Wer mit Blut säht, wird Zorn ernten ...

Rollenspielforum der Chaosstadt.
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Alec Schwarzdorn
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Wer mit Blut säht, wird Zorn ernten ...

Beitrag von Alec Schwarzdorn »

Schreie wecken ihn.
Alec reißt das eine Auge auf und sieht zur Zimmerdecke. Er benötigt einen Moment, um sich zu orientieren. Sein Pulsschlag dröhnt, aber die kleine Schönheit, die bei ihm liegt, schläft friedlich weiter. Sanft schiebt er sie von seiner Brust und drapiert ein Kissen als traurigen Ersatz.
Rastlos erhebt er sich aus dem warmen Bett und schlüpft in seine Kleidung.
Es ist tiefste Nacht, als er durch Surom wandert. Kein Mensch und auch kein Dunkelelf begegnet ihm auf seinem Weg in die Garnison. Das ist ihm recht, denn seine Finger zucken vor Tatendrang und Ungeduld. Er macht sich nicht die Mühe, den frisch eingerichteten Unterrichts- und Besprechungsraum zu erleuchten. Ihm reichen eine einsame Sturmlaterne und ein Kohlebecken, das fast verloschen ist. Die flache Schale missbraucht er als Aschenbecher, als er sich zu allererst einen Glimmstängel anzündet. Noch immer pocht sein Herz aufgeregt. Die ersten Züge helfen, um den Gedankennebel zu lichten und seine Gedanken zu sortieren.
Warum ist er hier?
Sobald er sich die Frage gestellt hat, suchen seine Finger bereits nach Pergament und Kohlegriffel. Er lässt die Kippe im Mundwinkel stecken und nimmt sie erst heraus, als er aufs Papier ascht. Seine Hand bewegt sich hastig und wie fremdgesteuert, zeichnet Linien und Schattierungen. Erst als er die Zeichnung abgeschlossen hat, legt er den Griffel aus der Hand und fährt sich übers Gesicht.
Träumt er? Oder ist er dem Wahnsinn doch nicht entflohen?

Alec hat aus dem Kopf heraus die Seitenansicht eines Katapults skizziert.
"Ein Trebuchet," hallt es korrigierend durch seinen Kopf.
"Was?" Mehr bringt er nicht hervor. Alec ist verwirrt und fasziniert von der Zeichnung. Seine Finger sind rußig und er erkennt deutlich seine Handschrift in der Skizze. Es wäre sinnlos abzustreiten, dass er sie nicht gefertigt hat. Trotzdem hat er sich nie in seinem Leben mit Kriegsgeräten befasst. Aber wenn er den Aufbau betrachtet, kann er das Wissen dazu abrufen. Die Kohlezeichnung zeigt den stabilen Rahmen mit Sockel, Lastarm, Gegengewicht und Armschwinge. Er kennt die Proportionen, die Maße und die Verbindungspunkte. Ohne es bewusst zu steuern, zerlegt sein Verstand das Trebuchet in seine Einzelteile und setzt es wieder zusammen.
Wie ist das möglich?
"Beim Namenlosen ..."
Hastig springt er auf und tigert durch den Raum. Er holt sich weitere Pergamente und eine Flasche Whiskey. Auf den Schock braucht er erst mal einen belebenden Schluck. Nerxos schmatzt zufrieden in seinem Kopf und befeuert seine Gedanken mit Ideen, die die Pergamente füllen. Er zeichnet voller Inbrunst und belädt den halben Tisch mit Skizzenblättern. Als er atemlos zur Ruhe kommt (und mehr Whiskey trinkt), besieht er sich das Ergebnis im flackernden Lampenschein.
Seine Finger zittern vor Tatendrang, wie er es gewohnt ist, wenn er ein Projekt plant oder eine Waffe entwirft. Aber vor ihm liegen keine Entwürfe von Rüstzeug oder Klingen, sondern von Belagerungsgeräten, Befestigungsanlagen und Geschütztürmen. Eine Gänsehaut überzieht seine Unterarme und lässt die Faerzress-Adern prickeln.

