=Times New Roman,serif„Erledige nur Arbeiten bei denen du sicher sein kannst, dass du eine angemessene Entlohnung erhältst.“
Dieser Satz ging der vermummten Drow immer wieder und wieder durch den Kopf.
Ja, hoffentlich war es das Ganze wert.
Yvress und ihr Begleiter waren auf einer der äußeren, von Unrat verunreinigten Straße des Sold'orbbs unterwegs, um sich ihrem Ziel zu nähern. Die Patrouillen waren in diesem Teil der Stadt nicht so zahlreich, denn viel hatte sich seit ihrer Ankunft hier nicht getan.
In den Zentrumsvierteln sah das verständlicherweise anders aus. Dort konnte man sich schwerlich dem Griff der mächtigen Adelshäuser und ihrer Prunksucht entziehen.
Dort prächtige Paläste und Zeugnisse ihrer Macht, hier nur hölzerne Baracken aus der Zeit nach Ch'el del Do'su. Nur die Spinnen, diese heiligen und anmutigen Tiere – die wie selbstverständlich über die Straßen huschten – gab es hier wie dort.
Und noch etwas fand sich hier wie überall im dunklen Reich der Ilythiiri: Verrat.
Es lief wie immer ab. Wann immer die Mutter Oberin das Söldnerhaus ‚Vandree’ als Werkzeug benutzte, um sich ihrer Widersacher zu entledigen, ‚der Waffenmeister’ war informiert. Yvress selbst sah die Herrin über Leben und Tod selten genug, was sie heimlich begrüßte, denn es war nicht gesund, sich ihrer Launen auszusetzen.
Die Aufträge erhielt sie über Nym Vandree. Das Yvress als jüngstes Mitglied des Hauses darauf angesetzt wurde sprach für die Leichtigkeit der Tötung – so auch die wenigen Hundertstel des Narbondelzykluses, in denen sie instruiert wurde.
Nur die Wahl ihrer Begleitung hatte sie beunruhigt, denn normalerweise schickte man sie alleine los. Dementsprechend hatte sie dem Assassinen wenig zu sagen, der mit ihr durch die Gassen schlich. Vielleicht war dem auch besser so, denn die bezeichnete Baracke war nicht mehr fern. Ab jetzt musste jedes verräterische Geräusch vermieden werden.
Ein letztes Mal zog sich der schlanke Frauenkörper über einen Abfallhaufen, dann schälte sich das abbruchreife Gebäude auch schon aus dem immerwährenden Dunkel. Ein rasches Handzeichen bedeutete ihrem Hintermann, mit ihr die Hocke zu sinken, denn im selben Moment hatte sie die blassen Wärmemuster zweier Drow ausgemacht, die um das Gebäude streiften. Vermutlich zwei Sargtlinen, die als Wachmänner abgestellt waren. Ohne ein weiteres unnötiges Wort zu sprechen, zog sich die Assassine auf das Dach des nahen Gebäudes, welches an die Zielbaracke angrenzte.
Millimeterweise schob sie sich über das Flachdach bis an den Rand. Keine drei Schritt weit unter ihrem Gesicht musste der erste Wachmann um die Ecke kommen. Schon griffen ihre grazilen Finger nach dem umgelegten Gurt, indem allerlei Kleinigkeiten verborgen waren. Tastend fand sie die verkürzte Handarmbrust, die behutsam in ihre Hände wanderte. Der passende Bolzen wurde ebenso zielsicher gefunden und in die Armbrust gespannt.
Klack…Klack…Sie hörte es knacken, eines der monströsen Spinnentiere huschte aufgescheut hinter dem Eck hervor. Innerlich zählte die im Schatten verborgene Schützin herab. Keine zwei Lidschläge später trat die Ursache, der erwarte Wachmann ins fahle Licht. Anlegen, zielen, Schuss! Keine vier Lidschläge später fasste der überraschte und zum Tode verdammte Dunkelelf an seinen Hals, aus dem ein fingerdicker Bolzen ragte. Für einen Schrei war es längst zu spät, denn die lähmende Wirkung der Giftspitze hatte bereits die Stimmbänder erfasst.
In einer geschmeidigen Bewegung rollte sich Yvress vom Dach. Einer Katze gleich kam sie neben der Wache auf, die mit weit aufgerissenen Augen an der Hauswand lehnte. Etwas blitzte in ihrer Rechten auf, als sie sich erhob.
