Ihre Haut schrie vor Schreck mit einem Heer von sich im Wasser aufrichtenden feinen, fast nicht zu erkennenden Haaren auf durch den Wechsel der sommerlichen Wärme zu der vermeintlichen Kälte in dem Moment. Alle Mattigkeit des Sommertages den Moment wie weg gewaschen.
Sie liebte oft die Abgeschiedenheit abseits von den Städten und Menschen des Landes, nur für sich und ihren Gedanken sein. Gedanken… da waren so viele und vieles änderte sich in letzter Zeit. Veränderungen waren der Antrieb im Leben, Stillstand wie ein kleiner Tod, der langsam und unerbittlich ist. Ja, sie hatte die Kraft der Natur, des Lebens kennen gelernt. Doch das Leben ist oft grausam und ohne Gnade. Anfangs noch hatte sie gemeint, Tiere heilen zu müssen und jegliches Leid zu vermindern. Doch das war nicht alles. Oft beobachtete sie den Überlebenskampf zwischen Jäger und Beute. Nicht immer war klar, wer sein Leben lassen würde, wenn ein Büffel seine Hufe und Hörner einsetzte und er den großen Raubkatzen, die ihn und seine Herde angriffen schwere Wunden zufügt. Nicht selten verendeten die Jäger qualvoll daran, ein Kiefer zertrümmert, oder eine Hüfte oder gar an dem langen Horn aufgespießt wie eine Wespe auf einem Dorn.
Dann wieder blutete ihr immer noch das Herz, wenn ein Junges, Lamm, Kitz oder Kalb, gleich welche Tierart, in Agonie um Hilfe schrie, die Stimme sich überschlagend und um Erbarmen flehend. Nicht alle Raubtiere töten unbedingt schnell und sauber, der Leidens geplagte und meist hoffnungslose Kampf konnte sich lange Zeit hinauszögern, die wie eine Ewigkeit sich anfühlte, im Klammern an das Leben und die Hoffnung auf die Spanne des Lebens, die noch so viel Wunder den Jungen hätte zeigen können.
Sollte sie den Unterlegenen helfen? Griff sie damit nicht in das empfindliche Gleichgewicht des Lebens über die Maßen ein? Oder die Verletzten versorgen, gar erlösen, wenn jede Hoffnung zu spät kam?
Amadrya hatte die Folgen gesehen, Raubkatzen, ermattet und kraftlos, selbst ihr Schicksal besiegelt, da sie versagt hatten. Versagt ihre Beute zu reißen und der Tribut für Versagen war endgültig und für das Gleichgewicht entscheidend. Nüchtern betrachtet war das so und doch konnte die junge Druidin sich nicht von der Schuld freisprechen, die Verletzten oder Unterlegenen von der Qual mit einem heiseren Zauber befreit zu haben, Futter denen gebracht zu haben, die sie dann beim Fressen mit dankbaren Augen angesehen hatten oder Wunden nach Kämpfen geschlossen, die das Ende bereitet hätten.
Selbst wenn sie aufgewachsen war in einer nüchternen, akademischen Umgebung ihrer Familie, Wissen aus Büchern und anderen Quellen mannigfaltig von Kindesbeinen an gelehrt bekam, ihre Gefühle waren Segen oder Fluch zugleich, die sie auch nicht verleugnen wollte oder konnte. Sie verfiel in ein kräftigeres Kraulen durch die Fluten, Mitleid, Wut, Trauer und noch mehr Gefühle vermischten sich dabei durch die Bilder und Erlebnisse angefacht in die Anstrengungen hinein, das Herz schlug kräftiger in ihrer Brust, während sie ihre Gedanken weiter schweifen ließ.
Unbestritten war da auch das Wunder des Lebens in all seinen Facetten auf der Welt, ob in Wäldern, Auen, Flüssen, dem Meer und noch mehr. Ob es die Schönheit war, der Choral von den kleinsten Insekten bis den großen Tieren, verbunden mit dem Rauschen von Gräsern und Blätterdächern gewunden durch den Wind, dem Plätschern von Bächen oder Grollen der Flut in der Brandung, immer neu und doch uralt, die Jahreszeiten mit all ihren Farben und Stimmungen, alles ist eins und bildete für sie das Fundament dieser Welt oder Ebene, wie man es auch immer sehen wollte.
