Galora Aqulia – Der Weg nach Servastae
Das Meer lag schwarz und schwer unter dem Himmel, als das Schiff die "Windruferin" die Küste verließ. Galora Aqulia stand am Bug, den Blick auf das endlose Grau gerichtet.
Hinter ihr lagen die alten Lande, verbrannt, verloren, vergessen.
Vor ihr nur das Ungewisse. Sie hatte alles aufgegeben: ihre Heimat, ihr Heim, ihre Schwestern. Alles, bis auf den Glauben an Nyame, die Göttin des Lichts und der Sonne, die sie in der Dunkelheit führte.
Die ersten Tage waren still. Der Wind trug das Schiff sanft über die Wellen, und das Meer schien freundlich. Doch schon bald zeigte es sein wahres Gesicht.
Das Schiff ächzte unter der Gewalt der See, das Holz splitterte, Taue rissen, und Schreie hallten durch die Nacht.
Galora kämpfte, Seite an Seite mit den Männern und Frauen an Bord. Ihre Hände waren aufgerissen vom Salz, ihre Lippen bluteten vom Durst. Der Proviant wurde knapp, das Trinkwasser ging fast zur Neige. Der Nebel legte sich über das Meer wie ein Leichentuch, und bald verlor man jede Orientierung. Der Kompass fiel aus, das Ruder versagte, und der Himmel blieb verhangen.
„Wir sind verloren“, flüsterte jemand, während das Schiff ziellos trieb.
Doch Galora schwieg. In ihrem Innern brannte noch ein Rest Glut. Nacht für Nacht kniete sie an Deck und flüsterte Gebete zu Nyame. Sie bat nicht um Rettung – sie bat um Führung.
Dann kam der Tod des Kapitäns. Skorbut hatte ihn gezeichnet, bis sein Körper ihn nicht mehr tragen konnte. Als man ihn ins Meer gleiten ließ, weinte niemand mehr. Es war, als hätte selbst das Meer jede Träne verschluckt.
Tage wurden zu Wochen. Der Nebel wich nicht. Die Hoffnung schwand. Nur Galora stand noch aufrecht. Und als alles verloren schien, als die letzte Kerze in der Kajüte erlosch, brach eines Morgens das Licht durch die Wolken.
„Land!“ rief jemand, heiser vor Unglauben.
Vor ihnen lag eine Küste – grün, felsig, lebendig. Die Windruferin, halb zerbrochen, schleppte sich durch die letzten Wellen, bis sie in einer Bucht anlegte.
Ein Hafen erstreckte sich und menschliche Stimmen waren zu vernehmen, ein Alltag den sie schon fast vergessen hatte. Solgard.
Die südwestlichste Stadt auf einer riesigen Insel, ein Ort, der nach Leben roch, nach Brot, nach Feuer. Für Galora war es, als würde sie zum ersten Mal wieder atmen.
Doch Solgard war nicht ihre Heimat. Sie blieb einige Tage in der Stadt, ruhte sich aus und eines Abends, als der Wind die Laternen flackern ließ, trat sie in eine Taverne.
Der Raum war laut, erfüllt von Lachen, Musik und dem Geruch von Wein. Dort begegnete sie einer Frau, in einem dunklen Mantel gehüllt, mit Augen, die zu viel gesehen hatten.
„Ihr seid von weit her, nicht wahr?“ fragte die Fremde.
Galora nickte. „Ich suche ein neues Zuhause.“
Die Frau lächelte schwach. „Ihr seid eine Amazone, nicht wahr? Dann solltet ihr nach Servastae gehen, der Stadt der Amazonen. Dort, so sagt man, leben eure Schwestern. Vielleicht auch euer Schicksal.“
Galoras Herz schlug schneller. „Wo finde ich diesen Ort?“
„Hinter der staubtrockenen Wüste und der Messergrassavanne. Ein weiter Weg, Kind der Löwin, aber wer Nyame im Herzen trägt, den führen selbst die Sterne.“
Am nächsten Morgen brach Galora auf. Der Sand empfing sie heiß und gnadenlos, die Sonne brannte, und ihre Kräfte waren nach der langen Überfahrt fast erschöpft. Doch in jeder Düne, in jedem Schritt durch die endlose Weite spürte sie Nyames Gegenwart, wie ein unsichtbarer Strom, der sie trug.
Die Tage zogen vorbei, und endlich, am Horizont, erhoben sich gewaltige Tore und Wälle aus hellem Stein und Eisen. Sie funkelten im Sonnenlicht, als wären sie aus reinem Gold gemeißelt. Servastae.
Galora fiel auf die Knie. Der Wind trug den Duft von wildem Lavendel herüber, und in der Ferne hörte sie Frauenstimmen – stark, klar, vertraut. Ihre Schwestern.
„Ich bin angekommen,“ flüsterte sie, Tränen auf den Wangen. „Nyame… ich bin angekommen.“
Und in diesem Moment wusste sie, dass ihr neuer Weg hier begann, in der Stadt des Lichts, unter den Töchtern Nyjame´s...
Geschichte einer Kriegerin
- Vestor Grauglanz
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