Im Bann des Unbekannten - Ein neuer Anfang

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Claire de Lune
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Im Bann des Unbekannten - Ein neuer Anfang

Beitrag von Claire de Lune »

- Das Erwachen -

Ich öffne langsam meine Augen und finde mich an einem einsamen Strand wieder. Der Sand ist warm unter meinen Füßen, und das Rauschen des Meeres erfüllt die Luft. Verwirrt setze ich mich auf und betrachte die fremde Umgebung um mich herum.
Ich bin allein. Keine Spur von anderen Menschen. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, als ich feststelle, dass ich mich an nichts erinnern kann. Mein Name ist Claire de Lune, das weiß ich noch, aber alles andere ist wie ausgelöscht.
Plötzlich kehrt ein Satz in mein Bewusstsein zurück: "Sie hat es dir nicht gesagt, Claire de Lune? Du wusstest von nichts?" Die Worte klingen, als kämen sie von weit her, und eine Unruhe breitet sich in mir aus.
Wer hat mir das gesagt? Und wer bin ich überhaupt? Die Erinnerung daran, wie ich hierhergekommen bin, ist wie ausgelöscht. Nur diese Worte bleiben in meinem Gedächtnis haften, begleitet von einer kalt klingenden, schadenfrohen Stimme.
Ich stehe auf und suche den Strand ab, in der Hoffnung, Hinweise zu finden, aber alles, was ich entdecke, sind ein paar Muscheln und Treibholzstücke, die vom Meer angespült wurden.
In der Ferne erheben sich dichte Wälder, und hinter mir ragt ein steiler Felsen empor. Ich beschließe, dem Strand zu folgen, um herauszufinden, wo ich bin und ob ich hier allein bin.

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Ich schaue an mir herab. Ich trage ein rotes, seidenes Kleid und fühle mich ungeschützt und verwundbar. Es ist dünn und bietet kaum Schutz vor den Gefahren dieser Welt, von denen ich bisher noch nichts weiß.
Panik steigt in mir auf, als ich mir bewusst werde, dass ich mich in dieser merkwürdigen Umgebung ohne jegliche Ausrüstung oder Verteidigungsmöglichkeiten befinde. Wer weiß, welche Gefahren hier lauern könnten?
Ich muss einen klaren Kopf bewahren. Mit zitternden Händen versuche ich, meine Gedanken zu ordnen und eine Strategie zu entwickeln.
 
In der Ferne erblicke ich einen Anleger an dem sich ein verlassenes Boot befindet. Ob ich dort etwas finde, das mir helfen könnte?
Ich atme tief durch und zwinge mich, ruhig zu bleiben. Ich kann mich nicht länger von Angst und Unsicherheit beherrschen lassen. Es ist an der Zeit, aktiv zu werden und einen Weg aus dieser Situation zu finden.
 
Ich betrete den verlassenen Anleger und betrachte das Boot genauer. Es sieht aus wie ein normales kleines Segelboot, nichts Besonderes. Vielleicht kann ich es nutzen, um von dieser Insel wegzukommen, denke ich.
Plötzlich wird alles um mich herum schwarz. Die Zeit scheint für einen Moment stillzustehen, und als ich meine Augen wieder öffne, befinde ich mich in einem Raum, der von einem diffusen, blauen Licht erleuchtet wird.
Panik erfasst mich, als ich feststelle, dass es keinen Ausgang gibt. Vor mir stehen sechs verschiedene Portale, die wie große, schimmernde Tore aussehen. Jedes strahlt eine andere Farbe aus: Rot, Blau, Grün, Gelb, Violett und Weiß.
Mein Herz rast, als ich versuche zu begreifen, was hier passiert. Ich bin gefangen, eingesperrt in diesem mysteriösen Raum mit keinen Anzeichen dafür, wie ich hierhergekommen bin oder wie ich entkommen könnte.
Ich gehe zu einem der Portale und berühre vorsichtig die glänzende Oberfläche. Ein prickelndes Gefühl durchfährt meinen Körper, als wäre es elektrisch geladen. Ich zucke zurück und stolpere rückwärts, meine Sinne noch immer verwirrt von dem plötzlichen Wechsel der Umgebung.
Was ist das hier? Warum bin ich hier? Fragen schwirren in meinem Kopf, aber ich finde keine Antworten. Mit zitternden Händen versuche ich, meine Gedanken zu sammeln und einen Ausweg aus diesem Albtraum zu finden. Langsam nähere ich mich einem der Portale, fasse all meinen Mut zusammen und schreite hindurch… (Fortsetzung folgt)

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Claire de Lune
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Re: Im Bann des Unbekannten - Ein neuer Anfang

Beitrag von Claire de Lune »

- Durchs Portal -

Ich trete zögernd durch das Portal, das wie ein leuchtender Mahlstrom vor mir liegt. Alles um mich herum verschwindet in einem Vakuum der Schwärze, und ich spüre, wie die Realität verblasst. Das Gefühl, durch die Eingeweide von Raum und Zeit zu gleiten, ist erdrückend. Mein Atem stockt; es ist, als würde ich im nächsten Moment in einen bodenlosen Abgrund stürzen.

Plötzlich zerreißt eine Stimme die Stille – schneidend und spöttisch: "Sie hat es dir nicht gesagt, Claire de Lune?" Der Klang ist omnipräsent, als würde er aus den Schatten selbst entspringen. Wieder diese Worte, wer sagt sie, was bedeuten sie? Die Stimme klingt vertraut und fremd zugleich. Ich erzittere, schließe meine Augen und lasse mich von der Dunkelheit endgültig verschlingen.

Als ich meine Augen öffne, finde ich mich auf einem größeren Boot wieder, das sanft gegen die Holzplanken einer Anlegestelle schaukelt. Doch dies ist kein verlassener Steg mehr, sondern ein pulsierender Hafen, der bei Tageslicht vor Leben nur so strotzt. Boote aller Größen liegen vertäut, ihre Masten ragen wie schlafende Riesen in den Nachthimmel. Die Stille der Nacht liegt schwer in der Luft. Kälte kriecht durch mein dünnes Kleid.

Verwirrt und verloren blicke ich mich um, suche nach Hilfe oder zumindest nach einer Seele, die ich um Auskunft bitten könnte. Mein Blick fällt auf eine bleiche Gestalt in einem weißen Gewand, die regungslos am Ende des Stegs steht. Sie starrt mich an, ihre Augen durchbohren die Dunkelheit. Ein Schauer der Furcht überkommt mich. Wer ist diese Frau? Kennt sie mich?

Mit jedem Schritt, den ich auf sie zugehe, pocht mein Herz lauter. Meine Gedanken überschlagen sich, während ich versuche, meine Situation zu begreifen.

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"Könnt ihr mir helfen?" Meine Stimme zittert, als ich die gespenstische Figur anspreche. "Wo bin ich?" Die Worte verhallen in der kalten Nacht, und ich nähere mich der bleichen Frau weiter. Doch mit jedem Schritt, den ich mache, wächst die Angst in mir. Ihre Haut ist aschfahl, die Wangenknochen hoch und scharf – ein Bild des Todes. Ihre Augen, leuchtend und tief, ruhen in dunklen Höhlen.

Sie starrt mich weiterhin an, ohne eine Regung, ohne ein Zeichen von Menschlichkeit. Ein unheimliches Gefühl kriecht in meinem Magen hoch. Meine Angst verwandelt sich langsam in Panik.

Plötzlich durchbricht ein schrilles Lachen die Stille, das mich bis ins Mark erschüttert. Reflexartig schließe ich die Augen. Ich will fliehen, weg von diesem Ort, aber meine Beine sind wie gelähmt. Das Lachen verstummt so abrupt, wie es begonnen hat. Als ich meine Augen wieder öffne, ist die Gestalt verschwunden, als wäre sie nie da gewesen.

Allein stehe ich auf dem zugigen Steg, mein Herz rast. Ich versuche, die Bedeutung dieses seltsamen Zusammentreffens zu ergründen. Wo bin ich gelandet? Und wer war diese Frau? Fragen wirbeln durch meinen Kopf, während ich fröstelnd in meinem dünnen Kleid dastehe, verzweifelt nach etwas suchend, das mir Antworten geben könnte. Mit zitternden Knien kehre ich zum Boot zurück. Es liegt verlassen da. Vorsichtig und leise betrete ich eine der Kajüten und ein Hauch der Erleichterung überkommt mich. Die Kajüte ist unbewohnt. Das Bett ist frisch bezogen, und obwohl es falsch erscheint, hier zu schlafen, weiß ich, dass ich keine Wahl habe. Ich bin verwirrt, verängstigt, unfähig zu weiteren Schritten an diesem unbekannten Ort.

Ich lege mich hin und spüre, wie Erschöpfung und Müdigkeit mich übermannen. Meine Gedanken kreisen um die seltsamen Ereignisse, die mich hierhergeführt haben. Wer bin ich? Woher komme ich? Wo sind meine Freunde, meine Verwandten? Morgen wird die Welt anders aussehen, sage ich mir. Dann werde ich mit den Bewohnern sprechen und die Gegend erkunden. Vielleicht finde ich Hilfe und jemanden, der mir sagen kann, wo ich bin und was mit mir geschehen ist.

Mit diesen Gedanken schlafe ich schließlich ein, in der Hoffnung, dass der neue Tag Antworten bringt und vielleicht sogar einen Ausweg aus diesem Albtraum... (Fortsetzung folgt)

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Claire de Lune
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Re: Im Bann des Unbekannten - Ein neuer Anfang

Beitrag von Claire de Lune »

- Der Auftrag -

Ich öffne die Augen und starre auf die Holzdecke über mir. Die Nacht auf dem Boot war ein Albtraum. Die Wellen hatten mich im Bett hin und her geworfen, als wäre ich ein Spielzeug in den Händen eines launischen Meeresgottes. Ich hatte geträumt, von dieser unheimlichen Frau mit der aschfahlen Haut – sie erschien mir im Traum abermals wie aus dem Nichts, und starrte mich an. Ihre Augen waren schwarz wie die Tiefen des Ozeans. Sie sprach zu mir: "Du wusstest von nichts?" und dann lachte sie – das Lachen einer Irren – es kroch mir bis ins Mark.

Das Holz über mir knarzt, als hätte es die Geschehnisse der Nacht mitbekommen. Immer noch versuche ich mich zu erinnern was genau mit mir passiert war. So sehr ich mich anstrenge, ich kann es nicht. Meine Erinnerungen werden wie von einem endlosen Nebel verschlungen. Die Mittagssonne strahlt, als ich die Kajüte verlasse und das Deck betrete. Ich habe länger geschlafen als ich dachte. Doch meine Unruhe ist immer noch da. Die Luft riecht nach Salz und Geheimnissen. Ich bin froh, dass das Boot noch genauso verlassen ist, wie ich es vorgefunden habe. Ich stärke mich mit ein paar Früchten und eine Karaffe Wasser, die ich in der Kombüse finde.