Ihre Gedanken wanderten weiter fort, die Bewegungen im Wasser wurden langsamer, erschöpfter mit der Zeit, in der sie den See ein weiteres mal durchschwommen hatte, ließ sich dann mittig auf dem Rücken treiben und sah zum Firmament. Die bleiche Sichel der sie beschien, fast ein Spiegelbild ihrer selbst, während sie getragen wurde von dem dunklen Wasser, so trieb dieser am Himmel in der Schwärze, ihr gegenüber.
Aber wenn das Leben dieser Welt wie eine Säule war, dass der Welt, der Ebene halt gab im Ringen gegen das Einbluten aus anderen Ebenen, verhinderte, dass in allen Stürmen der Zeiten die Natur und das Leben mit all seinen Facetten ein Teil davon war, gleich wo es sich befand, wie ein einziges Wesen oder ein Verstand, dass sich wehrte, wenn Wesen anderer Ebenen versuchten Fuß zu fassen, Ihnen die Bindung erschwerte. Ein Gedanke, der weitreichend erschien, vielleicht auch dabei die Grenzen des Verstandes auslotete. Ein Gedanke der zwischen dem Ringen von Licht und Finsternis, zwischen Engeln und Dämonen und ihren eigenen Zielen sich befand. Ein Gedanke das, was die Natur ausmachte halten und stärken zu können. Doch dazu waren viele Wege offen und sie würde sich entscheiden müssen, nein wollen, wie sie zwischen den Ränken und Intrigen des Landes ihr kleines Boot mit Träumen und Vorstellungen lenken würde. Leben gab es überall…
Und mit diesem Gedanken festhaltend holte sie mehrfach kurz und so tief es ging tief Luft, bis sie mit einem Platschen im Wasser steil hinabtauchte in die Tiefe und Schwärze. Ihre Beine strampelten um Geschwindigkeit dabei aufzunehmen, bestenfalls bis zum Grund zu gelangen und ihn einmal berühren können.
Rote Augen in der Finsternis, spielte ihr Verstand ihr einen Streich, blickten ihr von der Tiefe entgegen. Nein das konnte nicht sein, nicht hier. Und doch erinnerte sich an diese. Um Wege zu beschreiten, die ihr sonst verwehrt waren, ging sie bis an die Grenzen, ohne dabei zu viel zu riskieren. Nun gut ja, ihr Leben hatte sie dabei nun mehrfach aufs Spiel gesetzt, wie in einem Kartenspiel, bei dem ohne einen Einsatz man nicht gewinnen werden konnte. Glücklicherweise musste sie nichts in Gefahr bringen, alles was man ihr abverlangte war bereits bekannt, mitnehmen konnte sie dafür vieles für eine fern entlegene Zukunft. Möglichkeiten in einer Welt die ihr fremd war. Und doch, wer weiß, eine Welt indem sie Teil eines Ankers werden konnte und selbst wenn nicht ihr neues Wissen sich mit etwas Glück offenbaren würde. Der Preis? Sie wusste nicht wie hoch dieser sein würde am Ende wenn alle Karten gespielt waren.
Ihre Lungen brannten, während sie mit der Handfläche für einen flüchtigen Moment den Schlamm des Bodens berührte, eine hastige Drehung und ein schnelles Abstoßen um zur Oberfläche zu gelangen. Die Lippen aufeinander gepresst und mit aufkommender Panik, starrte sie im Wasser nach oben. Sie war zu tief getaucht, hatte zu viel sich mit anderem befasst als ihrem Leben und Überleben. Ironisch war es, dass es ein Stück weit die letzten Tage widerspiegelte. Schneller, schneller, Luft, das konnte nicht das Ende sein, ein Ende zu tief getaucht zu haben, das klang fast so als hätten die Zwerge zu tief geschürft, wie unrühmlich!
Über ihr erahnte sie ein Licht, nicht rote Augen, nein. Zwei bernsteinfarbene Augen, die herabsahen, ein Funke Hoffnung in der Finsternis, verlockend, verführerisch und anziehend zugleich. Durchhalten! Ich bin fast da. Konnte es wirklich sein dass…?
„Du Närrin, konzentriere dich auf dein Ziel! Herz und Gefühle sind nicht zielführend, nur das Wissen zählt und die Übung über den eigenen Schatten der Grenzen des Verstandes treten zu können!“
Amadrya verzog missmutig das Gesicht. Ihre Mutter hatte Unrecht! Und außerdem warteten ihre Freunde auf sie, die sie auffangen würden, was immer auch geschah! Auch damit hatte sie sich getäuscht, wenn sie warnte niemanden zu vertrauen. Da waren Menschen, die in ihrer Offenheit und Freundlichkeit nicht selten ihres Gleichen suchten.