
Mit in die Hüften gestemmten Händen sah er sich um, die schwarzen Lippen nachdenklich geschürzt und nickte geistesabwesend, aber zufrieden.

Nachdem die Gesellschaft aus Hoch- und Waldelfen, die sich versammelt hatte, um die Expedition in die Gefilde jenseits der Energiebarriere zu unternehmen, sich unterirdisch durch ein Höhlensystem auf die andere Seite geschlagen hatte, war es noch zu einiger Aufregung gekommen. Das Gebiet auf der anderen Seite hatten sie nicht ganz so leer vorgefunden, wie es sich viele gewünscht hatten. Nicht unerwartet - dennoch hatten die Elfen zunächst einen mächtigen Erdelementar zu besiegen, mit dessen Fall die Energiebarriere um das, was früher scheinbar Elfenland gewesen war, einher ging. Ein Wächter? Zu welchem Zweck? Um zu verhindern, ob etwas in dieses Gebiet eindrang? Oder um das, was hier war, am Entkommen zu hindern? Ein Buch, das in einem der alten Gebäude am Hafen stand und offensichtlich von hochelfischer Bauweise war, hatte kryptische Hinweise enthalten, auf die sich aber noch niemand einen rechten Reim hatte machen können.

Mit einem Summen wischte Serafein diese Gedanken zur Seite. Ein Schritt nach dem anderen. Zuerst ging es darum, Grundlegendes in Angriff zu nehmen.

Die Trennung zwischen den Bereichen, die einst von Waldelfen und Hochelfen bewohnt gewesen waren, war recht klar - und dennoch wies die unmittelbare Nähe zueinander darauf hin, dass die beiden Elfenvölker auf diesem Kontinent enger verbunden gewesen waren, als es Ivren'mir und Gwainamdir jemals waren. Würden sie diese Nähe aufrecht erhalten können? Serafein war skeptisch, vieles sprach dagegen, einiges dafür. Die Zeit würde es zeigen. Zunächst jedoch benötigten die Waldelfen vor allem eines: Ihren Frieden.

Man war sich in kleiner Runde einig gewesen: Thrilmanduil, Nell'as, Cara'las und er waren überein gekommen, dass es zuallererst die Sicherheit und Abgeschiedenheit der Lindhel wieder herzustellen galt. Die Jahre der Strapazen und der erzwungenen Nähe zu den anderen Völkern hatte vielen Waldelfen, die Freiraum und offene Bereiche höher schätzten, als alles andere, erhebliches abverlangt. Und auch wenn ihm die Not und die Verzweiflung des dahinsiechenden Weltenbrandes erspart geblieben war, spürte er den Verlust Gwainamdirs auf eine gewisse Weise besonders tief in seinen Knochen. Für ihn waren erst wenige Tage vergangen, seit er in den Calen’aeron gegangen war, um in Meditation genügend Ruhe und Gelassenheit zu finden. Zu sich zu kommen und festzustellen, dass nichts mehr so war, wie er es kannte, war ein Schock gewesen.

Zehn Jahre...

Ein weiterer Gedanke, den er abschütteln musste. Jetzt war nicht die Zeit, persönlichen Verlusten nachzuhängen. Es gab Arbeit zu tun - und er schuldete seinem Volk seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Zuallererst musste es ein Rückzugsort für die Waldelfen werden, an dem sie ungestört und frei von äußeren Einflüssen beginnen konnten, ihre tiefen, tiefen Wunden zu heilen und die Trauer über die Vernichtung ihrer alten Heimat zu verwinden.

Und so sah er sich um in dem Bereich, den dereinst augenscheinlich die hiesigen Waldelfen bewohnt hatten und begann bereits in Gedanken, die zahlreichen Aufgaben zu formulieren.

Die Kunde, dass es nun endlich einen Rückzugsort gab, musste zunächst alle Waldelfenflüchtlinge erreichen.

Das Gebiet musste gesichert werden, Wachen und Patrouillen ausgehoben und in Dienst gestellt.

Das spärliche Hab und Gut aller Lindhel musste hierher transportiert werden, ein Lagerverwalter eingesetzt.

Anoki und die Schützen und Späher, die den Bereich um den vorgelagerten Stützpunkt gesichert hatten, würden sich ins Innere zurückziehen müssen.

Der Zugang über die alte Yew-Eiche zur hoch auf Pfählen thronenden Hauptstruktur der Waldelfenstadt war bereits repariert, das war gut.

Erkundungstrupps mussten eingeteilt werden, um auch die hinteren Bereiche genau zu erforschen.

Und was, fragte er sich, hatte es mit dieser mysteriösen Eishöhle auf sich?

Erneut summte er und nickte wieder, entschlossen diesmal. Zeit, die anderen zu finden und sich mit Thrilmanduil zu beraten.

An die Arbeit.