Morloch der Ork

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Morloch
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Morloch der Ork

Beitrag von Morloch »

Kapitel I: Thron aus Dreck

*Ein Orkhorn ertönt!* 
Das konnte ein jeder in der groben Umgebung deutlich hören. Was aber das geschulte Spitzohr hören konnte, sofern im Stammesalltag nicht zur Verdrossenheit erzogen, war die Rückkehr der Wolfreiter und Späher. Und außerdem, dass dieses Orkhorn nicht zum ersten Mal behelfsweise neu zusammengebunden worden und jede Haltbarkeitsprognose unterirdischer war, als ein zwergisches Grab.
    
Wie jemand, dem man die Konzentration geraubt hatte, öffnete Morloch die Augen. Er drückte sich von seinem "Thron", der nicht mehr war als ein Haufen Dreck und Knochen. Er hätte gefaucht und geflucht, wäre er nicht allein gewesen - wenn auch nur zur Selbstdarstellung. Stattdessen zog er mit Ruhe und gleichmäßigen Bewegungen den Opferdolch aus der Stirn des Totenschädels, der bei dem letzten Ritual der älteren Schamanen für ihn abgefallen war und jetzt, auf der Suche nach Abgeschiedenheit, mit Bedacht als Fixpunkt seiner Gedanken auf einer Standarte vor ihm platziert war. Während auch das Blut wieder seinen Gang in die lange still verharrenden Körperteile nahm, tapfte er los in Richtung des großen Lagerfeuers. Schließlich hoffte er, es gäbe wenigstens etwas zu sehen, zu haben - wenn schon nicht die Einsamkeit mit der Zwietracht der eigenen Gedanken. Oder auch nur was zu fressen.. dem Leben müde genug, oder dämlich, sich in die Orklande zu "verirren".

Zurück innerhalb des Orkforts schmissen die Reiter ab, welche Beute sie beizubringen hatten. Darunter ausblutendes Wild und Geweihe, Gedärm, Nachtschattengewächs und eine ungewöhnlich große Molchskröte, die zweifelsohne Neugier und Vergnügen eines der Orkschamanen auf sich zog und kurzum in eine Hütte verbracht wurde. Einer der Reitwölfe warf die Rückenlast gleich selber ab, und seinen Reiter in den Morast. So konnte er immerhin hastig ein Maulvoll mehr für sich selbst aus der Beute reißen, bevor ihn einer der nachzügelnden Späher mit dem Speer gängelte. Ein anderer Wolf, der von den noch warmen Körpern stehlen wollte, hatte weniger Glück. Eine Axt krachte ihm als letzte Dressurmaßnahme ins Genick. Die Speisekarte füllte sich weiter.

Die Späher kehrten mit Lebendigem zurück, für den Moment jedenfalls: ein verletzter Alter, selber auf der Jagd, und das, was von seinem erwachsenen Sohn übrig geblieben ist, nachdem die Orks ihn mit ihrem typischen Charm aus den Bäumen gebeten hatten. 
 
„I-Ich bit-... bitte lasst m-mir mein Leben! Bei Kerissar, mein Sohn ist tot! Lasst mir mein Leben! Ich bin alt!"
 
Der Mensch haderte mit seinem Schicksal.
Es heißt, hohes Alter hätte schon einmal aus den Fängen der Orks befreit. Es heißt aber auch, die wenigen Geschichten darüber sprechen für die geringe Zahl an Zeitzeugen.
 
Regen prasselte auf die Knochenhauerberge. Die Feuer im Fort fraßen sich weiter in die noch graue Nacht, wenn sie sich nicht unter der einfallenden Nässe wunden. Einzig dem Lagerfeuer blieb der Regen gleich; ein paar Orks zogen sich unter den Holzbauten ins Trockene zurück und wieder andere blieben mit der Beute beschäftigt. Der Großteil Orks beteiligte sich mit Lautbarungen von Spott und Blutlust am Geschehen und schaukelte sich gegenseitig hoch. Auch in dieser Nacht würde es wohl keinen Zeugen geben.
Morlochs Fratze erhellte sich neu mit jeder Fackel, an der er vorbeizog: ein durchschnittlich großer Ork mit fahlgrüner Haut, langes Haar das als hässliche Strähnen ins Gesicht fällt, gelbgraue Augen und eine Portion unmissverständliche Ambition dahinter. In der einen Hand der Dolch, in der anderen ominöse Rituszeichen und Attitüde. Zunächst hieß es heute nicht leer auszugehen. 

Gerade hatte er lauthals damit begonnen, in den aufgeregten Lärm seiner Brüder miteinzustimmen, da rollte ihm der bärtige Menschenkopf entgegen. Er stoppte ihn mit dem Fuß und den knöchernden Gliedern zwischen Ohr und Scheitel. Interessant genug, ihn nicht mehr aus den Händen zu geben, ohne sich seine Zeit damit zu lassen. Die vielen Stunden mit sich selbst hatten den Ork jedoch ohne Zweifel hungrig gemacht.. so galt es, sich noch gegen seine Brüder durchzusetzen. Eine Halbchance. Denn bisweilen war es Faustkampf, nicht die Attitüde allein, der ihm zu einem vollen Magen verhalf. Der Jungschamane stand noch am Anfang - raue Sitte.
Zuletzt geändert von Morloch am 28 Okt 2021, 18:50, insgesamt 2-mal geändert.
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Morloch
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Re: Morloch der Ork

Beitrag von Morloch »

Kapitel II: Teufelsmund
 
Primitive Trommelrhythmen schlugen sich bereits in den fahllichtigen Morgenstunden am Fuß des Orkgebirges durch die Schluchten. Sie begleiteten den wandernden Nebel und verhängte Wolken, unter denen die Luft sich so schwer und klamm anfühlte, dass man sie hätte greifen können. Die Orks hatten sich in einer Schar versammelt und schenkten ihrem Häuptling Gehör, der neben Kriegskunst auch für Kriegsrede früher mehrere Kerben im Stammesbrett hatte. Trächtig mit Selbstgefallen und anheizenden Schwüren ergab der Ork sich aber auch in taktischem Geplänkel für kommende Tagwenden – und so verband sich der verherrlichte Wille der Orkgötter wieder mit der gelebten Realität.

