Wer mit Blut säht, wird Zorn ernten ...

Rollenspielforum der Chaosstadt.
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Alec Schwarzdorn
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Wer mit Blut säht, wird Zorn ernten ...

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Schreie wecken ihn.
Alec reißt das eine Auge auf und sieht zur Zimmerdecke. Er benötigt einen Moment, um sich zu orientieren. Sein Pulsschlag dröhnt, aber die kleine Schönheit, die bei ihm liegt, schläft friedlich weiter. Sanft schiebt er sie von seiner Brust und drapiert ein Kissen als traurigen Ersatz.
Rastlos erhebt er sich aus dem warmen Bett und schlüpft in seine Kleidung.
Es ist tiefste Nacht, als er durch Surom wandert. Kein Mensch und auch kein Dunkelelf begegnet ihm auf seinem Weg in die Garnison. Das ist ihm recht, denn seine Finger zucken vor Tatendrang und Ungeduld. Er macht sich nicht die Mühe, den frisch eingerichteten Unterrichts- und Besprechungsraum zu erleuchten. Ihm reichen eine einsame Sturmlaterne und ein Kohlebecken, das fast verloschen ist. Die flache Schale missbraucht er als Aschenbecher, als er sich zu allererst einen Glimmstängel anzündet. Noch immer pocht sein Herz aufgeregt. Die ersten Züge helfen, um den Gedankennebel zu lichten und seine Gedanken zu sortieren.
Warum ist er hier?
Sobald er sich die Frage gestellt hat, suchen seine Finger bereits nach Pergament und Kohlegriffel. Er lässt die Kippe im Mundwinkel stecken und nimmt sie erst heraus, als er aufs Papier ascht. Seine Hand bewegt sich hastig und wie fremdgesteuert, zeichnet Linien und Schattierungen. Erst als er die Zeichnung abgeschlossen hat, legt er den Griffel aus der Hand und fährt sich übers Gesicht.
Träumt er? Oder ist er dem Wahnsinn doch nicht entflohen?

Alec hat aus dem Kopf heraus die Seitenansicht eines Katapults skizziert.
"Ein Trebuchet," hallt es korrigierend durch seinen Kopf.
"Was?" Mehr bringt er nicht hervor. Alec ist verwirrt und fasziniert von der Zeichnung. Seine Finger sind rußig und er erkennt deutlich seine Handschrift in der Skizze. Es wäre sinnlos abzustreiten, dass er sie nicht gefertigt hat. Trotzdem hat er sich nie in seinem Leben mit Kriegsgeräten befasst. Aber wenn er den Aufbau betrachtet, kann er das Wissen dazu abrufen. Die Kohlezeichnung zeigt den stabilen Rahmen mit Sockel, Lastarm, Gegengewicht und Armschwinge. Er kennt die Proportionen, die Maße und die Verbindungspunkte. Ohne es bewusst zu steuern, zerlegt sein Verstand das Trebuchet in seine Einzelteile und setzt es wieder zusammen.
Wie ist das möglich?
"Beim Namenlosen ..."
Hastig springt er auf und tigert durch den Raum. Er holt sich weitere Pergamente und eine Flasche Whiskey. Auf den Schock braucht er erst mal einen belebenden Schluck. Nerxos schmatzt zufrieden in seinem Kopf und befeuert seine Gedanken mit Ideen, die die Pergamente füllen. Er zeichnet voller Inbrunst und belädt den halben Tisch mit Skizzenblättern. Als er atemlos zur Ruhe kommt (und mehr Whiskey trinkt), besieht er sich das Ergebnis im flackernden Lampenschein.
Seine Finger zittern vor Tatendrang, wie er es gewohnt ist, wenn er ein Projekt plant oder eine Waffe entwirft. Aber vor ihm liegen keine Entwürfe von Rüstzeug oder Klingen, sondern von Belagerungsgeräten, Befestigungsanlagen und Geschütztürmen. Eine Gänsehaut überzieht seine Unterarme und lässt die Faerzress-Adern prickeln.

