Die Strasse - Die zweite Familie - Die Zukunft Teil I

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Bedall Silbenstein
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Die Strasse - Die zweite Familie - Die Zukunft Teil I

Beitrag von Bedall Silbenstein »

Jung war er, vielleicht zehn Jahre als als er mit aufgeschürften Knien und lumpiger dreckiger Kleidung am Hafen herum lungerte, die Augen immer wachsam. Die Sonne schien hell am Mittag und es war ein angenehmer Tag. Die Möwen riefen und der Geruch von Fisch war ihm so vertraut dass er ihn kaum mehr wahr nahm. Er sass auf einem Mauerrest an dem früher zahlreiche Tonnen abgeladen wurden, doch nun über die Jahre von Fässern gerieben, geschlagen und durch das Salzwasser des Meeres geschwächt war sie zusammen gefallen und nur noch eine Ruine ihrer selbst mir abgewetzten kantigen Steinen. Aber es war ein guter Platz. Man hatte alles im Blick; konnte die Verladung der Schiffe beobachten und wie Händler ihre Waren löschen liesen, Dinge ver und ankauften, handel trieben. Manchmal fiel etwas essbares ab oder etwas das man verkaufen konnte. Manchmal sorgten sie dafür dass etwas abfiel. Sie, das war die Bande von Strassenkindern der er angehörte. Sie nannten sich die Schatten, das klang sehr abenteuerlich aber die Tatsache war, daß sie auch wie Schatten lebten, denen keiner einen Funken Aufmerksamkeit oder Anteilnahme schenkte. Eine Handvoll verlumpter Gestalten mit Kinderstimmen die das gleiche Schicksal teilten wie er; alle mit ähnlichen Hintergründen. Zuhause raus geschmissen, geschlagen, heimlich abgehaut, irgendwie in diese Stadt gekommen und nun aus der Notwendigkeit heraus zusammen in einer Hausruine lebend in der die Ratten tanzten.
  
 Er war erst mit acht abgehauen als seine Mutter gestorben und sein Vater das Saufen und Schlagen begonnen hatte. Er hatte es zuhause nicht mehr ausgehalten. Wäre seine Mutter noch am Leben so wäre dies alles sicher nicht passiert. Bedall seufzte und wurde aus seinen Gedanken gerissen als ein heller Pfiff gellte. Er hob den Kopf. Weiter drüben in den Zweigen eines weitausladenden Baumes sah er Bene der in Richtung Westen deutete. Von Bene aus glitt sein Blick gen Troge der an einem anderen Mauerstück weiter drüben, in Sichtweite, Positionbezogen hatte. Auch er deutete auf eine bestimmte Stelle am Hafen. Er sah es und nickte als Zeichen dass er verstanden hatte. Es ging los! Die drei Kinder glitten von ihren Posten nur oben im Baum, so wusste Bedall würde noch jemand sitzen bleiben, versteckt auf dem Beobachterposten um alles zu übersehen und helfen zu können. Die Kinder konnten alle Pfeifen. Ja und wie, so gut dass sie sich mit Höhen und Tiefen, Trellodischen Ton und kurzen steifen gestalteten Pfiffen kurze Nachrichten übermitteln konnten. Eine gute Idee mit denen sie sich gegenseitig kleine Informationen geben konnte. Sicher es waren nur kurze. Vorher vereinbarte Signale die auch nur einfache Informationen tragen konnten doch jeder wusste ihre Bedeutung und seine Rolle die er nun zu spielen hatte. Bedall näherte sich möglichst unaufällig der Situation. Ein ziemlich reicher Händler in teuer Kleidung verhandelte an der Seite des Marktes mit einem Kunden. Sie waren beide in einem aufgeregtem Gespräch und der reiche Händler fuchtelte mit einem Säckel Gold herum das er vom anderen erhalten hatte und wollte es diesem barsch zurück geben. Sicher war ihm zu wenig drin, dachte Bedall, aber für uns würde es wohl eine vielleicht zwei oder mehr Wochen reichen um zu leben. Bedall hatte sich in Position gebracht.
  