Kehliger, innbrünstiger Zuspruch voller Auftrieb und gelegentlich einstimmendes Wolfsgeheule. Das war es, das den Klang der Trommel in regelmäßiger Einheit nun immer wieder überbrach, während Äxte, Hämmer und Schwerter dem kaum sichtbaren Himmel entgegengestreckt wurden. Auch die Schamanen wohnten dem Geschehen bei, wenngleich es normalerweise sie selbst waren, die sie vorzogen von holzverschlagenen Vorsprüngen reden zu hören. An diesem Tag standen zwei von ihnen nur halbschräg in zweiter Reihe, sodass zumindest der Ausblick auf die Orkschar nur unwesentlichen Unterschied im Winkel nahm.

Gerade hatte Morloch nochmal die Reihen vor seinen Augen zu seiner Zufriedenheit mit seinem Blick begangen, als dem Häuptling wiederum tosende Zustimmung entgegenschmetterte – und ehe die Lautstärke wieder aus dem Gebirge entwich, surrte der Bolzen eines orkischen Kriegsgeräts unweit des eigenen Kopfes in den hölzernen Stützpfahl, neben dem er stand. Ohne dem Geschehen abzutragen, sah man, wie vereinzelte Blicke sich hoch zu den beiden Schamanen drehten. Sie bleckten ihre hässlichen Zähne und Hauer in Missbilligung für den jungen Späher, dessen Armbrustsehne sich im Jubel versehentlich gelöst hatte und somit beinahe sein unfreiwilliges aber gewisses Todesurteil besiegelte.
Andere Orks in der Menge ermahnten mit beherztem Schubsen und Schlägen, die dem sich so plötzlich in Ungnade wiedergefundenen Ork bestenfalls vorweg genommen hätten, was der aufstrebende Schamane wusste, sich im versammelten Beisein nicht vorwegnehmen lassen zu können. Was folgen würde, war zu ahnen – davon hatten sich die übrigen Orks in den vergangenen Wochen ein lebhaftes, und für Feinde nicht selten tödliches Bild machen können: ein Feuerball regnete unter seltsamer Geste und gesprochener Aura in die grobe Richtung des Schützen herab und versengte dabei, was ihm in die Quere kam. Teile von Haar, Haut und Wams später konnte man sich scheinbar kompromissbereit darauf einigen, dass dieser Tag ein Glückstag für den Schützen sein musste. Aber der Zorn der anderen, deren Schultern unweigerlich spurvoll gebrandmarkt wurden, war dem Jungork weiter gewiss – und so setzte Morloch sich fauchend seine Knochenfratze aufs Gesicht, hinter der er sich ungesehen in Zufriedenheit an der Anzahl derer, die seine Fähigkeiten einmal mehr bezeugt hatten, ergötzen konnte.
  
Morloch hatte unter seinen Stammesbrüdern zuletzt einige gute Hiebe setzen können. Solche, die Spuren hinterließen. Aber auch sinnbildlich, was sich für ihn als förderlich in der Hackordnung der Orks erweisen sollte. Er nutzte die Gelegenheiten die sich ihm geboten hatten, um mit Nachdruck und List, Feuer und niederen Zaubern glaubhaft zu machen, eine feste Verbindung zu Agrazh und seinen gefallenen Dienern im Totenreich zu pflegen, die sich zu bewähren galt. Erfolgreiche Jagden und eine Zahl an Raubzügen, bei denen die Orks ihr selbstverkündetes Bodenrecht durchsetzten, hatten sich zu ihren Gunsten entscheiden lassen. Auch seine Eigenheit, stundenlang abgeschieden zwischen den Kluften des Gebirges mit Schädeln zu hantieren oder scheinbar tatenlos am Schrein zu sitzen, löste sich unter den Orks vermehrt zu stillschweigender Akzeptanz schamanistischer Unergründbarkeiten und Wohlgefallen auf - zu seiner Zufriedenheit, wachsendem Ego und einem hässlichen Beinamen. Draratûl – so hatten ihn die Krieger hinterrücks halb spottend, halb anerkennend getauft. Teufelsmund.
  
 
 
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Vom Podest aus, über die Köpfe der Scharen hinweg, zeigte sich der Rest des Orkforts in Gänze und gab der andauernden Szenerie einen lebhaften Hintergrund. Wer sich vom Geschehen weiter in Richtung der Berge entfernte, konnte den wiederkehrenden Aufruhr der Versammlung für sich in dumpfem aber beständigem Schall bändigen. Im Gegenzug dafür standen hier der Geruch von Stahl und Feuer in der Luft, dem der auf werdende Metalle niederklimpernde Hammer eines schier riesigen Orks Drall gab. Die Gestalt war übersäht mit drangsalierten Hautstellen und Narben, wohin auch immer man sehen würde. Von den großen, knolligen Gliedern, von Arm zu Auge. Dem Anschein nach Wunden alter Tage – und darunter vermeintlich eine Vielzahl, die von Glut und heißem Eisen rührten. Tulatsch, Mez'Drasdech und Urgestein des Tryl'hi-Stamms. Ein Handwerker und in seiner Gewichtsklasse eine Erscheinung, selbst unter den Orks.

Morloch überblickte die Masse. Er kannte das Lager. Und er erkannte besondere Momente in der Mache. Der Häuptling donnerte unter dem vielen orktypischen und schmuckhaften Geplänkel nicht ungehört von dem Dreck, der sich weiter östlich, über den Fluss hinaus, vor langer Zeit niedergeschlagen hatte. Gemeint war die Ettinfestung in den Bergen, die man im Auge behalten und immer wieder gestört hatte. Noch mehr meinte er aber den Anführer der Zweiköpfe.
Zunehmend und Stück um Stück setzte sich für den Jungschamanen zusammen, was die Geschehnisse der letzten Tage ankündigten. Was den träge gewordenen Orkhäuptling dazu bewegen konnte, wie in neu gefundenem Tatendrang die Versammlung auszurufen und selbst voller Innbrunst das Wort zu führen, ohne den Schamanen die "Palavararbeit" aufzuhalsen. Und schließlich dämmerte ihm auch, was die ungewöhnlich groß ausfallenden Kettenfesseln in den arbeitenden Händen des fähigsten Drasdech verheißen sollten. Der Häuptling war heute beseelt von einer Idee, die sich entweder bald in mehr Aufruhr und Taten manifestierte, oder morgen schon wieder zwischen ihm und dem durchgesessenen Thron ersticken würde...
Zuletzt geändert von Morloch am 28 Okt 2021, 18:50, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Morloch der Ork

