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Sie hatte stundenlang gewartet ...

Verfasst: 25 Sep 2025, 07:59
von Sorsha von S.
 ...und ununterbrochen auf die Eingangstür gestarrt. Als sie schließlich sicher war, dass es vorbei war und er nicht mehr kommen würde, lief sie zum Marktplatz. Er lag leer in der Dunkelheit vor ihr, doch der Geruch seines Blutes hing noch immer in der Luft. Sie rannte zu Merrick, der ihr versicherte, er hätte den Platz auf eigenen Beinen verlassen. Nun gut, er hatte Hilfe bei jemand anderem gesucht – das machte die Entscheidung leichter, die Stadt für ein paar Tage zu verlassen.Schnell lief sie zu ihrem Haus zurück, packte ein paar Sachen zusammen und schrieb einen kurzen Brief. Auf dem Weg zum Tor machte sie noch einen Abstecher zur alten Mühle. Dort warf sie den Brief in den Spalt, und falls Aanatus ihn öffnen würde, hätte er folgende Zeilen gelesen:

 
Seid gegrüßt, werter Aanatus,
Die letzten Tage haben mir das Vertrauen in mein Urteilsvermögen geraubt.

Deshalb werde ich die Stadt verlassen, um wieder Klarheit zu erlangen.Seid also unbesorgt.
 
Sollte etwas passieren und Surom meine Hilfe benötigen, werde ich da sein.
Ich werde regelmäßig im Zirkel vorbeischauen. Dort könnt ihr mir im Notfall eine Nachricht hinterlassen…
gez. Sorsha


Als sie das Stadttor durchschritt, warf sie einen letzten Blick über die Schulter. Dann spornte sie ihr Pferd an und verschwand Richtung Norden. 

Re: Sie hatte stundenlang gewartet ...

Verfasst: 25 Sep 2025, 08:54
von Aanatus
Als Aanatus die schlichte Nachricht der Statthalterin sah, entwich ihm ein unwilliges Brummen. Er versuchte sich die Dinge zusammenzureimen, die dazu führen konnten, dass sie ohne Begleitung und damit ohne Schutz Abstand zu „ihrer“ Stadt gewinnen wollte. Er würde das rausfinden und dem würden notfalls auch Konsequenzen folgen…denn das gerade sie eine unscharfe Wahrnehmung erlebte, das bezweifelte er stark. Da schien mehr dahinter zu stecken. Aber alles zu seiner Zeit.

In diesem Moment war die Sorge um Sorshas Sicherheit vorherrschend, weshalb Aanatus sofort sein Pferd sattelte, die Mühle verschloss und auch aus Surom ritt. Sein Ziel: Sie zu finden…und, wenn auch nur aus der Ferne, wachend einen Auge auf sie zu werfen. Alles andere war zweitrangig…

 

Die Fährte ist aufgenommen...

Verfasst: 26 Sep 2025, 19:03
von Aanatus
Wald in Aufruhr.jpg


Während Idun, Aanatus' Wolfhündin plötzlich die Zähne fletschte, das Fell im Nacken aufstellte und sich höchst erregt schützend vor dem tösenden Blonden aufbaute, blieb Wulf, der phlegmatische Wolfshund an dessen Seite liegen, hob träge den Kopf und beließ es dabei, sein Herrchen, das eben eingeschlafen war, weiterhin durch seine Körpernähe zu wärmen, wie es der Hütehund in den kühler werdenden Nächten instinktiv schon als Welpe gemacht hatte. Das Gespann hatte bald schon die Fährte der Magierin aufgenommen und waren Sorsha unauffällig gefolgt.Ihre Wege mussten sie nicht verstehen, nur schützen. So hielten sie sich mit Bedacht in ihrer Reichweite und Aanatus wagte es nicht, mit seiner Herrin in Kontakt zu treten. Denn wer wusste schon, was vor sich ging - und gutgemeinte Aufdringlichkeit, nun, das war ohnehin fehl am Platz. 

