Wenn die Ursache unbekannt erscheint, sind die Wurzeln meist völlig trivial.
Blut ist die Substanz des Lebens, doch Leben ist vergänglich.
Vergänglichkeit ist der Feind und nur der Tod trumpft über dieser.
Mit blutrotem Schimmer, möge der Tod die Läuterung sein.
Die jungfräuliche Leiche sank auf den Grund des Ansiloner Gewässers. In ihrer Unschuld, sollte sie das geeignete Opfer für den Tod darstellen. Würde ER sie erhören?
Seit Tagen ranken sich die Gerüchte um den blutroten See dessen Farbe offenbar nicht aus dem Seebecken abzufließen bereit ist.
Alynor hatte ihn damit angesteckt und die Tatsache, dass alle Gespräche mit anderen Personen zu keinen weiteren Erkenntnissen führten machte das Phänomen umso interessanter.
Am heutigen Morgen stieß Nefario bei einem Spaziergang auf eine mögliche Ursache. Ein Quell nahe der Stadt auf dem Grundstück der Familie Gadomar sprudelte blutrotes Wasser hervor. Dies mag nun mehrere Gründe haben und entweder am See oder am Grundwasser liegen. Aber warum sollte Wasser von einem niedrigen Niveau auf ein höheres fließen nur um anschließend wieder zurück in den Fluss zu rinnen?
Noch am selbigen Abend teilte er sein Wissen mit Samara und sie brachte ihn auf das Vorhaben weiter nachzuforschen. Eine Flasche mit roter Flüssigkeit entnommen vom Rinnsal welches vom Grundstück der Familie zurück in den See fließt soll weitere Aufschlüsse liefern. Zusammen mit einer Flasche reinen Wassers, einer zweiten Probe direkt aus dem See und einem Fläschchen Menschenblut wird sie verschiedenen Experimenten unterzogen.
Ein Teil der Flüssigkeiten wird erhitzt, ein anderer an offener Luft zum verdunsten gebracht um die Rückstände miteinander zu vergleichen und um festzustellen ob es sich überhaupt um Blut handelt oder das Wasser anderweitig gefärbt wurde. Auch kommen Stoffstreifen zum Einsatz die mit der Flüssigkeit getränkt werden und ein Gift wird in den Rest der Flaschen gemengt welches dazu bestimmt ist Blut gerinnen zu lassen.
Es war reiner Zufall, dass Alynor in Ansilon erneut auf Nefario stieß. Sogleich erzählte ihm Nefario, dass er vermutlich die Quelle des Übels gefunden habe. Er führte ihn zum Grundstück der Familie Gadomar. Als Alynor die Quelle sah, stimmte er ihm zu. Das blutrote Wasser floss eindeutig in den See. Alynor war sofort Feuer und Flamme. Sogleich wollte er das Grundstück betreten, und sich das Ganze aus der Nähe anschauen. Er rüttelte am Tor, welches sich jedoch nicht öffnen ließ. Zudem entdeckte er einen Wolf hinter dem Zaun, der gefährlich aussah. Vielleicht war es besser, doch nicht so vorschnell zu agieren. Er vereinbarte mit Nefario, dass er mal im Rathaus oder bei einer Wache nachfragen würde, ob es Hilfe seitens der Stadt geben könnte. Schließlich sollte es allgemeines Interesse daran geben, den See wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzten.
Doch zunächst gab es noch anderes zu tun. Er wollte schnell auf den Markt, und dann auch noch einige Reagenzien im Kräutergarten von Ansilon ernten, bevor es dunkel wurde. Noch ahnte er nicht, dass er im Kräutergarten sogleich wieder auf Nefario treffen würde. Und dass er aus Neugier in einen Streit hineingezogen würde, mit dem er eigentlich nichts zu tun hatte. Es vergingen mehrere Tage, doch Alynor wurde in Ansilon nicht mehr angetroffen.
