~~Vor dem Fall~~
Ivren’mir war nie gefallen. Die Heimat der Edhil, schon genutzt von den Altvorderen, war keine Festung, doch verfügte sie über magischen Schutz.
Früher. Heute nicht mehr. Ein Nachteil, wie sich herausstellen sollte.
Amathlan fand Hinweise, Spuren, die zu einem Spähtrupp passten, aber nicht den duredhil zugeordnet werden konnten. Nach dem Ausschlussprinzip mussten es folglich die Dämonen sein, die das Festland ausgekundschaftet hatte, denn sie waren der verbleibende, große Feind, der Unheil über den Kontinent brachte und wurden durch eine Priesterin der Dunkelelfen dazu geleitet, zu vermuten, dass die Hochelfen einen der von ihnen begehrten Sternensplitter besitzen würden.
Es war unmöglich, sich wahrlich auf einen Dämonenangriff vorzubereiten, denn die wahren Kräfte und die Art ihrer Magie waren den Edhil unbekannt. Es hieß, sie konnten Portale öffnen – bezog sich das auch auf die Insel? Hätten sie schon innerhalb der Mauern erscheinen können?
Für den Fürsten selbst war es eine klare Angelegenheit. Ursprünglich galt der Plan für einen Angriff der duredhil, doch ließ sich zumindest dieser Teil auf einen Dämonenangriff übertragen. Er würde, wie es ihm gebührte, auf der Insel verbleiben und sich in die Grotte des Eluvren zurückziehen und dort ausharren, falls es zum Durchbruch kam. Er war dort oft genug, es gab Vorräte und für ihn war es ein Ort der Kraft und Ruhe. Dort könnte er lange aushalten, geschützt durch die Illusionen des grünen Angols. So sprach er dies auch zu den anderen Edhil, sodass sie wussten, wo er sein würde, falls das Unheil eintrat.
Ein Fürst hatte seine Heimat zu verteidigen, bis zum Schluss. Und wenn er der letzte Edhel dort sein musste, so sei dem so.
~~Die Ankunft~~
Dunkle Wolken zogen auf, ursprünglich ähnlich einem Gewitter, doch nach und nach eher unnatürlicher Art. Sie wussten, was es bedeutete. Der Sturm war gekommen, sie wurden angegriffen.
Es war verwunderlich, dass schon eine beträchtliche Armee, bestehend aus allen Völkern, die diese Welt beherbergte, vor Ort war, als sie ausrückten. Zu sehen war nur wenig – ein dunkler Riss, der jedoch mehr und mehr zu einem Portal wurde und ein Blick in die Ebene der Dämonen erlaubte. Die Energie dieses Risses war stark, verzehrte die Lebenskraft der Umwelt, bevor es eine unerträgliche Hitze ausstrahlte.
Und dann begann es. Der Anfang vom Ende. Das Chaos. Die Zerstörung. Das Leid.
Dämonen erschienen. Eine Vielzahl unterschiedlichster Art. Der Kampf begann und dauerte lange, doch war er nur eine Ablenkung. Nach und nach zog die dämonische Armee auf und bereitete ein Ritual vor. Selbst das Portal, welches ihnen den Wechsel in diese Ebene ermöglichte, war für sie nicht mehr zugänglich und so bestand keine Möglichkeit, die unendliche Flut dieser Heerschar aufzuhalten. Fiel ein Dämon, so erschienen zwei neue, so schien es. Nach und nach wurden sie zurückgedrängt, während die Dämonenarmee eine magische Barriere erschuf, die keinerlei Zugang ermöglichte.
Während sie kämpften, vollzogen die Dämonen ihr Ritual. Uzagul selbst war anwesend. Doch es sollte noch deutlich schlimmer kommen.
Es gab nur einen kurzen Wortwechsel mit dem Kriegsfürsten, den der Tarcil nur als „Fürst des Namens nach“ ansah. Nicht gleich seines Standes. Ein Lakai, kein Herrscher.
Eine weitere Flut von Dämonen folgte, welche die Verteidiger immer weiter zurückdrängte. In dieser Zeit beendeten die Dämonen ihr Ritual und Ba’muth, der Lord der Dämonen, erschien höchstselbst in dieser Ebene.
Für die Elfen war dies der Zeitpunkt, den Kampf aufzugeben und so verkündete er den Rückzug. Nur wenige traten diesen an, während die Elfen jedoch die Sicherheit Ivren’mirs aufsuchten. Nach und nach wurden jene geholt, die den Edhil nahestanden, und auch Pandor selbst sprach wohl den Rückzug an für die Edain. Es dauerte jedoch lange, bis sich zumindest ein guter Teil der Kämpfer auf Ivren’mir einfand.
Es schien so, als ob die Priesterin der duredhil selbst dort auftauchte, zumindest den Erzählungen nach. Für den Fürsten der letzte Beweis, dass die duredhil den höchsten Verrat begangen hatten und willig waren, die Welt den Dämonen auszuliefern. Dies würde noch Konsequenzen haben. Nicht heute, denn das Festland war verloren. Ivren’mir stand nun unter Belagerung.