Als ich den Hafen verlasse und auf die kleine Stadt zusteuere, entdecke ich eine kleine Hütte am Wegesrand. Die Tür steht offen, und ein Hauch von salziger Meeresluft vermischt sich mit dem Geruch von frischem Fisch. Meine Neugier treibt mich näher, und ich wage einen Blick in das Innere. Der Raum ist spärlich beleuchtet, von einem fahlen Licht, das durch die Fenster fällt. In der Mitte sitzt ein Echsenmensch, sein Körper von Schuppen bedeckt, während er behutsam seine Fischerutensilien behandelt. Ein Klicken seiner Zähne ertönt, als er meinen leisen Tritt auf dem Boden bemerkt. Ich klopfe an die Tür und betrete die Hütte mit einem zaghaften Gruß. 

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 "Zum Gruß" sage ich und versuche, freundlich zu wirken.Der Echsenmensch hebt den Kopf und erwidert meinen Gruß mit einem freundlichen Nicken. Seine Augen, glänzend wie Smaragde, mustern mich von oben bis unten. Ich spüre, wie er meine Hilflosigkeit erkennt, als ob er direkt in meine Seele blicken kann.

"Willkommen in Nebelhafen, Fremde", sagt er mit einer krächzenden, zischenden Stimme, die aber nicht unfreundlich klingt. "Brauchst du Geld, um dich in der Stadt zurechtzufinden?" Sein Angebot überrascht mich, und ich nicke zögernd. "Ja, das wäre sehr nett. Ich könnte etwas Geld für Essen und vielleicht ein paar Kleider gebrauchen."Der Echsenmensch nickt verständnisvoll. "Ich habe eine Aufgabe für dich. Wenn du sie erledigst, werde ich dir Groschen geben, genug für Essen und mehr. Ich benötige meinen Helm, den ich dummerweise aus Unachtsamkeit irgendwo auf dem Sternpfad verloren habe. Ich habe den Verlust erst bemerkt, als ich wieder hier in meiner Hütte war." Sein Vorschlag lässt mich zögern, kenne ich mich doch in dieser Gegend überhaupt nicht aus. Aber die Aussicht auf Geld gibt mir frischen Antrieb. "Ich werde ihn finden", verspreche ich und bitte ihn, mir den Weg zum Sternpfad zu erklären. Er nickt zustimmend und gibt mir eine grobe Skizze. "Folge der Straße Richtung Westen hinein ins Landesinnere. Irgendwann wirst du an eine Wegkreuzung kommen. Wende dich dort nach Norden, und du wirst den Sternpfad finden. Doch sei gewarnt, ohne ein Reittier ist es ein langer und beschwerlicher Marsch."

Ich bedanke mich und verlasse die Hütte, erfüllt von einer Mischung aus Aufregung und Nervosität. Die Aussicht auf Geld und einen Neuanfang, lassen meine Sorgen vorerst in den Hintergrund treten. Ich setze mich in Richtung Sternpfad in Bewegung.

Der Echsenmensch hat mir den Weg gut beschrieben. Ich komme bis kurz vor die Tore der Stadt, folge dann jedoch weiter der Straße in Richtung Westen ins Landesinnere. In der Tat ist es ein langer und mühseliger Marsch. Die Sonne neigt sich dem Horizont zu, und die Schatten der Bäume werden länger. Der Weg schlängelt sich durch dichten Wald, dessen Bäume im sanften Abendlicht wie dunkle Wächter wirken. Ein unheimliches Gefühl der Beklemmung legt sich um meine Brust, als ich an einem verlassenen Friedhof vorbeikomme. Die Grabsteine ragen düster aus dem Boden empor, und ein eisiger Wind streicht durch die Äste der Bäume. Ein dumpfes Geräusch lässt mich zusammenzucken – kommt es aus Richtung der Gräber? Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken, und ich beschleunige meine Schritte, um schnell von diesem unheimlichen Ort wegzukommen. Nach einem endlos erscheinenden Fußmarsch erreiche ich schließlich die beschriebene Wegkreuzung. Der Mond bricht durch die Wolken und wirft sein bleiches Licht auf den staubigen Weg. Die Dunkelheit um mich herum scheint sich zu verdichten, und ein Gefühl der Beklemmung überkommt mich. Doch ich lasse mich nicht von meinen Ängsten überwältigen. Mit einem festen Entschluss wende ich mich Richtung Norden und stehe schließlich auf dem Sternpfad. Ein Hauch von Abenteuer und Gefahr liegt in der Luft, als ich beginne mich nach dem verlorenen Helm des Echsenmenschen umzusehen.

Es ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Erschwerend kommt hinzu, dass es Nacht ist. Auch wenn der Mond voll und leuchtend am Nachthimmel steht, ist das Licht keine große Hilfe. Mit wachsender Verzweiflung laufe ich den Weg auf und ab, schaue und fühle hinter jedem Busch und jedem Stein. Die Schatten der Bäume werfen gespenstische Muster auf den Pfad, und das Rascheln der Blätter klingt wie leise Flüsterstimmen. Entnervt denke ich mir, dass ich hier irgendwo übernachten muss und dann meine Suche am Tag fortsetze. Plötzlich durchbricht ein Geräusch die Stille der Nacht – Hufschläge hinter mir. Mein Herz rast vor Angst, als ich mich schnell umdrehe und in der Dunkelheit die Schemen zweier Reiter erkenne, die sich direkt auf mich zubewegen. Ihre Umrisse verschwimmen in der Dunkelheit, und ein eisiger Schauer läuft mir über den Rücken. Wer sind sie, und was wollen sie um diese Zeit in dieser Gegend? Ich versuche mich im Schutz der Bäume zu verstecken, doch es ist bereits zu spät. Die Hufschläge stoppen abrupt. Sie haben mich entdeckt... (Fortsetzung folgt)

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Re: Im Bann des Unbekannten - Ein neuer Anfang

Beitrag von Claire de Lune »

- Die Erkenntnis -

Die Angst schnürt mir die Kehle zu, mein Herz hämmert in meiner Brust, als ob es fliehen wolle. Wer sind diese Reiter? Sind es Wegelagerer? Banditen, die einsame Wanderer ausrauben oder gar töten? Jeden Augenblick rechne ich damit, dass die Reiter wortlos über mich herfallen und mir Schmerz zufügen. 
Doch da durchdringt eine klare Frauenstimme die Nacht: "Den Elementen zum Gruß." Unmittelbar darauf folgt die kräftige, aber sanfte Stimme eines Mannes: "Zum Gruß, werte Dame." Zögernd drehe ich mich zu den Reitern um, hebe meine Hand. Ich versuche meine Stimme fest und selbstbewusst klingen zu lassen, doch ein unüberhörbares Zittern verrät meine Furcht. "Zum Gruße, werte Herrschaften," antwortete ich, meine Worte kaum mehr als ein Flüstern in der Dunkelheit.

"Was treibt euch zu solch später Stunde nach allein hier draußen?", fragt mich die Frau mit einer Mischung aus Neugier, Sorge und Mitgefühl. Ich atme tief durch. Diese Reiter scheinen keine Wegelagerer zu sein. Ich erkläre ihnen meinen Auftrag und meine verzweifelte Situation. Beide hören aufmerksam zu, während ich von meinem langen Marsch und der erfolglosen Suche berichte. Als ich geendet habe, tauschen die beiden einen bedeutungsvollen Blick aus. "Wir könnten euch helfen den Helm zu finden", schlägt der Mann lächelnd vor. 
Mein Herz schlägt schneller bei dem Gedanken an Hilfe in dieser düsteren Nacht. Doch zugleich überkommt mich eine Spur von Misstrauen. Sind sie wirklich so hilfsbereit, wie sie erscheinen? Oder lauert hinter ihrer Fassade eine Gefahr? 

Ich betrachte die Frau genauer. Selbst im Schein des Mondes bleibt mir ihre charismatische Ausstrahlung nicht verborgen. Sie ist groß, ungefähr 190 Fingerbreiten, was ihr eine beeindruckende Präsenz verschafft. Ihre hellblauen Augen, umrahmt von einem feinen glühend roten Ring um die Iris, funkeln mysteriös im fahlen Mondlicht. Ihr Gesicht ist von feinen, markanten Zügen geprägt, die eine Aura des Geheimnisvollen um sie legen. Ein verschmitztes Lächeln umspielt ihre vollen Lippen. Das lange feuerrote Haar fällt in wilden Wellen über ihre Schultern und umrahmt ihr Gesicht auf reizvolle Weise. Als sie von ihrem Pferd steigt, bewegt sie sich grazil und anmutig, eine Gestalt von majestätischer Schönheit. Sie strahlt Selbstbewusstsein und Stärke aus. Ihr Kleid ist von schlichtem aber elegantem Schnitt, mit feinen Verzierungen und Stoffen, die im Mondlicht schimmern.

Ihr Begleiter, ein gutaussehender Mann mit blonden Haaren, schaut die Frau immer wieder liebevoll an. Ihre innige Verbundenheit ist förmlich greifbar. Seine grünen Augen glänzen, wenn er sie betrachtet. Er kommt an ihre Größe nicht heran, aber die breiten Schultern, das markante Kinn und der Bart lassen auch ihn imposant erscheinen. Seine Präsenz strahlt Ruhe, Kraft und Zuversicht aus. Sein Lächeln ist warm und einladend. Gemeinsam bilden sie ein harmonisches Paar, das wie aus einem Märchen entsprungen wirkt.

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Mein Instinkt sagt mir, dass ich diesen beiden Fremden vertrauen kann. Mit einem erleichterten Seufzen willige ich dankend ein, und gemeinsam gehen wir den Weg auf und ab. Jeder Schritt wird von der fahlen Helligkeit des Mondes begleitet, der sich zwischen den dunklen Baumkronen hindurchzwängt und den Pfad in ein gespenstisches Licht taucht. Die Nacht umgibt uns mit einem undurchdringlichen Schleier, während wir uns durch die Sträucher und das Geröll tasten und nach dem verlorenen Helm Ausschau halten. Schließlich ist es die Frau, die den Helm findet. Ihr Lächeln wirkt auf mich wie ein Lichtstrahl in der Dunkelheit, als sie mir eine Kappe aus gehärtetem Leder präsentiert. Die Form passt perfekt zu dem Kopf eines Echsenmenschen. Ich kann ein triumphales Gefühl nicht unterdrücken und stoße einen Freudenschrei aus, der von den Baumwipfeln widerhallt. Strahlend bedanke ich mich bei den beiden, meine Freude und Erleichterung ist nicht zu verbergen. "Vielen Dank an euch, ihr seid meine Rettung!", rufe ich aus, während ich beide im fahlen Mondlicht freudestrahlend ansehe. Ihre Hilfsbereitschaft hat mir eine riesige Last von den Schultern genommen.
 "Bedankt euch bei Ru, sie hat den Helm gefunden", sagt der Mann schmunzelnd. Die Frau lächelt freundlich. "Es war uns eine Freude zu helfen." Ihre Stimme klingt wie eine sanfte Melodie in der Stille der Nacht.

