Wolfsspuren - Alte Erinnerungen und neue Wege

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Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem
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Wolfsspuren - Alte Erinnerungen und neue Wege

Beitrag von Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem »

 
Von kleinen Fältchen und grauen Haaren…
 
Müde stieg die Rothaarige die Holzstufen hinauf. Leise knarrten sie unter ihren Sohlen und aus reiner Gewohnheit hielt sie inne, um zu lauschen. Doch es blieb still in der Holzhütte, welche am Rande des Trolleichenwalds in Nordhain stand. Sie war allein. Wann war sie das zuletzt? Das war schon ewig her.
Die Kinder waren noch mit Pan irgendwo im Wald unterwegs und suchten nach Abenteuern. Vielleicht waren sie auch bei den Hochelfen – wer wusste schon was den dreien einfiel. Mirja war das ganz recht. So konnte sie sich um das Haus kümmern… welches wirklich in einem furchtbaren Zustand war.
Über ein Jahr war es nun her, seit sie zu ihren Eltern aufgebrochen waren. Nachdem ihre Mutter im Winter vor zwei Jahren schwer krank war, wurde sie nie wieder richtig gesund und Mirjas Vater hatte ebenfalls abgebaut. Im letzten Frühling waren sie schließlich beide verstorben. Noch immer bereitete es Mirja einen tiefen Stich ins Herz, doch sie war auch froh, dass sie bei ihnen sein konnte, als sie gingen und wünschte sich, dass ihr und Pan ein ähnliches Ende vergönnt war. Nun ja, vielleicht nicht friedlich in einem Bett, viel eher inmitten einer Schlacht… aber… gemeinsam.
 
Mirja lächelte wehmütig, als sie einmal mehr an ihre Eltern und das kleine Jägerdorf zurückdachte. Sie waren nach dem Tod ihrer Eltern nicht lange dortgeblieben. Mirja konnte die kleine Hütte und die Erinnerungen darin nicht ertragen, also hatten sie die Hütte einem jungen Paar aus dem Dorf überlassen und waren weitergezogen. Sie schlossen sich einer Truppe aus Spielleuten und Vagabunden an, die friedlich durch die Lande zogen und sich über den Schutz zweier Krieger und das Lachen der Kinder freuten.
Und Mirja liebte es… Oh was waren die letzten Monate doch herrlich… Es gab keine Verpflichtungen, die ihre Schultern niederdrückten. Keiner erwartete von ihr die korrekte Etikette, keiner erwartete Befehle oder folgenträchtige Entscheidungen… Nein… es ging lediglich darum in den Tag hinein zu leben, das Leben zu genießen und Freude zu verbreiten. Und wenn man irgendwo nicht willkommen war, zog man einfach weiter. Schon bald kam es ihr vor, als wäre das Leben als Unteroffizierin der Stadtwache Silberburgs und ehemalige Großmeisterin Der königlichen Ritterschaft ein völlig anderes gewesen. Nicht ihr Leben gewesen.
 
Tatsächlich kehrten Pan und Mirja mit den Kindern nur deswegen nach Nordhain zurück, weil doch eine gewisse Sehnsucht beide packte. Hier lebten ihre Freunde und der Rest ihrer Familie. Golga, Aru und die anderen. Armon, Thamion, Fenria und Robin. Ja, ein bisschen vermisste Mirja sogar Alirion, seines Zeichens König von Silberburg und den rauen Drill ihrer Stadtwache.
Es war daher ein Schock festzustellen, dass von all diesen niemand mehr hier zu sein schien. Es war, als wären die Dörfer und Städte in einen Schlaf gesunken. Die Bewohner gingen ihrem Alltagstrott nach. Nicht mehr und nicht weniger. Von irgendwelchen Katastrophen hat man schon lang nicht mehr gehört. Die Schwarzelfen, die Winterberg besetzt hatten? Weiß der Henker was aus denen geworden war. Von den Schwingen der Verdammnis und den Dienern Asmodans hatte man auch länger nichts gehört. Vom Magierbund ganz zu schweigen. Es wirkte fast, als würde das Land sich… langweilen.
Verrückt… denn nun, wo sie wieder im Land war, erinnerte sie sich wieder lebhaft an all die Konflikte… die Stunden, die sie im Ratssaal der Elfen verbracht hatte. Die diplomatischen Gespräche, die sie gemeinsam mit Thamion mit den Hochelfen und Amazonen geführt hatte… die Tränen, die flossen, als ihr Blutsbruder verschwand und Robin sich von ihr abnabelte. Ach Robin… wo steckte das Mädchen wohl?
 
In ihrem Schlafzimmer setzte Mirja sich vor ihre Frisiertruhe und musterte ein wenig überrascht ihr Spiegelbild. Seit Monaten war das einzige Bild, was sie von sich selbst gesehen hatte, jenes verzerrte auf einem Wasserspiegel. Bei den Spielleuten war es egal wie man aussah. Und wenn die Schminke verschmiert und die Haare zerzaust waren, war die Nacht umso besser.
Jetzt jedoch sah Mirja das gesamte Ausmaß. „Jävla…“, murmelte sie leise und beugte sich weiter vor, bis ihre sommersprossige Nasenspitze das Spiegelglas fast berührte und ihr Atem die Fläche beschlagen ließ. Sie kniff die Augen zusammen, kräuselte die Nase und runzelte die Stirn und begutachtete kritisch wie ihre Haut falten schlug. Ihre Haut war mittlerweile dunkler – noch immer für eine Rothaarige typisch hell – doch man sah ihr die Wochen unter freiem Himmel an. Und diese Falten… Himmel… Sie streckte sich selbst die Zunge raus und grinste anschließend, was die tiefen gekünstelten Furchten auf ihrer Stirn wieder glätteten und sympathische kleine Lachfältchen um ihre Augen hervorbrachten. Ja, die gefielen ihr schon besser!
Und waren das wirklich graue Haare? Mirja zog sich eine ihrer roten dicken Locken dicht vor die Augen. Schielend beäugte sie die Strähne und seufzte gespielt wehleidig.
„Du wirst alt, Vildaban.“, grinste sie sich schließlich selbst im Spiegel an.
Jede andere Frau wäre wohl in Tränen ausgebrochen und wer weiß, noch vor einigen Jahren wäre es Mirja vielleicht ähnlich ergangen. Bevor die Kinder auf der Welt waren und zu einer Zeit, als ihre Welt aus dem harten Marsch von Soldatenstiefeln, Befehlen, Berichten und politischen Ränken bestand. Damals, als sie das Gefühl hatte, die Last und Zukunft Silberburgs auf ihren Schultern zu tragen. Heute? Heute war ihre einzige Verantwortung ihrer Familie geschuldet. Zumindest bis jetzt… Denn noch immer war sie zumindest dem Rang nach Unteroffizierin und ein Mitglied der Ritterschaft. Der Gedanke allein ließ sie die Nase kräuseln und ihr Magen zog sich zusammen, wenn sie einen Blick auf ihre Uniform warf.
Sie seufze leise. Darum würde sie sich auch bald kümmern und mit Pan darüber sprechen müssen. Jetzt aber wollte sie ihren Abenteurern ein Abendessen machen und weiter gegen den Staub ankämpfen, welcher sich im Haus angesammelt hatte.
 