Erst jetzt erinnert er sich, was ihn geweckt hat. Schreie. Untermalt von dem Knistern von Feuer und dem Grollen der Wellen. Eine Seeschlacht? Er war nie in einer Seeschlacht und die befestigte Stadt, die durch seinen Geist spukt, ähnelt Surom nicht.
Was bedeuten würde, dass es nicht seine Gedanken sind.
"Ganzzz recht," säuselt Nerxos. "Deine Gedanken dazu langweilen mich. Sssie sssind so ssstumpf. Unausssgereift. Du hassst keinen blasssen Ssschimmer davon."
Blinzelnd wandert seine Aufmerksamkeit über das Wissen, das vor ihm liegt. Bereit, umgesetzt zu werden. Bereit, Surom zu befestigen und zu wappnen, worüber er seit Tagen und Nächten nachgrübelt. Er hat erste Pläne erstellt, Gespräche geführt und seinen Horizont erweitert. Aber die Erfahrung, die mit einem Mal greifbar ist, erschüttert ihn.
"Warum hilfst du mir?"
Nerxos lässt ihn warten. Er gibt einen weiteren schmatzenden Laut von sich, als würde er die Pause auskosten. Dann antwortet er in Alecs Kopf. Präzise. Ohne Zischeln und mit einem Grollen im Tonfall, dass es auf beängstigende Weise Alecs Stimmklang gleicht.
"Ich giere nach Schmerz und Zerstörung.
Wir beide werden die Flammen sein, die unsere Feinde spüren.
Ihre Schreie werden unsere Hymne sein.
Ihre letzten Atemzüge werden das Öl sein, um die Flammen auf ewig neu zu entfachen.
Wir bringen die Exstase der Hölle an die Oberfläche und färben den Himmel blutrot und orange."


Er hört die Worte nicht nur, er spürt sie. Sie berühren ihn auf eine Art und Weise, die ihm einen Schauer durch den Körper jagt. Ein Gefühl von Dominanz und Überlegenheit überkommt ihn. Das ist ihm wiederum bekannt.

Das ist Irrsinn. Wie soll er das irgendjemandem erklären? Ganz einfach: überhaupt nicht. Sie würden ihn für verrückt halten. Er könnte es ihnen nicht verübeln. Im Moment ist er selbst unsicher, ob er noch bei Sinnen ist.
"Sei mein Werkzeug, Mensch."

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Zuletzt geändert von Alec Schwarzdorn am 21 Jul 2025, 21:01, insgesamt 1-mal geändert.
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Alec Schwarzdorn
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Re: Wer mit Blut säht, wird Zorn ernten ...

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"Warum ssstarren wir aufsss Meer?", fragt Nerxos.
Alec seufzt. "Ich versuche zu denken. Hör auf mich abzulenken."
Murrend versucht er die Stimme auszublenden. Aber es gelingt ihm nicht. Sein einäugiger Blick ist aufs Meer gerichtet. Der Gedanke, der sich soeben Form angenommen hat, löst sich in Luft auf.
"Warum denken wir in letzter Zeit ssso viel? Warum bissst du nicht zwischen den Porzellanssschenkeln der süßen Schwarzhaa-"
"Verdammt, lass mich denken."
"Deine Gedankenssschleife issst langweilig."
"Dann hilf mir."
Ein Geistesblitz durchzuckt ihn. Alec blinzelt gegen die Flut an Bildern und Ideen an, die ihm in den Kopf schießen. Die Masse an Wissen und Einsichten ist erdrückend, raubt ihm den Atem, lässt seinen Schädel pochen.
Zu viel.
"Verdammt. Halt. Hör auf!"
"Hör du auf, dich dagegen zu sträuben. Dein Verstand kann so viel mehr aufnehmen als das."
Da ist sie wieder, die drängende Schärfe in der Stimme. So präzise wie eine frisch geschärfte Klinge, die durch Fleisch schneidet. Sein Fleisch. Alec muss sich am Geländer festklammern, um nicht einzuknicken. Der fremde Einfluss ist kraftzehrend. Dabei weiß er längst, dass er die Barriere selbst erschaffen hat.
Aus Schutz. Wovor?
Nerxos ist verbannt. Nein, nicht verbannt, er wurde mit ihm vermischt. Streng genommen hat Alec keine Stimme mehr im Kopf. Allerdings ist es seine Methode, um mit der Menge an Wissen umzugehen, das ihm plötzlich zur Verfügung steht. Besser eine Stimme im Kopf als dem Wahnsinn nah. Denn so fühlt er sich zeitweise: nicht Herr seiner eigenen Gedanken.
Nerxos Essenz füttert ihm mit weit mehr als nur Ideen und Anweisungen. Das Wissen ist mit Bildern verknüpft, Szenen, Erfahrungen, die über Jahre hinweg gesammelt wurden. Alec hat eine ganze Bibliothek vor sich. Bloß ohne Inhaltsangabe. Er weiß nicht, wo er suchen muss.
Bisher diente ihm Ungeduld als Zunder. Wenn er sich zu lange an einem Gedanken festbeißt, erfasst ihn Frust, der sich in Zorn wandelt. Die damit einhergehende lodernde Glut schärft seinen Fokus.
Alec richtet sich knurrend zu voller Größe auf und zieht die Schulterblätter zusammen.
"Na, also. Lass uns endlich anfangen."