 Heute fiel ihm die Rolle des Greifers zu, er hatte den kürzeren Strohhalm gezogen. Er hasste es Greifer zu sein, denn das war die gefährlichste Rolle aber die Kinder hatten ausgemacht, daß jeder diese Rolle per Zufall bekommen sollte, so könne keiner sich Ungerecht behandelt fühlen von der Gruppe; und vielleicht meinte es das Schicksal heute gut mit ihnen. Bedall hörte einen weiteren nicht zu lauten schweifenden Pfiff. Die anderen waren auf ihren Posten und bereit. Bedall atmete tief ein und kreuzte die Finger, das brachte Glück und das brauchte er dringend. Der Vorteil, daß keiner auf Strassenkinder achtete, war ihm nun nützlich. Später würde nicht mal der reiche Händler sich an sein Gesicht erinnern können. Bedall kniete sie hin als wollte er die Schnürbänder seiner Schuhe neu binden. Er wusste dass sie fest waren, doch in der Tat steckte er die Schlaufen unter die Schnürung und nutzte die tiefe Position für einen raschen Start. Ein letzter Blick zu dem mit dem Goldbeutel hantierenden Händler und er zielte genau, holte ein paar mal tief und schnell Luft. Ja Luft war das was er jetzt brauchte um schnell und kraftvol zu sein. Ein fixierender Blick gen des Händlers und er schnellte los.
  
Bedall Silbenstein
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Die Strasse - Die zweite Familie - Die Zukunft Teil II

Beitrag von Bedall Silbenstein »

 
 Aus der tiefen Position wie eine metallne Feder herauskatapultiert schoss er in die Aufrechte und rannte los. Gedeckt durch ein paar Fässer an der Seite würde ihn kaum jemand sehen als er los schnellte. Am Rand der Fässer stand der Händler und hantierte. Bedalls kleines Herz schlug wild und schnell als ihn seine dünnen, doch das Laufen gewöhnten Beine an den Beutel des Händlers herantrugen. Nur den Beutel im Fokus und mit voller Geschwindigkeit sprang er zwischen die beiden hantierenden Männer und griff im Sprung nach dem Goldbeutel. Hart bekam er ihn zu fassen und sobald seine Füße wieder den Boden berührten war er schon zwischen den beiden Männern hindurch und rannte los. Schneller und schneller, das Herz wild schlagend vor Freude und Angst zugleich, liess er sich auf die Knie fallen und rutschte ob der alten ledernen Hosen fast ohne Kratzer unter einem Verkaufstisch des Fischers hindurch an diesem seitlich vorbei und stand in fliessend geübter Bewegung sofort wieder auf um weiter zu rennen. Laut gelten die Rufe des Händlers "Haltet ihn!" und "Wache!!" doch er hielt nicht im mindesten ein im Lauf. Er musste es nur bis nach vorne an der Ecke der Strasse schaffen. Mit der rechten Hand aufstütztend übersprang er ein weiteres Hindernis und lief sofort weiter. Dann vernahm er aus der Ferne, von wo er gestartet war, ein lauten scharfen schwingenden Pfiff. Ah, die Wachen würden von rechts kommen. Ihr Posten im Baum hatte sie gesehen. Sofort schwenkte er nach links und nahm einen Umweg. Auch die anderen hatten den Pfiff gehört und würden sich dem entsprechend umpositionieren. Er rannte was er konnte die kleine Gasse entlang, riss im Vorbeifliegen noch Mülltonnen und alte halbleere tranige Fässer hinter sich um um seine Verfolger zu behindern.
  
