, Schatten)
  • Verhalten schwer einschätzbar; meist neutral bis neugierig, vereinzelt auch feindselig
  • Manche beeinflussen Raum und Zeit, andere scheinen außerhalb natürlicher Gesetze zu existieren
  • Nur durch intensives Studium begreifbar – sofern überhaupt möglich
Obgleich Vidar wohl weiß, dass die Tiefen dieses neuen Kontinents weitaus mehr wundersamen und furchteinflößenden Wesen ein Zuhause bietet, stützt sich seine Feldforschung zunächst auf jene Gestalten, die sein Augenmerk besonders gefesselt haben – sei es durch ihr rätselhaftes Verhalten, ihre machtvolle oder vertraute Erscheinung oder die Störung des natürlichen Gleichgewichts, das er zu schützen geschworen hat. Und so beginnt für den Druiden eine Zeit der Forschung – eine Reise durch fremde Lebensformen, die sich über Tage, Wochen und Monate erstrecken und sein Verständnis von der Natur und ihren Mysterien auf eine neue Stufe heben wird. Dabei ist Vidar sich bewusst, dass all seine Aufzeichnungen, Deutungen und Einteilungen untrennbar mit seinem persönlichen Blick auf die Welt verbunden sind – subjektiv gefärbt durch seine Herkunft, seine Erfahrungen und seine druidische Perspektive auf das große Geflecht des Lebens.

Auch ist er sich darüber im Klaren, dass er die Mithilfe anderer Bewohner und Völker in den kommenden Mondläufen in Anspruch nehmen müsste... nur so konnte sein Bestiarium mit den notwendigen, für seine Studien und Forschungen relevanten Informationen gefüttert werden.

Vidars Bestiarium - von Tieren, sonderbaren Wesen und anderen Monstrositäten

Verfasst: 08 Jun 2025, 00:39
von Vidar
Kapitel 2 - Aufzeichnungen aus der Eishügelebene – Studie der Harpyienwesen

Der Nordwind pfiff eisig über die scharfkantigen Rücken der Eishügelebene, als Vidar seinen Fuß auf das karge, schneeverwehte Land setzte. Über Tage hatte er die Reise vorbereitet, die ihn an den nördlichen Rand des bekannten Kontinents führen sollte – in ein Gebiet, das selbst unter den Jägern und Kartographen als kaum erforscht galt. Sein Ziel war die alte Harpyienruine, ein Ort, der nur noch aus zerfallenen Überresten einer längst vergangenen Zeit bestand. Mächtige, halb eingestürzte Mauern ragten wie gebrochene Rippen aus dem gefrorenen Boden, bedeckt von Raureif und zerfressen vom Zahn der Jahre. Wo einst vielleicht ein Tempel oder Versammlungsplatz stand, lagen heute nur noch Bruchstücke – schneebedeckte Steine, zerschlagene Reliefplatten, und vereinzelte Säulen, die sich trotzig gegen die Stürme des Nordens stemmten. Der Wind sang durch die offenen Ritzen der Ruine, als trage er das Flüstern alter Stimmen mit sich. Und doch war es genau dieser verlassene Ort, der die Harpyien noch immer anzog – vielleicht als Heiligtum, als Erinnerungsstätte oder schlicht als Nistplatz in der weiten, feindseligen Einöde der Eishügelebene.