Still und rot lag der See da. Das würde sich auch erst einmal nicht ändern. Eine Lösung, wie man dieses Kometenstück hervorholen konnte, gab es noch nicht. Vielleicht war dieser Schaden auch unwiderruflich. Luinil hatte dereinst mit ihrem Zauber dafür gesorgt, dass ein Stück des Kometen, welcher jährlich zu Samhain an dieser Welt vorbeizog, in den Ansiloner See stürzte. Seither glomm dieses Stück dort unten und verseuchte das Gewässer mit seiner widernatürlichen Magie. Die Farbe des Sees war – nicht wie viele annahmen – Blut, sondern lediglich das Leuchten dieses Gesteinsbrockens. Offensichtlich hatte dieser Brocken zum Glück keine weiteren Auswirkungen, außer dass das Gewässer nun rotschimmernd und tot dalag. Inzwischen hatten die ersten mutigen Seefahrer ihre Fahrten zwischen Ansilon und Silberburg auch wiederaufgenommen. Die Fischer jedoch würden vielleicht nie wieder gute Beute aus dem Binnensee ziehen.
Jedoch gab es noch immer die Ankerpunkte, mit denen Luinil damals den riesigen Bannzirkel geformt hatte. Tatsächlich musste Vyktorya diesem Gör doch ein gewisses Maß an Respekt zollen, auch wenn sie das vermutlich niemals laut zugeben würde. Immerhin hatte sie ihr niemals zugetraut mit ihrem wirren Geist doch derartiges auf die Beine zu stellen. Nichtsdestotrotz ärgerte sich die Unsterbliche auch über ihre Beteiligung an diesem Schlamassel. Weshalb sie sich auch dafür verantwortlich fühlte und zumindest einen Teil des Schadens begrenzen wollte. Diese Ankerpunkte würden jedes Jahr zu Samhain die Untoten anziehen, wie ein Stück Kuhmist die Fliegen. Und das war ein Problem, schließlich lagen die Ankerpunkte teilweise sogar in bewohnten Gebieten rings um Ansilon und Silberburg. Es genügte, dass Kreuzungen die Untoten zu Samhain anzogen, dann wenn die Membran zwischen den Welten durch den Einfluss des Kometen hauchdünn geworden waren. Da brauchte es nicht noch zusätzliche Sammelpunkte für die wandelnden Knochenhaufen und verirrten Seelen.
Sie hatte vor einigen Wochen bereits die Lage der Ankerpunkte in eine Karte eingezeichnet und suchte diese nun nacheinander auf. Das Ritual war so simpel, dass es jeder Lehrling hätte ausführen können. Da ihr derzeitiger Lehrling jedoch noch keinerlei magischen Funken gezeigt hatte, musste Vyktorya sich selbst kümmern.
Jeder einzelne Ankerpunkt, selbst jener, der bereits von irgendjemanden mehr oder minder entfernt wurde, wurde von ihr aufgesucht und sorgfältig präpariert. Sie arbeitete in der Nacht, um ungestört zu sein. Und jedes Mal lief es genau gleich ab, wie eine einstudierte Choreographie:
Zunächst suchte sie die Umgebung ab, dass sie auch wirklich ungestört war. Dann zog sie mit einer Mischung aus geriebenen Schwarzen Perlen, Spinnenseide, Knochen und ihrem eigenen Blut einen kleinen Zirkel genau über den Ankerpunkt. Im Anschluss nahm sie im Schneidersitz davor Platz und schloss die Augen. Langsam sank sie in die tiefe Meditation, mit der sie in den Äther hinab sank und dem Knoten des Ankers folgte, mit dem Luinil den Zirkel im magischen Geflecht verknüpft hatte. Manche der Knotenpunkte waren tatsächlich recht komplex und sie musste zunächst eine Weile darüber brüten, bis sie die richtigen Enden aufgedröselt hatte. Und jedes Mal ärgerte sie sich, dass sie nicht Rorek mitgenommen hatte. Als Astralmagier war er wesentlich geschickter darin, diese Geflechte zu lösen. Andererseits konnte er nicht so einfach in den Äther, das Totenreich dringen, wie Vyktorya.
Der Morgen graute bereits, als sie endlich den letzten Punkt bearbeitet hatte. Natürlich würde das nichts an der Farbe des Sees ändern, aber zumindest konnte man nun davon ausgehen, dass die Untoten an Samhain nicht wieder so nahe an der Stadt ihr Unwesen trieben.