Beitrag von Morloch »

Kapitel III: Naggaî

Reges Treiben ging im Orkfort vor sich. Die letzten Mondläufe waren ereignisreich und hatten Umschwung mit sich gebracht. Raz'nok, der fett und faul gewordene letzte Orkhäuptling, fand sein Ende durch die Pranken von Groukh, der durch eine Verkettung von List und Strippenzieherei des Schamanen und Schicksal den Thron errungen hatte und mit Morlochs Segen zum Oberhaupt des Stamms der Tryl'hi wurde. Letztlich waren die aufgehende Pläne immer noch die besten. Die alten Krieger sahen der Zukunft nunmehr wieder mit Zuversicht entgegen und öffneten den Blick für das, was kommen möge. Während Äxte und Klingen in Blut und Feuer brannten und die nächste Herausforderung suchten, stählten noch weniger erfahrene Krieger, Handwerker und Jungorks ihre Kriegskunst und materiellen Fähigkeiten unter neuer, wieder erstarkenden Führung. Es wurde höchste Zeit, dass Groukh, der Orkhäuptling, seine Worte nun mit Taten untermauerte. Hier und dort gab es Geplänkel mit den Dunkelelfen, welche ihre spitzzüngige Anerkennung für das verheerende Feuer in der Brust und dem Handeln der Orks zum Ausdruck brachten und nunmehr schienen gelernt zu haben, ihre Häupter im Reich der Tryl'hi angemessen zu senken. Allerdings rückte der Nutzen, den die Orks in den Dunkelelfen sahen, mit der Zeit weiter in den Hintergrund. Nicht zuletzt, weil Groukh seine eigenen Absichten hegte, die vom alten Bündnis unweigerlich abrückten – jedoch auch, weil die Dunkelelfen selbst im Unterreich Umbruch einläuteten und sich vermeintlich neu sortierten. Man könnte meinen, dass sogar das Geheule der Wölfe dieser Tage anders durch die Schluchten kroch...

Es wäre denkbar, dass das Schachspiel um Leben, Tod und den Häuptlingsthron im Orkfort dem Schamanen einiges an Geduld und Kraft geraubt hatte – doch während der Stamm noch der letzten Brut Raz'noks, die sich in Überlebensdrang aus dem Fort und ins Freie gerettet hatte, nachstellte, beschäftigten Morloch indes andere Gedanken. Sie plagten ihn gar. Sie erschöpften seinen Verstand.. und damit auch seine Präsenz.

Die Geistmagie des Orks hinterließ spürbare Folgen und zehrte an seinem Leib. Seine Fratze verfinsterte sich in der Einsamkeit mit den Gedanken, die er zuvor für sich und sein Wirken zu Wert und Macht zu formen lernte. Die Lehren seiner Verbündeten, der Mutter Oberin alter Tage, hatten sich hierfür ebenso als nützlich erwiesen, wenn ihnen auch Befremdlichkeit inne war. Doch verlangte diese düstere Stunde danach, sich selbst für das Überleben zu bewähren. Trotz aufgehender Pläne – wie der Sicherung des Fortbestands des Stamms – schien es vermehrt, als würde ihn das Spiel mit andersweltlichen Kräften zerfressen. Die Magie ihre Narben zu zeichnen, im Geist und auf der Haut. Viele Nächte verbrachte er in einem Zustand irgendwo in der Ödnis zwischen Wachheit und Schlaf, bis der eigene Körper sich unter tausenden empfundenen Nadelstichen von sich selbst entfremdete. Innere Ruhe und belastbare Konzentration wurden zunehmend rar. Die Gedanken ruderten vor und zurück – und so genau wusste er selbst nicht, worum sie sich im Grunde drehten. Es waren wohl vor allem die andersweltlichen Stimmen, die ihn wie ein lauter werdendes Flüstern im Ohr begleiteten. Keine klare Sicht, keine klaren Erinnerungen. Lediglich die Gewissheit darüber, dass er nicht wusste, der Stimme zu entkommen.

Mehrmals hatte sich Morloch in den letzten Mondläufen nun schon aus den Fellen seiner Seitenschlucht geschält und wie im Irrwandel die Füße über Gras und durch Morast gezogen, um seinen Körper mit anderen Eindrücken als Pein zu beschäftigen – ohne viel Erfolg. Wenn er nicht auf dem Beithron saß, irrte er. Wenn er saß, befahl er neben Groukh den Stamm, träumte und vergaß. Manchmal beides.. und rung mit sich selbst.

An einem anderen Abend, der ihm einen vermeintlich freien Willen erlaubt hatte, tappste er mit seinem utensilienbehangenen Hüftgürtel durch das Gebirge. Er würde den Gottschrein in seiner Verworrenheit um Rat bitten...
Zuletzt geändert von Morloch am 08 Mär 2023, 06:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Morloch der Ork

Beitrag von Morloch »

Leise knisterten die Feuerschalen und das brennende Gebinde einer einsamen Fackel in einer Seitenschlucht. Die Felswand zieren eine Vielzahl von Rituszeichen und blutigen Nachspuren. Mit Seil und dicken Ästen sind Gebeine und zu unheilvoller Dekoration geschlagener Stein in der Schlucht befestigt. Im Mittelpunkt des Auges, etwas näher am Fuß des Felsens selbst, steht ein Abbild Agrazhs – und an den Wänden, noch größer, wabert durch das Feuerlicht sein Schattenbild.

Morloch verharrte in ehrerbietender Haltung und geschlossenen Augen. Das fahle, strähnige Haar fiel von seinem Haupt vor seine dämonische Fratze und an ihren Seiten herab. Ein Gefühl für Zeit und ihre Vergänglichkeit hatte er vergessen. Oder er entschied sich willentlich, ihr keinen Gedankenschlag einzuräumen. Der Schamane alterte. Äußerlich – so war der Kreislauf des Fleisches. Im Inneren rung der Geist mit andersweltlichen Dingen. Freund und Frevel. Ungewiss war bloß, wie lange er hier schon saß und kniete. Wie lange er schon in Aura zu sich, vor sich her... mit wem oder was er sprach oder warum er schwieg.

