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Ein Bote wird Nighean aufsuchen

Verfasst: 20 Jun 2025, 21:04
von Cataleya
*....und Ihr Persönlich in Demut ein Schreiben aushändigen.*

An Nighean 2025-06-20 .png


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Tag 20 im sechsten Mond des ersten Jahr

An die ehrwürdige Nighean,
Maga des Nordwindes,
Lehrmeisterin in dunkler Gnade, meine Mlfoniso,
mit Blut, das in Schlaflosigkeit getränkt ist, und Worten, die vom Schatten getragen wurden,
wende ich mich an Euch als Yolufo, deren Feder zu schwer und deren Gedanken zu laut geworden sind, um sie noch für sich zu behalten.
Die Tage verfließen in Versen. Die Nächte werden von Stimmen durchdrungen.
Und ich erkenne, dass Ich bin an einem Punkt gelangt bin,
an dem ich allein nicht weiterzugehen vermag, ohne den Blick und das Wort jener, die mich einst gelehrt haben, das Dunkel zu deuten. Euch.
So ersuche ich demütig um Eure Zeit, für ein Gespräch, ein stilles Deuten,
ein gemeinsames Atmen zwischen den Zeilen. Ich habe geschrieben,
viel geschrieben. Psalme, Predigten, Schattenverse. Worte, die nicht nur aus mir kommen, sondern durch mich.

Wenn es in Eurem Ermessen steht, so lasst mich wissen, wann und wo.
Ich bringe keine Forderung, nur ein tiefes Bedürfnis. Um Rat, um Prüfung, um Bestätigung oder auch um das, was ich am meisten fürchte Zweifel.

Möge der Nordwind Euch leiten.

In Treue, in Pflicht, in tiefster Verbundenheit,
Admo uh rucho dlo-ischmo lá-loho,
Templerin des Entfesselten, treue Dienerin Lillith
Führerin des Glaubens der Totenwacht
Cataleya Rho'en

Re: Ein Bote wird Nighean aufsuchen

Verfasst: 20 Jun 2025, 21:50
von Nighean
Der Brief Cataleyas traf in den späten Stunden eines dunklen Tages ein, überbracht von einem jungen Asketen, der ihn mit gesenktem Blick und zitternden Händen übergab. Nighean hatte sich zu dieser Stunde in die oberen Räume des Archivs zurückgezogen, wo nur das Knacken des alten Holzes und das leise Rascheln der Seiten ihre Einsamkeit begleiteten.

Sie erkannte Cataleyas Handschrift sofort. Diese kratzige, aufrecht gehende Feder, getränkt mit zu vielen Stunden ohne Schlaf, mit Gedanken, die zwischen den Zeilen brannten. Als sie las, legte sich ein feines Zittern auf ihre Finger, nicht aus Furcht, sondern aus jener seltenen Regung, wenn sich Vergangenheit und Gegenwart in einer einzelnen Stimme vereinen.
 
Nighean las langsam. Zweimal. Ein drittes Mal.
Dann stand sie auf, holte eine frische Pergamentrolle, tauchte ihre Feder in die dunkle Tinte, ein Gemisch aus Ruß, altem Wein und einem Tropfen ihres eigenen Bluts, und begann zu schreiben. Ihre Worte waren klar, behutsam, wie das Ziehen eines Kreises im Sand.
An Cataleya Rho'en,
Templerin des Entfesselten,
treue Dienerin Lillith,
Führerin des Glaubens der Totenwacht,

 
Deine Worte haben mich erreicht wie das heimliche Murmeln vergessener Psalme im Staub alter Hallen, getragen von jener Art Schatten, die nicht schrecken, sondern erinnern.

Dass Du mich als Mlfoniso rufst, ist mir Ehre und Mahnung zugleich. Denn was durch Dich spricht, ist kein bloßes Echo vergangener Lehren, sondern eine Stimme, die sich selbst in der Tiefe geformt hat.
 
Du suchst nicht Führung, sondern Begegnung. Nicht Antwort, sondern das stille Erkennen im geteilten Dunkel. Das will ich Dir nicht verwehren.

