Die Sonne neigte sich bereits dem Horizont, als sich der Himmel über Surom purpurn färbte. Das Licht der Abenddämmerung spiegelte sich auf den Metallbarren wider, die noch vor der Bank sorgfältig aufgereiht lagen, wartend, um in eine der Taschen der Pferde verstaut zu werden. Valleron stand still daneben, die Arme vor der Brust verschränkt, den Blick auf die beladenen Pferde gerichtet.
Es war ein stiller Moment – der Beginn einer Reise, die friedlich hätte verlaufen können, doch das Schicksal meinte es anders.
Die Gruppe war klein, doch entschlossen:
Valleron, der die Führung innehatte,
Cataleya an seiner Seite,
Aleya, die sich um die Pferde kümmerte und drei Barbaren –
Rashka, ihr Stammesführer,
Haldron der Schamane und
Ragnar,
ein schweigsamer, kräftiger, noch junger Schamane.
Fünf Packpferde standen vor Suroms Bank in Reih und Glied.
Aleya, deren Besitz sie waren, ging schweigend von Tier zu Tier, prüfte die Gurte, legte noch einmal Hand an das Leinen, die Holzplanken, Barren, Nägel und Seile,
die sie alle gemeinsam auf die Rücken verteilt hatten. Ein leises Murmeln ertönte neben ihr –
Haldron, der Schamane des Barbarenstammes, schritt barfuß über den Platz.
Er zeichnete mit Asche Runen auf die Stirn der Tiere, murmelte in einer fremden, alten Sprache. Ein warmer, fast grüner Schimmer legte sich auf die Pferde, als der Segen vollendet war.
Mit dem ersten Klingen der Nachtinsekten setzte sich der Tross in Bewegung. Die Straßen waren leer, die Luft kühl, nur das Schnauben der Tiere und das leise Klirren der Ausrüstung begleitete sie.
„Wir bleiben auf dem Landweg“, hatte Valleron entschieden. „Lieber sehe ich den Feind, der Gefahr, direkt in die Augen, als dass es uns aus dem Nebel oder den Tiefen des Meeres überrascht.“
So verließen sie Surom, während die Glocken des Abends leise über die Mauern klangen. Die Pferde gingen ruhig, der Marsch verlief diszipliniert.
Und so führte Valleron sie durch den tiefen Wald Suroms, hinein in das unwegsame Gebiet nahe der zerstörten Drachenbrücke – eine Engstelle zwischen zwei Bergen,
an der die Schatten lang und bedrohlich wurden.
Es war dort, wo die Falle zuschnappte.
Vögel verstummten. Das Echo ihrer Schritte hallte zu laut, zu nah.
„Still…“, flüsterte Cataleya, ihre Hand am Griff ihrer Waffe.
Ein Schatten huschte über die Felsen – und dann kamen sie.
Aus den Felsen lösten sich Gestalten –
Erik, einer der Anführer des Drachenklans aus der Eishöhle, mit ihm Krieger, Schützen und Formwandler. Ihre Rufe hallten zwischen den Felswänden wider, wild und roh.
Der Hass in Eriks Augen sprach Bände.
„Wächter!“, rief er. „Du und dein Volk haben unsere Hallen geschändet, unsere Schätze geraubt, unsere Brüder entweiht! Heute endet dein Weg hier!“
Valleron trat vor, die Waffe bereit und fest in der Hand, das schwarz-rote Metall im Licht der Dämmerung glühend.
„Euer Anspruch endet dort, wo das Reich Surom beginnt“, entgegnete er kalt. „Und deine Rache endet heute – mit deinem Leben!“
Ein Zischen, dann flog auch schon der erste Pfeil nah an Valleron vorbei, direkt vor ihm im Boden einschlagend.
"Du willst es also nicht anders - JETZT!" Brüllte Erik in Richtung Valleron.
Ein zweiter Pfeil, brennend, flog in die Richtung der Gruppe. Es traf ein hölzernes Fass, versteckt zwischen Gräsern und Geröll. Ein lauter Knall,
verstärkt durch den Schall der eng aneinander befindlichen Berge, Feuer, Rauch.
Die Pferde bäumten sich auf, Aleya versuchte sie zu beruhigen, während die Barbaren mit wilden Rufen in den Kampf stürmten. Rashka und Ragnar trieben die Feinde zurück,
die von Hinten an die Gruppe herantraten. Haldron beschwor Flammen, die sich wie lebendige Schlangen durch die Dunkelheit wanden.
Cataleya kämpfte Seite an Seite mit Valleron an der Front, schnell, präzise, wie ein Schatten an seiner Flanke.