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Der Druide schlug sein Lager am Rande einer Klamm auf, geschützt zwischen eingefrorenen Felsformationen. Von dort aus begann er seine erste Feldbeobachtung: die gewöhnliche Harpyie.
Diese Kreaturen, halb Frau, halb Raubvogel, bildeten kleine Gruppen, die in Felsspalten nisteten. Vidar stellte fest, dass sie vor allem während der Dämmerung aktiv wurden, wenn die Sonne nur noch ein blasses Glühen an den Horizont warf. Sie jagten im Schwarm, kreisend wie Geier über der Ebene, bis sie Beute erspähten – ein Schneehase, ein verirrter Fuchs, ein Krähenpaar. Mit schrillen Lauten gaben sie untereinander Signale, eine Mischung aus krächzenden Rufen und gurgelnden Tönen, die Vidar mühsam in seinem Notizbuch zu skizzieren begann. Besonders auffällig war ein wiederkehrender Ruf, den er als Sammelzeichen deutete – offenbar rief damit ein Exemplar die anderen zu einem Fund oder zur Verteidigung zusammen.
Auszug einer Doppelseite aus seinen Notizen: Merkmale und Skizze der Harpyie
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Am dritten Tag seiner Beobachtung näherte sich ein ungewöhnlicher Schwarm aus dem Norden – ihre Bewegungen bedachter, ihr Körperbau graziler. Es handelte sich um Harpyien-Schamanen – eine seltene Erscheinung. Diese Wesen unterschieden sich in vielerlei Hinsicht von ihren Artgenossinnen: Ihre Flügel waren von gräulichen Mustern durchzogen, die wie Runen wirkten, und ihre Augen leuchteten in mattem Grün. Vidar beobachtete, wie sie im Kreis über der Ruine flogen und dabei schwebende Muster bildeten – als würden sie ein altes Ritual vollziehen oder Gebrauch von einer Form von Magie machen. Der Wind trug einen tiefen, rhythmischen Gesang zu ihm herüber, bestehend aus kehligem Summen und gelegentlichem Fauchen. Er notierte: „Vermutlich eine Art geistige Verbindung oder magische Kommunikation – weitaus komplexer als die Laute der gewöhnlichen Harpyien.“
Auszug einer Doppelseite aus seinen Notizen: Merkmale und Skizze der Harpyien-Schamane
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 Am siebten Tag schließlich, als die Nächte bereits länger wurden, geschah es: Die Steinharpyien erschienen. Diese massiven Kreaturen bewegten sich schwerfällig, ihre Körper schienen teilweise aus felsartiger Substanz zu bestehen – durchzogen von rissigen, glimmenden Linien. Ihre Flügel waren breiter, aber weniger beweglich, und sie hielten sich meist am Boden oder auf Plateaus. Trotz ihrer Schwere wirkten sie nicht minder gefährlich. Ihre Kommunikation war kaum hörbar – ein leises Brummen oder Knirschen, das Vidar eher fühlte als hörte, als würde der Boden selbst mit ihm sprechen. Er notierte sich, dass sie kaum mit anderen Harpyien interagierten, jedoch von den Schamanen nicht angegriffen oder verjagt wurden. Dies ließ auf eine spirituelle oder gesellschaftliche Sonderstellung schließen – vielleicht als Hüter, als lebendige Monumente oder gar als Ahnenfiguren eines uralten Harpyienkults.
Auszug einer Doppelseite aus seinen Notizen: Merkmale und Skizze der Steinharpyie
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Während Vidar sich bei klirrender Kälte am Feuer wärmte und seine Notizen durchblätterte, wurde ihm bewusst, welch einzigartiger Ort die Harpyienruine war. Hier verschmolzen Natur, Magie und Geschichte zu einem lebendigen Gefüge, das sich dem schnellen Verständnis entzog. Doch waren es - neben den fast schmerzhaft kalten Temperaturen - die Harpyien selbst, welche diesen Ort zu einem gefährlichen Unterfangen für unerfahrene Besucher machten. Mit jeder neuen Skizze, jedem aufgezeichneten Ruf und jeder nächtlichen Beobachtung wuchs Vidars Wissen – und mit ihm die Ehrfurcht vor dem, was in der Wildnis verborgen lag. Schnell war ihm klar, dass diese Harpyien zu seiner ersten Kategorie "tierische oder tierähnliche Wesen" zählten.

„Diese ersten Studien beruhen allein auf meinen eigenen Eindrücken“, schrieb er abschließend auf den unteren Rand seiner Buchseite, „doch sie eröffnen ein Fenster in eine Welt, die nur darauf wartet, entschlüsselt zu werden.“

Vidars Bestiarium - von Tieren, sonderbaren Wesen und anderen Monstrositäten

Verfasst: 09 Jun 2025, 20:28
von Vidar
Kapitel 3 - Forschung in der Trollschlucht - ein Einblick in das Leben der Trolle