Blitzschnell folgte ihr Griff mit der anderen Hand an die Kehle des Gelähmten, der mit einem erstickten Röcheln reagierte. Sichtlich genoss die Attentäterin das Leid im Gesicht ihres Opfers, bevor ein schneller Schnitt dessen Kehle zerfetzte.
Diesem Moment, dem Augenblick ihres Triumphes, gierte sie ein jedes Mal entgegen. Er ließ Yvress die qualvollen Szenen ihrer Jugend, ihre Zeit am ‚Melee Magthere’ und am ‚Arach-Tinilith’ vergessen.
Ihre Ausbildung stand noch nie unter einem guten Stern und ihr Versagen ließ sich nicht eben leichter ertragen, wenn sie den Worten der Alten glaubte. Gelb, das bedeutete Krankheit und Leid und gelb war die Farbe ihrer Pupillen.
Vielleicht war sie nicht zur Yathrin geboren, doch auch so hatte sie mit diesem Vorurteil genug zu kämpfen gehabt.
Es gehörte nicht viel dazu und schon fand sie sich in den Fängen des Söldnerhauses wieder, der seine Schützlinge aus den Ausgestoßenen und Gescheiterten der Gesellschaft rekrutierte. Ein erbarmungsloses Geschäft mit dem Tod. Töten um am Leben zu bleiben. Und wieder einmal hatte sie sich eine Galgenfrist herausgehandelt.
Fast hätte sie die Bewegung hinter sich zu spät bemerkt, doch ein hauchdünnes Sirren warnte sie vor. Knirschend bohrten sich die Zwillingssäbel in den Rücken des Toten, neben dem sie unvorsichtigerweise verharrt hatte. Gerade noch rechtzeitig hatte sich Yvress aus der Schwungbahn der tödlichen Säbel manövriert, um sich nun an der Barackenwand in die Enge getrieben zu fühlen. Die leichtsinnige Attentäterin blickte direkt in das hasserfüllte Gesicht der zweiten Wache, die schneller als erwartet vom Vorhof gekommen sein musste. ‚Eine kurze Galgenfrist’, hämmerte es ungläubig durch ihren Schädel.
Schmatzend lösten sich die Zwillingssäbel der Wache aus der Rückenpanzerung des Toten um erneut vor dem Leib gekreuzt zu werden.
Yvress wägte einen Sprung ab, als die Augen ihres Widersachers mit einem Mal fast aus den eigenen Höhlen heraus quellen wollten.
Sanft hob sich der Adamantit-Kettenpanzer an der Brust des Mannes, um mit einem Male zu zerreißen und einer schimmernden Klingenspitze Platz zu machen, die nun aus dem offenen Brustkorb ragte.
Der erschlaffte Leib der zweiten Wache fiel neben die Erste und blieb dort liegen.
„Dos plynn phor draeval!“, zischte Yvress ihrem Begleiter zu. <Du hast dir Zeit gelassen!>
War das ein Grinsen in seinem Gesicht? Mit gebleckten Zähnen drückte sich die Attentäterin in den Stand und bedeutete ihm, zu folgen. Arroganz und Wut über ihre Unvorsichtigkeit ließen nicht zu, sich umzuwenden, um sich zu vergewissern, dass er seinen Krummsäbel wieder an sich nahm.
Nun musste alles sehr schnell gehen, denn das Treffen im Innern der Baracke würde nicht ewig dauern. Man würde aber nicht etwa über ein Fenster einsteigen.
Diese hätte man an einem Gebäude der Unterwelt vermutlich vergeblich gesucht. Wozu auch? Waren sie doch überflüssig im Reich der ewigen Dunkelheit. Was sie zu tun hatten, war den Faern mit einem Vorwand durch die einzige Türe aus dem Gebäude zu locken.
Schweigend wartete sie, bis ihr Begleiter das weniger ramponierte Kettenhemd einer Wache übergestreift hatte. Jetzt ging es zur Vordertüre.
Yvress kniete neben der Pforte nieder und spannte ein zweites Mal an diesem Tag die kleine Handarmbrust. Dies war das Zeichen für ihren Kameraden, an die Tür zu klopfen. Beide hielten unwillkürlich die Luft an. Stille. Nur das gelegentliche Klackern der allgegenwärtigen Spinnen war zu vernehmen.
Behutsam schob der verkleidete Attentäter die Türe auf, um ein vorsichtiges „Veldruk…?“
<Herr…?> ins Innere zu rufen.
Keine Reaktion.
Noch ein Ruf, dann glitt der Assassine aus ihren Augen ins Innere. Warum antwortete er nicht? Ungestüm wallte es in ihr hoch: Fehler!