Einem erneuten Knurren, kehlig und mit dieser ungebändigten Wildheit, folgte ein einziges, alarmiertes Bellen: Rrrrraffff!
Aanatus schrak hoch, blickte um sich und als nun auch Wulf langsam aufstand und seinerseits knurrend ins Dunkle des Waldes äugte, dabei schnüffelte und sich sogleich neben die Wolfhündin stellte, griff auch er zur Axt, welche griffbereit neben dem kargen Schlaflager inmitten einer kleinen Lichtung lag. Fast im selben Moment hörte er seltsame Geräusche: War es ein Brüllen und wenn ja - welchen Ursprungs? Dazu seltsames Rascheln und Knacken, fast unwirklich, da von vielen Seiten kommend. Als Aanatus' Blick in die Richtung schwenkte, wo er - weiter entfernt - Sorsha vermutete, übersah er das panisch daherstürmende Wildschwein, welches von schräg links aus dem dunklen Unterholz gesprungen war und im Schweinsgalopp auf ihn zuhielt. Selbst die Hunde schienen so überrascht, dass deren Reaktion viel zu spät ausfiel und demnach die gut genährte Bache in die Lichtung stürmen konnte. Mit einem wuchtigen Aufprall von der Seite endete der Schweinsgalopp und ließ Aanatus schmerzhaft  nach kurzem Flug zu Boden gehen. Doch anstatt die Hauer ins Gesicht gerammt zu bekommen, stand das Vieh mit weit aufgerissenen Augen nur kurz über ihm und setzte seinen Wahnsinnslauf Sekunden später ins Nirgendwo fort...
Aanatus erhob sich ächzend und sah verduzt um sich. Aus dem Rascheln war ein handfestes Getrete und Gestampfe geworden und als er sich eiligst einen Nachtsichttrank genehmigte, sah er im nahen Wald ganze Gruppen von Tieren in hellster Aufregung vor etwas zu flüchten, was Aanatus zwar nicht sehen konnte, doch dessen Präsenz nun auch seine Hunde zu beunruhigen begann. Aus dem alarmierten Knurren wurde ein rasendes Bellen, welches das Getrippel und Getrappel der flüchtenden Waldbewohner schaurig untermalte.

Die eigenen Schmerzen des unliebsamen Zusammenpralls und das gespenstische Schauspiel um sich ignorierend, blickte Aanatus erneut in die Richtung, wo er die Magierin vermutete. Eilig brach er das Lager ab, griff Axt und Schild, pfiff den Hunden einen kurzen Befehl zu und setzte sich vorsichtig, aber zügig, in Bewegung.
 

Re: Sie hatte stundenlang gewartet ...

Verfasst: 27 Sep 2025, 20:00
von Alec Schwarzdorn
Sorsha ist nicht in Surom.
Alec weiß es. Er spürt es. Und das ist nicht erst seit gestern der Fall.
Sie ist nicht auf dem Zirkelgelände, nicht im Rathaus unter Briefen und Dokumenten begraben und auch nicht in ihrem Haus. Selbst ihr Kissen riecht kaum mehr nach ihr.
Ein Dutzend Emotionen vergiften sein Bewusstsein, darunter Furcht, Sorge, Enttäuschung und Verlustangst. Aber am stärksten ist seine Wut, die rasch in Zorn umschlägt. Sein Groll gilt nur zum Teil Sorsha. Alec ist wütend, dass sie bei seiner Strafe nicht anwesend war, als er sie verdammt nochmal gebraucht hat. Es war so schon schwer genug gewesen, die Kontrolle zu behalten. Doch Sorsha wäre sein Anker gewesen. Er hätte sich an ihren Blick klammern können wie ein Ertrinkender an ein Stück Holz.
Dennoch gilt der Großteil seines Zorns sich selbst. Immerhin war er vor knapp einem Mondzyklus wortlos verschwunden. Sie hat vom Besten gelernt und so fühlt es sich also an, verlassen zu werden.
Alec sperrt seine Gefühle in eine Kiste und vergräbt sie in einem tiefen Loch. Mit jedem mentalen Nagel, den er in den Deckel der Kiste schlägt, entreißt er sich selbst einen Teil seiner Menschlichkeit.
Als er das leise, triumphierende Lachen in seinem Kopf hört, wünscht er sich, dass er diesen Teil von sich direkt mit vergraben kann.
”Sie ist fort? So schnell? Wie bedauerlich und unbefriedigend. Ich gewinne gerne, aber ich hatte auf etwas mehr Widerstand gehofft.”
Alec erstickt die Stimme, die nicht seine ist, mit einem festen Druck gegen die geprellten Rippen. Auf den Schmerz folgt ein Entschluss, bei dem sein Herz nicht mitreden darf. Er muss Sorsha Zeit geben. Wenn er ihr hinterherläuft, treibt er sie nur weiter fort. Entweder sie kommt zurück zu ihm oder …
Sorsha ist sein Tageslicht, seine Luft zum Atmen, sein Puls.
Der Deckel der Kiste knarzt und beginnt zu splittern. Er übergießt sie mit heißem Wachs, versiegelt sie endgültig. Zurück bleibt eine emotionale Kälte, die ihm als Stütze dient. Er redet sich ein, dass es die notwendige Maßnahme ist, bis sie zurückkommt.

