Rax Lanus lag auf seinem Bett in der Villa, welche in der Zwischenzeit in Silberburg vollendet wurde. Sie war in keiner Weise eingerichtet, alles lag kreuz und quer auf dem Boden herum. Die Fenster waren zugehangen. Ein Zuhause konnte dies wahrlich niemand nennen. Einzig der Arbeitsraum war schon als solcher erkennbar.
Der Magier konnte nicht schlafen, obwohl er erschöpft war. Es plagten ihn stets Albträume von der Explosion, welche ihn fast das Leben gekostet hatte. Er erinnerte sich an den Schmerz, als die pure Energie ihn durchzuckte und ihn durch die Luft warf. Er erinnerte sich an das Chaos, das danach ausbrach. Die Schreie der Verletzten, das Feuer und die heraneilenden Wachen. Er erinnerte sich an seine Flucht aus der Stadt, um seine Wunden in den Gasträumen des Konvents zu versorgen. Er erinnerte sich an die schwierige Unterhaltung mit Ruweena, die ihn dort vorfand.
Rax war verändert, nicht mehr derselbe wie vorher. Der Zwischenfall hatte nicht nur seinen Körper, sondern auch seinen Geist verletzt. Er spürte eine ständige Unruhe in sich, eine Angst vor dem Unbekannten. Er traute niemandem mehr, nicht einmal seinen Freunden, glaubte, dass jeder ihn verraten oder angreifen könnte. Er sah überall Feinde und Verschwörungen, isolierte sich weitestgehend von der Außenwelt und verbarrikadierte sich in seiner Villa. Die Zeit damit verbringend, seine magischen Fähigkeiten zu stärken und nach Hinweisen auf die Identität und den Aufenthaltsort der Kultisten zu suchen. Seine Pflichten als Mitglied des Konvents wurden dadurch arg vernachlässigt und auch ignorierte die Bitten seiner Kameraden, sich ihnen zu Ausflügen und Sitzungen anzuschließen. Er war schlicht besessen. Die Flucht von der Insel hat ihn nicht aus den Fängen der Vergangenheit befreit, sie umgriff ihn weiter erbarmungslos.
Der Magus ging eines Abends durch die Gänge seiner Villa. Seinen Stab in der Hand, bereit, jeden anzugreifen, der ihm in den Weg kam. Er war auf dem Weg zu seinem Arbeitszimmer, wo er seine Nachforschungen über die Kultisten fortsetzen wollte. Er glaubte neue Erkenntnisse erlangt zu haben über den Grund seiner Verschleppung und das, was sie mit ihm machten.
Aber er fühlte sich nicht sicher in seiner eigenen Villa. Das Gefühl, beobachtet zu werden, war ein steter Begleiter. Er glaubte immer wieder in dunklen Ecken Augen zu sehen, die ihn anblicken. Man konnte nicht erkennen, wem sie gehörten, aber er spürte ihre Feindseligkeit. Ab und an gesellten sich Stimmen in seinem Kopf dazu; leise, unkenntlich, flüsternd. Rax schüttelte den Kopf und versuchte, sie zu ignorieren. „Alles verdammte Einbildung“ kam es laut und wütend aus ihm, hoffend, dass es nur Halluzinationen waren, die von seinem geschwächten Geist verursacht wurden.
Aber er konnte sie nicht loswerden. Sie wurden immer lauter und deutlicher. Sie sagten ihm, dass er verrückt war. Dass er sich selbst zerstörte. Dass er keine Chance hatte, seinem Schicksal zu entrinnen. Dass sie ihn schon längst gefunden hatten und nur darauf warteten, ihn zu töten.
Panisch rannte Rax durch die Gänge, um ihnen zu entkommen. Er erreichte sein Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich mit einem Zauber ab. Schwer atmend lehnte sich gegen die Tür. Der Raum war voller Bücher, Schriftrollen und Artefakte. Er suchte nach etwas, das ihm Sicherheit geben konnte. Etwas, das ihm zeigen konnte, dass er noch die Kontrolle hatte. Auf seinem Schreibtisch lag eine skizzierte Karte der Insel, erfasst aus seinen schwachen Erinnerungen. Er ging darauf zu und betrachtete sie. Irgendwann würde er zurückkehren und sie alle für diese Tortur zahlen lassen.
Sein Blick hob sich von der Karte und sah in den großen Spiegel am anderen Ende des Raumes.
Er erschrak.
Er sah nicht sein eigenes Gesicht im Spiegel.
Er sah eine ihm wohlbekannte, dämonische Fratze.
Er sah das Gesicht seines Feindes.
Rax schrie auf und schleuderte einen sich abrupt materialisierenden Knochenspeer gegen den Spiegel.
Der Spiegel zerbrach in tausend Scherben.
Die Augen blieben.