Nachdem die ersten Anhänger Eriks blutüberströmt und regungslos am Boden lagen, stürmte Erik selbst vor in Richtung Valleron. In seiner Hand eine Axt aus grauem, gefrorenem Stahl,
die Funken sprühte, als sie auf Vallerons Waffe traf. Das Echo des Aufpralls hallte wie Donner über die Brücke hinweg.
Der Kampf zog sich, Schweiß und Blut mischten sich mit Staub, Flüche mit Gebeten. Vallerons Zorn war lautlos, konzentriert – ein stiller Sturm, der in jedem Hieb seiner Waffe steckte.
Schließlich fiel Erik schwer verwundet auf die Knie.
Cataleya trat vor, als sie mit den Rest von Eriks Gruppe fertig war. Sie griff den am Boden liegenden Erik an den Haaren und zog ihn grob zu Valleron hin, aufrichtend, demonstrativ.
„Erkenne was es heißt, sich gegen den Willen Suroms und seiner Anhänger zu stellen“, sagte Valleron zu Erik, vorgebäugt, mit tiefem Blickkontakt. Es kam keine Antwort, nur ein letztes ,
unverständliches Ächzen - und dann, mit einem kraftvollen , gezielten Schwung trennte er Eriks Kopf von seinem kampfgeprägten Körper.
Dann - Stille.
Nur das Tropfen des Blutes, das sich in den Sand sog.
Sie errichteten dort zwischen den Felsen einen groben Pfahl aus Holz – mit Nägeln aus der Lieferung, als Mahnung. Valleron spießte den Kopf darauf, das Gesicht gen Süden gerichtet,
sodass ein jeder Blickkontakt hält, der in Richtung Surom unterwegs ist.
„So enden jene“, sprach er, „die glauben, gegen uns und den Namenlosen bestehen zu können.“
Dann wandte er sich um, befahl das Sammeln der Gruppe und den Aufbruch. Die Pferde, erstaunlich ruhig und mit nur wenigen Verletzungen davongekommen,
ließen sich weiter von Aleya führen, als wüssten sie, dass der Weg weitergehen musste.
Und so zogen sie weiter – schweigend, doch mit erhobenem Haupt, durch die Nacht in Richtung Fjellgart.
Hinter ihnen, im Schatten der Berge, blieb das Mahnmal zurück – ein stilles Zeugnis dafür, dass Suroms Wille ungebrochen war.
Tief in der Nacht tauchten die ersten, rauen Silhouetten von Fjellgat auf - die hohen Türme der Barbarenfeste.
Als sie das Tor erreichten, öffnete es sich unter dem Donner der Hörner. Der Wind vom Meer trug den Geruch von Salz und Schmiedeasche heran.
Rashka trat vor, schlug Valleron die Faust gegen die Brust.
„Der Weg war blutig – aber er war es wert.“
Valleron erwiderte die Geste mit größtem Respekt.
„Die Waren sind heil. Die Botschaft ebenso.“
Die Waren waren übergeben, das Ziel erreicht.
Valleron war zufrieden – ebenso Aleya, die ihre fünf Pferde zärtlich über die Mähnen strich. „Endlich Ruhe für sie. Sie haben uns gut getragen.“
Rashka, der Barbarenführer, nickte ihr breit grinsend zu. „Ja, gute Tiere! Kräftig! Sie bekommen das beste Futter!“
Aleya lächelte erleichtert, verstand das schwer gebrochene Barbarisch des Mannes nur halb.
„Das freut mich. Ich wusste, sie sind bei euch in guten Händen.“ Erwiederte Aleya.
„Ja!“, bestätigte Rashka, und Haldron nickte zustimmend, „heute Abend… großes Mahl! Pferd stark, Volk stark! Viel Futter!“
Aleya strahlte – und nickte erfreut, ehe sie sich abwandte, um die letzten Kisten zu überprüfen.
Valleron hob langsam eine Braue, der Blick glitt von Rashka zu den Pferden und wieder zurück.
„Rashka…“, sagte er ruhig, „nur, damit ich dich recht verstehe – sie werden gut gefüttert?“
Rashka grinste, schlug sich auf die Brust. „Ja! Heute Abend viel Fleisch! Wir danken für große Ehre!“
Valleron seufzte. Tief. Sehr tief.
Dann traten Aleya, Cataleya und Valleron den verdienten Heimweg an - Nicht zu fuß diesmal, sondern ein Portal.
Dann, in der Morgendämmerung, wandte sich Valleron in Surom angekommen ein letztes Mal um. Hinter ihm, weit in der Ferne, ragten die Berge auf, wo Eriks Kopf im Wind schwankte.
Ein Zeichen – nicht aus Grausamkeit, sondern als Erinnerung und Warnung:
Der Wille des Entfesselten duldet keinen Zweifel.