Und morgen war der Garten dran… das Unkraut hatte die Zeit dreist genutzt und sich bis in den letzten Winkel ausgebreitet…
Zuletzt geändert von Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem am 05 Aug 2019, 20:43, insgesamt 1-mal geändert.
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Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem
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Re: Wolfsspuren - Alte Erinnerungen und neue Wege

Beitrag von Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem »

Rückkehr eines verlorenen Welpen
 
Noch lange stand Mirja still in ihrem Garten und blickte in die Tiefen des Waldes, welcher kurz zuvor Robins blonden Haarschopf verschluckt hatte.
 
Robin.
 
Im ersten Moment war es ein Gefühl, als stünde ein Geist vor ihr. Als es an der Tür klopfte, hatte Mirja Pan erwartet, vollgepackt mit zwei völlig erschöpften Kindern und einem Sack voll Geschichten über den aufregenden Tag. Im schlimmsten Fall noch einen Boten des Ordens. Aber niemals hätte sie mit der jungen blonden Frau gerechnet. Die junge Frau, die für Mirja immer das kleine 15 jährige Mädchen sein würde, welche sie damals bei sich aufgenommen hatte.
 
Sie war zurück. Das war alles was zählte. Natürlich war Mirja neugierig, was ihr Mädchen alles erlebt hatte, wie es ihr ergangen war. Doch sie respektierte auch, dass Robin nicht näher darauf einging. Sie erklärte ihr nur, dass sie damals feige war und vor all den Problemen floh, die sie durch ihre eigene Schuld hervor beschworen hatte, da sie – in ihren eigenen Worten – damals zu naiv und arglos war. Der geplante Schabernack ging schief.
 
Als Robin das erwähnte, hatte Mirja innerlich die Wut und Trauer gepackt. Nicht auf Robin, nein. Robin konnte nichts dafür, dass sie sich nicht getraut hatte, mit Mirja darüber zu sprechen. Mirja war damals aktive Angehörige des Ordens, stand für Recht und Ordnung, hatte einen Namen in der Welt und verhandelte mit Elfen und Amazonen über Frieden und Krieg. Da erschien es dem jungen Mädchen damals als falsch, eben jener Frau die schiefe Bahn ihrer eigenen Tochter aufzubürden. Natürlich hatte Mirja hin und wieder das ein oder andere gehört, doch war damals schon die Verbindung zu ihrem kleinen Mädchen unterbrochen.
 
Doch egal was damals war – Robin war, ist und würde immer ihre Tochter bleiben. Ihr „Valp“. Das kleine ungestüme, wilde Mädchen. Auch wenn sie heute so viel erwachsener und reifer wirkte. Doch das gehörte dazu. Das war der Zahn der Zeit. Mirja war selbst in den letzten Jahren an sich selbst gewachsen und zum Teufel – als sie Robin kennenlernte war sie selbst gerademal Anfang zwanzig und wurde selbst gerade erst richtig erwachsen. Wie hatte sie da von Robin etwas Anderes erwarten können?
 
Was sie jedoch nun kaum erwarten konnte, war Pans Rückkehr mit den Kindern. Er war am Morgen einmal mehr mit ihnen zu einem ihrer täglichen Abenteuer aufgebrochen, nur heute hatte Mirja sie nicht begleitet. Heute war Papa-Tag. Tatsächlich war es schon langsam später Abend. Stirnrunzelnd spähte sie gen Himmel, wo die Sommerliche Sonne schon längst hinter den Bäumen verschwunden war. Sicherlich würden sie bald kommen… Oder?
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Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem
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Re: Wolfsspuren - Alte Erinnerungen und neue Wege

Beitrag von Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem »

Stille

Langsam, schlurfend waren ihre Schritte. Vor Erschöpfung konnte sie kaum noch die Augen offen, geschweige denn sich auf denen Beinen halten, als sich ihre Hände um das Gatter des kleinen überdachten Gartens legten. Das Tor schwang mit einem leisen Quietschen auf und die Rothaarige hielt inne. Stille wehte ihr entgegen.

Oh, nicht falsch verstehen, hier in Nordhain war es für jenen, der die Natur liebte und ihre Klänge schätzte niemals still. Selbst jetzt, spät in der Nacht, hörte man das Leben ringsherum: Grillen, die zart im spätsommerlichen Gras zirpten; Eulen und Uhus die leise irgendwo in den Tiefen des Trolleichenwaldes schuhuten. Irgendwo in weiter Ferne konnte man sogar das leise Heulen eines Wolfes erahnen. Zweige knackten und Blätter rauschten in der sanften, nächtlichen Brise. Das hohe Fiepsen von Fledermäusen, welche auf der Suche nach Insekten über das Haus und die Baumwipfel hinweg flatterten, vervollständigte die Symphonie des Waldes nur.
Doch heute war sie zu betäubt um all das zu hören. Die Stille des Hauses war brüllend laut und machte sie für alles andere unempfänglich.

Mit einem letzten Rest an Energie schleppte sie sich ins Haus und ließ sich einfach kraftlos vor den Kamin sinken. Dieser war kalt. „Pan? Selenja? Arken?“, rief sie in die Stille des Hauses hinein. Nichts. „Robin?“ Ihr Herz war von der Verzweiflung wie zusammengeschnürt. Nicht einmal der blonde Wirbelwind war da. Ob es in Ansilon wohl wieder ruhig war?
Ohne eine Antwort zu erhalten, ließ Mirja sich einfach in ihrer Erschöpfung treiben. Sie hatte Hunger, doch ihr fehlte die Kraft, um wieder aufzustehen. Sie löste mit matten Fingern den Köcher und sank schlichtweg auf die Seite auf die Kissen und Felle, die wie üblich vor dem Kamin lagen. Dabei fiel ihr Blick auf die Kiste, in der die Spielsachen der Kinder unangetastet lagen. Sie schloss die Augen und spürte wie ein Schluchzen in ihrer Kehle aufstieg.

