In Lóriendor wurden weniger strikte Vorgaben für den Briefverkehr verfolgt.
Was Briefe dieser Art, adressiert an die Gesamtheit des Volkes, betraf, folgte man dem dennoch gewissenhaft. Und so wurde die Botschaft von Aanatus herumgereicht. Die Wachen, die sie vermutlich in Empfang nahmen, lasen sie zuerst, reichten sie an anschließend weiter an eine junge Elfe die vom Kräutersammeln heimkehrte. Diese ließ ihren Blick über die Zeilen schweifen, während sie sich zum Lager begab. Dort war es an Jonik, dem Lagerverwalter, ihn zu lesen. Und so fand der Brief seinen Weg durch ganz Lóriendor, jedem Waldelfen die Möglichkeit bietend ihn zu lesen, sich seine Gedanken um das Gelesene zu machen und nach eigenem Sinn und Ermessen zu handeln, oder eben nicht.
Nach einem kleinen Ausritt zum erwähnten und skizzierten Waldstück um sich ein eigenes Bild von der Situation zu machen und den verschreckten Bewohnern die nötige Hilfe zukommen zu lassen, widmete sich Varyariel der Aufgabe, einige Zeilen zu verfassen und in die Hände von Boten zu übergeben.
Einer wurde in Richtung Nebelhafen entsandt, sollte er dort nicht auf den Menschen Aanatus treffen, würden Brief und einige Münzen an einen menschlichen Boten übergeben mit der Bitte, ihn in Surom zu suchen.
An Aanatus,
deine Botschaft hat uns erreicht und mag in diesem Moment noch durch einige Hände gehen, eventuell wird auch die Zeit kommen, dass gewisse Waldelfen sie erblicken. An dieser Stelle nutze ich bewusst deine Worte, sie sind wundervoll mysteriös. Halten jegliche Möglichkeiten offen und drücken doch eine Bitte aus, nicht wahr?
Gleichwohl welcher Intention deine Nachricht entspringt, sei dir für dein Eingreifen gedankt.
So hinter deinen Worten eine aufrichtige Sorge um das Wohl der Wälder ruht, kann ich sie hoffentlich besänftigen, die nötige Ruhe die dieser zur Erholung braucht soll ihm zukommen und die Bewohner werden alsbald wieder zu ihm zurückfinden.
Varyariel
Der andere Bote würde nach Süden reisen, um seine Botschaft in Solgard zu übergeben. Dabei wird er wohl auch einen kleinen Umweg in Richtung der Wohnviertel unternehmen und bei einem Haus, welches in der jüngsten Vergangenheit besonders viele Blumen als neue Bewohner des Inneren und Vorgartens begrüßen durfte, ebenso Abschriften von Aanatus’ und Varyariels Botschaften hinterlassen.
Alae Tonya,
ich denke, dass unsere Bekanntschaft am treffendsten mit dem Wort “flüchtig” beschrieben werden kann. Mir sind dein Name und dein Gesicht bekannt, sowie die Neuigkeit, dass solcherlei Botschaften nun am besten in deinen Händen aufgehoben seien.
An diesem Morgen erreichte Lóriendor eine Botschaft von dem Adan Aanatus, eine Abschrift der selbigen habe ich dir ebenso angefertigt, dass du sie selbst lesen kannst. Neben der zahlreichen Erwähnungen die lediglich Solgard und Surom betreffen und für mich weniger Bedeutung haben, möchte ich dennoch verfolgen, ob seine Beobachtung zutreffend ist.
Leider ist die Beschreibung sehr spärlich, jedoch denke ich, dass es innerhalb Solgards recht einfach sein sollte, dem nachzugehen.
Ich verstehe, dass die meisten Edain und viele Andere die Welt nicht mit dem gleichen Blick betrachten, wie wir es tun. Ein Unverständnis, welches auf Unwissenheit beruht, wogegen es jedoch ein bewährtes und denkbar einfaches Gegenmittel gibt: Austausch.
Der ehemalige Priester, und nun wohl nur noch als Bernard bekannte, de Molay hat mir vor nicht all zu langer Zeit über den Glauben erzählt, den die meisten Edain Solgards teilen. Über den Herrn und die Lehren, unter welchen das Handeln der Gläubigen geprägt wird.
Nun, aus meiner Sicht ist an diesem Morgen eine Ungerechtigkeit geschehen.
Wenn es tatsächlich das Werk eines Gläubigen des Herrn war, möchte ich ihm die Möglichkeit bieten, diese Ungerechtigkeit wiedergutzumachen und eine Gelegenheit bieten, zu sehen, zu lernen und zu verstehen.
Ich werde zu den Abendstunden in dem betroffenen Waldstück zugegen sein, seine Wunden pflegen und seinen Bewohnern helfen sich trotz der Veränderungen wieder geschützt und beheimatet zu fühlen. Dies kann als offenes Angebot betrachtet werden, dem beizuwohnen. Ich empfehle auch die Mitnahme kleiner Gaben für jene, denen Unrecht getan wurde. Nüsse für die Eichhörnchen, deren sich langsam füllenden Lager für den Winter sich womöglich in Astlöchern gefällter Bäume befanden. Kleine Ästchen und Wollfasern für neue Nist- und Brutstätten. Fruchtbare Erde für das Wurzelwerk derer, die erneut Kraft schöpfen müssen um unsere Häupter erneut zu überragen und ihre Äste schützend über alle Bewohner erstrecken wollen.
Zuletzt möchte ich noch erwähnen, dass die Bitte Solgards um eine Abschrift unserer Überlieferung aus den Zeiten Eir’Dîns auf Zustimmung der Unseren traf. Sollte nun die Sorge aufkeimen, dass dieser Vorfall unsere Entscheidung beeinflussen könnte… vermutlich tut es das tatsächlich. Ich erkenne, dass es umso wichtiger ist, die Geschehnisse der Vergangenheit mit euch zu teilen, in der Hoffnung, dass sie auf Verständnis treffen.
Varyariel