Die Trollschlucht – allein der Name ließ selbst erfahrene Abenteurer innehalten. Auf alten Karten war sie als ein breiter Kessel zwischen dem nördlich gelegenen Feenwald und den finsteren Baumriesen des Bergplateau-Urwalds im Süden, verzeichnet. Ein vergessener Ort, rau und unbarmherzig, in dem die Sonne selten bis auf den kargen Grund drang.  Die Landschaft war geprägt von tiefen Furchen, abgestorbenen Bäumen, zerklüfteten Felsvorsprüngen. Es hieß, dort lebten Trolle – teilweise alleine und nicht selten sogar in Gruppen, in einer Art Gemeinschaft, die von außen nur schwer zu durchdringen war. Vidar errichtete sein Lager in einer ausgewaschenen Felsnische, hoch oben an der Wand der Schlucht, versteckt hinter hängenden Wurzeln und Efeu. Von dort aus hatte er freien Blick auf einen der Hauptpfade der Trolle – eine breite Furche im Boden, getreten von den Füßen zahlloser Riesen. Und tatsächlich: Schon am ersten Abend hörte er sie. Erst fernes Grollen, dann ein heiseres Röhren, schließlich das unmissverständliche Stampfen von Dutzenden Füßen.
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Vidar begleitete jeden Abend das immer gleiche Ritual. Erst wenn die Nacht angebrochen war, konnte er das Feuer in seinem provisorischen Lager unbemerkt entzünden. Kurz darauf schon saß er, bewaffnet mit Kohlestift und seinem Notizbuch, vor eben dieser Flamme. Er schrieb alle neuen Erkenntnisse nieder, dokumentierte präzise die gewonnenen Eindrücke seiner Studien.

Der Druide verbrachte mehrere Tage damit, sich an den Rhythmus der Trollschlucht anzupassen. Er erkannte bald, dass dieses Volk – so roh und gefährlich es auch wirkte – nicht chaotisch lebte. Im Gegenteil: Zwischen den einzelnen Trollen herrschte eine spürbare Ordnung, eine klare Hierarchie, die sich nicht nur aus Stärke, sondern auch aus geistiger Präsenz und rituellem Wissen speiste. Die gewöhnlichen Trolle bildeten die breite Masse. Sie erledigten alltägliche Arbeiten, jagten, sammelten Holz, und schleppten schwere Lasten. Über ihnen standen die Trollkrieger, imposante Gestalten, die sich durch Disziplin, Kraft und Waffenkunst hervortaten. Sie wachten über das Lager, führten jüngere Trolle im Kampf an und duldeten keinerlei Widerspruch. An der Spitze standen die Trollschamanen – geheimnisvolle, weise Wesen, die sowohl magische Riten als auch Entscheidungen innerhalb der Gemeinschaft leiteten. Wenn ein Schamane das Wort erhob, verstummten selbst die Krieger.

Die Kommunikation war so vielfältig wie ungewöhnlich: Trolle sprachen nicht nur mit Worten, sondern mit Körpern. Sie brüllten zur Warnung, schlugen mit Hauerzähnen aufeinander, stampften im Takt, oder schlugen mit Fäusten auf die Brust. Es gab Gesten der Unterwerfung, der Wut, aber auch des Respekts. Besonders auffällig war das nächtliche Ritualheulen, das regelmäßig erklang und von mehreren Stimmen getragen wurde – ein durch Mark und Bein dringender Klang, der Vidar noch lange nach seiner Abreise begleiten würde.


Auszug aus seinen Notizen:
 
Charakteristika und Skizze eines gewöhnlichen Trolls
  • Erscheinung: Riesige, massige Körper, zähe Haut mit Narben, Schlamm und Moos überzogen

  • Ausrüstung: Nur mit zerrissenen Lederfetzen bekleidet, Knochenketten um Hals und Handgelenke

  • Verhalten: Einfach strukturiert, arbeiten in Gruppen, reagieren auf Befehle, aber auch auf Drohgebärden

  • Funktion: Arbeiter, Jäger, Träger – das Rückgrat der trollischen Gemeinschaft
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Charakteristika und Skizze eines Trollschamanen
  • Erscheinung: Dünner, aber nicht schwächer; mit leuchtenden Augen und bemalten Schädeln geschmückt

  • Ausrüstung: Führen Schamanenstäbe, verziert mit Knochen und einem Schädel an der Spitze

  • Verhalten: Ruhig, kontrolliert, sprechen selten, aber mit Autorität; vollführen Rituale und Zeichenmagie

  • Funktion: Spirituelle Führer, Bewahrer alter Rituale und Vermittler innerhalb der Trollgruppen
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Charakteristika und Skizze eines Trollkriegers
 
  • Erscheinung: Gewaltige Muskelberge, Haut von Narben durchzogen, meist mit dunklem Blut beschmiert

  • Ausrüstung: Tragen schwere Streitäxte aus Metall, teils mit eingefassten Trophäen

  • Verhalten: Diszipliniert, furchtlos, handeln mit roher Gewalt; beaufsichtigen das tägliche Lagerleben

  • Funktion: Schutz der Gruppe, Führung im Kampf, Ausbilder und Richter unter den Trollen
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Die Trolle lassen sich eindeutig der vierten Kategorie "Riesen" zuordnen...

