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Im Verborgenen

Verfasst: 06 Jan 2025, 01:34
von Mor'dan
Die Aushänge der Säulen hingen wie unüberwindbare Urteile über den Köpfen der Bürger von Surom. Am schwarzen Brett, an dem Dekrete und Bekanntmachungen befestigt wurden, hatte sich am Abend eine kühle Stille ausgebreitet. Die letzten Händler waren verschwunden, nur die flackernden Laternen hielten einsam Wache. Die Luft roch nach Stein und Metall, durchzogen von der Bitterkeit vergangener Regenschauer.

Ein Mann trat aus den Schatten der umliegenden Gassen hervor, so leise, dass selbst die streunenden Katzen seinen Schritt nicht bemerkten. Sein langer Mantel war wie ein Teil der Nacht, seine Silhouette schlank und unscheinbar. Unter einer tief ins Gesicht gezogenen Kapuze leuchteten zwei grüne Augen. Er blieb vor dem Brett stehen, ließ seine Finger über die Kanten eines neu aufgehängten Pergaments gleiten und las lautlos die Zeilen des Dekrets. Sein Blick glitt langsam über die Liste der Feinde, die Namen der Gilden, die Bedingungen der Neutralität. Ein leises, tiefes Lachen, kaum mehr als ein Hauch, entwich seinen Lippen.

„Ad Maiorem Dei Gloriam… wie stolz sie diesen Namen tragen. Doch wie leicht ein Titel zur Bürde wird.“ Seine Stimme war leise, doch sie trug eine magische Resonanz, als wäre jedes Wort sorgfältig gewogen. Der Illusionist ließ seine Finger kurz in der Luft tanzen, ein unsichtbares Muster zeichnend. Ein schwaches Flimmern erschien vor seinen Augen, ein Nachhall von vergangenen Konflikten. Bilder von Schlachten und Intrigen, von Verbündeten und Feinden, überlagerten die Buchstaben des Dekrets, als wollte er ihre Wahrheit prüfen. Er schnaubte leise.

„Das Reich Surom… Sie verschärfen die Grenzen, definieren Feinde mit Akribie, als würde eine Liste sie sicherer machen. Doch diese Mauern, die sie ziehen, sind ebenso trügerisch wie ein gut gesetzter Schleier.“

Er trat einen Schritt zurück, betrachtete das Pergament aus der Ferne, als wäre es Teil eines größeren Puzzles. Sein Kopf neigte sich leicht zur Seite und in seinen Augen blitzte eine Mischung aus Neugier und kalkulierter Überlegenheit auf.

„Solgard… Die Säulen… Und die Neutralen. Ein Tanz aus Angst und Macht, in dem Illusion oft mehr Gewicht trägt als Realität.“

Seine Stimme war leise, aber klangvoll, getragen von einer seltsamen Melodie, die weder ganz freundlich noch feindselig wirkte. "Interessant, wen sie alles auf ihre Liste setzen."

Seine Augen glitten weiter zu den Allianzen und zu den klaren Bedingungen für Neutralität. Die Regelwerke, die Strafen – es war alles penibel genau formuliert, doch genau das ließ einen Anflug von Ironie in seinem Lächeln aufblitzen. Dann folgte ein kopfschütteln und seine Miene verhärtete sich wieder. "Alles wiederholt sich".

"So viel Kontrolle… und doch," flüsterte er und schaute in die Dunkelheit, die sich wie eine Decke über den Platz legte. Ein Moment des Schweigens folgte, ehe er weitersprach, fast wie zu sich selbst: "Das Reich Surom… unermüdlich darin, Feinde zu schaffen, wo keine sein müssten." Ein schiefes, wissendes Lächeln huschte über seine Lippen.

Der Illusionist ließ den Aushang zurück und wandte sich um. Seine Schritte waren ruhig, seine Haltung gelassen, doch in seinen Augen lag ein flackerndes Feuer – eine Freude daran, ein Spieler in einem viel größeren Spiel zu sein. Er verschwand in der Dunkelheit, so lautlos, wie er gekommen war und Erinnerungen durchfluteten seinen Geist, der die Grenzen zwischen Licht und Schatten erlebt hatte – neugierig, kritisch, und immer bereit, die Grenzen zu überschreiten und hinter die Fassade zu blicken...