Naeldir bat Pandor um die Unterstützung der Echidna, dieser sagte diese zu. Es war wichtig, dass die Elfen der Insel flüchten konnten, so die Dämonen dazu übergingen, die Insel selbst anzugreifen.
~~Der Sturm~~
Die Bevölkerung war bereit, sich im Fall der Fälle zu evakuieren. Die Hoffnung lag auf der Echidna der Edain. Ohne das Schiff konnten weder Verbündete erscheinen noch die Bevölkerung fortgeschafft werden.
So weit war es gekommen. Die Hoffnung lag auf die Handlung der Edain. Ein Tiefpunkt.
Die Edhil spähten nach der Ankunft der Echidna, genau wie nach der Ankunft der Dämonen. Sie sahen, wie der Anleger auf dem Festland in Flammen aufging. Das Zeichen, dass der Angriff unmittelbar bevorstand.
Die Echidna traf ein. Pandor hatte Wort gehalten und wohl alles getan, um die Echidna in dieser kurzen Zeit einsatzbereit zu machen. Sie würde den wichtigsten Teil übernehmen, die nicht kämpfende Bevölkerung aufnehmen – und falls es zum Unheil kam, auch die Kämpfer. Sie war der letzte Rückzugsort.
Doch vor allem brachte sie dringend benötigte Verstärkung.
Sie zogen zum Hafen, die Dämonenplage erwartend. Erst Untote, dann Dämonen. Schon bei der ersten Welle mussten sie sich zurückziehen, denn die Masse und Magie der Belagerer sorgte für Verluste. In einem Akt der Tapferkeit konnten sie diese jedoch zurückdrängen.
In dieser Zeit, zwischen erster und zweiter Welle, erschien eine kristalline Elfe. Vielleicht war sie die schützende Instanz, vielleicht war es Magie, vielleicht eine Fügung von Malethon.
Ihm stand es zu, jene auszuwählen, die Kristallwesen erhalten sollte, um die Insel zu verteidigen. Das war eine schwierige Aufgabe, denn er musste all jene bedenken, die nicht mit den Edhil in Verbindung standen und trotzdem an diesem Hafen kämpften.
So fiel seine Wahl auf Armon, Pandor, Niriel, einem Vertreter der Goriam, der Zwergin Everlid und auf einen Vertreter der Söldner.
Und dann trat die Armee der Dämonen wahrlich auf. Nach und nach erschienen die Höchsten der Armee auf ihren Reittieren, bereit, die Verteidiger zu überwältigen. Die schiere Übermacht der Dämonen war überwältigend. Sie kämpften, doch am Ende mussten sie sich hinter das Tor zurückziehen. Und dann marschierte die Armee, mit Uzagul an der Spitze.
~~Fall, Tod und Rettung~~
Die Fronten wurden mehrere. Es schien, als ob Dämonen bereits das Innere erreicht hatten, dazu kamen Spinnenkonstrukte, die aus seiner Sicht nur von den duredhil stammen konnten. Nach und nach zerbrach die einheitliche Front, nach und nach spaltete sich es in kleinere Gruppenkämpfe.
Diese Zeit nutzte wohl Ba’muth, um sich den Sternensplitter zu holen. Dem Fürsten wurde erzählt, dass Ba’muth aufgetaucht sei, Berion entführt sei. Zeitgleich durchbrochen die Dämonen durch untote Diener das Tor mit einem Rammbock.
Das war der Zeitpunkt, sich zurückzuziehen. Ihre Heimat war gefallen.
Er wies Sloan an, dass sie zum Rückzug rufen sollte. Er selbst würde hier bleiben, in der Grotte.
Nur… ihm war der Pfad verwehrt. Felsbrocken waren ihm im Wege. Und so konnte er Ba’muths Macht erleben, als er jene, die auf der anderen Seite verharren musste, weggefegt hatte. Die Macht des Dämonenlords war unglaublich.
Leider konnte er Bilder empfangen, vermutlich ausgelöst durch den Eluvren, die das Geschehen davor zeigten. Berion wurde nicht entführt.
Er war tot.
Er sank auf die Knie, entkräftet. Es war keine Niederlage. Es war viel schlimmer. Sein engster Berater, sein Freund, war gefallen, im Versuch, den Splitter vor dem Dämon zu verteidigen. Seine Heimat wurde überrannt von Dämonen, sein Volk musste Zuflucht suchen bei anderen Völkern.
Selbst für einen, der Jahrhunderte lebte, mag dies ein einmaliges Erlebnis der Vernichtung sein.
In dieser Zeit kam Uzagul dazu. Er selbst war sich dessen Anwesenheit nicht bewusst und bemerkte nicht, wie dieser anritt, um ihn, wie so vielen andere Edhli an diesem Tag, umzubringen.