Wie gewöhnlich waren seine kralligen Füße nackt. Er schätzte die Spürbarkeit von Dingen, war er doch in junger Vergangenheit so oft, vielleicht zu oft, losgelöst vom Geerdetsein, verloren in vielem, verloren im Nichts. Die Beine bedeckt mit einem Verschlag aus blutgetränktem Leder und dullen Metallen. Der Oberkörper mit Zierknochen und Rüstwerk aus den Resten der 'weißen Schlange' behangen. Unter ihm ein Strohgeflecht. Neben ihm, auf einem Stein im Dreck, sein Opferdolch..
 
~
Olorgh,
Sht'uuur-bulûrz...
Y'shik sht'uuur-gal!
Matat-za em wor.
Y'shik-tuur gital..
..
K'antschal,
Sht'uuur-bulûrz...
Y'shik sht'uuur-gal!
Matat-za em wor.
Y'shik-tuur gital..
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Zha!
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Leise Worte entronnen dem Ork wie ein Mantra. Die Intonation ließ vermuten, dass er sie bereits eine Weile wiederholte. Er hatte länger nicht gefressen. Wasser sah er auch schon länger nicht. Sein Mund war beinahe trocken geworden und hätte gestört, wäre die Hingebung geringer und sein Handeln weniger von als fremd empfundenen Gedanken bestimmt. Die anderen Orks sahen ihn zuletzt am großen Feuer, von wo er sich nicht das erste Mal vielsagend zurückgezogen hatte. Sie wussten, dem Schamanen seinen Raum zu lassen. Er war mindestens so eigenbrödlerisch, wie er anderer Tage zu 'Scherzen' nach Orkmanier aufgelegt war – doch auch das wurde weniger, er ernster und Groukh mittlerweile argwöhnischer, wenn es um das Tun des Schamanen ging. Groukh, dessen eigenes Schicksal oft schon verwoben war mit den Gedanken und der Art und Weise, wie Morloch dem Tag begegnete und welche Fäden wo – und wann – von ihm gezogen wurden, um den Lauf der Dinge zu beeinflussen. Groukh, der die Denke des Schamanen im Grunde besser kannte, als irgendwer sonst und lange bevor er auf dem Häuptlingsthron Platz nahm schon ein verlässlichler Arm, gar ein Freund wurde, um die Geschicke des Stammes im Schatten der unrühmlichen Eitelkeiten anderer Orks, auch des letzten Häuptlings, zu 'korrigieren'.

Irgendwann früher, noch vor Einbruch der Nacht, sahen Grez'Bor und der Spähtrupp Morloch schon regungslos am Schrein fristen. Sie wussten besser, also sprachen sie nicht zu ihm. Höchstens über ihn.. doch der Schamane hörte nicht ihre Stimmen.
 
~
K'antschal,
Sht'uuur-bulûrz...
Y'shik sht'uuur-gal!
Matat-za em wor.
Y'shik-tuur gital..
.....
...
~
 
Im Einklang mit den Worten, so scheint es, bewegten sich die Flammen und gaben ihr Licht ab an die Nacht. Der Ork wie in einer meditativen Trance. Auch diese Nacht würde er weder fressen noch trinken. Doch was war es, das ihn dazu bewegt hatte, mit den Toten und dem eigenen Verstand zu verhandeln? Er versuchte sich zu erinnern. Das bereits Gesehene noch einmal zu sehen. Es besser zu verstehen. Zu ergünden, oder herauszufordern? Die Trance und ein leeres Fläschchen Rauschmittel ebneten den Weg zurück ins Innerste...

In diesem unbestimmbaren Augenblick war es, dass die tanzenden Feuer wie leblos ergrauten, die Zeit beinahe unbeweglich wurde und aus dem fahlen Licht etwas, oder jemand, nach der Seele des Orks griff. Nicht mehr als ein Schemen. Nicht weniger, als das Unheil selbst...
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Morloch
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Re: Morloch der Ork

Beitrag von Morloch »

Ein Moment wie eine Ewigkeit. Regungslos und ohne Widerstand verharrte sein Fleisch vor dem Schrein, als würde das Leben des Orks stillstehen, wie in diesem Augenblick die Flammen. Das Gegenteil jedoch im Innersten, wo tausende Gedanken gleichzeitig seinen Geist bis zur Erschöpfung beschäftigten. Er sah so viel – und doch verstand er so wenig von all dem. Er spürte Kälte, auf und unter der Haut. Quälende Impulse, wie kaltes Feuer, das keine Konzentration zulassen würde. Und dann... sah er nur Blut, das ihm seine eigene Fratze, gehörnt und ohne Haut und Haar, entgegenzeigte, wie in rotes Glas gegossen. Ein Spiegel aus Blut, der ihn schließlich wieder ins Jetzt und zu tausend verworrenen Fragen entlassen sollte, auf die er noch keine Antworten wusste. Der Knochenschädel jedoch – irgendwo im Orkfort hatte der Schamane ein ähnliches Abbild einst in den Händen gehalten.

Morloch wendete sich gequält im Dreck. Von seinen Fellbehängen hatte sich mittlerweile gelöst, was sie zusammenhielt und ihn der Nachtkälte überlassen. Die Feuerschalen waren mit der Zeit erloschen. Und die Statue des Orkgotts, von wo zuvor die Schatten nach ihm griffen, war neben den Felsen das Einzige, was unbeirrt Stand gehalten hatte. Der Ork tastete mit den knorrigen Fingern zwischen Stroh und Dreck nach seinem Dolch, der noch irgendwo liegen musste. Vielleicht versprach er sich so ein Gefühl von Sicherheit, etwas Gewohntes inmitten der fremden Gedanken, woran er sich klammern konnte. Schließlich stemmte er sich aus dem Dunkel und verließ diesen Ort, diese Schlucht, solange sich sein Körper erinnerte, wie man zum Überleben einen Fuß vor den anderen setzte..
Dann ein letzter Gedanke: dieses 'Emblem', der gehörnte Schädel. Er prangte in auffallender Ähnlichkeit auf dem Ritualbuch eines längst vergangenen Orks, der sich eigenen Zielen verschrieben und seither, freiwillig oder unfreiwillig, keinen Fuß mehr ins Fort gesetzt hatte. Ein einziges Mal, als sich in einer List die Gelegenheit bot, hatte Morloch ehrfürchtig hineingesehen. Seiner Zeit hatte er nicht verstanden, was das Buch ihm darlegte. Nur eines brannte sich in die Erinnerung, wie eine faule Narbe: Fluchmagie. Jetzt, in seiner Not, drängte sich ihm Neugier auf.. und ein beklemmendes Gefühl, jenes Buch womöglich an die Tumulte im Orkfort, die er selbst auf den Weg gebracht hatte, verloren zu haben.