 Er war nur ein Stück weiter gelaufen als er hinter sich schmerzhafte Schreie und Gefluche hören konnte. Scheinbar waren sie über seinen geworfenen Müll gestolpert. Bedall bog um die nächste Ecke um wieder in die von ihm zu vor geplante Richtung zu laufen da sah er am Ende der Gasse bereits Jorge stehen, betont unbeteiligt und lässig lehnte er an einer Hauswand. Er war der erste Träger. Bedall wusste er würde den Beutel weiter mitnehmen um ihn dann einem weiteren Träger zu geben der ihn dann dem Sicherer überlassen würde. Der Sicherer bekam die beste Kleidung die sie nur zusammen klauen konnten. Er sollte so gesittet und gut erzogen wie möglich ausschauen wie das Kind mittelständiger Eltern der sich aus Langeweile im Hafen spazieren ging. Das war eigentlich Bedalls Lieblingsrolle, kein gekeuche, kein geschwitzte, kein gerenne und vorallem kaum Gefahr erwischt zu werden. Aber auch die Rolle entschied der Zufall. Doch Bedall konnte keine weiteren Gedanken daran verschwenden. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen und schon hörte er im Lauf hinter sich wie seine Verfolger um die Ecke kamen an der Jorge langsam seinen Weg zu "ihrem Haus" mit dem Schatz nahm. Fluchend und schimpfend schepperten sie mit Rüstzeug und Waffen hinter ihm her. Ja wenig zu besitzten bedeutete auch wenig mit sich herum schleppen zu müssen, dachte er und nutze die Freiheit seiner Bewegung direkt aus und beschleunigte noch einmal. Die Lunge hing ihm gefühlt schon halb aus dem Hals aber er wusste wohin er wollte.
  
 Weiter hinten in der Freudestrasse war sein Ziel. Mit Claire, welche dort stand, hatten sie ein Abkommen. Früher als er noch kleiner war, schlupfte er bei Verfolgung einfach unter ihren Rock zwischen ihre Beine und war durch das weite Kleidungsstück gut geschützt vor Blicken. Er konnte lauschen wie die Wachen, sollten sie Claire und ihn verdächtigen, hilflos da standen. Meistens liefen sie sowieso an den Huren vorbei, doch einmal hatte ihn ein Priester, den er bestohlen hatte verfolgt. Claire empfand es als Festessen den Priester zu verspotten als er behauptete er hätte gesehen wie Bedall unter ihrem Rock verschwunden war. Laut rief sie das Strassenvolk zu sammen und verkündete wie der Priester eine billige Ausrede versuchen wollte, damit sie für ihn ohne Bezahlung den Rock heben würde. Der Priester war kurz darauf sehr schnell und mit hochrotem Kopf verschwunden und sie hatten sich Abends als sie das geklaute geteilt hatten köstlich darüber amüsiert. Doch jetzt war er größer und sie hatten vereinbart den Greifer unter dem Bett zu verstecken und ihn dick mit Claires Frauenunterkleidung zu tarnen. Das war fast genauso gut und praktisch, da sie sowieso das meiste ihrer alten Kleidung einfach in den Bettkasten unter das Bett stopfte, da sie keinen Schrank besass. Sie hatten die Tiefe des Bettkastens etwas gekürzt so dass zwischen Wand und der Rückseite der großen Schublade des Bettkastens Platz für eine halbgroße Person war. Bedall wusste er würde dort ein muffig stickiges aber nahezu sicheres Versteck finden. Mittlerweile befand er sich fast in der "Zielgeraden". Die scheppernden Geräusche der Verfolger drangen zu ihm hin, aber er hatte einen guten Vorsprung sich erarbeitet. Nahezu ausgepumpt und erschöpft vom Lauf erreichte er Claires Ecke und rief ihren Namen mit der letzten Luft in seinen Lungen. Doch diese verstand ihn und wischte mit ihm im selben Tempo um die Ecke um die Türe zu ihrem "Zimmer" für ihn zu öffnen. Kaum huschte er hinein verschloss sie es bereits wieder um sich wieder auf ihren angestammten Platz zu stellen. Bedall in dessen kroch müde und erschöpft unter das Bett und schob sich den Bettkasten so zurecht dass er hinein konnte und zog ihn hinter sich wieder zu so dass man ihn von draussen nicht sehen konnte. Er war restlos erschöpft und müde. Sein Herz schlug noch vom Lauf so kräftigt und er legte sie so flach wie möglich auf die alte Strohmatte die sie dort unten platziert hatten, auf den Rücken. Langsam beruhigte er sich und ein Lächeln huschte über da müde Gesicht. Er war gut gelaufen und sich sicher keiner hatte gesehen wie er bei Claire ins Zimmer gegangen war. Der Goldbeutel würde heute abend geteilt werden, unter der Bande und morgen würde Claire ihren Anteil gebracht bekommen. Es wird die ganze nächse Woche echtes Brot und echten Schinken geben, grinste er glücklich. Und sicher auch, wenn sie es bekommen konnten, dunkles Bier. Alles war besser als tranigen Fisch und verkohlte Ratte. Sie hatten alle ihre Rollen gut gespielt und ihre Aufgaben erfüllt. Müde sanken dem jungen Bedall die Augenlider nieder und er wabberte in den Schlaf.
Bedall Silbenstein
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Re: Die Strasse - Die zweite Familie - Die Zukunft Teil III