Als Vidar am Abend seines letzten Tages durch das verlassene Schlachtfeld am Rande der Schlucht schritt, entdeckte er zwischen zerbrochenen Steinen und getrocknetem Blut einen einzelnen, mächtigen Hauer – abgestoßen, rissig, von gräulichem Schimmer. Er gehörte einst einem Trollkrieger, dessen Name längst verweht war. Vidar hob ihn behutsam auf, wog ihn in der Hand und spürte den kalten Nachhall der rohen Kraft, die in diesem Zahn einst gewirkt hatte. Er nahm ihn an sich – nicht als Trophäe, sondern als stilles Zeichen der Erinnerung, der Achtung und der Einsicht, dass auch in der Wildheit der Trolle Ordnung, Geschichte und Würde verborgen lagen.
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Vidars Bestiarium - von Tieren, sonderbaren Wesen und anderen Monstrositäten

Verfasst: 14 Jun 2025, 17:17
von Vidar
Kapitel 4 - Studien der Stille - Feldforschung auf dem Friedhof nahe Nebelhafen (Teil I)

Um die Erfahrungen der Trollschlucht bereichert, hatte sich der Druide nur wenige Nächte der Ruhe und Erholung gegönnt. Der Wind wehte schwächer an jenen Tagen, als Vidar sich auf den Weg zum Friedhof südlich von Nebelhafen machte. Dort, wo der Stadtrand langsam in die Felder der Bewohner überging und morgentliche Nebelschwaden wie vergessene Gedanken zwischen verwitterten Grabsteinen tanzten, lag ein Ort der Ruhe – und doch nicht ohne Bewegung. Für viele war dies ein Ort des Endes, der Vergänglichkeit, des Schreckens. Für Vidar jedoch war der Friedhof Teil eines größeren Kreislaufs – aus Geburt, Leben und letztendlich einer letzten Reise - dem Tod.

Mit Bedacht trat er durch das rostige Eisentor, den Stab fest in der Hand, spürte er sofort die Veränderung in der Luft. Hier war die Welt stiller, gedämpfter. Das Zwitschern der Vögel wurde vom klagenden Krächzen der Raben abgelöst, und selbst der Wind schien vorsichtiger durch die alten Bäume zu wehen. Doch was wie verlassene Ruhe wirkte, war in Wahrheit Bühne für derlei sonderbare Gestalten – Wesen, die sich zwischen Grab und Wurzel bewegten. Vidar beobachtete sie mit ruhigem Atem, hielt Abstand, dokumentierte und skizzierte. Und was er sah, ließ ihn tiefer über das Verhältnis von Tod und einer darüber hinaus widernatürlichen Wandlung nachdenken als je zuvor.


Zwischen zwei eingefallenen Grabsteinen kroch es hervor – ein Wesen aus schleimiger, grünlich-schimmernder Masse. In einem Moment kaum bis zur Kniebscheibe ragend, im nächsten Augenblick fast dem Erdboden gleich - doch in stetiger Bewegung. Es besaß keinen Kopf, keine Glieder im eigentlichen Sinn. Stattdessen pulsierte die gallertartige Form in sich, waberte, teilte sich an Rändern, zog sich wieder zusammen. Seine Fortbewegung war quälend langsam, beinahe meditativ. Der Schleim schob sich über Stein und Erde, hinterließ feuchte Spuren, die rasch wieder vergingen. Es gab kein Zucken, kein Ruckeln – nur das stetige, träge Vordringen, als folge es einem inneren Fluss.