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Kurz danach sitzt Alec in der Garnison. Fern vom Sonnenlicht, das seine Haut jucken lässt und ihn blendet. Obwohl er seinen Lebtag im Tageslicht und in der prallen Sonne gearbeitet hat, muss er sich jetzt umgewöhnen.
Ein Kribbeln lässt seine Finger zucken. Alec kann den Druck seines eigenen Blutes in seinen Venen erahnen. Besonders die ungleichmäßigen Adern, die die Farzress hinterlassen hat, pulsieren. Sein Puls beschleunigt sich und er kramt hastig nach einem Glimmstängel. Der erste tiefe Zug beruhigt ihn.
Qualmend breitet er die Pergamente auf dem Tisch aus. Zeichnungen, Pläne und Skizzen. Daneben eine Karte der Küstenlinie von Surom. Alec hat den Säulen einen Bericht zum Vorhaben geschickt. Er wird das nächste halbe Jahr in das Projekt stecken.
Wenn das denn ausreicht.
Der Papierberg enthält Cataleyas Genehmigung zur Umsetzung seines Vorhabens.
"Warum brauchen wir eine Genehmigung, um eine Stadt zu schützen?"
"Weil es hier Hierarchien gibt."
"Langweilig. Warum strebst du nicht selbst nach der Macht, um ungehindert wirken zu können?"
Alec presst die Lippen aufeinander. "Geduld."

Seine Fingerspitzen streichen über die gezeichnete Küste südöstlich von Surom. Wenn die Solgarder über das Meer kommen, dann müssen sie diese Stelle passieren. Donnerklippe. So nennt er sie.
Alec sieht die Befestigung längst vor sich. Sein Augenmaß ist hervorragend, selbst mit reduzierter Tiefenschärfe. Er hat genug Mauern, Häuser und Brücken gebaut, um die Schritte im Schlaf zu kennen. Dafür braucht er Nerxos' Hilfe nicht. Aber er braucht das neue Wissen, um einzuschätzen, welche Größe die Kriegsgeräte haben werden, die auf der gemauerten Plattform Platz finden.
Jedoch hängen die Armlänge, das Gegengewicht und die Dimension des Holzsockels von der Reichweite ab. Wie weit müssen sie schießen? Ganz einfach: Weiter, als die Kanonen der Solgarder schießen. Er muss den Abstand ermitteln, am besten im Meer markieren. Aber wie soll er das bewerkstelligen?
"Du kennst die Antwort. Im Hafen liegt ein Kriegsschiff mit Kanonen. Ich lass es aufs offene Meer lenken, fahre an der Küste entlang und schieß auf die Donnerklippe."
Ales ist überrascht über den Klang seiner eigenen Stimme.
Er hat selbst gesprochen. In den leeren Unterrichtsraum hinein, der von Tabakqualm vernebelt ist.

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Alec Schwarzdorn
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Re: Wer mit Blut säht, wird Zorn ernten ...

Beitrag von Alec Schwarzdorn »

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Es ist kurz nach Mitternacht und Suroms Straßen sind ruhig. Das Pflaster kühlt nach einem heißen Sommertag ab und die Fenster der Häuser stehen offen. Vorhänge wehen im Wind wie die Kutten von Geistern. Es riecht nach dem Versprechen von Regen, das nicht eingehalten wurde.
Alec begegnet auf seinem Weg in die Schmiede, nur einer vermummten Gestalt mit tiefen Augenringen, die nicht einmal die Kapuze verbergen können, die der Mann tief ins Gesicht gezogen hat.