Während ich meine beiden Helfer noch dankend anschaue, geht eine kaum merkliche Veränderung durch den Körper der Frau. Ihre Augen beginnen zu leuchten, die nächtliche Stille zerbricht und sie offenbart ihre verborgenen Fähigkeiten. "Rel Ort Sanct" ruft sie mit gebieterischer Stimme. Die Luft um uns herum scheint zu vibrieren, als sie mit einem eleganten Schwung ihrer Hand einen Zauber um mich herum webt. Ein pulsierendes Energiefeld umgibt mich, und ich spüre, wie ein warmes Kribbeln durch meinen Körper strömt. Es ist, als ob sich die Nacht um mich herum für einen kurzen Moment verändert, als ob ich in eine andere Dimension eintauche. Meine Sinne werden schärfer, und ich fühle mich lebendiger als je zuvor. Die Frau ist eine Magierin!

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Auf einmal zuckt ein Blitz vor meinem inneren Auge, eine Erinnerung, die tief in meinem Gedächtnis verborgen lag. Bilder und Gefühle aus meiner Vergangenheit fließen durch meinen Geist. Ich erkenne die Bedeutung ihrer magischen Worte. "Rel Ort Sanct" hallt es in meinem Gedächtnis wider, Symbole tanzen vor meinen Augen. Sie sind mir bekannt, vertraut, als hätte ich sie schon einmal gesehen. Die Frau hat einen Schutzzauber auf mich gewirkt!
Mein Herz rast vor Aufregung, als mich die Erinnerung wie ein Schlag trifft: ich besitze Kenntnisse in Magie!
Ich habe kaum Zeit die Bedeutung dieser Erkenntnis zu verarbeiten. Alles geschieht im Bruchteil einer Sekunde. Mir wird schwindelig. Ich kämpfe darum, meine Fassung zu wahren und lasse mir nichts anmerken als ich mich von den beiden verabschiede. "Vielen Dank für eure Hilfe und den...", ich blicke direkt in die hellblauen Augen der Frau, "...Schutzzauber. Ich hoffe, dass sich unsere Wege wieder kreuzen und ich mich dann erkenntlich zeigen kann. Mögen die Götter mit euch sein." Meine Stimme klingt gefasst, obwohl mein Verstand noch immer mit der neu gewonnen Erkenntnis ringt. Die Frau lächelt mir zu, ihre Augen funkeln geheimnisvoll im Mondlicht. "Es war uns eine Freude. Passt gut auf euch auf. Der Elemente Schutz mit euch.", sagt sie sanft. Ich spüre, wie ihre Worte sich tief in mein Herz graben. Ich nicke den beiden dankend zu, unfähig auch nur ein weiteres Wort herauszubringen. Langsam wende ich mich von ihnen ab und trete meinen Rückweg nach Nebelhafen an. 

In meinem Inneren brodelt es. Eine Flut von Fragen und Emotionen entfalten sich in mir wie ein ungestümer Sturm. Und da ist auch ein leichtes Gefühl des Unbehagens. Meine beiden Helfer hatten sich nicht vorgestellt. Ich habe mich den beiden nicht vorgestellt, aber was hätte ich sagen sollen? Mein Name fühlt sich fremd für mich an, bedeutungslos. Eine leere Hülle, die darauf wartet gefüllt zu werden. Wer bin ich wirklich? Diese Frage quält meinem Verstand. Unaufhörlich versuche ich die verschwommenen Fäden meiner Vergangenheit zu entwirren. Welche Erinnerungen offenbaren sich mir noch, wenn ich es schaffe tiefer in mich selbst vorzudringen? Sind sie wie verlorene Puzzlestücke, die darauf warten, an ihren Platz zu finden, um das Bild meiner Identität zu vervollständigen? Aber dafür benötige ich fremde Hilfe. Ungewissheit lässt mein Herz wie ein wildes Tamburin schlagen. Was wird die Begegnung mit den beiden Fremden für mein Leben bedeuten? Könnte die Magierin der Schlüssel zu allem sein? Das Schicksal scheint seine Fäden um mich zu spinnen. Ich muss die Wahrheit über mich selbst erfahren. Sobald ich zurück in Nebelhafen bin, werde ich jemanden finden, der die verborgenen magischen Fähigkeiten in mir erwecken kann... (Fortsetzung folgt)

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Re: Im Bann des Unbekannten - Ein neuer Anfang

Beitrag von Claire de Lune »

- Die Prüfung -

Zurück in Nebelhafen übergebe ich dem Echsenmenschen den verlorenen Helm. Seine Augen leuchten vor Freude, und er drückt mir eine auskömmliche Belohnung in die Hand. Endlich kann ich mir etwas gönnen.

Ich gehe durch die Tore der Stadt und sehe geschäftige Straßen, die voller Leben sind. Händler preisen lautstark ihre Waren an, Handwerker bieten ihre Dienste feil. Die Geräusche und Gerüche sind überwältigend. Nach den Erlebnissen der letzten Tage fühle ich mich hier zum ersten Mal sicher und angekommen.

Mit den Groschen in der Tasche miete ich mir ein Zimmer in der gemütlichen Taverne nahe des Marktplatzes. Rosalinde, die Wirtin, begrüßt mich freundlich und zeigt mir mein Zimmer. Es ist einfach, aber sauber, mit einem bequemen Bett und einem Fenster, das auf den belebten Platz hinausgeht. Nachdem ich mich ausgiebig erfrischt und meine schmutzigen Kleider gewechselt habe, fühle ich mich wie neugeboren.

Ich verlasse mein Zimmer, gehe die Treppe nach unten, in den Gastraum der Taverne. Dort lasse ich mich an einem der massiven Holztische nieder, die Beine noch schwer von den letzten Tagen und meine Gedanken wirr von all den neuen Eindrücken. Rosalinde kommt zu mir, und ich bestelle ein deftiges Mahl. Kaum habe ich meine Bestellung aufgegeben, breitet sich der betörende Duft von gebratenem Fleisch und frischem Brot im Raum aus und lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Während ich auf mein Essen warte, beobachte ich die lebendige Szenerie um mich herum. Die Taverne ist ein geschäftiger Ort, erfüllt vom warmen Licht flackernder Kerzen und dem leisen Summen von Gesprächen und Lachen. Ein Kamin prasselt an der gegenüberliegenden Wand und taucht den Raum in ein gemütliches Licht. Der Tisch neben mir ist von einer Gruppe Einheimischer besetzt, die ausgelassen Geschichten austauschen und dabei ihre Krüge heben. Ich höre Fetzen ihrer Gespräche, Geschichten von abenteuerlichen Reisen und alten Legenden, die die Fantasie anregen. Ein bärtiger Mann mit einer lauten Stimme erzählt gerade eine besonders spannende Erzählung von einem Seeungeheuer, das angeblich vor Jahren die Fischerboote bedroht haben soll. Ein paar Tische weiter sitzt eine Gruppe Reisender. Ihre Kleidung ist bunt und abgenutzt, sie scheinen von weit hergekommen zu sein. Sie lachen herzlich und teilen Essen und Geschichten aus ihren Heimatländern. Eine Frau in einem leuchtend roten Mantel erzählt gerade eine Anekdote über eine missglückte Handelsreise, die alle um sie herum in schallendes Gelächter ausbrechen lässt. Schließlich bringt Rosalinde mein Essen: ein dampfender Teller mit saftigem, gebratenem Fleisch, knusprigen Kartoffeln und einem Laib frischen Brots. Der Duft ist himmlisch, und als ich den ersten Bissen nehme, breitet sich ein wohliges Gefühl der Zufriedenheit in mir aus. Der Geschmack ist so köstlich, dass ich mich ganz auf mein Mahl konzentriere, jeden Bissen genießend.

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Gestärkt trete ich nach draußen und beginne die Stadt zu erkunden. Nebelhafen strahlt einen unvergleichlichen Charme aus, der mich sofort in seinen Bann zieht. Die schmalen Gassen schlängeln sich wie kleine Geheimwege zwischen den farbenfrohen Häusern hindurch. Jedes Haus hat einen eigenen, kleinen Garten, der mit einer Fülle von Blumen in voller Blüte geschmückt ist. Der Duft von Jasmin und Rosen liegt in der Luft und vermischt sich mit der frischen Brise, die vom Meer herüberweht. Während ich durch die Gassen spaziere, entdecke ich immer wieder kleine, liebevoll eingerichtete Geschäfte. Ein altes Antiquariat, in dem auch Reagenzien verkauft werden, zieht mich besonders an. Durch das Schaufenster sehe ich antike Bücher und Karten, die förmlich darauf warten, erforscht zu werden. Der Besitzer, ein freundlicher älterer Herr mit einem warmen Lächeln, winkt mir zu, als ich vorbeigehe. Die Menschen in Nebelhafen sind unglaublich freundlich und hilfsbereit. Ein Fischer, der gerade dabei ist, seine Netze zu flicken, grüßt mich herzlich und bietet mir eine frisch gefangene Makrele an. Eine Gruppe von Kindern rennt lachend an mir vorbei, verfolgt von einem fröhlich bellenden Hund. Überall spüre ich eine tiefe Verbundenheit der Bewohner mit ihrer Stadt und dem Meer, das sie umgibt. Nebelhafen hat eine beruhigende Wirkung auf mich. Jeder Schritt, den ich mache, enthüllt eine neue Facette dieses bezaubernden Ortes und lässt mich die unheimlichen Ereignisse bei meiner Ankunft für einen Moment vergessen.

Ich komme mit den hiesigen Händlern und Handwerkern schnell ins Gespräch. Ich frage nach Arbeit und siehe da, sie haben immer kleine Aufgaben, die gut bezahlt werden. Ob es das Auffinden von Gegenständen ist, das Überbringen von Botschaften oder das Beschaffen von Waren, mein Lebensunterhalt ist dadurch gesichert.

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Nun kann ich mich auf mein eigentliches Ziel konzentrieren: mehr über meine magischen Fähigkeiten zu erfahren. Könnte ich es sogar schaffen, eine vollausgebildete Magierin zu werden? Diese Frage treibt mich um. In den belebten Straßen von Nebelhafen frage ich die Einwohner nach Personen, die in der Ausbildung von Magiern erfahren sind. Schnell wird mir der Name Hermine genannt, sie beschreiben mir eine Frau, die sich oft in der Nähe des Marktplatzes aufhält.

Neugierig und ein wenig nervös mache ich mich auf den Weg. Der Marktplatz ist voller Leben, voll mit Menschen, die ihren täglichen Geschäften nachgehen. Ich lasse meinen Blick schweifen und entdecke schließlich eine Frau, auf die die Beschreibung passt. Sie ist von mittlerem Alter, eher unscheinbar gekleidet, doch ihre Gesichtszüge und ihre wachen Augen verraten Wissen, Weisheit und Intellekt.