Seit Tagen gab es keine Spur von den Zwillingen und dem weißhaarigen Abenteurer. Die drei waren wie vom Erdboden verschluckt. An jenem Morgen, als Robin wiederaufgetaucht war, hatte sie ihre Liebsten verabschiedet. Sie wollten auf große Abenteuerjagd in den nördlichen Wäldern gehen. Vielleicht die Elistraee-Elfen oder Hochelfen ärgern. Doch am Abend wartete Mirja vergeblich auf sie. Das war nun noch lange kein Grund zur Sorge. Sie vertraute Pan und wusste, wenn die Kinder irgendwo sicher waren, dann an seiner Seite und selbst wenn er mit ihnen die Hölle hinabsteigen würde. Doch dann folgte ein weiterer Tag… und noch einer… Als sie eines Nachts leise Geräusche im Haus hörte, dachte sie, dass sie endlich wieder zurückgekehrt waren. Doch es war nur Robin, welche dem bevorstehenden Angriff der Dunkelelfen entfliehen wollte. Und danach waren wieder weitere Tage vergangen. Mirja war seither tagtäglich draußen gewesen, hatte die Spuren ihrer Liebsten gesucht. Nun war sie zuletzt selbst vier Tage fort gewesen, hatte alle Plätze aufgesucht, mit denen sie mit Pan früher regelmäßig war. Sie war bei den Hochelfen, doch die Wachen hatten Pan ebenfalls schon länger nicht mehr gesehen – zum Glück waren er und die Zwillinge wahrlich auffällig. Das Dorf der Elistraee-Elfen lag auch eher verlassen da. Zumindest erweckte es den Anschein. Mirja wusste, dass gerade diese Dunkelelfen sich nur dann blicken ließen, wenn sie wollten.

Jedes Mal war sie zurückgekehrt, mit der Hoffnung, dass die Drei inzwischen zurück waren. Doch weder hier, noch im Anwesen der Assuans waren Anzeichen davon, dass Pan, die Zwillinge oder Golga und der Rest der Bande da gewesen sein könnten.
Jetzt lag sie hier und kämpfte nur für einen Moment gegen die Angst. Natürlich vertraute sie auf Pan und seine Fähigkeiten, doch machte sie sich nichts vor: Pan würde die Kinder nicht in Gefahr bringen, was dazu führen konnte, dass er sich auch nicht aus einer brenzligen Situation so einfach retten konnte wie früher. War ihnen also etwas zugestoßen? Doch wo waren sie? Sie hatte ihre Spuren schon vor einigen Tagen verloren. Weggewischt vom Regen, Tieren, Holzfällern und anderen Jägern. Nun war sie zu erschöpft, um noch länger dagegen zu kämpfen. Das Schluchzen drängte immer weiter ihre Kehle empor und Tränen ergossen sich unaufhaltsam aus ihren Mundwinkeln. Sie zog die Beine an, umschlag sie haltsuchend mit den Armen und gab sich hemmungslos der Angst und Verzweiflung hin. Es war niemand da, der sie dabei beobachten konnte. Wie sie dalag, geschüttelt von der Pein, allein, verzweifelt, ratlos und sich mit jedem Schluchzer wünschend, dass jeden Moment sich warme, raue, starke Hände auf ihren Rücken legten, kräftige Arme sie umschlossen und an eine breite, muskulöse Brust zogen, wo sie den Geruch von Leder und warmen Holz einatmen konnte.
Doch all das geschah nicht. Niemand kam um sie zu trösten und ihr zu sagen, dass alles wieder gut würde. Niemand sagte ihr, was mit den drei Menschen geschehen war, die ihr Leben darstellten.  

Niemand.

Nur die Stille. Die blieb.
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Nagron Vandokir
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Re: Wolfsspuren - Alte Erinnerungen und neue Wege

Beitrag von Nagron Vandokir »

Ab und an streifte Nagron an den Rand der Holzfällersiedlung und sah, dass im Hause der Assuans und Vilabans trübe Stimmung herrschte. Er erinnerte sich auch da dran, dass er Robin und ihre Schwester gerne, sehr gerne einen Besuch abstatten würde. Nur durfte er es von seinem Herrn, Davian nicht. Er hat das Verbot auferlegt bekommen, sich der Menschensiedungen nicht zu nähern, aber er war vereinsamt geworden und fühlte sich mehr und mehr eher wie ein einsamer Wolf, der alleine durch den Wald streifen würde und das auch für den Rest seines Lebens. Er hat einen Armreif beim Holzfällern gefunden, welches sich in der Ritze eines Baumes befand, sowie auch zwei Edelsteine. Diese steckte er in deren Postkasten, es war ja nicht verboten, Dinge in einen Briefkasten zu stecken und Briefe, waren bestimmt nicht der direkte Weg der Kommunikation.
  
 „Ich grüße euch, Fräulein Vilaban,
 Ich weiß jetzt nicht wer den Brief liest aber ich denke der Armreif und die zwei Edelsteine die ich dazu gelegt habe werden für etwas mehr Freude in dem doch so einsamen Haus sorgen. Es ist zwar nicht viel, aber manchmal sind es die kleineren Dinge des Lebens, die das Leben schön machen könnten. Ich hacke des öfteren des frühen Abends etwas Holz für mein kleines täglich Brot und sah oft eine einsame Kerze scheinen und selten hörte ich ein Geräusch.
 Doch wisset, ich werde schauen, dass ihr euch in dieser doch so abgelegenen Gegend sicher fühlen werdet.
 Ihr fragt euch bestimmt wieso ich das tue, gerne tue? Als Ich Robin traf kam sie mir doch sehr herzlichst und aufgeweckt rüber, das sind so Züge, die ich von einer Person kannte, welche leider nicht mehr unter uns weilt.
 Sie lud mich auch zu euch ein und das werde ich gerne auch bei Zeiten machen. Derweil ziehe ich es vor, ein Leben in der Natur zu leben und Siedlungen zu meiden…
 Die Natur kann ein wunderschöner Ort sein, um zu sich selbst zu finden. Man ist nie einsam, denn es ist immer ein Wesen um einen herum.
  
 Passt auf euch beide auf,
 Nagron“
  
 Als er den Brief geschrieben hatte, steckte er diesen in den Briefkasten und ging wieder in den dunklen tiefen Wald...
Der Löwe ist zwar stärker aber der Wolf tritt nicht im Zirkus auf.

Es gibt nur eine Sache die größer ist als die Liebe zur Freiheit: Der Hass auf die Person, die sie dir weg nimmt.

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Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem
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Re: Wolfsspuren - Alte Erinnerungen und neue Wege

Beitrag von Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem »

Unerwartete Geschenke
 
Es war einmal mehr einer dieser Tage, wie es ihn in der letzten Zeit häufiger gab: Die Nacht war bereits über Nordhain hereingebrochen und Mirja schlurfte erschöpft auf ihr Häuschen zu. Dunkel lag es da. Auch Lance, ihr Stallbursche war längst nach Hause gegangen. Nichts hatte sich verändert. Das heißt… fast nichts.
 
Beinahe wären ihr die kleinen, umgeknickten Grashalme sowie die halb offenstehende Klappe des Briefkastens entgangen. Das vermaledeite Ding war ein wenig eingerostet, so dass die Klappe manchmal nicht richtig schloss. Sie war sich aber sicher, dass die Klappe am Morgen noch geschlossen war. Ihr Herz schlug schneller. Eine Botschaft von Pan?
 