Der warme Schein von Laternen und Schmiedefeuer verrät, dass in der Schmiede Betrieb ist. Er hat zwei Tagelöhner herbestellt und ihnen mehr Groschen als sonst versprochen. Obwohl er ihre Gesichter kennt, kann er sich beim besten Willen nicht an ihre Namen erinnern. Hatten sie ihm beim Straßenbau geholfen oder dem Badehaus? Alec wollte zwei zuverlässige Männer, doch nach einem Blick in ihre Gesichter stellt er seine Wahl infrage. Hubert – so heißt der sehnige ältere Mann – starrt Alec mit schockgeweiteten Augen an.
"M-meister Schwarzdorn!" Hubert schnappt nach Luft. "Was ist denn mit euch geschehen?"
"Was meinst du?", brummt Alec überflüssigerweise, denn Huberts Zeigefinger deutet deutlich zu seinen Hörnern. Er hat es satt, dass man ihn deswegen anstarrt.
Huberts runzeliger Mund klappt auf und zu wie bei einem Fisch auf dem Trockenen.
"Ihr seid zum Arbeiten hier, nich' zum Starren."
Der zweite Arbeiter mustert ihn zurückhaltend. Das braun gebrannte Gesicht mit den Sommersprossen kommt Alec ebenfalls bekannt vor. Der Mann ist deutlich jünger als Hubert.
"Meister Schwarzdorn, ich heiße Vincent. Es ist mir eine Freude mit euch–"
Der Hüne fährt Vincent ins Wort. "Alec reicht. Ich bin niemand besonderes. Lasst uns anfangen."

Zuerst verschafft er sich einen Überblick. Hubert und Vincent haben reichlich Kohlen in die Esse geschlichtet und angeheizt. Mehrere Säcke mit Eisen stehen bereit. Sie werden einiges an Material brauchen.
Alec spürt weitere Blicke auf sich, als er das Hemd auszieht und zur Seite legt. Hastig bindet er die Haare zu einem zweckmäßigen Zopf und zieht den Schmiedehammer vom breiten Werkzeuggürtel.
"Wir fertigen mehrere Anker und Ankerketten. Habt ihr Fragen dazu?"
Hubert schüttelt den Kopf und geht an die Arbeit, während Vincent unsicher auf der Unterlippe kaut. Alecs Miene wird nachsichtig, er winkt den jungen Arbeiter an seine Seite und erklärt ihm die Arbeitsschritte, während er sie selbst durchführt. Gemeinsam erhitzen sie Eisen, bis es formbar wird, schlagen es mit reiner Muskelkraft in die Länge und biegen das Material an einem Dorn zu einzelnen Kettengliedern.
Mit den vorbeiziehenden Stunden steigt die Wärme in der Schmiede, Wasserdampf erfüllt die Luft und die Körper der drei körperlich arbeitenden Männer sind mit Ruß und Schweiß verziert.
Alec ist zu sehr in seine Arbeit vertieft, um sich an der Neugierde zu stören, die greifbar in der Luft liegt. Durch die Hitze treten seine Adern deutlicher unter der Haut hervor, sowohl die menschlichen als auch jene, die der Kontakt mit dem Feenfeuer geschaffen hat. Das spärliche Licht lässt die Unebenheiten zartlila schimmern. Doch im Gegensatz zu der Wärme des Tageslichts, das auf seiner Haut sticht und manchmal brennt, ist der nächtliche Dunst eine Wohltat.
Wie es aussieht, muss er zu einer Nachteule werden.
Was sich unter einem Dach noch als Möglichkeit bietet, wird unter freiem Himmel schwieriger. Aber nicht unmöglich. Ihm wird nichts anderes übrig bleiben, als mit Laternen zu arbeiten, um die Baustellen im Freien zu erleuchten, den rauen Wind im Nacken. So kann man seinen Sommer auch verbringen.
Heute noch nicht ...
Sein Verstand springt wie von selbst zur nächsten Aufgabe, während die derzeitige Arbeit noch nicht erledigt ist. Eins nach dem anderen. Zuerst müssen die Kettenglieder aneinandergereiht werden und der Schaft des Ankers mit dem Arm verbunden werden. Er braucht beides, um die ausgehöhlten Baumstämme als Markierung im Meer zu versenken. Alles weitere hängt von den Parametern ab, die sie am Donnerstag in Erfahrung bringen, wenn das Kriegsschiff aufs Meer segelt.

