Oder zumindest verschwunden.
Bedauerlich. Aber vermutlich unvermeidlich.
An seinem Plan lag es nicht. Egal, wie oft Alec die Geschehnisse des Abends durchspielt, er kommt immer auf den gleichen Schluss: Torres wäre in jedem Fall durch eine ominöse Sphäre fortgezerrt worden. Vielleicht hätten sie dem Bürgermeister noch ein paar Worte entlocken können, wenn sie ihn durch ein Portal geschubst hätten.
Er wusste etwas. Allerdings wird niemand mehr erfahren, was er wusste.
Jedenfalls lag es nicht an seinem Plan! Der war gerissen und wasserdicht.
Das Vorhaben führte fünf Suromer nach Nebelhafen. Nicht zu viele, nicht zu wenige.
Zwei Priesterinnen, die in die Haut von Greifenwachen schlüpften. Eine Magierin, die als Eidechse durch den Türspalt in Torres' Büro kroch. Einen Späher, der bei Gefahr einen Vogelruf imitiert. Und ... einen besorgten Bürger, der Antworten wollte und dafür bereit war, Torres aus seiner Komfortzone zu zerren. Obwohl Alec nicht viel Zeit für Recherche hatte, konnte er in Erfahrung bringen, wie sehr Torres Kommandat Schwarzfels fürchtet.
Aber es stellte sich heraus, dass sich Torres vor etwas Anderem noch mehr fürchtet.
Der Weg nach Nebelhafen lief glatt, die beiden Wachen wurden imitiert und der Trupp näherte sich unbemerkt vom Hafenviertel aus dem Bürgermeisterhaus. Harvi wurde mit einem Stück Schokolade, das mit Baldrian versetzt war, zu einem Nickerchen verdonnert. Das Kind war gierig, wer konnte schon ahnen, dass Harvi direkt beide Tafeln verschlang, als hätte er tagelang nichts zu essen bekommen? Zwar misstraute er Sarah, der Greifenwache vom Hafen zuerst, aber die Aussicht auf Süßes durchbrach seine Schutzmauern. Was hatte er auch zu befürchten? Eine Wache stand vor ihm, zwei bewachten die Tür zu Torres Büro.
Verdammt, da harrten zwei Wachen, die gestern noch nicht da gewesen waren.
Sie mussten umdenken und schnell handeln. Harvi schlief auf der Bank, aber so dicht am Auktionshaus gab es immer neugierige Blicke. Ein Wachwechsel war unglaubwürdig, scheinbar wurden die beiden Greifenwachen dorthin befohlen. Der Versuch, sie zu übermannen, würde jemanden alarmieren. Deswegen versuchten sie es mit einem anderen Vorwand: Unruhen in der Nähe des Hafens. Verstärkung wird gebraucht.
Die beiden Wachen blieben zuerst eisern, dann ergriff die Soldatin die Initiative und überzeugte ihren Kameraden zum Aufbruch. Der Sinneswandel war ungewöhnlich, aber darüber konnte er später nachdenken. Das musste er auch. Hätte er doch nur auf seinen Instinkt gehört, dass etwas nicht stimmt!
Sie drangen ins Büro vor, stellten Torres zur Rede, bekamen mehr Gejammer als Worte aus dem Bürgermeister heraus. Was für ein Schwächling! Er gab ihnen nichts. Torres Worte waren so nutzlos wie die Dokumente, die er in seinem Büro aufbewahrte. Er war ein Nichts, ein loses Ende.
Doch dann erwähnte Torres einen Mann, der überlebt hat. Das muss der Kerl sein, der den Weg zur Insel kennt. Der irgendwann in Nebelhafen auftauchen soll, wenn man den Worten des Monarchen Glauben schenken will.
Alec beißt sich in der Information fest wie ein Hund an einem saftigen Stück Fleisch. Er bedrängt Torres, giert nach einer Antwort, nach irgendetwas!
Aber der Bürgermeister ist wie versteinert. Der Grund kommt zur Tür herein, als wäre sie nicht magisch verschlossen. In der Ferne ruft ein Käuzchen, die vereinbarte Warnung für Gefahr.
Die Wache, die vorhin noch vor der Tür patroullierte, verschafft sich Zugang, ignoriert die Magie, die gewirkt wurde. In dem Moment begreift Alec, dass Torres ein toter Mann ist. Was seine Annahme stärkt, dass Torres etwas weiß. Wusste.
Die Wache verwandelt sich in ein großes Schlangenwesen, die Hellebarde wird zu einem knorrigen Stab. Gestaltwandler. Orphidian. Davon war in einem der Fragmente die Rede. Erst die Minotauren, nun der Orphidian. Das sind ja hervorragende Aussichten!
Torres wird von einer Sphäre verschluckt. Alecs Versuche, ihn festzuhalten, scheitern. Die Zauber scheitern. Sind sie die Nächsten? Jedoch verschont der Orphidian sie. Er verschwindet, hinterlässt noch mehr Verwirrung und Frustration.
Der Abend bringt keine Erkenntnisse, die sie weiterbringen. Er zeigt nur, dass jemand ein Katz-und-Maus-Spiel mit ihnen veranstaltet. Sie dienen nur zur Unterhaltung und bald als Nahrung. Wofür auch immer.
Nur eine Gewissheit hat der Versuch gebracht: Unter ihnen wandeln Gestaltwandler. Was bedeutet, dass sie niemandem trauen können.