Vidar stellte fest, dass das Wesen sensibel auf Vibrationen im Boden reagierte. Als eine Krähe in der Nähe landete, veränderte es für einen Moment seine Richtung, als wolle es prüfen, ob hier Nahrung, Gefahr oder bloß Störung lauerte. Eine eigentliche Kommunikation fand nicht statt – zumindest nicht auf sichtbare Weise. Keine Laute, keine Gesten. Nur die Bewegung selbst, rhythmisch und unaufhaltsam, war Ausdruck seiner Existenz. Für Vidar war das Schleimwesen wie ein Sinnbild für den zähen Restwille des Verfalls: Eine Form, in der kein irdisches Leben steckt, aber auch nicht völlig vergangen ist.


Auszug aus seinen Notizen:
Schleimwesen
 
  • Besteht aus grünlich schimmernder, gallertartiger Masse ohne feste Form (Farbe kann variieren)

  • Bewegt sich kriechend und extrem langsam, zieht dabei feuchte Schleimspuren hinter sich

  • Reagiert auf Erschütterungen und Vibrationen, wie beispielsweise Schritte, im Boden

  • Keine sichtbaren Sinnesorgane, keine Laute oder erkennbare Gestik

  • Verkörpert verzögerten Zerfall, nicht lebendig, aber auch nicht völlig tot

  • Neugierig und durchaus agressiv bei Berührung
→ Dieses Wesen ordne ich der 7. Kategorie "sonstige, nicht kategorisierbare Wesen" zu

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Gerade die Notizen und eine Skizzierung zum Schleim vollendet, entdeckte Vidar im abgelegenen Teil des Friedhofs eine weitere Kreatur, welche seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit gewann. Dort, wo die Grabsteine längst von Efeu verschlungen und Namen von der Zeit ausgelöscht worden waren, traf der Druide auf ein Kopfloses Wesen. Der Körper, der sich dort bewegte, war eine Beleidigung an den Kreislauf des Lebens: ein kopfloser Torso, aufrecht, gehüllt in die zerfledderten Reste einstiger Kleidung – doch ohne Geist, ohne Zentrum, ohne Daseinsberechtigung. Er wankte ziellos zwischen den Gräbern umher wie ein Herbstblatt im Wind – keine Richtung, kein Ziel, kein Bewusstsein. Vidar sah keine Spur von Erinnerung, keine Regung von Willen. Nur das Torkeln einer fleischlichen Hülle, gehalten von dunkler Kraft, die nicht hierher gehörte.

Weder Vogelruf noch Windstoß ließ ihn reagieren. Nur wenn Licht durch die Nebel stach, schien sein Körper sich unbewusst zu rühren, als wäre in den Schattenfetzen noch ein schwacher Nachhall eines früheren Lebens verborgen. Doch was auch immer ihn bewegte – es war nicht mehr Leben. Für Vidar war dieser Zustand ein Frevel an der Natur: ein Körper, der hätte ruhen sollen, aber durch fremde, blinde Kräfte weitergeschoben wird. Keine Seele, kein Verstand, kein Ende. Nur Verirrung und Leere.


Auszug aus seinen Notizen:
Kopfloser
 
  • Besitzt keinen Kopf, nur ein aufrechter Torso mit zerrissener Kleidung um die Hüfte

  • Torkelt ziellos durch die Grabreihen, ohne erkennbare Richtung oder Reaktion

  • Reagiert nicht auf Geräusche, gelegentlich auf Vibration, Licht oder Schatten

  • Wirkt völlig geist- und willenlos, ein Körper ohne Bewusstsein

  • Für mich eine widernatürliche Hülle, vom Kreislauf getrennt, leer und fehl am Platz

  • Agressiv sobald Aufmerksamkeit erregt wurde
→ Dieses Wesen ist eindeutig der 2. Kategorie "Untote Wesen" zuzuordnen

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Das dritte Wesen war schlimmer. Es kam nicht schleichend, sondern verströmte sich, lange bevor es zu sehen war – ein starker, fauliger Geruch, der nach Moder, Eiter und Tod roch. Als der Zombie aus dem Nebel trat, hatte Vidar Mühe, nicht instinktiv zurückzuweichen. Sein Körper war ein grauenhaftes Bild des Verfalls: zerrissenes Fleisch, offener Brustkorb, klaffende Wunden – doch er bewegte sich, als würde das Fleisch selbst den Tod leugnen. Seine Bewegungen waren ruckartig, verkrampft, jeder Schritt ein erzwungener Trotz gegen das Sterben. Er stieß lautlose Schreie aus, tief aus einem Hals, der längst hätte verstummen sollen. Seine Gliedmaßen zuckten unkontrolliert, und seine Augen – wenn man sie so nennen konnte – starrten leer, doch gierig.