Morloch machte sich daran, des Ritualbuchs habhaft zu werden. Er schwor es sich. War er doch verzweifelt genug, sein Leib immer schwächer und seine Auswege erschöpft. Gegen jede Vernunft, die ihn zuvor davon abgehalten hatte..
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Morloch
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Re: Morloch der Ork

Beitrag von Morloch »

Die Wege des Schicksals waren schon immer unergründlich – auch, wenn sich so mancher in eigener Weltauslegung glaubhaft machte, das Schicksal ergründen zu können. Morloch erkannte in der Rationalisierung von Dingen, die in seinen Augen nicht rationalisierbar waren, Arroganz und Fehlgeleit. Nicht minder war er arrogant, hatte er seine eigene Sicht doch über die Zeit selbstüberzeugt verinnerlicht, mit Blut unterschrieben, ohne am Ende zu wissen. Aber er glaubte. Und er lauschte..
Unergründlichkeit war es auch, das den Stimmen, die sich in einmaliger Penetranz im Schädel des Orks viel zu lange schon selbstvermehrten, zu Grunde lag. Hatte er den Verstand verloren? Seine Seele verkauft, ohne zu gewinnen? Jedenfalls wusste er nicht. Er glaubte: an die Widerstandskraft, die er zu lernen hatte, wie auch das ganz eigene Schicksal, das ohne sein Zutun nicht mehr sein konnte, als der Weg zurück in den Dreck, ein sich selbst zerfressender ‚Thron‘ zwischen Fäule und Morast, ein Ende das seines wäre.



~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~


 
Zwei Nächte wühlte er von Kiste zu Kiste, von Hölzern zu Schriftrollen, Fellen und schamanistischem Utensil, während der Körper weiter versagte. Er wurde gesehen. Und wer ihn sah, sah ihn denkbar mit dem Kopf voran in Stammeskram, wie ein müdes Blatt auf dem Wasser. Ohne Erfolg. Auch die Häuptlingstruhe, von der er noch wusste, wie man sie öffnet, war im Übermaß befüllt, doch unterbreitete sie bloß ein karges Angebot für seine dringendsten Zwecke.

 
Während er in einer der Hütten kopfüber im Regal ‚rastete‘, blubberte ihn etwas aus einem entschnürten Lederbeutel an. Es war eine der fetten Molchkröten, die ein Giftmischer oder Schamane wohl vergessen hatte – und nunmehr dem Ork spottete, indem sie ihm die klebrige Zunge über die Nase zog, wie eine freudige Bekanntschaft. Für Morloch fühlte es sich an, als würde die Zunge ihm den Kopf von den Schultern heben, so verloren von Rat und Kraft er war. Er hätte sich nicht wehren können, selbst wenn er wollte, wusste er doch nicht mehr wie. Also drehte sich der Kopf in Richtung des Tieres, wie ein letzter Versuch, die Gedanken durch die bevorstehende Unansehnlichkeit der Kröte abzulenken. Der alte Groukh wäre wohl krachend umgefallen, hätte er den Schamanen so glanzvoll vorgefunden - doch diese Tage waren längst vergangen.

Wieder schweiften die Gedanken unwillkürlich ab.. und in diesem Moment, als wäre all seine Gewissheit über das Schicksal erneut hinfällig, fiel sein Blick geradezu an der Unke vorbei auf das wohl verwittertste schrägste Holzregal, das die Orks noch nicht zu anderen ‚Diensten‘ verbrannt hatten. Er schob sich über die Planke, die Krötenzunge löste sich und der Schamane begann noch einmal zu tasten. Irgendwo inmitten des besseren Abfallhaufens griff er zu.
Morloch hielt das emblemierte Buch schließlich in den hässlich dürren Händen. Es war das Ritualbuch aus einer weit entfernten Erinnerung, von dem er sich Antworten – und gleichsam Linderung - erhoffte. Es würde Zeit brauchen, die Seiten hinter und die Aufschrift, ~Naggaî~, unter dem gehörnten Schädel zu deuten, oder gar zu verstehen, denen er zuletzt als Jungwuchs bereits einmal so nahegekommen war. Blutband.
Genauso würde es dauern, das Vertrauen des Stamms für seine Sicht auf die Weltdinge zurückzugewinnen. Die Taten des Orks, die den Tryl'hi – und ihm selbst – einst so zuträglich waren, mussten nunmehr als vermeintliche Tatenlosigkeit und Irrwahn für alles verblasst sein, das nicht in seinem Verstand lebte. Oder dem, was davon übrig war. Kein Ork, nicht einmal er selbst, konnte seine verworrenen letzten Wege erklären. Er war eine verwaiste Murmel, die irgendwo, irgendwie zwischen den Geistern und dem Magiegeflecht aus seiner gewohnten Umlaufbahn geschossen wurde, eine Motte die kein Licht mehr fand. Neue Wege mussten her für das müde Innere, um zu überkommen, was in der Dunkelheit da für ihn lauerte wie eine finstere Macht, eine Probe an der er wachsen musste - oder für immer verging. Das spürte der Ork.

Morloch atmete den Rotz. Der erste klare Gedanke, den er seit Langem fasste, kam ihm: lieber würde er sein Ende in jenem Unheil finden, das sein Schicksal für ihn so unnachgiebig bereithielt, als in Tod oder Verbannung durch Überdruss eines Orkhäuptlings, mit dem ihn noch lange nicht so viel Wohlgefallen und Verständnis für seine Wege verband, ein Ende durch Khar’Gradosch.

Er fing an Ort und Stelle an, das Naggaî zu lesen, und endlich wurden die Stimmen leiser.

Nun flüsterten die viel zu alten Seiten. Und er würde lauschen...