Beitrag von Bedall Silbenstein »

 Der erwachsene Bedall riss die Augen auf. Er lag in seinem schäbigen Bett am Hafen. Die Möwen schrieen draussen vor dem Fenster und der Geruch von Fisch drang herein. Lange hatte er nicht mehr an seine Kindheit gedacht. Es war keine leichte Zeit gewesen und doch hatte er überlebt. Er hatte Glück und seinen Meister gefunden, der ihn aus irgendwelchen Gründen sympathisch fand. Bedall hatte immer gedacht der Alte hätte vielleicht einen Sohn in ihm gesehen doch er hatte nie groß über seine Vergangenheit gesprochen. Von ihm jedoch hatte er alles gelernt. Die Taschenspielerei, wie man vorsichtig und unentdeckt Taschen leert, wie die Laute zu spielen ist und dass man sich bei aller Dieberei doch zudem halbwegs anständig zu verhalten hatte. "Das unterscheidet uns von dem Gesocks, von dem Abschaum der nicht mal die Ehre unter Dieben kennt." war ihm vom Alten immer wieder eingeschärft worden. Ja er hatte Glück gehabt und überlebt. Doch nicht jeder seiner Kinderbande von damals konnte sich so glücklich schätzen. Claire war an irgendeiner seltsamen Krankheit zugrunde gegangen, die sie sich eingeholt hatte. Erst sah man ihr es an und dann kamen die Freier nicht mehr und sie war irgendwann von ihrem Platz verschwunden und keiner wusste zu sagen wohin. Jorge war ein paar Jahre später im Streit mit einem anderen in einer heruntergekommenen Kneipe abgestochen worden und in der Gosse verblutet. Bene hatte sich mit einer Hure zusammen getan und mit ihr gemeinsam ein neues Freudenhaus eröffnet, er kam halbwegs über die Runden. Frieda das einzige Mädchen ihrer Gruppe fand nichts was sie tun konnte. Sie hatte es mehrfach als Magd bei verschiedenen Stellen versucht und war überall raus geflogen bis sie den gleichen Weg ging den viele alleinestehenden Frauen, die ohne Hilfe und Rat waren, gegangen war. Nur wenige hatten es geschafft. Irgendwann war ihre Bande zerbrochen und jeder musste seinen eigenen Weg ziehen. Bedall hatte lange nicht an die Vergangenheit gedacht. Vielleicht hatte ihn die Umgebung, die Möwen, der Fischgeruch beeinflusst und wieder in die alten Träume geführt. Vielleicht auch der Gedanke an das was sie, er und die anderen, vorhatten. Ein neuer Weg tat sich auf: verlockend und gefährlich zu gleich. Und er würde sicher genügend Stoff für ein paar neue Lieder und Balladen ergeben. Ja etwas wartete auf ihn, das spürte er. Wie ein lauerndes Versprechen in der Dunkelheit, verführerisch und groß und doch so unscheinbar dass es das alltägliche Auge nicht erkennen konnte. Er hatte sich sein Lebenlang auf sein Gefühl, vielleicht Instinkt verlassen können. Doch hier vor dieser Aufgabe, vor diesen Leuten; lies er ihn im Stich. Gefahr und Gewinn, Verlockung und Unwissenheit... Ja Unwissendheit, sie sei ein Segen sagte sie, ein Schutz für ihn. Es war ihm als weise ihm die Zukunft zwei Wege auf. Die nächsten Tage würden die Entscheidung bringen. Bedall war erfreut doch auch angespannt zu gleich. Doch was hatte ihn der Alte einmal gesagt? _ "Es ist gut bei allem auf Sicherheit zu gehen, doch gönn dir ab und an eine kleine Versuchung. Wer weis, ob sie wiederkommt?" _
Bedall Silbenstein
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Die längste Nacht Teil I