Als sich ein Blatt vor ihm bewegte, schnappte er danach, als hätte er vergessen, was es bedeutet, zu leben – oder zu sterben. Vidar spürte dabei nichts als Widerwillen. Hier war keine Seele mehr, nur zersetzte Materie, aufrecht gehalten durch abscheuliche Magie. Für ihn war dieses Wesen ein wandelnder Fehler, eine offene Wunde im Gewebe der Natur.

*„Solche Kreaturen bringen das Gleichgewicht ins Wanken“, schrieb er, „sie verweigern den Frieden des Vergehens und dienen nichts als dem Zersetzungswerk dunkler Mächte.“


Auszug aus seinen Notizen:
Zombie
 
  • Stark verwester Körper, aufgerissene Brust, fauliges Fleisch, schleimige Haut

  • Intensiver Verwesungsgeruch, der weit vorausströmt

  • Ruckartige, unkontrollierte Bewegungen, schnappende Reflexe

  • Gurgelnde oder röchelnde Laute, reagiert auf Bewegung in der Umgebung

  • In meinen Augen ein verachtenswerter Zustand, von dunkler Magie getragen – eine Beleidigung an das natürliche Ende

  • Agressiv, steuert Ziel genaustens an
→ Auch dieses Wesen ist eindeutig der 2. Kategorie "Untote Wesen" zuzuordnen

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Der Sonnenuntergang und die darauffolgende Dämmerung hatten bereits das Ende des Tages eingeläutet, als Vidar die letzte Skizze in seinen Notizen anfertigte. Der Wind trug nun keinen Laut mehr – selbst die Bewegungen der Untoten wirkten ohne das einfallende Sonnenlicht steifer und nochmals unnatürlicher.

Zwischen zwei zerbrochenen Engelsstatuen entdeckte Vidar eine Krypta, von Flechten überwuchert, lag der Eingang zu eben dieser genau vor ihm. Aus der Tiefe drang ein modriger Hauch empor, vermischt mit einer Kälte, die nicht nur vom Boden kam, sondern von etwas... darunter. Er trat näher, den Stab fester gefasst. Der Eingang wirkte wie eine unausgesprochene Einladung für Forschende – offen, wartend. Und doch spürte Vidar nicht Furcht, sondern das vertraute Ziehen der Neugier. Was auch immer dort unten ruhte, war Teil desselben Kreislaufs, den er zu verstehen suchte. Und vielleicht – so dachte er – lag in der Dunkelheit nicht nur der Verfall, sondern auch eine Wahrheit, die das Leben oben nicht preisgab.

Mit einem letzten Blick auf das ruhende Gräberfeld hinter sich, trat Vidar über die Schwelle. Wie von Geisterhand schlug die alte Holztür hinter dem Druiden in die Angeln - jedoch nicht hörbar, gar unheimlich lautlos.
Der zweite Teil dieses Kapitels begann in der Stille unter der Erde....
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Vidars Bestiarium - von Tieren, sonderbaren Wesen und anderen Monstrositäten

Verfasst: 17 Jun 2025, 15:48
von Vidar
Kapitel 5 - Die Wächter der Krypta - Feldforschung auf dem Friedhof nahe Nebelhafen (Teil II)

Der Abstieg in die Krypta war flach, doch mit jedem Schritt schien sich das Licht der Welt über ihm weiter zurückzuziehen. Bald schon war nichts mehr von Nebelhafens Dämmerung zu spüren – nur das Knirschen von Sand unter der Sohle und das dumpfe Echo seines eigenen Atems. Der Gang vor ihm war feucht und kühl, von Rissen durchzogen und gesäumt von uralten Inschriften, an welchen der Zahn der Zeit nagte. Hier unten lag kein Frieden – nur vergessene Stille und der Geruch von Fäulnis und kaltem Stein.

