Skillgrim hat geschrieben: ↑22 Jul 2025, 21:51
Der kalte Stein unter ihren Stiefeln hallte mit jedem Schritt dumpf wider, als Thralda auf Damires wunsch hin das Heilerhaus betrat. Die Luft war schwer vom Duft verbrannter Kräuter, vermischt mit dem metallischen Hauch von Blut – nicht frisch, aber auch noch nicht lange vergangen. Das Licht der Wandlaternen flackerte matt auf ihren bronzenen Stirnreif, in den die Runen Grunnas geschlagen waren.
Sie sagte kein Wort, als man sie zur Bahre führte. Dort lag er – einer der Ihren. Ein Bruder im Blute, gefallen. Die Rüstung war bereits entfernt worden, die Hände ruhen gefaltet auf der Brust. Kein Ausdruck des Friedens lag auf dem Gesicht, eher ein letztes Echo von Schmerz.
Thralda schloss für einen Moment die Augen, dann hob sie die Hände. Ihre Stimme war ruhig, tief, und trug die Kraft der alten Sprache, als sie das Totensegenritual begann.
„Grunna Steinmutter, du Wächterin der letzten Hallen,
nimm diesen Sohn in deine ewigen Kammern.
Reinige ihn vom Schmerz, vom Zorn, vom Leid.
Führe ihn durch die Tore aus Erz zu seinem Ahnenfeuer.“
Ein leiser, kaum merklicher Windzug durchfuhr den Raum, obwohl die Fenster geschlossen waren. Die Flammen der Laternen flackerten. Ein Zeichen, dass die Göttin zuhörte.
Nachdem der Ritus gesprochen war, trat Thralda näher an den Leichnam. Mit vorsichtigen Bewegungen untersuchte sie den Körper – nicht als Heilerin, sondern als Priesterin, die nach Zeichen des Unnatürlichen sucht. Was sie fand, ließ ihre Stirn sich kräuseln.
Keine Wunden, wie sie von Klinge oder Axt geschlagen worden wären. Die Schnitte waren wild, unregelmäßig, als hätte etwas mit Klauen, vielleicht Zähnen, das Fleisch zerfetzt. Doch sie erkannte weder Tierbiss noch Schlachtverletzung. Tiefe Risse durch Haut und Muskel, als hätte eine Bestie zugeschlagen, deren Art sie nicht benennen konnte.
„Kein Werk eines Kriegers“, murmelte sie mehr zu sich selbst. „Und kein Werkzeug aus Eisen…“
Sie trat zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Es lag nicht in ihrer Hand, über Herkunft solcher Wunden zu richten. Sie war keine Jägerin, keine Medizinkundige. Ihre Aufgabe war nun eine andere.
Mit ruhigem Blick wandte sie sich dem stillen Wächter zu, der im Schatten der Tür stand, und sprach mit fester Stimme:
„Ich bin bereit, ihn für seine letzte Ruhe vor zu bereiten, so mein König es befiehlt“