Teil 1: Das Gewissen.
Die salzige Brise trug den Geruch von nassem und moderndem Holz über den Strand zu dem kleinen Bergungstrupp. Der Trupp bestand aus der Fürstin Marleen Lamont, der Hüterin Sorsha von Schwarzenfels, den Glaubensschwestern im Zirkel, Mariada Twinkel und Nighean, den beiden Wächtern Cristobal Sicarius und Viego, sowie dem Bürger Logan Bellamy. Sie standen dort, wo vor einigen Mondläufen die Armeda auf Grund und voll Wasser gelaufen ist. Die Flüchtlinge aus der alten Welt mussten damals das Schiff schnell verlassen, ehe es gesunken war. Nur die wichtigsten Dinge zum Überleben konnten mitgenommen werden. Die Armeda behielt viele teure und wertvolle Dinge in ihrem mit Wasser gefüllten Bauch. Unter anderem die Truhen, gefertigt von dem Meister Boromix, gefüllt mit den heiligen Schriften des Namenlosen. Diese Schriften waren mehr als bloße Dokumente einer vergessenen Ära – sie waren das Herz und die Seele ihrer Gemeinschaft, die Verbindung zu ihren Vorfahren und dem Namenlosen selbst. Die Selbstvorwürfe Nigheans, die in ihrem Geist widerhallten, waren wie ein lähmender Nebel, der jede klare Entscheidung trübte. Die Worte der Fürstin Marleen klangen in ihren Ohren nach, wie das unerbittliche Urteil einer höherrangigen Instanz. Hätte sie nur schneller gehandelt, entschlossener; hätte sie nur auf ihr Gefühl gehört, das sie gedrängt hatte, die Schriften zu bergen, bevor die Flut des Meeres sich über die Armeda ergoss. Doch nun war es zu spät, und das Wissen, das so viele Generationen gehütet hatten, lag in den dunklen Tiefen gefangen. Schwer beladen Stand Nighean etwas abseits der Gruppe. Die Fürstin hatte sie indirekt für jeden möglichen Verlust, jeden Schaden an den Schriften verantwortlich gemacht. Die anderen waren dabei, einen Plan zu schmieden, wie sie an die Kisten kommen sollten. Die Alternativen waren nicht zahlreich. Entweder tauchen oder es mit Elementarer Magie versuchen, waren die Vorschläge der Hüterin Sorsha. Die Fürstin Marleen war ihrer Meinung und bevorzugte den Einsatz der elemtaren Magie. Die Schwester Mariada Twinkel, ihres Zeichens Elemtarmagierin - bevorzugte ebenfalls diesen Plan, um indirekt ihre Hilfe anzubieten. Als erstes mussten sie auf das Deck der Armeda gelangen. Schon dies erwies sich als schwierige bis weilen, gefährliche Aufgabe. Das Schiff hatte extreme Schlagseite. Vermutlich hinderten die Felsen, die der Armeda den Bauch aufgeschlitzt hatten, das Schiff daran völlig zu kentern. Nach der kleinen Kletterpartie hatten sie nun den Bug des Schiffes erreicht. Die Luft war schwer von Spannung, als die kleine Gruppe auf dem schiefen Deck der Armeda stand. Die scharfen Winde zogen an ihren Umhängen, während die See unter ihnen grollte, als würde sie die Rückkehr derjenigen, die sie einst betrogen hatte, nicht dulden. Das Knarzen des Holzes, das unter der Last von Wasser und Zeit litt, war wie das Klagen eines gepeinigten Geistes, der keine Ruhe finden konnte. Tatsächlich hatten sie das Schiff vor ihrer Flucht aus der alten Welt, einem Blutritual unterzogen. Dem Schiff so eine Seele eingeflößt. Für Außenstehende nur sehr schwer zu verstehen. Sie blickten die Treppe hinab. Diese führte direkt in dem von Wasser gefüllten Bauch der Armeda....