Beitrag von Bedall Silbenstein »

Die längste Nacht
  
 Die Stille umhüllte ihn, füllte den Raum aus und war von so greifbarer Qualität als würde sie ihm die Einsamkeit wie mit Keulen um die Ohren schlagen. Er saß gelehnt an die mittig aufgerichtete Säule, hatte die Augen geschlossen, den Kopf auf der Brust gesenkt. Einatmen – Ausatmen, Einatmen – Ausatmen und wieder von vorne, Herzschlag nicht vergessen; 80 mal pro Minute. Verflucht.... er hatte sich verzählt und fing erneut von vorne an, ärgerlich auf sich selbst. Früher war dies alles ohne nur die geringste Anstrengung gegangen. Wild wogten in seinem Geist die Gedanken hin und her, quetschten sich zwischen die gezählten Herzschläge und Atemzüge, Fragen die immer wieder auftauchten und sich nicht zurück drängen liessen. Oh er hatte sie gestellt und noch viel mehr doch die Antworten kamen nur dürftig. Zeit geben, warten.... damit war er abgespeist worden. Damit und den Übungen. Sicher er hatte wohl derzeit nichts andres zu tun, eingesperrt in Einsamkeit, der Gnade anderer überlassen die ihn hier rein gebracht hatten, doch es war unmenschlich. Über Bedalls konzentriertes Gesicht huschte bei dem Wort 'unmenschlich' ein fahles Lächeln das jedoch sofort erlosch als er sich dabei ertappte. Diese Gefangenschaft war nichts das er anderen antun würde. Er hatte es als Kind immer geschafft seinen Häschern zu entkommen, wenn sie versucht hatten ihn oder seine Bandenbrüder bei ihren Dieberrein zu erwischen, durch welche sie gemeinsam überlebten. Doch hier .... er fühlte sich eingekerkert. Hier waren nicht einem schwitzenden stinkigem Kerkermeister ausgeliefert der ihn grausem quälte und gefangen hielt. Nein, sie nannten sich Familie und taten dies nur zu seinem Besten.... Sarkasmuss durchwebte seine Gedanken und obwohl er äußerlich die ganze Zeit reglos an der Stele lehnte brodelte es in ihm.
  
 Zu seinem Besten war sicher vieles andere, doch dies hier nicht. In den Morgenstunden der vergangenen Nacht, zumindest vermutete er dass es Nacht gewesen war, war es ihm gelungen seiner Haut ein gesundes Aussehen zu geben und darauf konzentrierte er sich noch am Meisten. Atmung und Herzschlag hingen irgendwie zusammen und mussten zudem auch aufrecht erhalten werden. Es war anstrengend genug die alles gleichzeitig und im richtigen Rhytmus zu tun. Er wunderte sich wie die anderen das schafften. Doch hier in der Einsamkeit würde er niemandem fragen können. Das einzige Geräusch das er hörte waren das seines simulierten Atmens. Langsam hob er den Kopf. Die verschlossene Tür kam in sein Blickfeld. Ja, die verschlossene Türe. Grimmig presste er die Lippen aufeinander. Gestern noch als er erwacht war hatte er in wilder Wut und Blutdurst gegen sie geschlagen mit unglaublichen Kräften, sie war wohl vorherschauender weise stabil gebaut um ihm stand zu halten. Durch die Türe roch er die gefangene Eiselfe gegenüber, meinte fast ihren Herzschlag zu hören, der ihr Blut durch den Körper pumpte. Es zerrte an seiner Willenskraft und behinderte ihn, störte ihn bei seinen Übungen. Doch es war nicht so schlimm wie gestern, als ihn der Durst wie Wahnsinn ausfüllte. Sie hatten ihm ein Schaf gegeben, hatten dem Tier sogar einen Namen gegeben, Dolores, eine persönliche Komponente. Er war sich nicht sicher gewesen ob dies ihn nun helfen sollte sich dem Tier nicht zu nähern oder ob es nur ein weiterer Stich war den sie ihm gaben. Das Schaf war nicht wie ein Ding das er in seiner Not benutzen konnte, unpersönlich und auf Distanz halten. Er versuchte zu Essen, Braten den sie ihm gebracht hatten doch half kein bisschen und der Geschmack an der Speise war ihm fast verloren gegangen, als ob man einen Haufen Leder im Mund hätte der entfernt nach Braten schmeckte....An den Teil der Nacht konnte er sich nicht detailliert erinnern. Ausser dem unsagbaren Durst und Hunger die ihn quälten, ihn ins Hirn krochen und alle Gedanken beiseite schoben, wilde unausgegorene, ja gewalttägige Gedanken aufkommen liessen und ihm verführerisch zuflüsterten.
  