Komm zu mir. Bring das, was durch Dich kam, Psalme, Zweifel, Schattenverse, und wir werden gemeinsam atmen zwischen den Zeilen, lauschen, was gesprochen werden will, und schweigen, wo es das braucht.

Finde mich ~ im Tempel, dort, wo die Vier Winde flüstern.
Begegne mich ~ Am ersten Abend des neuen Wochenlaufs, wenn die Sonne sich neigt und das Licht vergeht.


Möge der Südwind Dich auf ihre Schwingen tragen.

In Verbundenheit, in Achtung, im Dienste des EINEN,
Admo uh rucho dlo-ischmo lá-loho,


Nighean
Maga des Nordwindes,
Dienerin des Namenlosen,

Treue und Unterwerfung dem EINEN.

Als sie das Schreiben vollendet und mit dem Zeichen des Zirkels versiegelt hatte, ein filigraner Kreis aus gebrochener Linie und vier Windpfeilen, rief sie nach jenem, der als „Stille Stimme“ bekannt war.

Der alte Mönch des Namenlosen erschien lautlos in der Schwelle des Raumes. Er war hager, aber aufrecht, sein kahler Schädel von Runen überzogen, die sich bis hinab zu den Handrücken zogen. Seine Augen blickten ruhig, wach, wie aus einer anderen Zeit. Wo seine Zunge einst gewesen war, war nun nur eine wulstige, verheilte Leere, dass Opfer seiner ersten Treue.
 
Nighean reichte ihm das Schreiben mit beiden Händen. Kein Wort wurde gewechselt. Doch der alte Mönch neigte den Kopf, presste das Siegel der Rolle leicht an seine Stirn, ein Zeichen des Schweigens, des Verstehens, der Annahme.
 
Dann wandte er sich um und verließ die Halle, lautlos wie ein Gedanke, den man nicht mehr greifen kann.

 
Er würde Cataleya finden, wie er alles findet.
Und sie würde Nigheans Antwort in den Händen halten, ehe der erste Abend des neuen Wochenlaufs sich senkte.

Re: Ein Bote wird Nighean aufsuchen

Verfasst: 28 Jun 2025, 20:02
von Cataleya
Der Raum ist still, nur der ferne Ruf eines einsamen Windhauchs streift durch die alten Mauern.
Die Kerzen brennen flackernd rußig, als spürten sie, dass etwas in der Luft liegt.
Cataleya sitzt am Schreibtisch, auf dessen dunklem Holz sich bereits Spuren vergangener Nächte eingraviert haben.
Kerben von Nägeln, getrocknete Tropfen der Tinte, die sie niemals wie gewöhnliche Tinte nennen würde.

Sie greift nach dem kleinen, Gefäß. Es enthält ihre eigene Mischung. Vulkanasche,
gesammelt nahe der Risse zu Tieferen, vermengt mit dem Blut von Dämonen.
Die Mischung glänzt in mattem Rot, schwärzlich an den Rändern.

Mit Bedacht taucht sie die Feder hinein. Ein leiser Zischlaut erklingt. Und dann schreibt sie, langsam, als würde jedes Wort von ihrer Seele abgerissen.

Als sie fertig ist, die Mischung getrocknet rollt sie es behutsam und versiegelt es mit dem Wachssiegel der Totenwacht.

2025-06-28 an Nighean.png

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Tag 28 im sechsten Mond des ersten Jahr
An meine ehrwürdige Mlfoniso Nighean
Maga des Nordwinds, Wahrerin alter Weisheit