Mit klopfendem Herzen gehe ich auf sie zu. „Entschuldigt werte Frau, seid ihr Hermine?“ frage ich vorsichtig. Sie wendet sich mir zu und mustert mich aufmerksam. Einen Moment lang schweigt sie, dann nickt sie langsam.„Ja, das bin ich. Und ihr seid?“„Mein Name ist Claire de Lune. Ich habe gehört, dass Ihr in der Ausbildung von Magiern erfahren seid. Ich möchte mehr über meine magischen Fähigkeiten lernen. Ich würde mich gerne einer Prüfung unterziehen. Könntet Ihr mir dabei helfen?“ Hermines Augen funkeln interessiert. „Magische Fähigkeiten, sagt Ihr? Das ist keine einfache Reise, werte Frau de Lune. Es erfordert Hingabe, Disziplin und einen starken Geist. Seid Ihr Euch sicher, dass Ihr dafür bereit seid und seid Ihr sicher jetzt schon eine Prüfung dafür abzulegen?“

Ich nicke fest entschlossen. „Ja, das bin ich.“

Sie lächelt leicht und deutet mir, ihr zu folgen. „Ihr seid erstaunlich selbstbewusst, aber lassen wir das Formelle. Ich bin Hermine und du bist Claire. Dann komm mit. Wir werden sehen, was in dir steckt.“

Wir verlassen den geschäftigen Marktplatz und gehen durch die engen Gassen der Stadt, bis wir an ein kleines, verstecktes Haus am Rand von Nebelhafen kommen. Hermine öffnet die Tür und führt mich in einen Raum, der vollgestopft ist mit alten Büchern, seltsamen Artefakten und funkelnden Kristallen.„Dies wird der Beginn deiner Ausbildung sein,“ sagt sie. „Sei gewarnt, es wird nicht leicht sein, aber wenn du durchhältst, könntest du eines Tages eine großartige Magierin werden.“

Hermine überreicht mir eine Seite Papier. Ich fühle wie wichtig die bevorstehende Herausforderung ist. Es ist der Beginn meiner Ausbildung. Es ist der Schritt in eine ungewisse Zukunft oder der Schlüssel zu meiner Vergangenheit. Meine Hände zittern während ich die Seite entgegennehme. Hermine schaut mich ernst an und macht klar, dass bevor ich den magischen Pfad einschlagen darf, ich 15 Fragen beantworten muss, die auf dem Papier niedergeschrieben sind. Sie gibt mir eine Stunde Zeit. „Diese Fragen sind nicht nur dazu da, um dein Wissen zu testen, Claire,“ erklärt Hermine. „Sie sollen auch deine Fähigkeit zeigen, klar zu denken und zu verstehen, was es bedeutet, Magie zu wirken. Nimm dir die Zeit, die du brauchst, und überlege sorgfältig. Dies ist ein wichtiger erster Schritt.“ Ich nicke und setze mich an einen alten Holztisch, der mit seltsamen Symbolen und Markierungen übersät ist.

Ich starre auf das Blatt Papier vor mir. Ein Gefühl der Verzweiflung überkommt mich. Die Begriffe und das Vokabular sind mir fremd. Ich habe keine Ahnung, wie ich diese Fragen beantworten soll. Doch plötzlich höre ich in meinem Geist seltsam vertraute Stimmen. Sie flüstern mir Worte und Sätze zu, die mir merkwürdig bekannt vorkommen. Ich lese mir die Fragen erneut vor... langsamer, konzentrierter.

Die Stimmen in meinem Kopf werden lauter und deutlicher. Plötzlich ergibt alles einen Sinn. Die Begriffe, die vorher wie Kauderwelsch klangen, ergeben nun eine klare Bedeutung. Es ist, als ob ein Schleier vor meinen Augen gelüftet wird, und ich erkenne die Antworten auf jede Frage.

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((Anmerkung: Um Testergebnisse nicht zu beeinflussen, handelt es sich bei den Fragen und Antworten nicht um tatsächliche Bestandteile der Magierprüfung. Die Leserschaft möge mir diesen fiktiven Ausflug verzeihen.))

„Was ist die Essenz der Magie?“ Eine Stimme in meinem Kopf antwortet: „Die Essenz der Magie ist die Energie, die alle Lebewesen und die Natur durchdringt und verbindet.“ Ich schreibe die Antwort nieder, und es fühlt sich richtig an.

„Wie beeinflusst der Mondzyklus das magische Wirken?“ Wieder höre ich eine klare Antwort: „Der Mondzyklus beeinflusst die Stärke und Art der magischen Energien, die zur Verfügung stehen. Vollmond verstärkt Magie, während Neumond sie beruhigt.“

Mit wachsender Zuversicht beantworte ich die nächste Frage: „Beschreibe eine Methode zur Reinigung eines Kristalls.“ In meinem Geist sehe ich das Bild von reinem Wasser und Sonnenlicht: „Ein Kristall kann gereinigt werden, indem er in fließendes Wasser gehalten und dann im Sonnenlicht getrocknet wird.“

Die Fragen sind plötzlich so klar und eindeutig vor meinem geistigen Auge, als ob ich sie immer schon gewusst hätte. Es ist ein sehr leichter Test, der lediglich das Basiswissen von Zauberkundigen abfragt. Lächelnd beginne ich, jede Frage sorgfältig zu beantworten. Die Zeit vergeht wie im Flug, und bevor ich mich versehe, habe ich alle 15 Fragen beantwortet. Ein Gefühl der Erleichterung und Zufriedenheit durchströmt mich.

Schließlich setze ich den Stift ab und übergebe das Blatt Papier an Hermine. Sie nimmt es entgegen und nickt anerkennend. „Gut gemacht, Claire. Nun lass uns sehen, wie du dich geschlagen hast.“ Sie beginnt, die Antworten durchzugehen, während ich nervös auf ihre Reaktion warte. Nach einer Weile legt sie das Papier zur Seite und sieht mich an. „Du hast Potenzial, Claire. Deine Antworten zeigen, dass du sowohl Wissen als auch einen intuitiven Zugang zur Magie hast. Deine Reise wird schwierig sein, aber ich sehe, dass du die nötigen Fähigkeiten mitbringst. Willkommen auf dem Pfad der Magie. Du bist nun eine Magiekundige.“ Ein Gefühl des Triumphs und der Freude durchströmt mich. Dies ist erst der Anfang, aber ich bin bereit für das, was vor mir liegt. Mit Mut und Entschlossenheit werde ich alles dafür tun, um meine magischen Fähigkeiten zu entwickeln und zu meistern. Ich benötige einen Mentor oder eine Mentorin. Das Bild einer bestimmten Person formt sich vor meinem geistigen Auge...
(Fortsetzung folgt)

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Re: Im Bann des Unbekannten - Ein neuer Anfang

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- Der Traum - 

Ich stehe an einem Fenster und schaue hinab auf eine wunderschöne Stadt. Ein Netz von Kanälen durchzieht die verwinkelten Gassen, die in einem zarten Nebel gehüllt sind. Dieser Nebel verleiht der Stadt eine geheimnisvolle, fast magische Atmosphäre. Anmutige Brücken erstrecken sich wie feine Kunstwerke über das Wasser, ihre Konturen heben sich vage gegen den nebligen Hintergrund ab. Die Sonne bricht durch den Dunst und spiegelt sich in den sanften Wellen des Wassers. Gondeln gleiten ruhig über die Kanäle. Sonnenstrahlen tanzen über die Dächer und über die Fassaden der Gebäude, die im goldenen Licht erstrahlen. Selbst der Nebel, den das Licht umgibt, leuchtet wunderschön. Die Welt wirkt wie ein paradiesischer Ort. Ich bin glücklich. Mein Herz pocht, während ich die Szenerie betrachte. Ich spüre eine tiefe Freude, fast schon Euphorie in mir aufsteigen. Alles scheint perfekt zu sein, als ob die Welt nur für diesen Moment existiert. Mein Körper scheint leicht und mein Geist ist erfüllt von Glück – als wenn ich...verliebt bin?

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Doch dann ändert sich die gesamte Situation drastisch und unerwartet. Die warmen Strahlen der Sonne verschwinden und weichen einer bedrohlichen Dunkelheit. Die Umgebung wird kalt und unwirtlich. Als ich mich langsam umdrehe, erstreckt sich vor mir ein düsterer Korridor, dessen Ende im Dunkeln verborgen liegt. Eine geheimnisvolle Kraft zieht mich förmlich dazu, diesem Korridor zu folgen. Mit zittrigen Beinen setze ich Schritt um Schritt, während die Wände auf beängstigende Weise immer näher zusammenzurücken scheinen. Ein Gefühl der Angst ergreift von mir Besitz, mein Puls rast. Schließlich gelange ich an eine schwere, hölzerne Tür. Meine schweißnassen Hände umklammern die Klinke. Widerwillig drücke ich sie nach unten. Die Tür gibt ein lautes Knarren von sich, als sie sich vor mir öffnet. Mit pochendem Herzen betrete ich das mysteriöse Zimmer, voller Furcht und… Neugier.

Ich stehe in einer düsteren Kammer und sehe eine Frau in einem Bett liegen. Ihr entblößter Rücken ist mir zugewandt. Ihr langes Haar fällt in Wellen über das Kopfkissen. Sie scheint mir sehr vertraut und ein unbeschreibliches Gefühl der Sorge überkommt mich, als ich langsam auf das Bett zugehe. Jeder Schritt fühlt sich schwer wie Blei an. Es ist als ob unsichtbare Hände mich zurückhalten wollten. Das Licht im Raum ist schwach und flackert, wie eine Kerze, die jeden Moment erlöschen könnte.

Ich trete näher an das Bett heran. Die Frau liegt dort, reglos, als wäre jegliches Leben aus ihr gewichen. Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals, der mir das Atmen schwer macht. Ich zögere, doch meine zitternden Finger strecken sich nach ihr aus, angetrieben von einer Mischung aus Furcht und Sorge. Gerade als meine Hand beinahe ihre Haut berührt, bemerke ich eine Bewegung. Ein Schrei entweicht meinen Lippen, als ich voller Entsetzen erkenne, dass wir nicht allein sind. Es ist noch jemand in diesem Raum.

Im Schatten des Zimmers steht wieder diese furchterregende Frau in ihrem weißen Gewand. Die Frau, der ich nachts bei meiner Ankunft in Nebelhafen begegnet bin. Ihr Anblick lässt mir das Blut in den Adern gefrieren. Sie steht völlig still, doch ihre Präsenz ist beängstigend, bedrohlich und unheilvoll. Ihre Augen fixieren mich mit einem durchdringenden Blick, der mir das Gefühl gibt, als könne sie direkt in meine Seele sehen. Ihr Gesicht trägt ein wissendes, spöttisches Lächeln, als ob sie ein dunkles Geheimnis in sich trägt. Ein Geheimnis, was mir zum Verhängnis wird oder... wurde?