 Als er wieder zu sich kam lag er neben dem Schaf, er selbst die Kleidung vom Hals bis zur Brust mit Blut besudelt und das Schaf tot neben ihm, in einer kleinen Lache des traurigen roten Restes der einst durch dessen Körper geströmt war. Seine Gedanken jedoch waren klarer. Er hatte mit sich gehadert, gescholten, disputiert, die verschiedenen Seiten gegeneinander abgewogen. Als sie dann kamen war er ruhiger, gefasster gewesen obwohl er sich ihnen gegenüber schämte. Er kannte sich so nicht und hatte sich für sein Verhalten geschämt. Für sie musste er sicher einen sehr primitiven Anblick geboten haben, so blut beschmiert wie er war, der langsam stinkende Kadaver des Schafes herum liegend und einem Gesicht in dem Schuld, Ärger, gar Wut und Unsicherheit um die Vorherrschaft rangen. Er hatte sie mit Fragen bombardiert und doch zu wenig Antworten bekommen. Gedulden.... gedulden.. Nach langem Gespräch hatten sie das tote Schaf entsorgt und sein Erschaffer hatte die ihm noch neue Kleidung gegeben, worüber er auch dankbar war. Er hatte ihm sogar ein Instrument, eine Geige da gelassen. Zur Ablenkung wie er sagte und Bedall empfand dies als Hauch einer Geste der Anteilnahme für seine Situation. Sicher war es das eigene Instrument gewesen, das sein Erschaffer ihm gegeben hatte. Jetzt mir klarer Sicht und Verstand hatte er sich vorgenommen fleissig zu üben um seine Tarnung aufrecht erhalten zu können. Auch nahm er sich vor sehr vorsichtig mit dem Instrument zu sein. Er hatte eine Weile versucht darauf zu spielen doch nach einiger Zeit hatten seine eigenen Ohren die quietschenden Laute des falsch gespielten Instruments satt. Wie lang er wohl hier bleiben müsste, fragte er sich. Fast schon befürchtete er wenn er frei gelassen werden würde, würde er  das Instrument so gut spielen zu können wie kein zweiter und obwohl die Möglichkeit ein neues Instrument zu beherrschen ihn erfreute, hing doch der Schatten der Drohung über ihn, wie lange doch seine Gefangenschaft hier anhielt.
  
Bedall Silbenstein
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Die längste Nacht Teil II

Beitrag von Bedall Silbenstein »