Steingräber säumten die Seitenwände, manche aufgebrochen, andere noch versiegelt. Zwischen ihnen trieben sich wieder dieselben abscheulichen Gestalten wie oben umher: Kopflose, ziellos, und wankende Zombies, deren Gestank selbst durch das Tuch vor Vidars Gesicht drang. Doch tiefer im Inneren, in einer hohen Halle mit zerfallener Decke, verharrte Vidar im Schatten einer halb eingestürzten Statue. Dort, verborgen hinter dem moosüberzogenen Gewand eines steinernen Engels, erblickte er drei neue Kreaturen – gänzlich von Fleisch befreit, doch nicht minder bedrohlich.
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Das erste Wesen, das Vidar in der fahlen Dunkelheit der Krypta erspähte, war schlicht – doch gerade seine Schlichtheit machte es unheimlich. Ein nacktes, bis auf den Knochen herunter genagtes Skelett, aufrecht, gelenkig, aber völlig unbewaffnet, bewegte sich in gemessenen Schritten durch einen Raum, dessen Wände von längst verblichenen Inschriften gesäumt waren. Der Druide beobachtete es lange aus seinem Versteck hinter der Statue. Das Skelett wirkte nicht sonderlich aggressiv, eher fast... gehorsam. Es umrundete eine zerbrochene Steingruft immer wieder, mit gleichbleibendem Abstand, als würde es einen Posten bewachen, den längst niemand mehr beachtet. Es zeigte keine Regung, kein Schwanken, keinen Impuls – und gerade das war erschreckend: absolute Bewegung ohne Willen.

In seinem Notizbuch schrieb Vidar: „Dieses Wesen ist die reine Form des Befehlsempfängers. Kein Rest von Erinnerung oder Gefühl – nur die starre Pflicht, die es einst gebunden hat. Es ist nicht lebendig, aber auch nicht tot. Es existiert... funktional.“

Auszug aus seinen Notizen:
Skelett
  • Aussehen: Dünne, verwitterte Knochenstruktur ohne Rüstung oder Kleidung

  • Verhalten: Wirkt getrieben, folgt immer denselben Bewegungsmustern – wie ein vergessenes Echo

  • Bewegung: Gleichmäßig, langsam, aber auffallend rhythmisch und koordiniert

  • Bewaffnung: Keine – völlig unbewaffnet

  • Zustand: Leicht beschädigt, aber erstaunlich stabil; von fremder Kraft aufrecht gehalten
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Vidar hörte es, bevor er es sah: ein metallisches Kratzen, gefolgt von einem hohlen Plock, als etwas auf Stein prallte. Vorsichtig schob er sich am Rand der Statue entlang und sah, wie ein Skelett mit einer kleinen Wurfaxt in der Hand durch einen angrenzenden Seitenraum schlich. Anders als das erste war dieses Wesen rastlos, reaktionsschnell, unruhig. Es schlich in geduckter Haltung um zerbrochene Säulen, hob Äxte auf, die es zuvor geworfen hatte, und nahm erneut Stellung – so, als trainiere es, obwohl kein Gegner zu sehen war. Vidar erkannte in der Bewegungsweise einen Reflex – als wäre das Skelett einst ein Jäger oder Wachsoldat gewesen, dessen Zweck ihm in den Knochen eingeschrieben blieb. Einmal warf es die Axt auf einen moosüberzogenen Sarkophagdeckel, zielsicher, fast instinktiv. Dann huschte es sofort zur Seite, hob eine weitere Axt auf und wiederholte die Bewegung. Es sprach nicht, es sah nichts – doch es reagierte, als würde es einem inneren Schema folgen, das nicht verlernt werden konnte.

Vidars Einschätzung: „Zielgerichtete Handlung ohne Intelligenz. Ein Schatten seiner früheren Funktion – gefährlich nicht durch Willen, sondern durch Gewohnheit.“

Auszug aus seinen Notizen:

Skelett-Axtwerfer
  • Aussehen: Knochiger, leicht gedrungener Körper mit abgewetzten Gliedmaßen

  • Verhalten: Zielgerichtet, aufmerksam, reagiert auf Bewegung – wirkt wie auf Patrouille

  • Bewegung: Kurz, hastig, mit plötzlichen Wendungen – zeigt Reaktionsfähigkeit

  • Bewaffnung: Rostige Wurfaxt (teils mehr als eine); holt geworfene Waffen wieder zurück