Plötzlich bricht sie in ein schrilles, hämisches Lachen aus, das mir durch Mark und Bein geht. Ihre Stimme ist unnatürlich und scheint aus einer anderen Welt zu stammen. Sie ruft: "Sie hat es dir nicht gesagt, Claire de Lune? Du wusstest von nichts?", gefolgt von einem weiteren hämischen Lachen. Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken hinunter, schon wieder diese Worte. Ich will schreien, doch kein Laut kommt über meine Lippen. Die Worte der Frau, ihr Lachen hallen in meinem Kopf wider, während die Welt um mich herum zu verschwimmen beginnt. 

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Ich erwache schweißgebadet in meinem Bett. Ich befinde mich in meinem Zimmer in der Taverne von Nebelhafen. Mein Herz rast unter den Eindrücken des furchtbaren Traums. Die ersten Morgenstrahlen kämpfen sich durch die Vorhänge, tauchen den Raum in ein gedämpftes Licht. Ich setze mich auf und versuche meinen Atem zu beruhigen. Schwach höre ich wie Rosalinde unten in der Küche das Frühstück für die Gäste zubereitet. Der Traum – oder war es mehr als das? – lässt mich nicht los. Die Bilder brennen sich in meine Gedanken: die paradiesische Stadt, die düstere Kammer, die reglose Frau auf dem Bett. Und dann ist da noch diese unnatürliche Gestalt in weißem Gewand, die mich zu verfolgen scheint und immer wieder dieselben unheilvollen Worte ruft: "Sie hat es dir nicht gesagt, Claire de Lune. Du wusstest von nichts?"

Mein Kopf schwirrt vor Fragen. Was hatte dieser Traum zu bedeuten? War es nur eine Ausgeburt meiner Fantasie, oder ein Fetzen meiner verlorenen Erinnerung, ein Echo meiner Vergangenheit? Ich versuche mich zu erinnern, doch alles ist verschwommen, als ob ich durch einen dichten Nebel blicke. Habe ich in dieser Stadt gelebt? War ich dort glücklich? War ich verliebt? Wer war die Frau im Bett, die mir so vertraut erschien, und warum hinterlässt ihr Bild in meinem Herzen eine so tiefe Sorge?

Langsam schiebe ich die Decke beiseite und setze meine Füße auf den kalten Holzboden. Ich muss Antworten finden, irgendwie mein Gedächtnis zurückerlangen. Existiert diese Stadt aus meinem Traum? Birgt sie meine verlorene Erinnerung? Ich ziehe mich hastig an, meine Hände zittern leicht. Die Gedanken an den Traum lassen mir keine Ruhe.

Als ich die Taverne verlasse, umfängt mich die kühle Morgenluft. Die Stadt erwacht gerade erst, und die Straßen sind noch leer und friedlich. Ich laufe ziellos umher, verloren in meinen Gedanken. Immer wieder vernehme ich im Geiste die Worte dieser unheimlichen Frau, vermischt mit ihrem hämischen Lachen. Was ist es, das mir nicht gesagt wurde? Ich halte an einem Bachlauf inne, der leise und beruhigend dahin plätschert. Ich blicke auf das Wasser und sehe mein eigenes Gesicht.

Nein..., denke ich und starre in den klaren Bach, der mein verzerrtes Spiegelbild zurückwirft. Mein Gesicht sieht erschöpft aus, die Augenringe erzählen von dem vergangenen Albtraum, doch die Entschlossenheit kehrt zurück. Sie glüht wie nie zuvor..., wer immer mir das angetan hat. Ich lasse mich nicht unterkriegen. Ich werde irgendwann herausfinden, was mit mir geschehen ist und denjenigen oder diejenigen zur Rechenschaft ziehen. Bis dahin ist die Magierausbildung mein Schicksal, mein Weg, den ich ohne Zögern verfolgen werde. Ich atme tief durch. Die Worte der Macht, die ich in den letzten Tagen studiert habe, fließen durch meinen Geist, als wären sie schon immer Teil meines Wesens. Es ist an der Zeit, diese Zauber zu festigen, sie in der realen Welt auszuprobieren. Es sind nicht bloß Worte, sie sind der Schlüssel zu meiner Bestimmung, sie sind mein Schutz und meine Waffe. Der Wind raschelt durch die Bäume und erinnert mich daran, dass Gefahren überall lauern können. Feindliche Kreaturen, unzählige und unbarmherzige, durchstreifen diese Welt. Sie müssen in Schach gehalten und bekämpft werden. Die Hilflosen gilt es zu beschützen und ich werde diejenige sein, die ihren Teil dazu beiträgt. Entschlossen, meine Kräfte zu festigen und meine Zauber zu perfektionieren erhebe ich mich...

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Re: Im Bann des Unbekannten - Ein neuer Anfang

Beitrag von Claire de Lune »

- Aller Anfang ist schwer -

Ziellos durchstreife die Wälder südlich von Nebelhafen. Die Sonne wirft tanzende Lichtflecken auf den Boden. Meine Augen schweifen über das Unterholz, auf der Suche nach etwas – oder besser gesagt, jemandem – der meine magischen Fähigkeiten auf die Probe stellen könnte. Bis jetzt habe ich nichts als niedliche Eichhörnchen, friedliche Bären und zwitschernde Vögel gesehen. Meine Magie an diesen unschuldigen Kreaturen zu testen, würde mir nicht nur das Herz brechen, sondern wahrscheinlich auch Ärger mit den ansässigen Druiden einbringen.

„Claire, du bist eine Zauberin“, murmele ich mir selbst zu. „Da muss doch irgendetwas in diesen Wäldern sein, das zumindest ein bisschen Bedrohlichkeit ausstrahlt.“ Doch je weiter ich gehe, desto friedlicher wird alles. Ich trete auf einen weichen Teppich aus Moos. Selbst der Singsang der Vögel hört sich harmonisch und friedfertig an. Langsam beginne ich an meinem Vorhaben zu zweifeln. Sollten die Wälder von Nebelhafen doch nicht von bösartigen und feindseligen Kreaturen bewohnt sein? Ich erinnere mich an meinen ersten Auftrag, bei dem ich an einem alten Friedhof vorbeigekommen bin. Eine Gänsehaut bildet sich, als ich an die verfallenen Grabsteine und die dichten Nebelschwaden denke, die den Ort umhüllen. Wenn es irgendwo düstere Kreaturen geben sollte, dann dort. „Vielleicht ist das genau der richtige Ort, um meine Kräfte zu testen“, sage ich zu mir selbst, während ich einen Weg durch das Dickicht einschlage, der in Richtung des Friedhofs führt.

Mit jedem Schritt wirkt der Wald bedrohlicher. Die Vögel haben aufgehört zu singen, und das einzige Geräusch ist das Knacken der Zweige unter meinen Füßen. Bald sehe ich die ersten Grabsteine durch den Nebel schimmern. Der Friedhof sieht genauso unheimlich aus, wie ich ihn in Erinnerung habe. Verfallene Mausoleen, überwucherte Gräber und unheimliche Stille. Perfekt. Vas Flam, Vas Flam sage ich mir im Geiste auf und gehe vorsichtig auf den Friedhof zu. Meine Sinne sind geschärft. Ich spüre die magische Energie, die in der Luft liegt. Plötzlich höre ich ein leises Rascheln hinter mir. Ich drehe mich blitzschnell um und sehe eine dunkle Gestalt, die langsam auf mich zukommt. Endlich! Eine Chance, meine Kräfte zu erproben. „Komm nur her, was auch immer du bist“, flüstere ich und bereite meinen Zauber vor. Die Gestalt bewegt sich weiter auf mich zu. Ich spüre das Adrenalin durch meine Adern rauschen. Jetzt beginnt das wahre Abenteuer. Ich erhebe meine Hände, bereit einen vernichtenden Feuerball hervorzurufen.

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Kurz bevor ich die Worte "Vas Flam" rufe, erkenne ich, dass es sich bei der Gestalt um eine junge Frau handelt, die ein Lama hinter sich herzieht. Mein Herz, das gerade noch wie wild geschlagen hat, beruhigt sich ein wenig. Ein Gefühl der Erleichterung aber auch Enttäuschung macht sich in mir breit. Nein, es ist keine düstere Kreatur, die da vor mir steht, sondern eine exotische Schönheit mit einem wirklich süßen Lama an ihrer Seite. Ich lasse meine erhobenen Hände, die gerade noch einen Feuerball aus dem Äther formen wollten, sinken und betrachte sie genauer. Die Frau hat eine dunkle Haut, die im Licht wie Bronze glänzt. Ihr langes, schwarzes Haar ist kunstvoll zu einem Kranz um ihren Kopf geflochten und fällt als eleganter Zopf über ihren Rücken. Dieser Zopf bewegt sich sanft mit jedem ihrer Schritte und scheint Geschichten von alten Zeiten und fernen Ländern zu erzählen. Ihr türkisfarbenes Kleid ist atemberaubend und eine faszinierende Mischung aus traditionellen und modernen Stilen. Es fließt um ihren Körper wie ein sanfter Wasserfall, wobei zarte Stickereien und filigrane Muster auf dem Stoff den Eindruck erwecken, als sei sie aus einer fernen, mystischen Welt in unsere Zeit gereist. Das Kleid hat eine tiefe, aber elegante Aussparung am Rücken und schimmert im Licht, als ob es selbst magische Kräfte besäße. Das Lama neben ihr wirkt wie ein treuer Gefährte, mit weichem Fell und großen, neugierigen Augen. 

Die Frau bemerkt mich und stoppt abrupt. Ihre Augen weiten sich leicht, und sie schaut mich fragend an. Offensichtlich hat sie nicht damit gerechnet, hier jemandem zu begegnen – schon gar nicht jemandem mit erhobenen Händen und einen Zauberspruch auf den Lippen.

„Hallo“, sage ich, um die Spannung zu lösen. „Entschuldigt, wenn ich Euch erschreckt habe. Ich bin Claire. Und wer seid Ihr?“ 

Sie lächelt leicht und tritt einen Schritt näher, das Lama folgt ihr brav. „Mein Name ist Sherizeth Yaquira, aber nennt mich einfach nur Sheri.“, antwortet sie. Ihre Stimme hat einen melodischen Klang, der perfekt zu ihrem exotischen Aussehen passt. „Und das hier ist mein Begleiter, Azikiwe.“ 

Ich kann ein Lachen nicht unterdrücken. „Azikiwe? Das ist ein lustig klingender Name.“ 

Sheri lächelt breiter. „Ja, er ist eine wundervolle Gefährte, ich würde ihn nie wieder hergeben wollen.“ Sie betrachtet mich neugierig. „Aber was macht Ihr hier in der Nähe eines gefährlichen Friedhofs?“ 

Ich zucke mit den Schultern und lächele „Ich war auf der Suche nach feindlichen Kreaturen, um meine magischen Fähigkeiten zu testen. Aber wie es scheint, sind heute meine einzigen Begegnungen junge Frauen mit ihren Lamas.“ 

Sheri lacht. „Nun, ich bin froh, dass Ihr nicht auf feindliche Kreaturen gestoßen seid. Der Friedhof ist viel zu gefährlich, vor allem wenn Ihr über nicht viel Erfahrung verfügt. Aber vielleicht kann ich helfen. Es gibt eine alte Kanalisation, die unter Nebelhafen liegt und die von allerlei schleimigem Getier bewohnt wird. Wenn ihr diese Schleimmonster bekämpft, werdet Ihr Euch viele Freunde machen, denn kaum ein Bürger traut sich dort alleine hinab, um Instandsetzungen vorzunehmen. Vielleicht ist das genau die Herausforderung, die Ihr sucht?“ 

Mein Interesse ist geweckt. Schleimmonster? Das könnte tatsächlich spannend werden. „Zeigt mir den Ort“, sage ich entschlossen und trete an Sheri's Seite, bereit ihr zu folgen. Es sieht so aus als könnte der Tag doch noch in einem Abenteuer enden.