Er hatte das Instrument weggelegt und sich weiter seinen Übungen hin gegeben. Bevor die Türe verschlossen wurde hatte ihm sein Erschaffer noch einige Phiolen Blut in die Hand gelegt. Es werde nicht mehr geben, waren die harten Worte gewesen. Morgen oder vielleicht Übermorgen wollte sein Erschaffer wieder nach ihm sehen und für jede noch ungeöffnete Phiole Blut würde er eine weitere erhalten. Während er seine Übungen fleissig weiter unterhielt griff seine Hand in die Tasche und holte seine Phiolen hervor. Leise klirrte es hell als die kleinen Glasbehälter dabei aneinander stiessen. Er blickte auf sie. Jetzt noch war er bei Verstand und konnte handeln. Er wusste dass der Zeitpunkt kommen würde wo dies nicht mehr möglich war. Mit Schaudern dachte er an die vergangene Nacht, an die er nur lückenhafte Erinnerungen hatte und nach der er neben dem toten Schaf aufgewacht war, der Raum halb verwüstet. Bedall wog die Phiolen Blut in der Hand. Sie waren viel weniger als das Schaf geboten hatte. Er war sich nicht sicher ob er es aus zu halten vermochte wenn der Durst ihn erst befallen hatte und er das Tier in sich heraufkriechen spürte. Selbst wenn er alles Blut leer trank war es immer noch weniger als das Schaf bot. Er hoffte dass es, nur beim ersten Trinken so war. Dass er nur das erste Mal eine Art Komplettversorgung mit Blut gebraucht hatte um zu existieren und dass es das nächste mal nicht so schlimm werden würde. Doch ein spöttischer Gedanke am Rande seines Bewusstsein strafte ihn, lachte ihn aus wie er nur so naiv sein konnte. Bedall war sich nicht sicher ob er es wirklich aushalten konnte. Und käme dann sein Erschaffer zurück würde dieser wohl nicht begeistert davon sein und wenn er Pech hatte gar kein Blut mehr mit bringen. Würde er hier toben und wüten wie ein wild gewordenes Tier, eingesperrt auf ewig und verrückt während der Blutdurst durch seinen Körper brannte? Noch konnte er handeln, noch. Bedall sah sich im stillen Raum um und erhob sich langsam. Erfreut huschte ein Lächeln über seine Züge als er sogar ein angestrengtes Keuchen zustande brachte beim Aufstehen. Es klang ganz überzeugend. Doch dann erfasste ihn wieder die Ernsthaftigkeit seiner Situation und die Entscheidung der er sich nun stellen musste.
  
 Er wusste nicht ob er sich seiner sicher sein konnte, wenn der Durst kam und so galt es Vorbereitungen zu treffen solange er dies noch konnte. Er suchte in den umherliegenden Schätzen nach einigen Dingen die ihm hilfreich sein konnten. Alte Helme, Speere und zerfledderte alte Standarten von Streitern und Kriegern die schon lange vergangen waren.... Er fand einen sehr stabil aussehenden Topfhelm aus reinem Gold und mit Edelsteinen verziert. Sicher eine geraubte Gabe die für irgendeine hochgestellte Persönlichkeit gedacht gewesen war. Nach einigen Momenten weiterer Suche fand er ein passendes Gegenstück. Vorsichtig legte er das Instrument seines Erschaffers in den Helm und steckte ihn mit neu gewonnener unmenschlicher Kraft in sein Gegenstück um so die Geige innerhalb beider Teile sicher einzuschliessen. Einige in der Nähe sich befindlichen Fechtklingen nahm er noch zu sich. Sicher die gleiche Stärke würde er haben wenn der Durst kam doch er hoffe durch die komplizierte Art und Weise, wie er aus den dünnen Fechtklingen ein Geflecht zur Sicherung um beide Helme bog, das Instrument schützen zu können. Wenn der Durst kam würde er sicher nicht die Geduld und Feinmotorik haben sich hin zu setzten und die sorgfältige Verflechtungen auseinander zu knoten. So hoffte er das Instrument zu schützen. Nach einer Weile der Arbeit, welche die Stille mit dem Ächzen und Stöhnen des biegenden Materials durchbrachen, war er zufrieden und legte sein schützendes Werk in eine der Schatztruhen. Er füllte diese noch bis zum Rand weit hoch mit Goldmünzen, Edelsteinen und Schmuckstücken, welche hier in Hülle und Fülle zu finden waren. Wie Sand das etwas wichtiges umpolstert, dachte er und schlug den Deckel zu und verbog die Spitze einer Lanze so daß sie Deckel und Kiste miteinander verband. Dann türmte er noch weitere Dinge auf die Kiste bis er zufrieden war in der Hoffnung dass das reichen würde. Nun jedoch kam die schwerste Entscheidung. Er griff erneut in die Tasche und holte die wenigen Blutphiolen hervor. Es waren vier volle und eine leere. Eine hatte er schon getrunken und es war ihm viel zu wenig vorgekommen. Er zählte von den vieren zwei in die andere Hand. Wenn zwei übrig blieben würde er morgen wieder vier haben. Blieben drei wären sechs für ihn allein.
Bedall Silbenstein
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Die Längste Nacht Teil III

