Die Nachrichten waren kaum angekommen, nachdem sich die Wölfe in der Mondsteinhöhle versammelt hatten – ihrem Rückzugsort, ihrem neuen Hort. Tyladriel war unter ihnen, geschwächter denn je, die Haut fahl, der Blick tief eingesunken. Doch in seinen Augen loderte noch ein Funke Kampfeswillen. Er sagte ihnen, dass er Kharrs Versteck gefunden hatte, dass der Mondstein dort sein musste.
Sie zogen aus in Richtung Aschlande, die Luft trocken und bitter, der Boden rissig. Sie betraten den Eingang der Dämonenhöhle. Schweigend schritten sie tiefer, geführt vom Echo ihrer Schritte, bis sich vor ihnen Kharrs Schergen erhoben – ein letztes Aufgebot. Die Kämpfe waren erbarmungslos. Einer nach dem anderen fiel, Wunden rissen auf, Blut spritzte auf Gestein, fauchende Schatten und aufbäumende Zähne. Doch das Rudel der Wölfe hielt stand. Kharrs Getreue wurden zerschmettert, bis kaum noch einer übrig war.
Am Ende des Ganges öffnete sich eine letzte große Höhle, darin der Ritualkreis. Der Mondstein ruhte in seiner Mitte, umgeben von Zeichen aus Blut. Kaum hatten sie ihn erblickt, trat Kharr aus der Dunkelheit, aufrecht, mit einem kaum sichtbaren Grinsen.
"Sieh an... Sieh an..." kam es hämisch während er sich in Stellung brachte. Noch bevor die Wölfe einen weiteren Schritt tun konnten, regte sich der Schatten um sie herum – Schergen, versteckt zwischen Felsen und Nischen traten hervor und umzingelten die Werwölfe - eine Falle.
Kharr trat weiter vor, entblößte seine Brust und den Splitter, der aus dieser herausragte – wie der in Tyladriels Leib, und doch grundverschieden in seiner Wirkung. Während Tyladriel unter dem Einfluss des dunklen Steins zusehends verfaulte, nährte Kharrs Splitter ihn mit Kraft. Die Dunkelheit pulsierte mit ihm, verstärkte jede seiner Bewegungen, machte ihn stärker. Er war das Sinnbild einer vollendeten Korrumpierung – und zugleich ein verlockendes Versprechen. Denn was Tyladriel quälte, hatte Kharr überwunden. Er bot ihm Heilung, bot ihm Macht. Nur Kharr kannte den Weg zurück – oder hinaus.
Da trat Tyladriel hervor. Seine Waffe senkte sich. Er ging langsam, beinahe demütig, den Blick gesenkt, die Schultern schwer. Kein Laut war zu hören, als er an Kharrs Seite trat und sich hinter ihn stellte.
Dann kam die Bewegung – schnell, unerwartet. Der Ellenbogen traf Kharr im Gesicht, ließ ihn taumeln.
„Du glaubst, ich klammere mich an mein Leben wie ein Hund... bereit, allem den Rücken zu kehren...“ zischte Tyladriel, während er ihn mit einem einzigen, geübten Griff entwaffnete. Ohne zu zögern ergriff er Kharrs eigene Klinge, rammte sie ihm in die Brust.
„Ein Wolf paktiert nicht mit Hunden.“
Mit letzter Kraft hob er Kharr empor wie einen Kadaver an einem Speer, sein Blick verkeilt in den Augen des Dunkelwolfs, voller Wut und brennendem Zorn. Erst als Kharrs letzter Atem wich, schleuderte Tyladriel den leblosen Körper zu Boden.
Ein Augenblick verging. Dann brach das Chaos aus.
Kharrs verbliebene Schergen stürzten sich auf die Gruppe. Der Kampf war wild, aber die Wölfe rissen sie nieder, einen nach dem anderen.
Zeitgleich regte sich etwas in Kharr. Aus seinem toten Körper löste sich eine dunkle, rauchige Masse. Wie eine klagende Seele schälte sich der Schatten empor und raste direkt auf Tyladriel zu.
Er hatte keine Chance. Der Nebel drang mit solcher Wucht in ihn ein, dass er zu Boden geschleudert wurde. Bewegungslos blieb er liegen – das Bewusstsein augenblicklich entrissen.
Während der Rest des Rudels weiterkämpfte, wandte sich Elira ihm zu, kniete sich an seine Seite, legte eine Hand an seine Kehle. Der Puls schlug noch – schwach, aber stetig. Er lebte.
Die anderen beendeten, was Kharr begonnen hatte. Das letzte Aufbäumen seiner Sippschaft wurde mit Fangzähnen, Magie und Stahl im Blut erstickt. Dann, als das Echo des Kampfes verebbt war, öffnete sich ein Portal inmitten der Dunkelheit.
Sie retteten den jungen Mondstein aus der finsteren Höhle und bargen den bewusstlosen Tyladriel.
Einen Wimpernschlag später fanden sie sich in der Mondsteinhöhle wieder. Der Mondstein, endlich zurück an seinem Platz, pulsierte schwach – wie ein Herz, das gerade erst zu schlagen begonnen hatte. Tyladriel lag in ihrer Mitte, leblos, blass. Doch seine Hände umklammerten noch immer Kharrs Schwert. Fester denn je. Als wäre es längst Teil von ihm geworden.
Die Urälteste erschien wie aus dem Nichts. Schweigend trat sie zu ihm, zog das Schwert mit einer einzigen Bewegung aus seiner Hand. Sie beschwor das Licht und Magie webte sich um Tyladriel, eine schimmernde Hülle aus silbrigen Fäden, die sich schlossen, verdichteten, ihn umschlossen wie ein schützender Kokon – oder ein Gefängnis.
Sie sah ihn an, ihre Stimme gedrungen von einem Hauch Reue: „
Ich werde denselben Fehler nicht noch einmal begehen... Dir werde ich nicht den Rücken kehren.“
Dann reichte sie das Schwert an Mayla weiter und in Ihren Blicken spiegelte sich Entschlossenheit. Kharrs Schwert - Ein Anker der Finsternis. Ein weiterer würde gebraucht werden – vielleicht aus Licht, vielleicht aus etwas anderem. Was auch immer sie vorhatte, ließ sie offen.
Als sie verschwand, hallte Ihre Worte noch durch den Raum:
„Der Anker... bereitet ihn vor. Er hat nicht mehr lange.“
Nächster Termin: Montag 14.04.2025 - 20:00 Uhr