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Re: Morloch der Ork

Beitrag von Morloch »

Kapitel IV: Namenlos

Während die Seele des Orks sich zwischen dem Magiegeflecht und einer namenlosen Macht verlor, zwischen Geistmagie und Fluch tanzte, oder sich unter ihnen duckte, und seinem körperlichen Fortdauern ein Tribut aus Blut gezollt worden war, änderten sich die weltlichen Dinge um ihn herum – nur hatte er dieses Mal die Fäden nicht selbst in der Hand gehalten. Es war das Feuer in der Brust seines erstarkten und wachsenden Häuptlings, Khar’Gradosch, das nunmehr dafür brannte, alte Feindschaften zu Nutzen zu machen, um neue Kriege zu führen. Oder waren neue Kriege indes doch nur ein undurchsichtiger Schleier, ein Vorhang, der davon abhielt, Licht ins Dunkel vordringen zu lassen? 
Für den wachsamen Beobachter ergaben die jüngeren Entwicklungen ein Bild, das klar genug schien. Die Rotroben des Magierbunds Ynas enis Alwanzessar waren nicht mehr Ziel der Waffen und Riten des Orkstamms, sondern vielmehr ein stechender Dorn seiner Machenschaften, die im Verborgenen in die Form von kriegerischen Plänen geschmiedet wurden. Azzachtai, der dem Häuptling rechte Hand bot, während Morloch durch die Schatten kroch, tat gut daran - doch verlor sich jener in den Elementen, die er zu beherrschen strebte. Lange hatte man den Feuerweber, den schwarzen Sturm, nicht gesehen. Manchmal, so beschlich Morloch, war der klügste Rat der, der vom geringsten Machthunger verleitet war. Stattdessen würden Uzulak, der Überbringer, und Agrazh die Orks erneut tatsächlich leiten müssen. Die Orkschamanen, so schien es, würden von Neuem lernen müssen – hart oder tödlich – in Niedertracht für vieles nicht Untergebung für ihre Götter und Niedermut für sich selbst zu vergessen. Eine ungewöhnliche Lektion – waren die Absichten der Tryl’hi doch blutrosig in Gedeih.

Morlochs Opferdolch galt einst das Versprechen, das Blut des Sturmrufers über die Erde der Lande zu verteilen, an den Wind zurückzugeben und dessen Leib – früher oder später – wie ein geschlachtetes Tier, als schmuckhaftes Manifest für orkische Beharrlichkeit, auf einer Standarte vor den regengetrübten Palisaden des Orkforts zu errichten, nachdem er keinen Nutzen mehr für seinen Schädel hatte. Es war Balthasar, der für Morloch keinen Namen trug und tragen brauchte, der einst den Sturm und Tod und seine Magier in die Orklande führte. Diese Tage waren niemals vergessen. Jedoch… haderte dieser Schamane nicht mit der Besessenheit alter Tage Versprechen, war er gerade seinem eigenen Tod entronnen. Er hatte schlicht nicht die Bequemlichkeit. Stattdessen ordnete er die Sicht auf die Dinge, wie seine Götter ihn mit harter Hand befahlen, wo der Draratûl erneut seinen Platz über dem Abgrund hatte. Er kratzte in Horn und Stein, verbildlichte so den Willen Uzulaks, dem Kriegsherrn, der in Wirklichkeit nicht weniger sein eigener war. Er fand Gewissheit und Ruhe in dem, was ‚die Zeit‘, die ihm die Götter schenkten, ihm, seiner Macht und dem Stamm der Tryl’hi anbieten würde, wenn die Tage vergehen und die Nacht brennt. Der Sturm war gerufen, zog in eine andere Richtung… doch es würde der Ork sein, der ihn zu gegebener Zeit in Ketten fängt. Morloch hatte Zeit – und es stand ein anderer Krieg auf den Bannern, den der Magierbund nicht mit Worten der Milde, noch mit Worten der Vernunft hatte ersticken können. Dies war der unbeugsame Wille Khar'Gradoschs. Es war der Wille der Totenwelt, Okach Akarri.

Der Waffenstillstand zwischen Orks und den Dienern des Namenlosen, der sich wie ungeliebter Beischmuck aus dem Bündnis mit dem Magierorden ergeben hatte, war vorüber. 
Ein jeder Mensch, Elf, Zwerg und jedes niedere Wesen, das den Erzählungen um den Hahnenkampf am Rostanker Zeuge war, sah, dass diese Orks Worte, insbesondere Worte die in Hochmut geboren sind, mit Taten beantworteten. Zwei Diener forderten diese Wahrheit heraus und dienten damit dem eigenen Selbst, den eigenen Absichten oder dem eigenen Gott, nicht aber dem Frieden, nicht ihren Bundherren. Die Orks sprachen ihre eigene Sprache, eine dunkle Sprache, aber ihre Antwort ließ nicht Raum für Deutung. Was in der Sprache der Orks viele Namen hatte, war in der Sprache der Menschen, nun... ‚Krieg‘. Und unter gesprochener Aura und dem Geruch von schamanistischem Utensil gab Morloch zu dem schwelenden Feuer des Konflikts, was das Naggaî ihn zu lehren begonnen hatte. Dass er lebte bedeutete, dass die Orkgötter ihm nicht entsagten..
 
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Innerhalb weniger Mondläufe hatten sich die Lande, für die die Orks nunmehr keinen dringlicheren oder besseren Nutzen sahen, über den Rostanker hinaus zu einem Schachbrett des Taktierens verbreitert. Wille und Verheerung der Dienerschaft, wie jene der Orks, zog unter die Wolken wie Verheißung und fand in jeder Tagwende einen neuen Zenit, der plötzlich vom Nadir aufstieg.