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Sheri nickt und wir machen uns auf den Weg. Es dauert nicht lange, bis wir an Steinstufen gelangen, die in den Untergrund hinabführen. „Dies ist der Eingang zur Kanalisation“, sagt sie während sie Azikiwe an einem Stamm anbindet. Das Lama muss draußen bleiben, was für das treue Tier wohl am Sichersten ist. Vom Dunkel des Eingangs schlägt uns ein fauliger Geruch entgegen. Während wir die Stufen hinabsteigen, verziehe ich das Gesicht und atme so gut es geht durch den Mund. „Willkommen in den Tiefen von Nebelhafen“, sagt Sheri mit einem schwachen Lächeln.

Die Kanalisation ist noch enger und düsterer, als ich es mir vorgestellt hatte. An den Wänden kriechen seltsame, schleimige Ranken, und der Boden ist von einer dicken Schicht aus Schmutz und Abfall bedeckt. Das Wasser in den Abflüssen gluckert unheilvoll, und der Gestank ist fast unerträglich. Wir gehen vorsichtig weiter, Sheri voran und ich dicht hinter ihr her. 

Nach einigen Schritten, hören wir ein schmatzendes Geräusch, gefolgt von einem schleifenden Laut. Aus dem Schatten tritt eine Kreatur, die so ekelerregend ist, dass ich einen Moment lang um meine Fassung ringe. Ein Schleimmonster, grün und glibberig, mit glühenden Augen, die uns hungrig anstarren.

„Jetzt oder nie“, murmle ich, erhebe meine Hände und rufe gebieterisch: „Vas Flam!“
Der Feuerball trifft das Monster direkt und lässt es zischen und brodeln. Der Gestank von verbranntem Schleim ist fast unerträglich. Doch anstatt zu verschwinden, scheint das Monster nur wütender zu werden. Schmatzend kommt es auf uns zu. Ich trete Instinktiv ein paar Schritte zurück.

„Vas Flam!“ rufe ich erneut und schicke einen weiteren Feuerball auf das Monster. Ein Teil des Schleims verdampft mit einem ohrenbetäubenden Knall. Doch in meiner Aufregung treffe ich auch Sheri, die gerade versucht sich aus dem Weg zu ducken. Sie schafft es nicht ganz. Ihre Haare fangen an einer Stelle leicht Feuer. Sie schreit auf.

„Oh nein, tut mir leid!“ rufe ich entsetzt und lasse die Hände sinken, um ihr zu helfen, die Glut auszuschlagen. „Das war wirklich nicht beabsichtigt!“

„Keine Sorge, Claire“, sagt Sheri und lacht nervös, während sie sich die Haare ausklopft. „Ich habe schon Schlimmeres erlebt.“

Kaum hat sie das gesagt, kommt das Schleimmonster erneut auf uns zu. Es scheint unsere Ablenkung auszunutzen. „Vas Flam!“ rufe ich und schicke einen dritten Feuerball direkt in das Zentrum des Monsters. Es explodiert in einer widerlichen Wolke aus Dampf und Schleim, die uns beide triefend nass macht.

„Geschafft“, keuche ich und wische mir den Schleim von der Stirn. Doch bevor wir uns richtig freuen können, hören wir weitere schmatzende Geräusche. Es scheint, als ob nun die komplette Schleimmonster-Familie unsere Bekanntschaft machen möchte.

„Noch mehr?“ stöhne ich und bereite mich auf den nächsten Angriff vor.

„Vas Flam!“ Ein Feuerball trifft das nächste Monster, aber wieder geht ein Funke daneben und streift Sheri's Haare. Sie weicht geschickt aus und wirft mir einen gespielt empörten Blick zu.
„Claire, wenn das so weitergeht habe ich bald eine Glatze!“

Ich kann nicht anders, als zu lachen, auch wenn die Situation alles andere als entspannt ist. „Tut mir leid, wirklich!“

Sheri rollt mit den Augen und duckt sich erneut, als ein weiterer Feuerball an ihr vorbeizischt und das dritte Schleimmonster trifft. Ein weiterer Knall, eine weitere Wolke aus Schleim, die uns beide trifft.

„Schleimbäder werden langsam zur Routine. Ich hoffe sie sind gut für die Haut.“, murmelt Sheri trocken und wischt sich das stinkige Zeugs aus dem Gesicht.

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Nach einer weiteren Handvoll Feuerbälle und etlichen Schleimexplosionen stehen wir schließlich triefend und außer Atem vor einem glibbrigen Haufen besiegter Monster. „Geschafft“, sage ich erschöpft und lasse meine Hände sinken.

Sheri klopft mir anerkennend auf die Schulter. „Gut gemacht, Claire. Und macht Euch keine Sorgen wegen meiner Haare. Es war… wie ein Besuch bei einem Barbier.“
Wir lachen beide. Besudelt mit Unrat und erschöpft machen wir uns auf den Weg zurück an die Oberfläche. 

„Als Entschuldigung für meine Missgeschicke, Sheri, wie wäre es, wenn ich Euch auf ein Glas Wein oder was immer Ihr mögt in die Taverne von Nebelhafen einlade?“ frage ich, während wir uns den Schleim aus den Haaren wringen und die Kanalisation hinter uns lassen.

Sheri schaut mich an und grinst. „Das klingt nach einer hervorragenden Idee, Claire. Ich könnte nach diesem Abenteuer wirklich einen guten Tee zur Beruhigung gebrauchen.“

Bevor wir uns in Bewegung setzen, werfen Sheri und ich einen Blick auf unsere dreckige Kleidung. Es ist klar, dass wir so nicht in die Taverne gehen können, ohne die gesamte Einrichtung zu ruinieren.

„Wir können uns unmöglich so unter die Leute begeben“, sage ich und schaue verzweifelt auf meine klebrigen Ärmel.

„Ich denke, ich habe eine Lösung“, meint Sheri und grinst. Sie holt aus ihrer Tasche ein kleines Fläschchen hervor. „Das hier ist ein magischer Reinigungszauber in einer Flasche. Perfekt für solche Situationen.“

„Wo habt Ihr das her?“ frage ich neugierig.

„Ein kleines Geschenk von einem befreundeten Alchemisten“, erklärt sie und öffnet die Flasche. Ein frischer, blumiger Duft steigt uns in die Nase, als Sheri ein paar Tropfen auf ihre Handfläche gibt und sie dann über ihre Kleidung reibt. Sofort beginnt der Schleim zu schäumen und verschwindet in einer Wolke aus sauberem Dampf.

„Das ist ja fantastisch!“ rufe ich begeistert. „Kann ich auch ein paar Tropfen haben?“

„Natürlich“, sagt Sheri lachend und reicht mir die Flasche. Ich gebe ein paar Tropfen auf meine Handfläche und reibe sie über meine klebrigen Ärmel und den restlichen Schleim an meiner Kleidung. Der Schleim schäumt auf und löst sich in einer sauberen Dampfwolke auf, sodass meine Kleidung wieder frisch und sauber aussieht.

„Das hätte ich schon viel früher gebrauchen können“, sage ich, als ich die saubere Kleidung bewundere.

„Es ist wirklich praktisch“, stimmt Sheri zu. „Jetzt sind wir bereit für die Taverne.“

((Anmerkung: die Leserschaft möge mir diese dämliche Idee der Säuberung verzeihen. Aber mir ist nichts besseres eingefallen und so dreckig wie die Protagonisten waren, konnten sie sich unmöglich in der Öffentlichkeit zeigen.))

Wir machen uns auf den Weg. Die Sonne geht langsam unter, und der Himmel färbt sich in warmen Orangetönen. Als wir die Taverne betreten, begrüßt uns ein gewohnt gemütliches, geschäftiges Ambiente. Der Duft von frisch gebackenem Brot und gebratenem Fleisch steigt uns in die Nase, und die Geräusche von fröhlichem Gelächter und angeregten Gesprächen füllen den Raum.

„Mögt ihr Wein oder möchtet Ihr etwas anderes zu trinken haben?“ frage ich Sheri, während sie ihren Stab an den Tresen lehnt und sich auf einem der Hocker an der Theke niederlässt.

„Ein Tee wäre recht,“ antwortet Sheri „Einen Minztee, der ist mir ohnehin der liebste.“

„Das ist eine gute Wahl.", stimme ich ihr zu, "Den nehme ich auch. Für Alkohol ist es noch zu früh am Tag,“ Ich winke die Wirtin Rosalinde herbei und bitte sie um zwei heiße Minztee. Rosalinde nickt freundlich und begibt sich daran Wasser zum Kochen zu bringen. Die Kerzen auf den Tischen werfen ein warmes, flackerndes Licht, das die rustikalen Holzwände und die alten Gemälde an den Wänden in ein sanftes Leuchten taucht.

„Auf die erfolgreiche Schleimmonsterjagd und auf hoffentlich weniger angesengte Haare in der Zukunft“, sage ich, als uns Rosalinde zwei köstlich duftende Tassen Minztee reicht.

„Zum Wohl!“ lacht Sheri und hebt ihre Tasse. „Und darauf, dass in Zukunft kein bösartiges Getier euren Feuerbällen widerstehen kann.“

Gerade als ich Sheri frage, ob sie mir etwas über sich erzählen möchte und wie sie in diese Gegend gekommen ist, hören wir hinter uns ein Poltern. Ein Mann, der offensichtlich alkoholisiert ist und ein wenig schwankend auf den Beinen steht, taumelt zu uns an die Theke und fragt mit leicht lallender Stimme: "Guten Abend die Damen! Ist's recht, wenn ich mich zu Euch setze?"

Sheri und ich mustern den Mann, der adrett gekleidet ist und willigen ein.  "Sehr erfreut, man nennt mich Gryff Gansbar," stellt er sich vor und wirft dabei misstrauische Blicke auf unseren Tee.

Ich muss laut lachen, als ich seinen skeptischen Blick bemerke. "Mein Name ist Claire de Lune, aber bitte nennt mich einfach nur Claire," sage ich. Gryff, der sich einen Branntwein bestellt, mustert mich von oben bis unten: "Seid Ihr adelig oder dergleichen?" Dann fügt er hinzu: "Ich bin gewiss kein Adliger, aber ähnlich quer im Kopf" und tippt sich mit dem Zeigefinger an seine Schläfe.