Erst jetzt erinnert er sich, was ihn geweckt hat. Schreie. Untermalt von dem Knistern von Feuer und dem Grollen der Wellen. Eine Seeschlacht? Er war nie in einer Seeschlacht und die befestigte Stadt, die durch seinen Geist spukt, ähnelt Surom nicht.
Was bedeuten würde, dass es nicht seine Gedanken sind.
"Ganzzz recht," säuselt Nerxos. "Deine Gedanken dazu langweilen mich. Sssie sssind so ssstumpf. Unausssgereift. Du hassst keinen blasssen Ssschimmer davon."
Blinzelnd wandert seine Aufmerksamkeit über das Wissen, das vor ihm liegt. Bereit, umgesetzt zu werden. Bereit, Surom zu befestigen und zu wappnen, worüber er seit Tagen und Nächten nachgrübelt. Er hat erste Pläne erstellt, Gespräche geführt und seinen Horizont erweitert. Aber die Erfahrung, die mit einem Mal greifbar ist, erschüttert ihn.
"Warum hilfst du mir?"
Nerxos lässt ihn warten. Er gibt einen weiteren schmatzenden Laut von sich, als würde er die Pause auskosten. Dann antwortet er in Alecs Kopf. Präzise. Ohne Zischeln und mit einem Grollen im Tonfall, dass es auf beängstigende Weise Alecs Stimmklang gleicht.
"Ich giere nach Schmerz und Zerstörung.
Wir beide werden die Flammen sein, die unsere Feinde spüren.
Ihre Schreie werden unsere Hymne sein.
Ihre letzten Atemzüge werden das Öl sein, um die Flammen auf ewig neu zu entfachen.
Wir bringen die Exstase der Hölle an die Oberfläche und färben den Himmel blutrot und orange."


Er hört die Worte nicht nur, er spürt sie. Sie berühren ihn auf eine Art und Weise, die ihm einen Schauer durch den Körper jagt. Ein Gefühl von Dominanz und Überlegenheit überkommt ihn. Das ist ihm wiederum bekannt.

Das ist Irrsinn. Wie soll er das irgendjemandem erklären? Ganz einfach: überhaupt nicht. Sie würden ihn für verrückt halten. Er könnte es ihnen nicht verübeln. Im Moment ist er selbst unsicher, ob er noch bei Sinnen ist.
"Sei mein Werkzeug, Mensch."

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Alec Schwarzdorn
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Re: Wer mit Blut säht, wird Zorn ernten ...

Beitrag von Alec Schwarzdorn »

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"Warum ssstarren wir aufsss Meer?", fragt Nerxos.
Alec seufzt. "Ich versuche zu denken. Hör auf mich abzulenken."
Murrend versucht er die Stimme auszublenden. Aber es gelingt ihm nicht. Sein einäugiger Blick ist aufs Meer gerichtet. Der Gedanke, der sich soeben Form angenommen hat, löst sich in Luft auf.
"Warum denken wir in letzter Zeit ssso viel? Warum bissst du nicht zwischen den Porzellanssschenkeln der süßen Schwarzhaa-"
"Verdammt, lass mich denken."
"Deine Gedankenssschleife issst langweilig."
"Dann hilf mir."
Ein Geistesblitz durchzuckt ihn. Alec blinzelt gegen die Flut an Bildern und Ideen an, die ihm in den Kopf schießen. Die Masse an Wissen und Einsichten ist erdrückend, raubt ihm den Atem, lässt seinen Schädel pochen.
Zu viel.
"Verdammt. Halt. Hör auf!"
"Hör du auf, dich dagegen zu sträuben. Dein Verstand kann so viel mehr aufnehmen als das."
Da ist sie wieder, die drängende Schärfe in der Stimme. So präzise wie eine frisch geschärfte Klinge, die durch Fleisch schneidet. Sein Fleisch. Alec muss sich am Geländer festklammern, um nicht einzuknicken. Der fremde Einfluss ist kraftzehrend. Dabei weiß er längst, dass er die Barriere selbst erschaffen hat.
Aus Schutz. Wovor?
Nerxos ist verbannt. Nein, nicht verbannt, er wurde mit ihm vermischt. Streng genommen hat Alec keine Stimme mehr im Kopf. Allerdings ist es seine Methode, um mit der Menge an Wissen umzugehen, das ihm plötzlich zur Verfügung steht. Besser eine Stimme im Kopf als dem Wahnsinn nah. Denn so fühlt er sich zeitweise: nicht Herr seiner eigenen Gedanken.
Nerxos Essenz füttert ihm mit weit mehr als nur Ideen und Anweisungen. Das Wissen ist mit Bildern verknüpft, Szenen, Erfahrungen, die über Jahre hinweg gesammelt wurden. Alec hat eine ganze Bibliothek vor sich. Bloß ohne Inhaltsangabe. Er weiß nicht, wo er suchen muss.
Bisher diente ihm Ungeduld als Zunder. Wenn er sich zu lange an einem Gedanken festbeißt, erfasst ihn Frust, der sich in Zorn wandelt. Die damit einhergehende lodernde Glut schärft seinen Fokus.
Alec richtet sich knurrend zu voller Größe auf und zieht die Schulterblätter zusammen.
"Na, also. Lass uns endlich anfangen."