  • Zustand: Spürbar brüchiger als das einfache Skelett, aber funktional und gefährlich
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In der Mitte des Raumes – beleuchtet nur durch das fahle Licht eines kleinen, gebrochenen Lichtschachts über der Halle – stand eine Kreatur, die sich deutlich von den anderen unterschied. Es war ein Skelett, ja, doch sein Auftreten war würdevoll. Es trug ein rundes Holzschild, dunkel und gesplittert an den Rändern, und in der rechten Hand einen säbelförmigen, leicht gekrümmten Metallklinge. Der Skelettkrieger bewegte sich langsam, bedacht, als sei jeder Schritt Teil einer uralten Form. Mehrmals beobachtete Vidar, wie es mit angehobener Waffe vor einer Grabkammer Stellung bezog, Schild erhoben, Klinge in Abwehrhaltung. Dann verharrte es – still, regungslos, wachsam. Diese Gestalt war kein leerer Automat, kein zielloser Schatten. Sie war ein Wächter, dem die Zeit nichts genommen hatte außer Fleisch. Es schien, als sei der Wille, zu beschützen, tief in die Knochen selbst eingebrannt. Kein Röcheln, kein Laut, keine Zuckung. Nur pure Präsenz, als würde das Skelett noch immer an einen Eid gebunden sein.

Vidars Urteil war klar: „Hier wirkt keine Magie der Zersetzung, sondern eine Bindung der Pflicht. Der gefährlichste Zustand – wenn der Körper fällt, aber der Auftrag bleibt.“

Auszug aus seinen Notizen:
Skelettkrieger 
  • Aussehen: Kräftigerer Knochbau, trägt rundes Holzschild und metallenen Säbel

  • Verhalten: Verteidigend, fokussiert, führt Kampfhaltungen aus – fast rituell

  • Bewegung: Ruhig, präzise, mit hoher Körperspannung; wirkt diszipliniert

  • Bewaffnung: Rundschild aus Holz (teilweise beschädigt) + verzierter Säbel aus dunklem Metall

  • Zustand: Sehr gut erhalten, stabil, wirkt wie ein Relikt aus vergangenen Schlachten
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Nachdem seine letzten Beobachtungen schriftlich festgehalten waren, trat für Vidar ein Punkt ein, an dem die Luft zu schwer, das Grollen im Gemäuer zu laut und die Präsenz des Widernatürlichen zu dicht wurde. Er entschied, seine Forschung in der Krypta zu beenden – nicht aus Furcht, sondern aus Respekt vor den Grenzen des Verstehens. "Nicht alles will sich sofort offenbaren – manches verlangt Abstand, Stille, und einen klaren Geist. Jedoch eines kann ich mit Gewissheit bestätigen… diese Wesen sind eindeutig der 2. Kategorie - Untote Wesen - zuzuordnen."

Noch bevor Vidar die Krypta verließ, fiel sein Blick auf einen kleinen, unversehrten Knochen, der zwischen zwei zerbrochenen Sarkophagen lag. Anders als die restlichen Überreste war er glatt, fast weißlich, ohne Bruchkanten oder Verwitterung – wie ein stilles Fragment, das von dem geordneten Leben zeugte, das einst war, bevor dunkle Mächte es entstellten. Bei genauerer Betrachtung stellte er fest, dass es sich hierbei um einen Ringfingerknochen handelte, welcher einen besagten Ring trug. Der Druide hob ihn auf, inspizierte ihn nochmals - der Ring war schmucklos, ohne Edelsteine oder sonstige Gravuren. Vidar steckte den Fingerknochen samt Ring schließlich behutsam in ein gewickeltes Tuch. Nicht als Trophäe, sondern als Erinnerung – an das, was in der Tiefe gefehlt hatte: der Frieden des natürlichen Todes.
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Zurück auf dem Gelände des Nexus, zwischen Bäumen, Büchern und dem beruhigenden Klang des Windes, übertrug Vidar seine losen Skizzen und Mitfschriften mit ruhiger Hand in sein Notizbuch. Jeder Strich, jede Beschreibung diente nicht nur der Erkenntnis, sondern auch dem Verständnis für das, was aus dem Gleichgewicht geraten war. Als Druide, als Schützer des Lebenskreislaufs, empfand er tiefe Abscheu gegenüber jener Magie der Untoten, die den natürlichen Fluss von Leben und Vergehen unterbrach. Was er in der Krypta gesehen hatte, war kein Teil der Ordnung – es war Widerstand gegen das Ende, ein Aufbegehren gegen das, was alle Wesen letztlich eint: der Weg zurück zur Erde.