Die erste Nacht vergeht. Als Alec in der zweiten Nacht mit einem Glimmstängel zwischen den Lippen am Fenster steht und Hubert und Vincent beobachtet, runzelt er die Stirn. Die beiden Männer arbeiten inmitten von Rauch, Funken und Zischen. Die Glut der Esse wird von ihren verschwitzen Körper reflektiert. Die Atmosphäre ist fast schon ... höllisch.
"Sssag doch gleich teuflisssch. Wobei ich dich an diessser Ssstelle auf den Unterssschied zwissschen Teufeln und Dämonen hinweisssen sollt–"
Alec verbietet Nerxos in seinem Kopf das Wort. Der Dämon kichert nur schräg und zeigt ihm eine andere Perspektive. Alec, wie er in der Schmiede steht in einer Mischung aus kaltem Violett und feurigem Rot-orange.
"Ob die Sssolgarder denken, dass Sssurom ssschon Dämonen bemüht, um ihre Ssstadt zu verteidigen?"

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Alec Schwarzdorn
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Re: Wer mit Blut säht, wird Zorn ernten ...

Beitrag von Alec Schwarzdorn »

Wie viele Männer braucht man, um eine Kanone abzufeuern? Das kommt wohl drauf an. Eigentlich braucht es dafür nur einen Kanonier … und vielleicht einen Helfer, der das Rohr mit Schwarzpulver stopft und eine Kanonenkugel einlegt.
Außer die Kanone steht an Deck eines Kriegsschiffes, das sich zu allem Überfluss während des Schussversuchs bewegt. In dem Fall benötigt man eine ganze Besatzung, am besten unverständlich brüllende Nordmänner, die auf See ihre zweite Heimat gefunden haben. Das Donnern der Kanone erleichtert die Verständigung nicht gerade.
Jemand muss über den Lärm hinweg übersetzen, vermitteln und zugleich sicherstellen, dass alles mit rechten Dingen zugeht und keine Sach- oder Personenschäden entstehen. Zum Glück hat Surom die Schwarze Garde!
In Windeseile wurde aus einem Kanonenschuss auf die Donnerklippe - spätestens nach dem Abend hatte sich das Felsmassiv den Namen verdient - eine Großveranstaltung. Auf der Ameda tummelten sich Leute und zwischen Schaulustigen, Besserwissern, Würdenträgern, Barbaren und Soldaten versuchte Arthur Lakont sein Bestes, um einen präzisen Schuss hinzubekommen.
Als er schließlich die Klippe traf, jubelte die zusammengewürfelte Besatzung.
Auch an Alec ging die Begeisterung nicht spurlos vorbei. Ihm gefiel, was er auf die Beine gestellt hatte. Außerdem reicht ein Blick in Sorshas Gesicht, um zu wissen, wozu er all die Mühe auf sich nimmt. Natürlich nur um Surom zu schützen. Es kommt ihm recht gelegen, dass die schwarzhaarige Schönheit ein fester Bestandteil des Reiches ist. In dem kurzen Moment, als sie gemeinsam an der Reling standen und Zeugen des erfolgreichen Schusses wurden, durchströmte ihn Stolz.
Und auch Sorsha war zufrieden mit ihm …
“Du ssschweifsssst ab.”
Alec verdreht die Augen und muss danach hastig blinzeln. Seine Augen brennen wegen des kalten Tabakqualms, der die Garnison mal wieder in Nebel hüllt. Trotzdem - oder gerade deswegen - zündet er sich das nächste Röllchen an. Die Zeit ist verflogen und in der Ferne kündigt die Tempelglocke die zweite Stunde nach Mitternacht an. Er sollte nach Hause und sich ausruhen, aber zuerst muss er den Bericht fertig schreiben.
Natürlich will die Fürstin einen Bericht von ihm. Es überrascht ihn nicht im Geringsten, denn sie macht keinen Hehl daraus, dass sie an seiner Tauglichkeit zweifelt. Sonst wäre er längst Kommandant. Bei dem Gedanken stößt er ein Knurren aus. Er weiß, was er für das Reich tut, wie sehr er sich den Arsch aufreißt. Marleen kann das unmöglich übersehen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass sie ihn besonders streng auf die Probe stellt. Als hätte er so nicht genug Baustellen!
Der Schuss, die Kanonen … Seine Ohren klingeln noch, wenn er daran denkt. Beeindruckend, was etwas Stahl, Schwarzpulver und Feuer bewirken konnte. Die kleine Ausfahrt mit der Ameda brachte einige Teilerfolge mit sich, aber nichts, was ihm am Ende des Tages wirklich weiterhilft.
“Ssso gierig. Wasss brauchssst du mehr als knallende Rohre, begeisssterte Rufe, brüllende Barbaren und das dankbare Ssseufzen deiner kleinen köstlichen-”
“Du hast recht.”
“Habe ich dasss?” Nerxos klingt verwundert.
“Ich suche nach einer maßgeschneiderten Lösung. Aber vielleicht gibt es die nicht”, spricht Alec in den leeren, verqualmten Raum hinein. “Vielleicht sollten wir einfach damit arbeiten, was wir haben. Und uns damit zufriedengeben.”
“Wir können immer noch nachjussstieren …”
Alec nickt zu sich. Er kann sich noch gut an die hitzige Mischung aus Frust und Wut erinnern, die in ihm aufgestiegen ist, als er das erste Mal mit Arthur Lakont sprach. Der erfahrene Kanonier kennt sich mit Schiffen und Kanonen so gut aus wie mit Rum und Huren. Er ist ein echter Gewinn - genauso wie Aanatus, obwohl Alec das niemals laut zugeben würde - und Alec wird sich bemühen, ihn bei Laune zu halten. Doch es zeigte sich sehr schnell, dass Alecs Vorstellungen nicht realistisch waren. Es gibt keine Möglichkeit, um zu ermitteln, wie weit die Solgarder mit ihren Kanonen schießen können. Selbst die Schüsse von der Amada waren nur mit Schwarzpulver und ohne Magie abgefeuert worden. Die Annahme, einen Punkt im Meer ermitteln zu können, ab dem der Feind gefährlich werden würde, um die Abwehr Suroms darauf auszurichten, hatte etwas Befriedigendes. Bedauerlicherweise ist eine solche Schätzung unmöglich. Genauso gut könnte Alec würfeln und den Wurf voraussagen. Jedoch ist noch nichts gebaut, keine Ressourcen wurden verschwendet und wie Nerxos sagt, kann er nachjustieren und sich an die neuen Erkenntnisse anpassen.
Und das wird er.
Am Schluss wird er das Vorhaben aus verschiedensten Perspektiven betrachtet haben. Er wird die Vor- und Nachteile jeder Strategie abwägen, die ihm in den Sinn kommt. Er wird seinen erweiterten Geist nach Ideen und Alternativen durchkämmen.
Denn er spürt mit jeder Faser seines Seins, dass er das Richtige tut.