In einer kleinen Senke....

Verfasst: 27 Sep 2025, 21:47
von Sorsha von S.
....hatte sie ihr Lager aufgeschlagen. Dicke, knorrige Büsche hatten die Mulde halbwegs verschluckt und boten einen perfekten, unsichtbaren Schutzwall.
In ihrer Mitte knisterte ein kleines, genügsames Feuer, ein warmer, orangefarbener Blickpunkt, mehr als genug für die Nacht.Dies war ihr Rückzugsort, ihr stilles Zentrum.


Sie hatte sich ihr Notizmaterial, Feder und Tinte, sowie alle gesammelten Aufzeichnungen mitgenommen. Im Schein der Flammen durchforstete sie hastig die Pergamente,
versuchte, die vielen Fragmente zu einem Gesamtbild der Situation zusammenzufügen – ein Kampf gegen die Ungewissheit, der ihr Fokus und Ziel gab.


Die Ruhe war ein seltener, köstlicher Luxus, den sie regelrecht aufsog. Die Luft um sie herum war ein Sinnbild des Herbstes: schwer und süß war der Duft später Blüten,
vermischt mit einem herben, sauberen Harzgeruch der nahen Tannen. Doch selbst das feuchte Holz des Feuers setzte eine erdige, rauchige Note frei, die das perfekte Idyll subtil unterbrach.
In all diesen Nuancen schob sich etwas, was nicht im Wald seinen Ursprung hatte und ihr ein diskretes Schmunzeln entlockte, wenigstens auf einen war Verlass.


Unweigerlich schob sich in diese stille Konzentration die schmerzhafte Erinnerung. Sie sah Alecs' Gesicht vor sich,  gezeichnet von den Ereignissen der letzten Wochen, oben auf dem Podest.
Es war ausdruckslos, fast steinern, als er auf seine Strafe wartete. Die Vorstellung, dass diese Demütigung von dem Mann ausgeführt werden sollte, der ihm alles genommen hatte,
war eine unerträgliche Pein. Ein Impuls des Schutzes, stärker als jede Vernunft, hatte sie auf das Podest getrieben, die Peitsche fordernd. Sie wollte die Strafe selbst übernehmen,
die Schmach lindern, doch Valleron hatte es ihr verwehrt und sie hatte ihn daraufhin im Stich gelassen, war regelrecht vor dem was kommen würde geflohen.


Sie konnte es nicht ertragen. Sie schloss die Augen fest, versuchte, die Bilder mit aller Kraft wegzuschieben, doch die Erinnerungen waren hartnäckige Dornen.
Es schmerzte sie, all die Qualen, die er seit seiner Rückkehr aus dem Unterreich ertragen musste – ein Fluch, der bis heute seine Pläne vereitelte und ihn mehr und mehr in die Isolation trieb, ihn langsam zerfraß.