Geehrte Mlfoniso Nighean,
in Demut und tiefer Verbundenheit wende ich mich an Euch.
Die Tage sind erfüllt von Zeichen, die geschrieben und empfangen wurden, von Stimmen, die nicht schweigen,
und von Gedanken, die in mir kreisen wie der kalte Hauch des Nordwinds selbst.
Mein Geist ruht nicht, und meine Feder fand viele Seiten. Doch trotz all der Worte bleibt eine Leere.
Ihr wart es, die mir den Blick über das Sichtbare hinaus eröffnete, und in dieser Stunde sehne ich mich nach Eurem Auge,
Eurem Urteil, Eurer Stimme, die durch all das Rauschen hindurch Klarheit schenkt.
So bitte ich Euch, ohne Hast, mit Aufrichtigkeit. Kommt, wenn Eure Zeit es erlaubt, zu mir.
Nicht als Lehrende allein.
Ich habe Vieles zu teilen. Einige Fragen zu stellen.
Und vielleicht eine Antwort zu finden, die mir selbst noch verborgen ist.
Gepriesen sei der Eine.
Geachtet seien die Vier.
Astarot sei mit euch Herr der Einsicht, Wahrer des Nordwinds,
Hüter der letzten Wahrheit.

in Dankbarkeit und unter Seinem Blick.

Admo uh rucho dlo-ischmo lá-loho,
Templerin des Entfesselten, treue Dienerin Lillith
Führerin des Glaubens der Totenwacht Cataleya Rho'en

Der Bote tritt ein, nachdem er bereits einige Schreiben heute getragen hat.
Jung, doch bereits mehrfach geprüft, einer jener schweigsamen Schattenläufer, denen sie vertraut.
Er hält den Blick gesenkt, doch seine Haltung ist gespannt, aufmerksam.

Cataleya steht auf, geht langsam zu ihm und legt ihm das Schreiben selbst in die Hände.

Ein knappes nicken in diesem Falle genügt und der Junge weiß zu wem er das Schreiben zu tragen hat.

Re: Ein Bote wird Nighean aufsuchen

Verfasst: 30 Jun 2025, 15:32
von Nighean
Als die Worte Cataleyas sie erreichen, sitzt Nighean im inneren Archiv des Zirkels. Der Brief liegt auf dem Tisch, das Siegel noch warm vom Griff des Boten. Es ist der stumme Mönch aus dem Kloster, der ihn gebracht hat. Einer der wenigen, die sich zwischen den Orden bewegen und Nighean besonders zugetan scheint, lautlos wie Gedanken.

Nighean liest, schweigt. Ihre Finger ruhen auf dem feinen Pergament, dann, mit einem Atemzug, erhebt sie sich. Die Feder in ihrer Hand zögert nicht. Sie schreibt mit der Klarheit jener, die das Ende schon kennen, bevor der erste Satz begonnen ist.
An Cataleya Rho'en,
Templerin des Entfesselten,
Dienerin Liliths, Führerin der Totenwacht

Barchmon Yolufo,

eure Worte trafen mich zur Abenddämmerung wie das ferne Läuten der alten Glocke in der Windkammer von Surom. Sie kamen mit dem Hauch des Nordens, still und kühl, und ließen mir kaum Ruhe, bis ich antwortete. Es war, als hätten sie mich längst erwartet, verborgen im Gewebe meiner Gedanken.

Euer Ruf ist kein leises Wispern. Er trägt Gewicht, und ich vernehme ihn.

So will ich kommen.

Am ersten Tag des siebten Mondes,
zur Abendstunde,
wenn die Turmuhr achtmal schlägt,
werdet Ihr mich im Tempel finden.

Nicht als Lehrende allein, so wie Ihr es wünscht, sondern als jene, die auch sucht. Vielleicht werden wir beide hören, was lange verschwiegen war. Vielleicht werden wir schweigen, wo einst Worte zu viel waren. Ich bringe Euch meine Stimme, wie Ihr mir die Eure geschenkt habt.

Im Schatten der Erinnerung und unter dem Zeichen des Nordwinds.

Mlfoniso Nighean,
Maga des Nordwinds,
Dienerin des Namenlosen.

Als sie fertig ist, faltet sie die Nachricht sorgsam, versiegelt sie mit dem Zeichen des Zirkels, und reicht sie dem stummen Mönch. Ihre Augen begegnen den seinen, keine Worte. Nur ein Nicken, fast unmerklich. Der Mönch verneigt sich, nimmt das Schreiben entgegen und verschwindet so lautlos, wie er gekommen war.

Der Nordwind hebt sich ein wenig, als wolle Astarot selbst bestätigen.