Ich erzähle ihm, dass ich mich an meine Vergangenheit nicht erinnern kann. Gryff fragt ohne Umschweife: "Seid Ihr etwa auf den Kopf gefallen?"

Ich blicke ihn hoffnungslos an und erkläre, dass es wohl so ähnlich gewesen sein könnte. Gryff nickt und sagt mit einem aufmunternden Lallen: "Das ist nicht so schlimm. Im Gegenteil, Claire. Es ist sogar besser so, mein' ich." 

Er erklärt, dass er schon lange versucht, seine eigene Vergangenheit zu vergessen. Ich schaue ihn fassungslos an. "Ihr wollt freiwillig eure Vergangenheit vergessen? Warum?"

Gryff lehnt sich zurück, streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht und sagt: "Ich denk', so gut kennen wir uns dann noch nicht, als dass ich Euch damit belasten wollen würd'."

Sheri, die bislang schweigend dagesessen hat, wendet sich mir zu und sagt: "Ihr wolltet wissen wie ich in diese Gegend gelangt bin?" Sie berichtet von ihren dramatischen Erlebnissen, davon wie ihr Schiff in einen Sturm geriet, das Ruder brach und sie und die Besatzung schließlich zwei Tage später in einem Beiboot an Land rudern mussten. "Zum Glück wurde niemand ernsthaft verletzt, obwohl viele von uns krank wurden," fügt sie gefasst hinzu.

Gryff nickt mit trübem Blick und erzählt: "Ich bin aus dem Gefängnis ausgebrochen und hab' mich an Bord eines Schiffes versteckt. Drei Tage lang hab' ich zwischen Fässern und Dreck gelegen. Aber zumindest bin ich nicht mehr zu Hause. S' ist nun schon gut zwei Monde her, dass ich hier wie Treibholz angeschwemmt wurde." Er lacht und hebt sein Glas."

Sheri fasst es treffend zusammen: "So scheint wohl niemand hier bewusst und beabsichtigt an diesem Ort angelangt zu sein."

Während wir in der Taverne sitzen und unsere Gespräche immer lebhafter werden, sehe ich aus dem Augenwinkel, wie zwei Neuankömmlinge die Taverne betreten. Meine Augen weiten sich, als ich erkenne, wer es ist: Die hochgewachsene, rothaarige Magierin und ihr blonder Begleiter, jene die mir bei der Suche nach dem verlorenen Helm am Sternenpfad geholfen haben. Ich nicke den beiden erfreut zu. Sie nicken lächelnd zurück und bestellen sich etwas zu trinken, bevor sie sich etwas abseits von uns an einen Tisch setzen und immer wieder zu unserer Gruppe hinüberschauen.

Sheri rutscht schließlich von ihrem Stuhl und verabschiedet sich von uns, da sie noch etwas dringendes zu erledigen hat. Lächelnd schaut sie mich an und sagt: "Ich bin sicher, dass sich unsere Wege irgendwann wieder kreuzen. Dann haben wir Zeit ausführlicher miteinander zu reden." 

Ich schaue Sheri hinterher, wie sie die Taverne verlässt und werfe dann wieder einen Blick auf meine Helfer vom Sternenpfad. Ich rufe zu ihnen hinüber: „Ihr netten Leute, warum setzt ihr Euch nicht zu uns?“

Die beiden blicken sich an, nicken und stehen auf, um sich zu uns zu gesellen. Ich freue mich auf die Gelegenheit, mich endlich vorzustellen und mehr über sie zu erfahren. „Hallo! Ich bin Claire“, beginne ich. „Danke noch einmal für Eure Hilfe bei der Suche nach dem Helm.“

Die rothaarige Frau lächelt warm und antwortet: „Ich bin Ruweena Shire, eine Elementarmagierin. Und das hier ist Aanatus“, fügt sie hinzu und zeigt auf ihren blonden Begleiter, der schmunzelnd neben ihr sitzt.

„Es freut mich, Euch kennenzulernen“, spricht Aanatus. „Wir haben Euch gerne beigestanden.“

Ich lächele Aanatus dankbar an und wende mich Ruweena zu, „Eine Elementarmagierin? Das ist ja fantastisch!“ sage ich begeistert. „Ich selbst will ebenfalls den Pfad der Elementarmagie beschreiten.“

Ruweenas hellblaue Augen leuchten auf. „Das ist wunderbar, Claire! Die Elementarmagie ist ein faszinierendes und kraftvolles Gebiet. Wie weit seid Ihr schon in Eurem Training?“

Ich erkläre, dass ich noch am Anfang stehe und heute begonnen habe mit Feuerzaubern zu experimentieren. „Feuerbälle sind noch nicht meine große Stärke“, sage ich verlegen und erinnere mich an meine anfängerhaften Versuche in der Kanalisation.

Ruweena nickt mir aufmunternd zu. "Das wird schon noch, Claire. Es ist noch keine Erzmagierin vom Himmel  gefallen." Dann beginnt sie vom Konvent der drei Sphären zu erzählen, dass sie ihm angehört und wie sich das Konvent dem Schutz und der Bewahrung von Wissen verschrieben hat. Gryff, benebelt von seinem Branntwein, lässt keine Gelegenheit aus, wirre und unbedachte Kommentare zu äußern. Aanatus betrachtet Gryff mit offenem Missfallen, als würde er einen ungehobelten Trunkenbold vor sich haben, der dringend auf Anstand und weniger Branntwein angewiesen ist.

„Guter Mann“, sagt Aanatus mit gespielter Höflichkeit, „manchmal ist es besser, zu schweigen und zuzuhören.“ Gryff, der sich davon wenig beeindruckt zeigt, behauptet hartnäckig, dass er seinen Gedanken freien Lauf lassen müsse. „Stille ist mir ein Gräuel“, sagt er und nippt genüsslich an seinem Glas Branntwein. „Also?“, fragt Gryff schließlich. Er schaut dabei ins Leere, als ob er noch immer nach dem tieferen Sinn in Ruweena's Worten sucht. Ruweena erklärt geduldig, dass die drei Sphären von Geburt, Leben und Tod handeln. Aanatus, der sich darüber zu amüsieren scheint, wie weit Gryff's Horizont doch von der magisch-akademischen Weltanschauung  entfernt ist, ergänzt trocken: „Die drei Sphären sind auch auf das Trinken anwendbar. Der erste Schluck, das fröhliche Trinken und schließlich der Kater."

Inmitten dieser Diskussionen über Metaphysik und Philosophie, die Gryff mit seiner direkten Art oft unterbricht, versuche ich, einen klaren Gedanken zu fassen. Ruweena's Worte über die Sphären und den Dreiklang von Geburt, Leben und Tod lassen mich über meine eigene magische Vergangenheit nachdenken, die ich erst vor kurzem wiederentdeckt habe. Ich benötige Unterstützung und ich frage mich erneut, ob diese faszinierende Magierin mit ihrer Erfahrung und ihrem unfassbar großen Wissen bereit ist, mir in Zukunft auf meinem Weg beratend beiseite zu stehen? Könnte sie es sein, die das Rätsel um meine Vergangenheit löst? Andererseits, warum sollte sie ihre kostbare Zeit einer Fremden widmen, die gerade einmal ihren eigenen Namen kennt? Ich beschließe hierüber mit Ruweena an einem anderen Tag unter vier Augen zu sprechen.

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Als die Gespräche sich dem Ende neigen, verabschiede ich mich müde, aber glücklich und zufrieden von der Runde. „Es war ein geselliger und unterhaltsamer Abend. Vielen Dank Euch allen“, sage ich und wende mich an Ruweena. „Besonders Euch, Ruweena. Euer Wissen und Eure Weisheit haben mich sehr inspiriert.“

„Gern geschehen, Claire“, antwortet Ruweena lächelnd. „Ich freue mich, dass ich Euch an meinem Wissen teilhaben lassen konnte.“

Vom Gastraum aus gehe ich die Treppe nach oben in mein Zimmer. Der Tag war ereignisreich und voller neuer Erkenntnisse. Ich lege mich in mein Bett, die Gedanken noch bei Ruweena's Erklärungen und den Möglichkeiten, die vor mir liegen. Glücklich und zufrieden schlafe ich ein, bereit für die Aufgaben, die die nächsten Tage bringen werden.

(Fortsetzung folgt)

 
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Re: Im Bann des Unbekannten - Ein neuer Anfang

Beitrag von Claire de Lune »

- Erfahrungen -

Ich liege im Bett, umhüllt von den weichen Laken, die sich sanft an meine Haut schmiegen. Eine angenehme Wärme durchströmt meinen Körper, als würde ein inneres Feuer in mir lodern. Die Dunkelheit der Nacht ist wie ein samtiger Vorhang. Sie wird durchbrochen von einem schwachen, diffusen Licht, das vom Nachthimmel durch mein Fenster dringt. Das fahle Leuchten der Sterne und des Mondes tauchen den Raum in ein gedämpftes, fast ätherisches Glühen. Alles scheint perfekt. Es ist ein Moment des Friedens, ein Moment der Geborgenheit.

Plötzlich durchdringt eine vertraute Stimme die Stille. Es ist die Stimme einer Frau, deren Klang mir bekannt vorkommt, aber deren Worte ich nicht verstehen kann. Sie flüstert leise, ihre Stimme klingt wie ein fernes Meeresrauschen, beruhigend und liebevoll. Die Worte sind unverständlich und doch berühren sie etwas tief in mir, etwas, das lange Zeit unberührt geblieben ist.

Ich spüre, dass zwischen uns eine unsichtbare Verbindung besteht. Ich spüre eine starke Bindung zu jemandem, der mir einst sehr nahe war, immer noch ist oder vielleicht ...erst noch wird? Der Gedanke streift wie ein flüchtiger Hauch durch mein Bewusstsein. Ihre Stimme, so vertraut und liebevoll, scheint mir zuzuflüstern, dass ich nicht allein bin, dass da jemand ist, der auf mich aufpasst, mich versteht und liebt.

Ich versuche in der Dunkelheit zu erkennen, wer diese Frau ist. Alles, was ich sehe, sind undeutliche Formen, eine Silhouette, die vertraut wirkt, aber verschwommen bleibt. Ein vager Hauch der Erinnerung streift meinen Geist. Es ist ein Gedanke, zum Greifen nah, aber doch so fern. Der Klang ihrer Stimme weckt etwas in mir. Es ist, als wäre ich der Lösung meines Zustands auf der Spur, als stünde ich kurz davor etwas Entscheidendes zu begreifen.

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Die Dunkelheit um mich herum wird dichter. Die Stimme, so beruhigend und liebevoll, wird schwächer. Ich versuche verzweifelt mich an mehr zu erinnern, dem Schatten ein Gesicht zu geben, doch es ist wie der Versuch einen Nebel zu ergreifen. Fast habe ich das Gefühl die Antwort zu kennen, doch dann... ist alles vorbei.