Einem der Diener hatte Morloch ein weitreichendes Angebot unterbreitet, wenn auch dessen Worte es nicht vieler bedurfte. ‚Erguch?‘ raunte er einem der dunklen Reiter zu, der ihm und seinem fahlen Wolf auf der weiten Ebene südlich des Trolleichenwalds zu Pferd in einem Stechen gegenüberstand, als hätte der kühle Wind die Zeit verweht. Doch verstand der Reiter scheinbar nicht, nur welcher Weitsicht er versagte, indem er sich nicht unterwarf. Sklave hätte allenfalls bedeutet, nicht Ziel zu sein. Und, letztlich, lag zwischen Dienerschaft und Sklave lediglich Semantik, die die Orksprache nicht kannte. Doch sah der Reiter nicht – oder nicht mit beiden Augen – die Gelegenheit zu leben, richtete seine dunklen Worte gegen den Ork, aber fand nichts, außer der schwindenden Geduld des Wolfreiters für leere Elegien im Namen eines fremden Herrn, der kein Orkgott war – und damit für Morloch, auch, ein Niemand blieb. 
Es waren Feinde, die dem Ork in Sühne und Erbittertheit den aufrichtigen Respekt seiner Gedanken im Spiel um die Schatten abrungen. Nicht namenlose Götter. Und davon hatte er größere, neu und alt..
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Morloch
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Re: Morloch der Ork

Beitrag von Morloch »

Ein Wolfreiter zog seine Kreise im Grenzland Nordhains, bevor die Geschehnisse der Welt die 'Dinge', wie sie sind, veränderten. Er hatte den Wunsch des Häuptlings jenen zu unterbreiten, die gewillt waren, klug genug waren, zuzuhören. Und eine ausgewählte Handvoll Menschlinge antwortete, mit Brief und Siegel und der Menschensprache, die nicht ein jeder Ork zu lesen verstand.. 
So kam es, dass Häuptling Khar’Gradosch dem Teufelsmund übertrug, den weiteren Austausch –und damit die Bestrebungen der Tryl’hi- mit den Menschlingen zwischen den Wäldern und dem Schnee zu verhandeln. ‘Waz steht da?’ knurrte der Häuptling dem Schmananen entgegen, wann immer ein zusammengerolltes Schreiben es bis ins Innere der Wolfsschluchten schaffte. Und Morloch lieh dem Geschriebenen kehlige Stimme.  
Davind, ausgerechnet ein Handwerker inmitten eines Bundes, dessen Mitglieder ob ihrer Künste, nicht aber politischen Behelfs, einen Namen für sich machten, antwortete dem Ruf der Orks. Das allein war eine schicksalhafte Fügung, wie sich herausstellen mochte. ‘SCHREIB!!’ donnerte es Morloch entgegen, und Morloch schrieb in Blut zurück, was das oberste Feuer der Orks zu sagen hatte. Mit zunehmender Schwere des Inhalts seiner Schreiben trug Morloch auch Sorge dafür, dass die Botschaften, die höchstens für eine überschaubare Augenzahl bestimmt sein konnten, nicht auf den Landwegen der Welt auf vorhersehbare Abwege geriet. 
 
In der Dämmerung eines Abends traten schließlich die vielen Tatzen einiger Reitwölfe aus einem instabilen und wabernden Portal knacksend auf das Unterholz am Rande des Trolleichenwalds. Morloch hob einen lederbeschlagenen Finger und zeigte auf das Dorf, das hier und dort im windenden Lichtschein von Fackeln und Laternen erhellt wurde. ‘Búbosh. Zra, zra!’ tönte es in die Nacht, bevor die Wölfe sich auf das Anwesen des Handwerkerbundes zubewegten... 
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Re: Morloch der Ork

Beitrag von Morloch »

Untote Reitwölfe und abgerichtete Wölfe, die auf natürliche Weise der materiellen Existenzebene entsprungen waren, bewachten das nähere Umfeld des Grundstücks, während im Inneren unter leisen und lauten Stimmen, sanften und unsanften Geräuschen, die Zusammenkunft zweier Gruppen, die in vielerlei Hinsicht kaum verschiedener hätten sein können, weitere Fäden, an denen die Geschicke dieser Welt in Teilen hängen würden, zwischen den Fingern webte... 

Der Bund der Handwerker hatte sich als guter Gastgeber erwiesen. Alle Anwesenden durften ihre Köpfe weiterhin zwischen den Schultern tragen. Die Gilde war mit diesem Abend in erster Linie als Figur auf das Brett des Kriegsspiels der Orks getreten, doch schien es, als würden auch sie, die Menschlinge, ihren eigenen Zielen zuarbeiten können, indem sie sich in den schwelenden Konflikt zwischen dem Stamm der Tryl’hi und der Dienerschaft des Namenlosen fortan involvierten. Neben Waffen und dem mehr oder weniger überzeugungsfähigen 'orkischen Charme' kamen die Tryl'hi indes nicht ohne Argumente, die auch für den sonstigen Verstand von Bürgermeisterin Gwendolyn, Davind und dem beisitzenden, wohlbäuchigen, Konstantin Turm sichtbar sein mussten - hatten die Orks doch in den letzten Wochenläufen mit Meinungsverschiedenheiten zu Besitzansprüchen über Wachposten, Wege und Jagdgebiete unter Rückgriff auf ihre Kriegskünste unmissverständlich aufgeräumt. Zum Nachteil ihrer Feinde, aber ganz zu der Zufriedenheit Khar’Gradoschs, Choharar der Orks, Grez’Bor, einem verdienten Khurkach, und Morloch dem Draratûl. 
 
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Mit der Dunkelheit der Nacht verließen die Orks diesen Ort, der ihnen als Hochofen des Paktierens dienen wollte, wieder auf ihren Wölfen. Morloch drehte den Kopf, vor dem wie gewöhnlich die rote Knochenfratze ihren Platz hatte, von rechts nach links, als er die Stufen vor dem Gebäude hinabstieg, bis die hellgelben Augen letztlich für einen Moment in der Ferne hängenblieben, als würde er die Gedanken sortieren. Hier und dort wird das dichte Gras der Wiesen von den Wölfen umgegraben worden, ein Hase den hungrigen Mäulern zum Opfer gefallen sein, oder ‘dem orkischen Reitwolf sein Haufen’ nunmehr einen Fleck Erde besetzen. So war der Kreislauf der Dinge – und der geringste Preis den man zahlte, wenn die Stammesoberen der Orks in einer Stadt, oder einem Dorf, einkehrten. 

Während Grez'Bor im Schein des Mondes mit der Präsenz seiner reflektierenden Axt ungesehene Gefahren der trügerischen Nacht ausschloss, ohne dabei von der Seite seines Häuptlings zu weichen, zog sich Morloch zurück auf den Rücken seines Orns, dem unverhofft ein fetter Fisch zur Mahlzeit wurde. Jemand musste das Reitrudel wohl oder übel mit fressbaren Dreingaben besänftigt haben.
 
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Der Schamane hatten seinen Teil für das Ebenen der Wege des Kriegs, für jetzt, getan und die 'Dinge' fügten sich unter dem Griff der Orks.