Eilig fingerte sie ihren Schlüsselbund aus ihrem Rucksack und suchte nach dem winzigsten Schlüssel daran. Auch das Schloss war ein wenig schwergängig, doch letztendlich ließ es sich öffnen und prompt segelte ihr das Pergament entgegen. Neugierig löste sie die kleine Laterne an ihrem Gürtel und öffnete eine der Klappen, mit der sie diese bis eben abgedunkelt hatte. Im Schein der Laterne überflog sie die Zeilen und runzelte zunächst die Stirn. Armreif und Edelstein? Mithilfe der Lampe spähte sie erneut in den Briefkasten und sah die beschriebenen Schmuckstücke darin glitzern. Etwas irritiert las sie weiter, bis sich schließlich Erkenntnis auf ihrer Miene zeigte, als sie Robins Namen las. Und schließlich stahl sich sogar ein Schmunzeln auf ihre Lippen.
 
„Das war also dieser Bursche, von dem Robin erzählt hat. Hm.“, murmelte sie leise, während sie die Schmuckstücke aus dem Kasten klaubte und diesen wieder sorgfältig verschloss, nachdem sie die Klappe wieder an ihren Platz gerückt hatte. Drinnen legte sie das Pergament samt Schmuck auf den Küchentisch, ehe sie sich ihres Bogens entledigte. Gedankenverloren wandte sie sich zunächst von der Nachricht ab, um sich im Keller in ihrem Bad den Schmutz abzuwaschen. Wenig später stand sie in der Küche, in der einen Hand ein Butterbrot, in der anderen eine Flasche Honigbier. Der Brief war inzwischen auf die Küchenzeile gewandert, wo sie diesen erneut betrachtete. „Man ist nie einsam, denn es ist immer ein Wesen um einen herum.“, wiederholte sie leise die letzte Zeile. Damit mochte dieser Fremde wohl Recht haben, doch woher wusste er von der Einsamkeit? Vielleicht von Robin? Doch Mirja hatte Robin schon länger nicht mehr gesehen… aber wer weiß, das Mädchen war schon immer Klug gewesen und hatte schon früher die Schwingungen im Hause Vildaban-Assuan gespürt. Was vermutlich mit einer der Gründe gewesen war, weshalb die Kleine schließlich ihrer eigenen Wege ging.
 
Mirja zuckte schließlich mit den Schultern und schlang das Butterbrot hinab. Neben dem Brief lag bereits ein kleines, verschnürtes Päckchen, indem sich ein paar Rationen Trockenfleisch und getrocknete Früchte, sowie frisch gebackenes Brot und Kekse befanden. Da sie keine Ahnung hatte, wo dieser Nargon lebte, würde sie das Päckchen einfach bei Connor dem Bankier in Nordhain abgeben. Dazu würde sie auch folgende Nachricht hinterlegen:
 
Werter Nargon,
 
ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit. Ich bedaure, dass die Einsamkeit in meinem Heim derzeit offenbar auch anderen auffällt. Umso mehr erfreut es mich, dass es noch andere gibt, die das Wesen der Natur schätzen. Sicherlich könnt Ihr für euch selbst sorgen, doch nehmt diesen Proviant als Zeichen meiner Dankbarkeit.
 
Selbstverständlich könnt Ihr mich auch gerne persönlich besuchen, jedoch bin ich derzeit häufig selbst unterwegs. Vielleicht kündigt Ihr Euren Besuch also gerne einige Tage vorher an, dann kann ich es sicherlich einrichten zuhause zu sein!
 
Aber seid versichert: Ich kann sehr gut auf mich Acht geben.
 
gez.
Mirja Vildaban
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Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem
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Wolfsspuren - Alte Erinnerungen und neue Wege - Der Weg aus der Stille

Beitrag von Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem »

Der Weg aus der Stille
 
Mirja hasste die Stille. Das tat sie schon immer. Natürlich gehörte sie nicht zu den Frauen, die ständig plapperten, doch sie hörte gerne zu und wenn es nur dem sanften Rumoren irgendwo im Haus war, welches davon zeugte, dass noch jemand da war. Das Zwitschern der Vögel. Selbst die Geräusche einer triebsamen Stadt waren manchmal willkommen. Doch diese Stille, die von der Leere ihres Hauses erzählte, machte sie wahnsinnig. Mehrere Wochen waren ihre Liebsten nun verschwunden und sie wusste sich keinen Rat mehr. Sie hatte gefühlt den Trolleichenwald auf den Kopf gestellt und war tatsächlich mithilfe der magischen Rune wieder in das kleine Jägerdorf ihrer Eltern gereist. Dort hatte man sich über ihre Ankunft gefreut, doch wusste niemand etwas von ihrem Mann und ihren Kindern. Was blieb ihr also jetzt noch? Hatte sie aufgegeben?
Nein, die Hoffnung hatte sie nicht aufgegeben und sie würde auch immer wieder regelmäßig ausziehen, um sie zu suchen. Doch wusste sie auch, dass Pan es nicht gutheißen würde, wenn sie ihr eigenes Leben riskierte oder gar aufgab. Nein, sie musste stark bleiben. Für sich, für Pan, für die Zwillinge. Und ein bisschen auch für Robin.
 
Also suchte sie einen Weg aus der Stille.
 
Sanft glitten die Fingerspitzen über die Saiten der Laute. Das Instrument war Mirjas wertvollster Besitz. Und das, obwohl sie unzählige Waffen aus seltenen und edlen Metallen oder magische Rüstungen besaß, um die sie jeder andere Krieger beneiden würde. Doch auf all das konnte sie verzichten. Rüstungen und Waffen konnte man ersetzen. Aber dieses Musikinstrument würde es kein zweites Mal geben.
 
Der bauchige Klangkörper schmiegte sich perfekt an ihren Leib, der Steg lag geschmeidig in ihrer Hand und das Gewicht war besser ausbalanciert als das ihrer Katana. Es waren nur zarte Drehungen an den silbernen Wirbeln nötig, um das Instrument zu stimmen und die wolfspfotenförmige Rose erzählte zusammen mit der Inschrift im glattlasierten Mahagoniholz von ihrer Besitzerin.
Diese Laute hatte sie einst von ihrem Mann erhalten. Seither hütete sie das Instrument wie ihren Augapfel und nahm es zu jeder freien Minute zur Hand. Sie hatte darauf ihren Kindern Wiegenlieder vorgespielt und dazu gesungen oder mit Pan spöttische Trinklieder gegrölt. Aber manchmal hatte sie auch einfach für sich alleine gespielt. Gedankenverloren und die Welt vergessend. So wie heute.
 
