Valleron Gadomar legte die Handschuhe ab, verstaute sie, als seien sie eine letzte Schranke zwischen ihm und seiner Pflicht. Er sprach nicht hastig, nicht schneidend. Seine Stimme war ein gleichmäßiger Stein, der in einen stillen See fällt. „Nicht zur Freude, sondern zur Reinigung“, dachte ich, und ich merkte, wie sich dieser Satz in mir festsetzte, noch bevor er ihn selbst der Menge in anderer Form gab. Ordnung, sagte er, sei Schild und Fundament. Recht und Gnade müssten einander nicht ausschließen. Als er Alec bat, den Oberkörper frei zu machen, regte sich in mir der alte Reflex, den Blick zu senken. Ich tat es nicht. Wer segnen will, darf nicht blinzeln.
Alec gehorchte, hob die Arme, ließ sich anketten. Ein lila-blauer Schatten an den Rippen, der nicht zu seinen Markierungen passte, erzählte von älteren Geschichten, die heute nicht die Bühne hatten. Er stand fest. Ich suchte sein Gesicht. Aber da war nur das Arbeiten des Atems, die eiserne Miene eines Mannes, der die Welt für einen Augenblick schmal macht, damit sie vorbeizieht, ohne ihn umzustoßen.
Ich flüsterte mein Gebet, so leise, dass es kaum die Luft veränderte. „Vater der Finsternis… reinige mein Herz, läutere meine Seele, nimm das Opfer des Herzens an, vollende mich in deinem Wort.“ Ich bat nicht für Milderung. Ich bat um Sinn.
Valleron hob die Peitsche. Ich hob das Kinn, als der erste Hieb fiel, ohne es zu wollen. Es war, als würde der Ritus mich ebenso aufrichten, wie er ihn niederdrückte. Er gab jedem Hieb einen Namen, als würde er ihn binden, damit er nicht zum Ausbruch verkommt. Erinnerung, Schutz, Abwehr, Prüfung. Bei jedem Schlag straffte sich Alecs Rücken, der Körper wich aus und kehrte sogleich zurück, als wolle er dem Schmerz weder ausweichen noch ihn einladen. Kein Schrei. Nur das Geräusch von Leder auf Haut, dann Blut, das die Ordnung kannte, austreten, rinnen, glänzen.
Valleron sprach weiter, nicht zu lang, nie taumelnd. Seine Worte gaben der Menge Halt. Nicht, um zu quälen, um zu warnen, zu schützen, zur Vernunft zu rufen. Mit dem fünften Hieb spürte ich, wie der Platz den Atem anhielt. Mit dem sechsten roch ich Eisen, schwer und dicht, als läge der Marktplatz unter einem dunklen Umhang. Reinigung, sagte Valleron, und ich nickte kaum merklich. Wenn das Wort trägt, trägt auch der Schlag.
Beim siebten und achten Hieb spritzte Blut. Ein paar Tropfen trafen Vallerons Arm, und er zuckte nicht. Glaube, sagte er, und ich dachte. "Prüfung ist nie laut." Der neunte Hieb, Erbarmen, ließ die Ketten singen. Da hob Alec den Blick, starrte nicht den Mann an, der schlug, sondern über uns hinweg in eine Ferne, die ich nicht sehen konnte. Manche nennen das Trotz. Ich nenne es Entscheidung.
„Der letzte Schlag, Hoffnung und Pflicht“, sagte Valleron. Er holte aus, gleichmäßig, ohne Rausch. Es war derselbe Bewegungsbogen wie beim ersten. Leder traf Fleisch, die Luft zog sich zusammen, und dann war es vorbei. Ein Rascheln, als die Peitsche wieder atmete. Valleron senkte sie, steckte sie fort, löste die Fesseln. „Du bist frei und von deiner Strafe erlöst.“
Alec blieb einen Herzschlag zu lange stehen, als prüfe er, ob sein Körper noch gehorchen würde. Dann griff er nach Vallerons Arm. Kein Dank, keine Pose. Ein Handschlag, in dem nichts gesucht wurde außer einem Boden, auf dem man wieder gehen kann. „Ich diene, wenn es Surom nützt“, sagte sein Blick, und Valleron erwiderte den Druck. Vielleicht war das der eigentliche Schwur.
Ich trat erst vor, als die beiden sich lösten. Der Platz roch nach Blut und Staub. Stimmen flackerten am Rand, doch der Kern war still. Ich stand. Für einen Moment war der Platz schwer, dann ruhig, wie eine Wunde, die beschlossen hat, zu schließen. Valleron wischte schweigend die Arme ab. Die Geste war schmucklos, beinahe zärtlich in ihrer Nüchternheit. Alec hob sein Oberteil, trug es über dem Arm wie etwas, das heute noch keinen Platz auf der Haut hat. Er neigte Valleron das gehörnte Haupt, und ich verneigte mich vor ihm, tief, als er an mir vorbeiging. Nicht als Zier, sondern als Anerkennung der Last, die getragen wurde.
Ehrfürchtig schritt ich auf das Podest. kniete mich nieder und nahm die kleine Flasche aus dem Gürtel. Wasser und Asche, entkorkte die Flasche und ließ die Tropfen auf die Bretter fallen, dort, wo das Rot am dunkelsten stand. Mit der flachen Hand rieb ich das Gemisch in kreisenden Bahnen, nicht um die Spuren zu tilgen, sondern um sie zu binden. „Vater der Finsternis,“ hauchte ich, „nimm das Opfer des Blutes und reinige den Ort.“
Meine Finger wurden grau und rot, als gehörten auch sie jetzt zum Blute. Ich richtete mich halb auf, legte die nasse Hand an meine Stirn und sprach klar.
„Im Blut wird das Herz gereinigt, und in der Finsternis wird es vollendet.“
Meine Arbeit war hier, bei den Brettern, die alles behalten und nichts erzählen, wenn man sie nicht darum bittet. Ich blieb noch, bis das Blut im Aschewasser matt wurde und die letzten Tropfen ihren Weg gefunden hatten. Dann drehte ich mich zum Ausgang des Platzes. Valleron hatte das Recht gesprochen, Alec hatte es angenommen, und ich hatte den Ort an den Namenlosen zurückgegeben. Das genügte für heute.
Nighean
Chronistin
Dienerin