Doch... in Momenten der Stille trieb ihn um, was es mit der ominösen Sphäre auf sich hatte, die er vor einer Weile inmitten eines Stechens mit dem Lichtelfen Ba'thal und durch ein Manöver des taktischen Rückzugs an sich reißen konnte. In seinem Beithron wog Morloch die Kugel einmal mehr in den Händen, versuchte in sie hineinzusehen, mit den Augen, wie mit dem Geiste und damit der Beflissenheit, die ihm sein Gott überließ. Jedoch konnte er das Artefakt noch immer nicht dazu bewegen, sein Innerstes preiszugeben. Die Geistmagie, die der Ork darin zu erkennen glaubte, war ihm zwar lange nicht fremd geworden, seitdem er durch die Schatten kroch und sich anderen, mächtigeren Wegen zuwandte - allerdings würde er einen Reexkurs in die Tiefen dieser tückischen Magie nicht ohne Weiteres alleine bewerkstelligen können. Jenes Gefühl manifestierte sich dem Ork zunehmend als Gewissheit, die er nicht mochte.
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Morloch würde die Mutter Oberin der Dunkelelfen in seine ganz persönlichen Machenschaften mit diesem Artefakt... einspannen. Sicherlich konnte Mizrae einen Magier ihres Hauses entbehren, um im Gegenzug an Erkenntnissen - in einer Form, oder einer anderen - beteiligt zu werden...
Zuletzt geändert von Morloch am 28 Feb 2024, 14:29, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Morloch der Ork

Beitrag von Morloch »

Mit den Kriegsgeräten, die mit dem Schweiß und Blut der Orkbrut, unter der strengen Aufsicht von Borgakh und unter der Anleitung des Bunds der Menschenhandwerker angefertigt wurden, führte man also einen Krieg gegen die Dienerschaft des Namenlosen - bis diese schließlich dem Feuer des Orkstamms weichen musste, wo Häuptling Khar'Gradosch es als seinen rechtmäßigen Platz sah. Auf den Ebenen flatterten die Stammesfahnen dort, wo die Orks siegreich waren. Gebiete der Wüste und die in den Sand gemauerte Arena verkamen zusätzlich zu Gebieten der Orks aus den Wolfsschluchten.
 
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Doch - als wäre es eine schicksalhafte Fügung, gut oder schlecht, oder als hätten die Wogen der Welt keine Geduld für Egomanien eines kriegsherrischen Orkanführers - sollte die Selbstherrlichkeit derer, die als Sieger ihren ganz eigenen Krieg beendeten, bald schon durch größere Ereignisse durchbrochen werden. Die Lande der Welt, wie sie gekannt waren und als Schachbrett des Kriegsspiels jüngst wieder einen Nutzen fanden, sahen sich größeren Mächten entgegenstehen. Der Erzlich Ziron hatte scheinbar ein andersdimensionales Verständnis der Nutzbarmachung einer Welt, das Unterwerfung hieß. Dämonenfürsten, die er oder ein eigener Meister schickte, mochten entbehrlich sein - doch nicht das Land, in dem sie ihre brennenden Klingen herabregnen ließen und auf die Intervention von Geschöpfen des Lichts prallten. Allenfalls nicht für jene, die hier über die Wiesen, durch die Städte und Täler oder die palisadenreiche Festung der Orks schritten, um am Tagende um ein Zuhause zu wissen. Dieser Weltkonflikt, diese Bedrohung war jenseits des Maßes, das die Orks über die letzten Jahrwenden anlegten, um ihrer Eigensinnigkeit und ihren Göttern Ruhm und Genugtuung zu bringen. Dies verstand Morloch, seitdem er sich selbst einen Eindruck verschaffte, zwischen Verheerung und der angespannten Stille, indem er erneut mit der Mutter Oberin Mizrae ritt...
 
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So verging die letzte Zeit, die Menschen und andere Völker auf dieser Welt hatten. Es kamen neue Tage die rasch alt wurden, um im Schleier höherer Mächte Freund und Frevel in die Knie zu zwingen - bis schließlich nur noch Furcht und Flucht blieben. Ein Umstand, der die Orks an ihre Überlebensinstinkte erinnerte, denen sie zuletzt mit Hochmut begegnen konnten, weil sie durch bewiesene Stärke nicht anders mussten. Nun aber... war eine Zeit gekommen, die Anpassungsfähigkeit auf die Probe stellen würde. Ein Umstand, der auch Morloch zuwider war; doch hatte der Schamane dieses ruhende Gefühl, dass Umschwung vielleicht doch... neue Gelegenheiten schaffen könnte? Morloch waren Veränderungen nicht fremd. Doch musste auch er mit sich, und an einem der letzten Tage im Dreck vor dem Gottschrein Agrazh', ausmachen, nur wie viel Verlust er selbst in der Lage war zu überkommen. Khar'Gradosch, der wie Groukh vor ihm ein schnittfestes Band mit dem Teufelsmund einging, fiel aus der Gunst der Orkgötter. Somit war auch Khar'Gradosch, nunmehr, seinen Namen los und sah sich durch Zorak, den Okwach, ersetzt. Zwar hielt Morloch, in seinem Sinne, einen unerfahrenen Häuptling für beeinflussbar, aber müsste der Orkstamm auch an diesem Verlust erst wachsen. Zorak hatte Stärke, er war beseelt. Es gab jedoch Tugenden, die nur durch gelebte Pragmatik verinnerlicht werden konnten. Das Weiterdenken und die Weitsicht der Aikar, seiner neuen linken und rechten Hand jedoch, etwa, würde er lernen müssen...

Die Schlachten, die die Bewohner der alten neuen Welt schlugen, wussten das schräghängende Schicksal nicht abzuwehren. Und so kam es, dass durch geschickte Verhandlung bald die Schiffe der Greifengilde fortsegelten, um irgendwo und irgendwie eine neue Welt zu erreichen, die ihrerseits, auch, namenlos war. Morloch umklammerte den Fockmast, wenn die See es erlaubte - und blickte ins Weite... bis er mit eigenen gelben Augen Land sah.
 
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'Gundu?!', raunte er in den Wind, während das rege Treiben auf dem Schiff seinen Lauf nahm..
Es mochte so viel wie 'neues Nest' bedeuten.
Zuletzt geändert von Morloch am 28 Feb 2024, 14:27, insgesamt 1-mal geändert.
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