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Alec Schwarzdorn
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Re: Wer mit Blut säht, wird Zorn ernten ...

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Der Wind pfeift ihm um die Ohren. Alec muss innehalten und zum gefühlten hundertsten Mal seinen Zopf neu binden. Wann hat er zuletzt an so einer ungnädigen Stelle gearbeitet? Er kann sich nicht erinnern. Wahrscheinlich ist er vom Bau des Badehauses hoffnungslos verwöhnt: Die warme Brise von der Vulkanebene und das geschützte Landesinnere waren eine Wohltat. Jetzt kauert er an der Donnerklippe, durchnässt von Gischtwasser.
"Wie wäre esss mit einem Glimmssstängel?", schlägt Naxos vor, dabei weiß der Dämon in Alecs Kopf, dass der Tabak unter den Witterungsbedingungen nicht lange brennt. Nur interessiert das die Sucht nicht, die seine Finger zittern lassen. Dabei ist es nicht einmal sein eigenes Laster, das ihn quält.
Dennoch legt er das Werkzeug aus der Hand. Er rutscht mit den Stiefeln über die aalglatte Oberfläche des Felsens, den er freigelegt hat. Bisher hat er mit dem Rücken zum tosenden Meer gearbeitet, in seine Arbeit vertieft und ohne Blick für den Fortschritt. Das Ergebnis ist ernüchternd.
Fluchend kramt er das Etui mit den Glimmstängeln hervor, versucht murrend den Tabak zu entzünden. Als er scheitert, wirft er das Röllchen ins Meer. Zorn brandet in ihm hoch wie die Wellen, die gegen die Klippen unter ihm schlagen.
Ganz ruhig.
Er wusste, dass es kein einfaches Unterfangen ist. Allerdings hat er nicht damit gerechnet, dass ihm das Wetter einen Strich durch die Rechnung macht. Es ist verdammt noch mal Hochsommer! Ihm sollte tagsüber die Sonne auf den Buckel scheinen - angenommen, er würde bei Tageslicht arbeiten - und nachts ein laues Windchen um die Nase wehen. Stattdessen grollt der Himmel passend zu dem Knurren, das aus Alecs Kehle dringt und kündigt Blitze an, die den Nachthimmel erleuchten.
Eine glitschige Steilklippe ist kein guter Ort, um ein Gewitter abzuwarten.
Aber das gleißende Licht und der darauffolgende Knall, als ein zorniger Riss das Firmament teilt, gibt ihm einen Geistesblitz: Noch wuseln keine Arbeiter um ihn herum. Noch ist er der einzige Kerl, der ein sicherndes Seil um die Hüften trägt. Noch kann er leichtsinnigen Ideen nachgehen und den Lärm hinter Donnergrollen verschleiern.