Riardon, Herth en Tarcil, rette ihn vor diesem vernichtenden Schlag, während der Fürst nur regungslos war. Neben ihm lag noch ein sterbender Lindhel, den er kaum wahrnahm. Er warf sich todesmutig vor dem anreitenden Uzagul, wodurch dieser seinen Plan nicht mehr ausführen konnte.
Naeldir wusste, dass dieser Kampf nicht gewonnen werden konnte. Sein Plan war gescheitert und nun standen sie einem übermächtigen Gegner gegenüber, wo lediglich die Niederlage gewiss war.
So schickte er seine Garde fort, um zumindest den Lindhel zu retten. Er würde sein Versprechen einhalten. Der Letzte der Edhli auf ihrer Heimat, die sie aufgeben mussten. Riardon befolgte diesen Befehl, wie Naeldir es gewohnt war, und so stand er nur noch alleine gegen Ba’muths Kriegfsfürsten, Uzagul.
Es war kein Kampf, es war eine Schmach. Den ersten Schlag des mächtigen Hammers konnte er zwar mit dem Schild abwehren, doch verlor er seinen Schild dabei und lag benommen auf dem Rücken.
Schlimmer noch sollte es kommen. Uzagul nutzte sein Reittier, ein Nachtmahr, dazu, den auf dem Boden liegenden Fürsten zu zertrampeln. Glühend heiße Hufe stießen auf die Rüstung, Rippen brachen, und der Tarcil konnte einen qualvollen Schrei nicht vermeiden, als das Nachtmahr die Hufe auf die Rüstung abstellte und diese anfing, zu schmelzen.
So fühlte sich also der Tod an. Sehr schmerzhaft.
Uzagul ritt davon, ihn verspottend, ihn sterben lassend. Keine Gnade für den bezwungenen Fürsten der Hochelfen – er sollte an seinen Verletzungen sterben.
Naeldir schloss die Augen. Er wusste, wohin er gehen würde, er hatte dennoch nicht die Absicht, dass das letzte, war er sah, seine brennende Heimat war, die zu verteidigen er scheiterte.
Er hörte die Stimme der Erscheinung, die kristalline Elfe, die auch am Hafen erschein. Vielleicht war es nur eine Illusion, vielleicht real. Wer weiß schon, was jemand erlebt, während er stirbt?
Tröstende Worte sprach sie. Doch seine Zeit, so sagte sie, war noch nicht gekommen. Die Edhil bräuchten ihn noch. Und mit diesen Worten brachte sie ihn – er wusste nicht, wie, vielleicht war er in Ohnmacht gefallen – zum See in der Mitte Ivren’mirs.
Dort heilten seine Wunden zumindest soweit, dass er überleben würde. Doch auf Ivren’mir konnte er nicht bleiben. Die Erscheinung fragte, welcher der Edhil die Verantwortung übernehmen sollte, den Tarcil zu pflegen, und seine Wahl fiel auf Armon. Er kannte ihn lange, er vertraute ihn, und Armon kannte die Edain sehr gut und könnte Hilfe holen.
Wie er im Gelände der Assuans erschien, wusste er nicht. Er war dort, als Armon ihn fand. Geschlagen, doch noch am Leben. Wunden, die bleiben würden, doch nichts tödliches mehr. Entkräftet, aber noch ein Wille.
Armon holte Golga von Assuan hinzu und dessen Begleiter, wie früher schon allzu oft auch, fing an, seine Wunden zu heilen, gemeinsam mit dem Magier. Es war der richtige Ort, um sich nach der Niederlage zu erholen, denn er wusste, dass das Gelände der Assuans vor Dämonen geschützt war und kein leichtes Ziel wäre.
Nach und nach wurde er behandelt, Armon half ihm, den Harnisch abzuziehen, unsicher, ob dieser noch zu retten sei. Die Brandwunden waren nicht geheilt, sein Oberkörper kein sonderlich angenehmer Anblick.
Er hatte im Leben einige Niederlagen erlebt, doch niemals eine solche.
Gebrochen.
Doch noch lebte er.
Kein Wort sprach er mit Ba’thal, während Ivren’mir unter Belagerung stand. Vielleicht wollte er auch nichts hören. Doch dies führte zu einer Niederlage.
Er musste sich eingestehen, dass sein Körper nicht genügte. Der Eluvren nahm ihm die Kraft, die Hochmagie zu wirken, die einem jeden Edhil angeboren war. Es schwächte ihn in jeglicher Hinsicht.
Die Feinde waren zahlreich und mächtig.
Es war wohl die Zeit gekommen, dass er das Wissen und die Macht von Ba’thal mehr nutzte. Es hieß, diesen zu stärken. Es hieß, diesem wahrlich wieder einen Körper zu geben.
Gebrochen war der Fürst, doch aus den Splittern sollte sich etwas neues ergeben.