 
Laute2.jpg
 
Die Töne, die sie dem Musikinstrument entlockte, waren leise, langsam und traurig, während ihr innerstes Auge alte Szenen aus dem Alltag verfolgte. Zumindest solange, bis sie mit einem frustrierten Aufschrei mit den Fingerspitzen auf die Saiten schlug und disharmonische Töne das Trauerspiel beendeten. Ihre Finger schmerzten von den scharfen Saiten und sie starrte lange auf die geröteten Fingerkuppen. Wenn Pandor sie nun sehen könnte, würde er sich vor ihr aufbauen, die Arme vor seiner breiten Brust verschränken und den Kiefer so fest aufeinanderpressen, dass die Wangenknochen markant hervorstachen. Ja, sie konnte seinen kritischen Blick aus den grünen Augen unter dem roten Kopftuch hervor regelrecht auf sich spüren. „Ich vermisse dich… ich vermisse euch.“, flüsterte sie dem Trugbild in ihrem Geiste zu.
 
Und wie von selbst schlugen ihre Finger neue Töne an: mit einer gewissen Sehnsucht in der Melodie begann sie in ihrem Geist die Landschaft auszuformen, über die sie wie ein Falke schwebte. Wälder und Wiesen, die sich langsam aus einem Winterschlaf erhoben, wo der letzte Schnee dem ersten Grün des nahenden Frühlings wich und die kalte Luft den ersten Hauch von süßen Blüten mit sich trägt. Und der Wind… der Wind der für diesen Augenblick die Sorgen und Ängste mit dem Lied davon trug… weit hinauf aufs dunkle Meer…
 
Der Winter hielt uns lange hier,
die Welt war uns verschneit.
Das Land war still,
die Nächte lang,
der Weg zu dir so weit.
Doch endlich kehrt das Leben zurück in unser Land.
Du trafst mich heut im ersten Grün und nahmst mich bei der Hand.

Lass uns ziehn mit dem Wind,
denn wohin er uns bringt,
werden Zweifel zu Rauch,
weil du hier bist.
Lass uns gehn und wir sind,
endlich frei wie der Wind,
wie die Vögel ziehn wir,
weit übers Meer.

Im Winter noch da fragte ich wer mich im Fallen fängt.
Im Sommerwind nun fliegen wir bis an den Rand der Welt.
Und wer denn auf den Wegen mit uns gemeinsam zieht,
den halten keine Fesseln, wenn der Wind im Sommer weht.
Lass uns ziehn mit dem Wind,
denn wohin er uns bringt,
werden Zweifel zu Rauch,
weil du hier bist.
Lass uns gehn und wir sind
endlich frei wie der Wind
wie die Vögel ziehn wir
weit übers Meer.

Einmal folg ich ihrem Flug,
in das Land das in der Ferne ruft.
Lieder habens' mir erzählt.
Einmal hält mich nichts zurück,
folge mir, begleite mich ein Stück.
Komm mit mir in jene Welt

Lass uns ziehn mit dem Wind,
denn wohin er uns bringt,
werden Zweifel zu Rauch,
weil du hier bist.
Lass uns gehn und wir sind
endlich frei wie der Wind
wie die Vögel ziehn wir
weit übers Meer.
(©Faun – Mit dem Wind)
 
Der letzte Ton war längst verklungen, doch Mirjas Blick war noch immer in die Ferne gelenkt, getragen vom Wind hinaus… „Frei wie der Wind… wie die Vögel…“, wiederholte sie leise die Liedzeile und schloss einige Momente schließlich die Augen.
 
Dann endlich drückte sie sich vom Boden aus den Fellen auf, auf denen sie in den letzten Stunden ausgeharrt hatte. Die Laute wurde andächtig und liebevoll auf einen eigens dafür konstruierten Ständer abgestellt. Daneben ruhte auch eine Violine. Diese war schon alt und abgegriffen und ohne große Besonderheiten und dennoch war sie fast genauso kostbar wie die Laute, denn sie war ein Geschenk einer der Spielfrauen, mit denen sie und Pan einige Zeit herumgezogen waren. Mirella Seidenklang. Eigentlich war die Violine ein Erbstück ihrer Familie, doch Mirella hatte darauf bestanden, dass Mirja das Musikinstrument bekam, nachdem sie ihr die Feinheiten beigebracht hatte. Mirja hatte schon früher auf Festen eine Violine gespielt, doch nichts was sie bisher gespielt hatte, reichte an Mirellas Talent heran.
 
Einige Momente blickte Mirja auf die Instrumente, dann wanderte ihr Blick umher. Es wurde Zeit etwas zu ändern. Etwas gegen die Stille zu tun. Ja, Pan und die Zwillinge waren verschwunden. Doch wo auch immer die drei waren, sie konnte ihnen jetzt nicht helfen, nicht solange sie keine Anhaltspunkte hatte. Doch sie konnte sich um ihr Leben kümmern und Dinge tun, die längst überfällig waren.
 
Nur zwei Stunden später stand sie inmitten des Burghofes. Wie üblich liefen dort Soldaten und Wachen umher, verrichteten ihren Dienst oder absolvierten ihre Ausbildung. Ausnahmslos jeder salutierte respektvoll vor der Unteroffizierin, wenngleich der Salut von einem kurzen, irritierten Blick begleitet wurde. Nur wenige hatten Mirja in Zivil gesehen und schon gar nicht so: die Füße waren nackt, der Zipfelrock wehte um ihre Beine und legte die Waden fast bis zum Knie frei, das bauchfreie Oberteil war schon fast eine Unverschämtheit und könnten Thamion oder Fenria sie nun so sehen, würde es Strafdienst hageln. Doch das war Mirja egal. Flüchtig wurden Erinnerungen wach. Eine Erinnerung an jenen schicksalhaften Tag, als sie fuchsteufelswild auf ihre Blutsschwester Nea im Burghof stand, ähnlich und noch unzüchtiger gekleidet wie heute, und auf dem Weg in die nächstgelegene Kneipe war, um dem Met zu frönen. Jener Tag, als sich ein weißhaariger Verrückter der rothaarigen Adjutantin mit einem frechen „Schenkelkontrolle!“ in den Weg stellte.
Im Burghof hielt sie inne und sah hinüber zu jener Bank vor der Schmiede. Dort, wo sie Stunden mit Pan verbracht hatte, noch ehe er selbst im Orden war. Wie oft hatte er seinen Hengst Shazam wohl verloren und hier wieder eingesammelt? Ob das wohl Absicht war? Diese Frage hatte Pan stets mit einem grinsenden „Wer weiß, vielleicht?“, beantwortet.
 
„Unteroffizier Vildaban!“, einer der Adjutanten kam dienstbeflissen auf sie zu gerannt und riss sie aus ihrer Starre. Eilig schnitt sie ihm das Wort ab: „Was auch immer Ihr wollt, Ihr werdet Euch einen anderen dafür suchen müssen, Adjutant. Ab heute bin ich nur noch Mirja Vildaban.“ Damit drückte sie ihm eine Kiste in die Arme. Darin lag ihre Uniform, feinsäuberlich zusammengelegt, sowie die Silberburger Heeresrüstung mit dem roten Samtmantel, die einst für sie angepasst wurden, sowie ihr Ordensabzeichen und ein entsprechender Schrieb an die Ordensführung, mit der sie ihren Rück- und Austritt aus ihrem Amt als Unteroffizierin und der Ritterschaft bekannt gab.
 