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Kurz danach sitzt Alec in der Garnison. Fern vom Sonnenlicht, das seine Haut jucken lässt und ihn blendet. Obwohl er seinen Lebtag im Tageslicht und in der prallen Sonne gearbeitet hat, muss er sich jetzt umgewöhnen.
Ein Kribbeln lässt seine Finger zucken. Alec kann den Druck seines eigenen Blutes in seinen Venen erahnen. Besonders die ungleichmäßigen Adern, die die Farzress hinterlassen hat, pulsieren. Sein Puls beschleunigt sich und er kramt hastig nach einem Glimmstängel. Der erste tiefe Zug beruhigt ihn.
Qualmend breitet er die Pergamente auf dem Tisch aus. Zeichnungen, Pläne und Skizzen. Daneben eine Karte der Küstenlinie von Surom. Alec hat den Säulen einen Bericht zum Vorhaben geschickt. Er wird das nächste halbe Jahr in das Projekt stecken.
Wenn das denn ausreicht.
Der Papierberg enthält Cataleyas Genehmigung zur Umsetzung seines Vorhabens.
"Warum brauchen wir eine Genehmigung, um eine Stadt zu schützen?"
"Weil es hier Hierarchien gibt."
"Langweilig. Warum strebst du nicht selbst nach der Macht, um ungehindert wirken zu können?"
Alec presst die Lippen aufeinander. "Geduld."

Seine Fingerspitzen streichen über die gezeichnete Küste südöstlich von Surom. Wenn die Solgarder über das Meer kommen, dann müssen sie diese Stelle passieren. Donnerklippe. So nennt er sie.
Alec sieht die Befestigung längst vor sich. Sein Augenmaß ist hervorragend, selbst mit reduzierter Tiefenschärfe. Er hat genug Mauern, Häuser und Brücken gebaut, um die Schritte im Schlaf zu kennen. Dafür braucht er Nerxos' Hilfe nicht. Aber er braucht das neue Wissen, um einzuschätzen, welche Größe die Kriegsgeräte haben werden, die auf der gemauerten Plattform Platz finden.
Jedoch hängen die Armlänge, das Gegengewicht und die Dimension des Holzsockels von der Reichweite ab. Wie weit müssen sie schießen? Ganz einfach: Weiter, als die Kanonen der Solgarder schießen. Er muss den Abstand ermitteln, am besten im Meer markieren. Aber wie soll er das bewerkstelligen?
"Du kennst die Antwort. Im Hafen liegt ein Kriegsschiff mit Kanonen. Ich lass es aufs offene Meer lenken, fahre an der Küste entlang und schieß auf die Donnerklippe."
Ales ist überrascht über den Klang seiner eigenen Stimme.
Er hat selbst gesprochen. In den leeren Unterrichtsraum hinein, der von Tabakqualm vernebelt ist.

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