Beitrag von Bedall Silbenstein »

Entscheidung wog schwer für ihn und er betrachtete reglos die Phiolen in seinen Händen. Zwei, oder drei, oder überhaupt etwas? Hin und her wogten seine Gedanken bis er sich eine der herumliegenden Goldmünzen nahm. Kopf wären zwei, Zahl wären drei, entschied er und nickte, nahm die Münze auf den Daumen und schnippte sie nach oben. Noch in ihrem Flug lies er die restlichen Phiolen der einen Hand in die andere gleiten um diese frei zu haben um die Münze zu fangen. Er schnappte sie mit geübter Leichtigkeit und schloss die Hand um sie.Er zögerte, sollte die Seite der Münze es sein, welche oben liegen würde wenn er nun die Hand öffnete? Oder sollte er es wie sonst auch machen und die Münze auf den Handrücken der anderen Hand klatschen und so die nun unten liegende Seite als die entscheidende sehen? Unschlüssigkeit erfasste ihn und für einen Moment überlegte er ob er die Hand nicht einfach geschlossen halten und die Entscheidung einfach aufschieben konnte, weit weg von sich. Doch das würde ihm nicht gut dienen und mit grimmiger Miene hob er die geschlossene Hand hoch. Die obenzeigende Seite sollte es sein. Langsam öffnete er die Faust. Zahl! Mit einer Miene zwischen Bedauern und Entschlossenheit nahm er die drei Phiolen in die eine Hand und steckte die letzte volle wieder in die Tasche, zusammen mit der leeren. Dann nahm er Schwung und Anlauf und bewegte sich mit unmenschlicher Geschwindigkeit auf die verschlossene Türe zu. Sie war zwar aus Holz aber scheinbar mit irgendeiner Magie verstärkt worden. Doch unten gab es eine Stelle an der sie nicht direkt mit dem Boden abschloss. Dort hin gezielt und geschickt traf seine Hand, welche noch eben die vollen Phiolen umfasst hatte. Durch den mitgegebenen Schwung und dank der gezielten Handhabgung rutschten sie leise klirrend durch den Spalt hinaus hinter die Türe in den anderen Raum. In dem Moment wo er ihr leises klirren hörte spülte eine Welle von Reue durch seinen Geist. Sie waren jetzt wirklich weg, ausser seiner Reichweite.... Mit tiefen Zweifeln ob diese Idee wirklich so gut war oder ob bereits der beginnende Durst, der sich langsam einschlich, bereits an seinem Verstand nagte, ging er wieder zurück zu seinem Platz. Lehnte sich wieder mit dem Rücken an die steinerne Stele und liess sich mit steinernem Gesicht daran hinab sinken. Einatmen – Ausatmen, Einatmen – Ausatmen, Herzschlag nicht vergessen, 80 mal pro Minute....
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Als die Nacht ihren Zenit erreicht hatte torgelten zwei stark betrunkene Seemänner aus der Taverne im Rostanker und stakten unsicheren Schrittes auf den Hafen zu. Vielleicht würden sie noch ein Mädchen abbekommen. Als sie näher der Docks kamen hielt der eine an und sties den anderen in die Seite. "Ehh.... eh... hörschtt n das? Wasn dass fürn, fürn 'räusch?" Sein Kamerad hielt an und wankte dabei leicht doch er dreht das rechte Ohr zur See. Er lauschte und von der See her war ein dröhnendes klagendes wildes Heulen zu vernehmen, gedämpft wohl und von dem Rauschen des Meeres auf diese Entfernung gemildert und doch vernehmbar. "Daschh schind dschie Sch... Sch... schaum – gebooornen, die im Wascher lebn. Schind schauer weisch du? Muscht du aufpaschen wennnnn du mor*hicks*gen rausch fährscht. Isch kain scho gutesch Omen, weischt du?"Der erste der zwei Seeleute schüttelte den Kopf wankend. "Dar schtink isch noch n schrum" Darauf hin wankten sie weiter, während weiter draussen auf dem Meer, tief im Bauch eines Schiffes sich zu den zuvor schon gräßlichen Tönen das Geräusch von splitterndem Holz und steinerndes Krachen mischte.
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