Es war ein schwerer und harter Schritt, mit dem sie sich schon lange getragen hatte. Doch die Zeit war gekommen. Schon zu Beginn hatte Mirja sich schwergetan, sich in die Regeln und das Leben des Ordens einzufügen. Die Tugenden zu lernen und zu beherrschen. Irgendwann hatte sie alles verinnerlicht und stieg rasend schnell in der Ritterschaft auf. Einige Zeit trug sie sogar den Titel der Großmeisterin und war umso mehr für die Geschicke des Ritterordens zuständig. Damals litt ihre Beziehung zu Pan unter dieser Bürde, doch sie hatten sich zusammengerauft und für das Wohl der Menschheit und Bürger Silberburgs gekämpft. Die letzten Jahre jedoch hatte sie fernab des Ordens verbracht. Mal am Rand der Gesellschaft in den Wäldern, mal mittendrin in den Städten mit den Gauklern auf den Festen und Jahrmärkten. Und das war ihr Leben. Der Orden hatte sie geprägt, geformt und Reife gegeben. Jetzt war es Zeit zu Leben.
 
Liebe.
Mut.
Leidenschaft.
 
Für immer.
 
Das Motto, das in den blassen Lettern auf ihren Armen tätowiert stand, sollte wieder mehr denn je in ihr Leben Einzug halten.
 
Nachdem der Adjutant endlich seine Schockstarre überwunden hatte, kehrte die Dienstbeflissenheit zurück und er begleitete Mirja nun als einfache Bürgerin zum Tor hinaus. Da stand sie nun vor dem massiven Gemäuer und blickte hinüber zur Stadt. Die Unteroffizierin Mirja Vildaban gab es nun nicht mehr. Jetzt war es Zeit sich einen anderen Namen zu machen. Einen Namen, von dem Pan und die Zwillinge hören konnten, wo immer sie waren und wissen würden, dass sie auf sie wartete und sie zu ihr zurückfinden würden. Angelockt von ihrer Musik, dem Gesang, den Festen die ihrem Wesen entsprachen.
 
Mirja Vildaban. Die neue Bardin Nordhains.
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Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem
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Re: Wolfsspuren - Alte Erinnerungen und neue Wege

Beitrag von Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem »

Von bitterer Medizin und dunklen Nächten

Langsam ließ Mirja sich auf die Bank unter dem Fenster der Wohnstube sinken. Seitlich sitzend, den Blick hinaus in die Dunkelheit gewandt. Es war nun schon die dritte oder sogar vierte Rast, die sie hier einlegte. So war es nun schon fast jede Nacht. Sie legte sich schlafen, erschöpft vom Tag, der Körper schrie nach Ruhe, doch ihr vermaledeiter Geist ließ ihr nur wenig Ruhe. Nach ein oder zwei Stunden Schlaf begannen die Träume. Und sie fingen immer gleich an: Erinnerungen an Früher, die Zeiten, als sie Pan kennenlernte. Und als ihre Robin in ihr Leben trat. Wilde, aufregende, manchmal auch zermürbende Zeiten, die dennoch von Glück, Freude und Liebe geprägt waren.
Doch dann zerbarsten die Bilder in tausend Scherben und Mirja stand alleine auf einer eisigen Ebene. Wind zerrte an ihren Kleidern, ließ schmerzende Kälte in ihre Knochen kriechen und ihr Herz umklammern, während sie verzweifelt das Echo der Stimmen ihrer Liebsten hörte. Sie hörte sie, konnte sie nirgends entdecken und ihr eigener Ruf nach ihnen verhallte ungehört im Heulen des Windes.

Und dann wachte sie auf. Schweiß gebadet, das Gesicht tränennass und der Morgen noch längst nicht in Sicht. Ihr Herz klopfte, an Schlaf war danach nicht zu denken. Also stand sie auf und begann ihre Wanderung durchs Haus. Anfangs hatte Antero sie dabei noch begleitet, mittlerweile hob er lediglich den Kopf, wenn sie die Treppe hinunterging und blieb schnaufend liegen. Nicht selten ertappte sie sich dabei, wie sie dann im Kinderzimmer vor den kleinen, verwaisten Bettchen stand und diese gedankenlos anstarrte. Oder im Keller, im kleinen Werkraum, wo Pan zuletzt liebend gerne saß und bastelte, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war seine Rüstung zu pflegen. Selbst Kakao oder Milch mit Honig half nur wenig. Schließlich rollte sie sich nach einer Weile mit einer Decke vor dem Kamin in der Stube zusammen, wenn die Erschöpfung wieder groß genug war, dass die Hoffnung auf Schlaf bestand. Doch meistens begann dann das Spiel einfach von vorne. Ein, zwei Stunden Schlaf – wenn überhaupt – dann die Träume. Das Aufwachen und erneut die Wanderung.

Wochen und Monate waren ins Land gezogen. Keine Spur von Pan oder den Zwillingen. Keine Nachricht. Nichts. Äußerlich versuchte sie sich nichts anmerken zu lassen, flüchtete sich in die Wälder, kümmerte sich dort um die Tiere und spielte ihre Musik. Früher hätte sie sich in die Taverne gesetzt und ihren Kummer ersoffen oder in einer Feier verdrängt. Doch derzeit fiel es ihr schwer sich aufzuraffen, um unter Menschen zu gehen. Seltsam. Es war, als wäre mit dem Verschwinden der Drei etwas in ihr zerbrochen.
Zum Weinen war sie meist zu erschöpft. Und dieser stille Schmerz machte sie noch wahnsinniger, als die anfängliche Verzweiflung, welche dennoch hin und wieder zurückkehrte und das Ganze trotzdem nicht besser machte.