Das reißende Zischen, gefolgt von einem markerschütternden Schrei sollte ihr Recht geben. Der gerissene Hund wollte gar nicht gestört werden, niemals! Von dieser Anweisung konnten die beiden Attentäter unmöglich etwas wissen.
Yvress konnte ihren Gedankengang nicht abschließen, als ein Schemen aus der geöffneten Pforte schoss.
Instinktiv drückte sie ab.
Der gellende Schrei, weiblich, kam nur einen Moment gegen den nicht endenden Todesschrei ihres Gefährten an. Etwas fiel dumpf in den Morast.
Ein schlechter Schuss, knapp zwischen die Schulterblätter. Yvress besah sich die Getroffene im Aufrichten genauer. Blasse Haut, gelockte, goldblonde Haare – eine dreckige Halbblut! Mit einem Mal wusste sie, was die Ilharess so in Rage versetzt hatte, dass sie diesen Faern tot sehen wollte. Vermutlich lag das Blondchen gerade auf dem Magier, als ihr Gefährte hineingeplatzt war. Vermutlich feierten sie hier ihre schmutzigen Orgien.
Kaltblütig blickte die Dunkelelfe auf den sich windenden Leib hinab. Es würde noch geraume Zeit dauern, bis das Gift den Herzmuskel lähmen würde.
Wenigstens hatte es nicht den Falschen getroffen. Sollte sie schreien, solange sie noch konnte. Yvress war gerade dabei den dritten Bolzen auf die Schiene der Armbrust zu legen, als sie eine erdrückende Präsenz spürte. Der Faern!
Blitzschnell riss die Attentäterin die Armbrust empor, doch der Magier war schneller. Mit einem brutalen Ruck wurde ihr die Waffe aus den Händen geprellt. Von denselben telekinetischen Kräften erfasst, fühlte sich die Überrumpelte an der Gurgel gepackt und in die Höhe gehoben. Hilflos zappelte sie keinen Meter vor der hässlichen Fratze des Magiers in der Luft, spürte dabei, wie ihr das Blut in den Kopf schoss.
Ihr Röcheln trieb dem Magiekundigen ein grausames Lächeln ins Gesicht. Er hat seine sadistische Freude daran, sie leiden zu sehen.
Eine leichte Tötung, was für ein Unsinn. Nun ging es ihr sprichwörtlich an den Kragen.
Gelb…krank…verdammt…tot? Sollte es so zu Ende gehen? „Nau!“
Mit unbändiger Willenskraft fuhren ihre zittrigen Finger am Leib hinab an den Gürtel. Es war nicht der Dolch, den sie fand. Sie konnte sich glücklich schätzen, dass der Magier die harte Reitpeitsche nicht als Bedrohung aufgefasst hatte. „N…a…u…!“, brachte sie röchelnd hervor, bevor ihre Peitsche durch die Luft knallte.
Der mörderische Druck ließ urplötzlich nach, als sich der Reitriemen um den Hals des Zauberers gelegt hatte. Mit ohnmächtiger Wut hatte sie zugezogen, war daraufhin wieder zu Boden gestürzt.
Hustend robbte sie nun auf den am Boden liegenden zu, zog sich dabei Stück um Stück am Peitschenstrang an den Faern heran. Mit jedem Ruck zog sich das Leder enger um die Luftröhre. Das Blatt hatte sich gewendet.
Nun zeigte ihr Gesicht ein wildes Lächeln, nun war sie es, die ihren Triumph auskostete. Sie ließ sich Zeit, als sie sich mit ihren Knien auf den Brustkorb des halb Erstickten zog. Mit der Linken stützte sie sich ab, dann schob sie den Peitschenkopf ein weiteres Mal um den Nacken ihres dritten Opfers. Das musste genügen.
„Vandree ultrin!“ <Sieg Vandree!>, hauchte sie dem Sterbenden ins Gesicht.
Sodann stemmte sie sich mit aller Kraft gegen den Brustkorb, bis jede Regung des Körpers, auf dem sie kniete, erstarb.
Aus den Augenwinkeln wurde sie auf den Säurefleck aufmerksam, der sich hinter dem Türrahmen in den Boden fraß. Nur der Adamantit-Panzer, der darin schwamm, hatte der beißenden Flüssigkeit standhalten können.
Drei Tote, ein Ausfall. Wenigstens würde sie nicht teilen müssen…
Veldriss zha'linth - Geschichten aus dem Schatten
- Yvress Vandree
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