Auf dem Weg zur Bankstube begegnet ihm niemand, kein Wunder, denn es ist mitten in der Nacht. Clay mustert ihn verwundert, als Alec tropfnass und mit einem vorfreudigen Grinsen am Schalter steht. Er bricht auf, bevor die Pfütze zu seinen Füßen zu groß wird und stiefelt mit schmatzenden Schritten zurück zur Donnerklippe.
"Kein dummer Spruch, dass ich wahnsinnig sei?", provoziert er seinen inneren Dämon.
"Dasss weiß ich längssst."
Alec zuckt mit den Schultern. Den Rückweg zur Donnerklippe verbringt er schweigend, obwohl seine Gedanken nie verstummen. Er spielt die einzelnen Schritte geistig durch, bevor er zur Tat schreitet. Hastig bindet er sich das Seil wieder um. Der Sturm ist allgegenwärtig und Blitze erhellen den Nachthimmel. Zuerst prüft er den Sitz des Hanfseils am Metallgeländer, bevor er darüber klettert.
Alec wählt drei Stellen im Stein aus, in die er mit der Spitzhacke und Muskelkraft Löcher schlägt. Nasses Gestein springt in alle Himmelsrichtungen, aber zumindest bleibt ihm bei dem Wetter der Staub erspart. Der zehrende, gierige Wind kommt mittlerweile aus Osten. Wie passend. Ob Leviathan es zu schätzen weiß, wenn er vor dem Erschaffen etwas zerstört?
Der Gedanke ist so einfach wie effektiv: Warum stundenlang Gestein abtragen, wenn er ihn wegsprengen kann?
Alec lässt Fläschchen in die Löcher im Fels sinken. Vorher pult er die Wachssiegel ab und zieht die Korken, um eine ölige Kordel in die Flüssigkeit zu schieben. Die Lunte und der explosive Inhalt werden den Rest übernehmen. Allerdings will er kein Material verschwenden. Der Kalkstein der Klippe eignet sich hervorragend für den anschließenden Mauerbau. Deshalb hat er die Stellen so gewählt, dass sie in Richtung Land zeigen und nicht zum Meer. Eine Gerölllawine, die ins Wasser abgeht, hilft ihm wenig.
"Schade, dass wir keine Zuschauer haben", murmelt Alec, als er sich von der Klippe rettet und in Deckung geht.
"Nur wir zzzwei. Hassst du mal Feuer?"
Kurzentschlossen greift er sich eine Laterne und zündet mit der Kerze die Lunte. Knisternd beginnt der Hanf zu brennen. Alec wartet nicht ab, sondern feuert direkt alle drei Zündschnuren an. Eilig tritt er ein paar Schritte zurück, obwohl die träge züngelnden Flämmchen Geduld fordern.
Exakt in dem Moment, als der erste Explosionstrank losgeht, stößt der Himmel ein Donnergrollen aus, dass ihm durch Mark und Bein geht. Nerxos kichert begeistert wie ein kleines Kind, während Alec lediglich die Augenbrauen hochzieht. Ein Ruck geht durch den Felsen, Gesteinsbrocken und Kies rieseln auf die nass glänzende Klippe. Zwar haben die Tränke nicht die Durchschlagskraft einer Kanone, aber das Ergebnis ist trotzdem eindrucksvoll.
Regenwasser tropft ihm von den Augenbrauen und der Nase. Er blinzelt gegen den Regenguss an und beobachtet das Spektakel. Das Donnern von zwei weiteren Explosionstränken vermischt sich mit dem Sturm. Zurück bleibt nur Gestein, bereit wiederverwendet zu werden und der Geruch von Schwefel.
Alec grinst triumphierend, während Nerxos ein Wort zischt. "Meeeehr."

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