Ruhelos erhob sie sich erneut von der harten Holzbank und tigerte in die Küche. Es wurde bereits heller draußen, aber sie hatte die Erfahrung gemacht, dass sie meist zum Morgen noch ein paar Stunden ruhiger schlafen konnte. Vielleicht, weil die bedrohliche, undurchdringliche Dunkelheit sich verzog und die letzten warmen Sonnenstrahlen des Herbstes ein wenig Trost mitbrachten.
Sie wollte sich noch eine Milch machen und dann wieder hinlegen. Jedoch fiel ihr Blick auf das kleine Kräuterbündel, welches ihr Rorek am Vorabend in die Hand gedrückt hatte. Sie hatte sich geärgert, dass dem Magier offenbar aufgefallen war, wie erschöpft sie war. Sie wollte nicht, dass die Welt erfuhr, wie sehr sie litt. Das ging niemanden etwas an. Doch jetzt lagen diese Alraunenwurzeln doch verlockend da. Sie sollten Stärken. Hm. Ach, was würde es schaden? Sie zerschnibbelte die Wurzeln so fachgerecht wie nur möglich und übergoss sie – wie von Rorek angewiesen – mit kochendem Wasser und ließ das ganze ziehen. Der Geruch war schon nicht besonders einladend und sie rümpfte die Nase, während sie nach einer Weile den Sud abgoss. Nach einem kurzen Nippen am Becher rümpfte sie die Nase erneut, schmatzte angewidert und verzog das Gesicht. Bäh… wie ekelhaft… Sie griff nach dem Honigtopf. Sie konnte bittere Medizin noch nie leiden… doch wer sagte, dass man sich bittere Dinge nicht versüßen durfte? Schließlich war das Leben bitter genug…

Und siehe da… nachdem gefühlt der halbe Honigtopf im Becher verschwand, konnte man das Zeug doch noch einigermaßen trinken… Langsam erwachte das Leben im Wald, während die Rothaarige wieder ins Bett kroch und nun endlich… endlich noch einige Stunden Schlaf fand.
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Pandor Vildaban
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Re: Wolfsspuren - Alte Erinnerungen und neue Wege

Beitrag von Pandor Vildaban »

"WELPEN - RUNTERKOMMEN. Wir müssen weiter! 
"Nein, NIEMAALSS!", hallte es protestierend hoch über Pans Kopf.
"FANG MICH DOCH ... FANG MICH DOCH!"
Wie kleine quirlige Affen jagten Selenja und Arken durch die dichte Krone des Yewbaumes und dachten nicht einmal im Traum daran ihr Fangenspiel zu beenden.
Schließlich ging es um die Ehre und außerdem - der Boden ist "Bähhh", der ist nämlich Lava!
Sie quiekten, quietschten und lachten vergnügt, während der gequälte Vater mit einem dumpfen Seufzer und einem leisen "TOK" seine Stirn gegen den mächtigen Baumstamm drückte.
Meine Kinder ... mein Zirkus ... .
Kein einziger Tag der langen Heimreise glich dem anderen. Jeder Tag war eine Welt voller Abenteuer, Rätsel, Rettungsmissionen und schier unmöglicher Herausforderungen.
Genau deswegen verflogen die Wochen wie flüchtige Momente.
Momente wie ...
"Selenja, wo ist dein Bruder?"
"Weiß nicht * flüchtiges Achselzucken* vor kurzem war er noch hier."
Das, natürlich abgeschnitten vom Rest der Welt und Tage vom nächsten Dorf entfernt, mitten im "Irgendwo von Nirgendwo" im berüchtigten Trolleichenwald.
oder,
"Die sind uuurr lecker, magst du auch welche haben?"
"Hihihi … warum sieht meine Hand so komisch aus"
"Was habt ihr da? SPUKT SIE AUS! Ich habe euch AUSDRÜCKLICH VERBOTEN DIE BEEREN ANZUFASSEN!"
Rote, süßlich schmeckende Beeren, die dafür berühmt sind Halluzinationen auszulösen und in schlimmen Fällen zu Durchfall führen.
oder,
"Selenja, sag mal … wo hast du denn die Kette her?"
"Die hat mir die alte Frau aufm Jahrmarkt gegeben."
"Alte Frau? Meinst du die einäugige, schwarze Zigeunerin?" *aufkeimende Sorge*
"Ja, sie hat so tolle Geschichten mit den Karten erzählt und mir dann diesen hübschen Anhänger geschenkt."
"Hat sie was von dir haben wollen?" * Skepsis *
"Nein" *energisches Kopfschütteln*
"Sie hat mit einer Nadel in ihren Finger geritzt und ihn dann gegen eine komische Strohpuppe gedrückt." * Arkens beunruhigende Äußerung*
"Ja, aber ich habe nicht geweint!"* ganz stolz *.

Eine Voodoo Puppe und eine verfluchte Kette - Dreifach verdammt und gefärbt mit dem Blut der Ehrfurcht und seine naive Tochter, als Trägerin dazu verdammt, den Befehlen der Zigeunerin zu folgen.
Wie gesagt, kein einziger Tag glich dem anderen.
In seinem Kopf malte er sich schon tausend Ideen aus, wie er die rebellischen Flöhe vom Baum holen konnte.
Welche davon war moralisch vertretbar? Konnte er auf "es war Notwehr" plädieren?
Was würde Mirja jetzt tun?

*Fortsetzung folgt*
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Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem
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Re: Wolfsspuren - Alte Erinnerungen und neue Wege

Beitrag von Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem »

Die Wettermaschine und noch andere Albträume

Einmal mehr tauchte die Rothaarige nach Luft schnappend wie eine Ertrinkende aus ihren Träumen auf. Ihr Herz raste und es dauerte einige Momente, bis sie sich im Halbdunkel des Raumes orientieren konnte. Dann sank sie erschöpft zurück in die nassgeschwitzten Kissen, zu müde, um zu Fluchen. Sie schloss einige Momente die Augen, doch an Schlaf war nicht zu denken. Schwerfällig wälzte Mirja sich von den weichen Fellen und griff nach dem Krug Wasser neben dem Bett. Es schmeckte fade und abgestanden, dennoch trank sie gierig. Schließlich stemmte sie sich hoch und trat ihre Wanderung durchs Haus hinab in die Küche an, wo sie den Krug frisch auffüllte und sich den kalten Schweiß vom Gesicht wusch. Gedankenverloren verharrte ihr Blick zum Fenster hinaus, während sie da so in der Küche an ihrem Waschbecken stand und auf die schemenhaften Umrisse der Hütten Nordhains starrte.

Seit sie vor einigen Tagen den Paladin Nathan bei seinem Versuch die Wettermaschine unbenutzbar zu machen unterstützte, plagten sie einmal mehr Albträume. Und das gerade, als diese endlich abgeklungen waren und sie nicht mehr jede Nacht aus dem Schlaf gerissen wurde. Doch diese Albträume waren anders. Und doch vertraut. Sie erinnerte sich noch gut an die Zeit, als sie kein Auge zu tat und die blanke Angst sie in ihrem eigenen Haus erfasste. Genauso fühlte es sich wieder an. Rorek hatte erklärt, dass jemand einen Schutzzirkel aus Illusionen rings um die Maschine gezogen hätte. Hätte Rorek sie mit dieser Warnung nicht darauf vorbereitet, wäre es Mirja weitaus schwerer gefallen ruhig zu bleiben, als diese grauenvollen Bilder sich in ihren Geist schlichen. Bunte Farben und seltsame Formen waren das eine. Doch überall schlichen sich die schrecklichen Bilder der Massaker von damals wieder ein. Vielleicht lag es ja einfach nur an diesem Ort und ihrem Wissen, welches Leid diese verdammte Maschine verursacht hatte. Und ihr verzweifelter Verstand bastelte noch freudig die schaurigen Bilder von Pans zerschmettertem Leib und den leblosen Gestalten von Selenja, Arken und Robin zwischen all den bunten Illusionen mit ein. Und all das verfolgte sie noch immer bis in den Schlaf.