Wie ein Blitz aus heiterem Himmel schreckte sie auf. Die Stille zerbrach an einem leisen, tiefen Grollen, das aus großer Ferne zu kommen schien, wie ein weit entferntes, tiefes Gewitter.
Doch es näherte sich, und je näher es kam, desto deutlicher spürte sie das vibrierende Beben des Waldbodens.

Dann, fast im nächsten Augenblick, brach das erste Tier in panischer Hast durch das dichte Unterholz – ein verzweifeltes Stöhnen und Knacken von Ästen.
Ihm folgte eine stampfende, blinde Masse, ein Strom aus Angst. Schnell und instinktiv ließ sie sich tief in die Senke sinken, presste sich an den feuchten Boden,
um nicht von einem der verirrten, wildgewordenen Kreaturen überrannt und mitgerissen zu werden.


Als das Grollen und das wilde Getrampel der Herde endlich verebbt war, verharrte sie noch einige Momente regungslos, nur das eigene, hämmernde Herz im Ohr.
Dann erlaubte sie sich einen kurzen, forschenden Blick über den Rand der Senke.

Die Frage zerriss die neue, gespenstische Stille.
Hatte es begonnen? Wenn ja, was um alles in der Welt war geschehen? War Surom in Gefahr?

Die Ungewissheit war ein Gift, das sie nicht ertragen konnte. Der Gedanke, in der Senke zu warten, während die Ereignisse anderswo eskalierten, war unerträglich.
Mit entschlossener, hastiger Bewegung raffte sie ihre spärlichen Habseligkeiten und die wertvollen Aufzeichnungen zusammen. Ohne einen Blick zurück, machte sie sich wieder auf den Weg nach Süden.

Was auch immer das Grollen ausgelöst hatte – sie würde die Antwort finden müssen.

 

Zurück in den Süden

Verfasst: 28 Sep 2025, 10:53
von Aanatus
Nachdem das Getöse langsam leiser wurde und schließlich scheinbar ganz verebbte, bemerkte Aanatus ein etwas weiter entferntes Rascheln, welches aus der Richtung kam, wo tags zuvor die Schritte der Statthalterin verklungen waren und damals kurze Zeit später ein leises Geräusch des Feuermachens nur kurz zu hören gewesen war. Dort eben, wo er aufgrunddessen Sorshas Lager vermutete und weshalb er sich selbst etwas abseits und doch nahe genug selbst niedergelassen hatte, schien nun wieder etwas vonstatten zu gehen. Wortlos gab er seinen Hunden den Befehl, keinen Laut mehr zu geben. Wulf folgte ihm an der Seite, Idun schwenkte in großem Bogen aus. Aanatus selbst duckte sich tief und schlich, so lautlos es ihm möglich war, näher. Als er den Rauch eines ausgedämpften Lagerfeuers roch, dazu ein eiliges Rascheln und sonst jedoch nichts, vermutete er, dass die Statthalterin gerade dabei war, ihr Lager abzubrechen. Er verblieb lautlos in der Hocke und lehnte sich dabei abstützend an den großen Hütehund Wulf, bis nach geraumer Zeit erst ein kleines Knacken hier, dann ein leises Rascheln dort zu hören war. Kleine Schritte, recht zügig und wohl nicht unbedingt darauf bedacht, unerkannt zu bleiben. Eile schien vorrangig. Und der Weg? Er schien wohl nach Süden zu führen. Ein erleichtertes Seufzen entwich Aanatus, der der Magierin sogleich in sicherem Abstand folgte. Nur ab und zu sah er sie schemenhaft zwischen den Bäumen auftauchen, dann wiederum verriet sie nur ein Rascheln aus der Ferne. Eigentlich wartete Aanatus nur auf die Worte der Macht, die sie magisch reisen ließen, doch schien sie, vielleicht aus Vorsicht, den Weg ohne arkane Machenschaften bewältigen zu wollen. Das Ziel war wohl Surom. Dafür sprach die Himmelsrichtung. Dafür sprach auch, was vorhin geschehen war...