Nun… Mirja war nicht dumm. Sie konnte sich denken, wer dafür verantwortlich war. Illusionen. Wettermaschine. Und eine bestimmte Magierin, die seit einigen Wochen wieder auf der Bildfläche aufgetaucht war. Mirja hatte sie selbst gesehen, wie sie in Ansilon stand und auf all die Magier wartete, um mit ihnen auf Expedition zu gehen. Damals hatte sich ein altvertrautes Knäuel aus Angst, vermengt mit einer Portion Hass in ihrem Magen gebildet. Würde es wieder einen neuen Bund geben? Mirja glaubte, dass sie auch an diesem Tag Balthasar gesehen hatte. Doch Balthasar war eher Experte in Zerstörung durch Feuer und Eis. Shirins Spezialität war Illusion und Täuschung. Oh ja. Und wie sie täuschen konnte. Wie hatte Mirja sich je in ihr so irren können? Sie erinnerte sich noch daran, wie sie mit Shirin in der Uniform des Ordens im Saal des Ansiloner Ratshaus saß, als Alirion vor dem Rat Hof hielt und Gespräche mit dem Bund führte. Diese Schlange gab vor den König zu beschützen, während ihre Bundgefährten ihre Pläne schmiedeten.

Doch das war alles Vergangenheit. Oder nicht? Kehrten die Zeiten zurück? Bis auf diese Illusionen war der Bau des Käfigs erstaunlich ruhig abgelaufen. Fast zu ruhig. Soweit sie wusste, sollte die Maschine nun neben dem Käfig auch noch magisch geschützt werden. Mirja hatte ihre Zweifel, dass all das jemanden wie die Magier des Bundes aufhalten könnte. Doch wer weiß… vielleicht irrte sie ja wieder. Ob sie irgendjemandem ihre Bedenken mitteilen sollte? Doch wem? Nathan? Rorek? Was konnten diese schon tun. Sie hatte keine Beweise. Am liebsten hätte sie nun einen bestimmten weißhaarigen Krieger um Rat gefragt…

Müde rieb sie sich das Gesicht und machte sich zusammen mit ihrem Krug Wasser auf den Rückweg in ihr Bett. Nur die Götter wussten, was die nächsten Tage und Wochen noch bringen würden.
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Aira
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Zurück zu den Wurzeln?

Beitrag von Aira »

Zurück zu den Wurzeln?

Gedankenverloren stand Mirja vor den imposanten Mauern der Rittersburg im Westen der silbernen Stadt. Die Fahnen der Ritterschaft wehten silbern-blau von den Zinnen und sie waren offensichtlich neu. Ein gutes Zeichen, dass sich jemand kümmerte. Noch immer sah man die Lücken in den Wachmannschaften der Stadt. Es war dringend nötig, dass der Orden neu aufgebaut wurde. Und doch… für wen? In wessen Namen? Dem König? Mirja hatte längst jede Hoffnung verloren, dass Alirion jemals wiederkehren würde und wenn, dann auf seine gewohnte typische Art wie eine lästige Krähe: reinflattern, rumkrähen und wieder davonflattern und auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Das übliche eben.
Aber es ging nicht um den König. Es ging um das Volk. Die Menschen Silberburgs und des Umlands. Egal unter welcher Flagge sie verteidigt wurden, jemand musste sie schützen und der letzte Angriff auf die Stadt zeigte, dass es dringend nötig war. Mirjas Magen zog sich schmerzlich bei dem Gedanken zusammen. Hätte sie es verhindern können, wenn sie nicht den Orden verlassen hätte? Nein, vermutlich nicht. Niemand hätte derartiges verhindern können. Was sie bisher gehört hatte, klang nach einer übernatürlichen Macht, gegen die es die Hilfe eines ebenso übernatürlichen Wesens bedurfte, um sie zu bekämpfen. Keine weltliche Macht hätte dies wohl allein vermocht. Und doch… vielleicht hätten Opfer verhindert werden können? All das was wäre wenn… all diese Fragen… das war es, was sie schon immer auch zu ihrer Zeit im Dienst beschäftigt hätte. Hätte man etwas anders machen könne? Hätte… hätte… hätte…

Seufzend trat sie näher und nickte der schon etwas fragend dreinblickenden Wache entgegen und hob das neue, glänzende Abzeichen an. Der Soldat öffnete ihr und ließ sie in den Hof der Burg ein. Sofort umfing sie die vertraute Welt der Ritterschaft, obwohl es heute wesentlich ruhiger war als früher. Es wuselten deutlich weniger Rekruten und Soldaten umher. Der kleine Garten lag ein wenig vernachlässigt da und Mirja näherte sich ihrem persönlichen Dorn im Auge: Die Stallungen. Diese waren förmlich überfüllt und sie würde noch herausfinden, wer dafür verantwortlich war. Jetzt allerdings würde sie sich um die armen Tiere kümmern. Und dann… würde sie sich überlegen, wie sie ihr neues Amt am besten anging.

Ausbilderin.

Der Titel schmerzte. Denn eigentlich war das Pandors Titel in der Ritterschaft. Er war DER Ausbilder. Derjenige, der mit harter Hand und Drill die Soldaten auf Vordermann gebracht hatte. Aber… Sie seufzte leise und drängte die Gedanken mühsam fort. Das Gespräch mit Sheridan kam ihr wieder in den Sinn. Dass es keinen Sinn machte, über die Vergangenheit nachzudenken. Damals war Mirja wütend auf die andere Rothaarige geworden, obwohl sie selbst wusste, dass sie recht hatte. Doch wie konnte man seine Familie als „Vergangenheit“ abtun? Sie war sich sicher, dass sie irgendwo da draußen waren. Irgendwo…

Ausbilderin Vildaban. Nun gut, zumindest würde der Titel eben in der Familie bleiben und sie hatte genug von Pan gelernt und sicherlich nichts von ihren Tagen als Unteroffizier vergessen. Selbst die Tugenden konnte sie noch immer im Schlaf. Einmal Soldat, immer Soldat. Doch sie hatte Fenria und Telas versucht klar zu machen, dass sie lediglich als außenstehende Zivile aushelfen würde. Sie wollte nicht zurück in den vollen Dienst. Das Volk unterstützen, ja. Vielleicht gab es auch ein Amt, welches sie ausfüllen, aber nicht solche Opfer fordern würde. Fürs Erste… war das hier mehr als genug. Sie half die Soldaten auszubilden und auf den Schutz des Volkes vorzubereiten. Damit tat sie etwas für Silberburg und alle Menschen. Aber die Zinnen würden sie nie wieder in der Wachrüstung sehen.
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