Ich erwache. Die Wärme, die Stimme, die Frau – alles ist verblasst. Die Erinnerungen sind wie Sand, der mir durch die Finger rinnt. Zurück bleibt nur das Echo eines Traums und das Gefühl, dass ich etwas Wichtiges verloren habe. 

Mein Herz schlägt schnell vor Aufregung. Der Morgen dämmert gerade erst. Die ersten Lichtstrahlen dringen durch das Fenster. Ich liege allein in meinem Bett. Der Traum, der so intensiv, fast schon real war, ist verschwunden. Nur ein starkes, unerklärliches Gefühl der Zuneigung bleibt zurück, als wäre es tief in mir verankert. Wer war diese Frau, die mir so nahe schien? Ist sie ein verlorenes Fragment meiner Erinnerungen oder lediglich eine Projektion meiner tiefsten Sehnsüchte und Fantasien? Diese Fragen bleiben unbeantwortet und hinterlassen eine quälende Ungewissheit. Dennoch fühle ich, dass sie mehr als nur ein Traumbild sein muss. Sie existiert irgendwo in dieser Welt. Ein brennendes Verlangen sie zu finden, lodert in meinem Inneren.

Um mich von meiner Ungewissheit abzulenken, entscheide ich mich, meine Zauberfähigkeiten erneut zu testen. Mehrere Bewohner von Nebelhafen berichteten mir von einem Troll-Lager nördlich vom Sternenpfad. Eine Bedrohung durch wilde Trolle in der Nähe könnte uns allen gefährlich werden. Ich beschließe dorthin zu gehen und mein Bestes zu geben, um diese Gefahr einzudämmen. Entschlossen packe ich meine Sachen zusammen, überprüfe meine Zauberutensilien und mache mich auf den langen Weg.

Die Landschaft glitzert im sanften Licht des Morgens. Ich spüre die kühle Brise auf meiner Haut. Der Weg zum Sternenpfad, der sich durch den Wald schlängelt, ist mir inzwischen vertraut. Die Bäume, die sich hoch über mir erstrecken und das sanfte Rauschen der Blätter im Wind beruhigen mich ein wenig. Mit jedem Schritt fühle ich mich stärker und selbstbewusster. Meine Gedanken kreisen noch immer um die Frau aus meinem Traum, aber ich versuche sie so gut es geht zu verdrängen. Es gibt jetzt Wichtigeres zu tun.

Nach einigen Stunden erreiche ich das Gebiet, welches mir beschrieben wurde. Ich bewege mich leise und vorsichtig, um nicht entdeckt zu werden. Die Luft ist erfüllt von stinkenden Ausdünstungen, die typisch für Trolle sind. Ich höre ihr Schmatzen und Grunzen in der Ferne. Ich atme tief durch und konzentriere mich, sammle meine magische Energie. Die Zeit ist gekommen meine Fähigkeiten erneut unter Beweis zu stellen. Ich beschwöre einen Schutzzauber um mich und bereite meine Angriffszauber vor. Mit festem Schritt und klarem Blick gehe ich weiter, dem Lager entgegen. Die Bedrohung durch die Trolle mag groß sein, aber ich bin bereit mich ihr zu stellen. Heute werde ich mir selbst beweisen, wozu ich fähig bin.

Da sehe ich sie: eine Gruppe von Trollen, die um ein flackerndes Lagerfeuer sitzen. Ihre massigen Silhouetten ragen drohend gegen den Himmel. Ihre wuchtigen Körper sind von narbigen, lederartigen Häuten bedeckt, die im Schein der Flammen wie alte, verdorrte Rinde glitzern. Jeder Muskel scheint vor roher Kraft zu strotzen. Ihre grobschlächtigen Hände halten schwere Keulen, die sie mit verheerender Wucht schwingen können.

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Ich spüre keine Angst. Stattdessen fühle ich eine Welle der Entschlossenheit, die in mir aufsteigt. Mit einem tiefen Atemzug trete ich aus meinem Versteck und beschwöre die Magie in mir herauf. Die Trolle bemerken mich und erheben sich mit bedrohlich glühenden Augen, bereit zum Angriff.

Mit den Worten "In Nox" schleudere ich Vergiftungszauber in ihre Richtung. Doch die Zauber verfehlen ihr Ziel oder treffen nur flüchtig auf ihre dicke Haut. Die Trolle brüllen vor Wut und heben riesige Felsbrocken vom Boden.

Ich wirke einen Feuerball, aber in meiner Eile und Aufregung verfehlt er das Ziel und schlägt weit entfernt von den Trollen wirkungslos in den Boden ein. Einer der Trolle schwingt seinen Arm und schleudert einen massiven Felsbrocken in meine Richtung. Mit einem verzweifelten Sprung zur Seite kann ich gerade noch ausweichen, der Stein zerschmettert den Boden dort, wo ich eben noch gestanden habe.

Panik beginnt sich in mir auszubreiten, aber ich unterdrücke sie und schicke einen weiteren Feuerball. Auch dieser verfehlt und explodiert in einem Baum hinter den Trollen. Ich kann das brennende Holz riechen, doch das hilft mir jetzt nicht weiter. Die Trolle kommen immer näher. Ihre schweren Schritte lassen den Boden beben.

Ein weiterer Felsbrocken fliegt auf mich zu und ich rolle mich zur Seite. Der Stein rauscht knapp an mir vorbei. Schweiß rinnt mir über die Stirn. Meine Zauber wirken nicht wie geplant. Ein Troll brüllt und stürmt auf mich zu, seine Keule erhoben. Ich werfe einen letzten Vergiftungszauber, der ihn zwar trifft, aber kaum verlangsamt.

Ich muss hier weg. Die Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag. Ich drehe mich um und renne los. Meine Schritte sind unregelmäßig und mein Atem geht schnell. Hinter mir höre ich die Trolle brüllen und Felsbrocken krachen auf den Boden. Ein Felsbrocken trifft einen Baum direkt neben mir. Die Splitter fliegen in alle Richtungen, und ich spüre, wie einige davon meine Haut aufschneiden.

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Meine Beine fühlen sich schwer wie Blei an. Ich zwinge mich weiterzulaufen. Der Sternenpfad erscheint in der Ferne wie ein dünner Silberstreifen. Ich werfe einen Blick über meine Schulter und sehe, dass die Trolle mir immer noch dicht auf den Fersen sind. Ein weiterer Felsbrocken schlägt knapp neben mir ein, so dass ich den Luftzug des Aufpralls fühle.

Ich renne schneller, mein Herz rast und meine Lungen brennen. Der Wald wird dichter. Die Äste kratzen an meinem Gesicht und meinen Armen, aber ich ignoriere den Schmerz. Endlich erreiche ich eine kleine Lichtung, wo ich kurz innehalte, um mich zu orientieren. Doch ich habe keine Zeit zu verlieren. Ich muss weiter, immer weiter, bis ich die Trolle hinter mir gelassen habe.

Mit einem letzten verzweifelten Sprint stürze ich mich durch das dichte Unterholz und höre, wie die Geräusche der Trolle allmählich leiser werden. Schließlich, als ich fast keine Kraft mehr habe, verlangsamt sich mein Tempo und ich komme zum Stehen. Meine Beine zittern, mein Atem geht schwer und unregelmäßig. Ich habe es geschafft. Ich habe überlebt.

Der Kampf hat mich gezeichnet. Meine Zauber haben versagt. Ich konnte keinen einzigen Troll besiegen. Scham und Enttäuschung nagen an mir.

Meine magischen Fähigkeiten scheinen mich im Stich gelassen zu haben, und ich zweifle nun an mir selbst. In einem Moment der Wut und Verzweiflung rufe ich frustriert die Worte "Vas Flam." Ein Feuerball formt sich aus dem Äther, züngelnd und heiß. Er rast in die Richtung, in die ich ihn ziellos geworfen habe.

Zu meinem Entsetzen treffe ich eine unschuldige Eidechse, die auf einem Felsen in der Sonne gelegen hatte. Ich kann nur zusehen, wie das kleine Tier von den Flammen verschlungen wird. Der Anblick lässt mich erstarren, und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Was habe ich getan? Meine Unachtsamkeit und mein unkontrollierter Zorn haben ein unschuldiges Leben gefordert.

Noch während ich fassungslos auf die verkohlten Überreste der Eidechse starre, höre ich ein Geräusch hinter mir. Ich drehe mich um und sehe eine Druidin auf ihrem Pferd, die mich argwöhnisch mustert. Ihr Blick ist durchdringend und voller Anklage. Sie hat alles mit angesehen.

Die Druidin reitet langsam auf mich zu. Ihr Blick wandert von der verkohlten Eidechse zu mir. Sie seufzt leise, steigt vom Pferd und sieht mich neugierig an. "Warum seid Ihr so verzweifelt, dass Ihr eine Eidechse töten musstet?" fragt sie.

Ich entschuldige mich hastig für den Vorfall mit der Eidechse, meine Stimme voller Reue. "Ich bin eine verzweifelte Magieschülerin, die noch nicht gegen die hiesigen Trolle bestehen kann," erkläre ich, meine Worte klingen schwach. "Meine Fähigkeiten reichen nicht aus, um mich gegen größere Gegner oder Feinde zur Wehr zu setzen," antworte ich, und die Wahrheit dieser Aussage schmerzt mehr, als ich erwartet hatte. "… ich zweifelte an meinen Fähigkeiten und habe unbedacht einen Feuerball hervorgerufen, der dieses arme Wesen getroffen hat. Ich muss lernen aus Misserfolgen zu wachsen. Das wird nicht noch einmal passieren."

"Fehlt es Euch an den notwendigen Reagenzien oder am Wissen?" fragt sie und streicht eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht.

"Ich bin erst seit wenigen Monden hier und habe Zugang zu Reagenzien, aber mir fehlt die Erfahrung. Man empfahl mir, mich der Bedrohung durch die Trolle zu stellen. Ich bin froh, dass ich lebend entkommen bin," erkläre ich.

Die Druidin schaut mich von oben bis unten an. "Ihr wurdet alleine zu den Trollen geschickt?"

In meiner Verlegenheit und Aufregung habe ich alle Höflichkeitsformen vergessen und stelle mich der Druidin erst einmal vor: "Entschuldigt meine schlechten Manieren. Mein Name ist Claire de Lune. Nennt mich bitte nur Claire."

Zum ersten Mal lächelt die Druidin leicht. "Mein Name ist Caerwen," sagt sie. "Ihr tragt keine Rüstung, die Euch schützt. Trolle sind gefährlich. Was hat man Euch empfohlen, gegen sie zu tun?"

"Man sagte mir, ich solle es mit 'In Nox' und 'Vas Flam' versuchen – einem Giftzauber in Kombination mit einem Feuerzauber," antworte ich. "Doch gestern habe ich jemandem damit die Haare versengt… unabsichtlich." Meine Augen füllen sich mit Tränen. 

Caerwen zieht eine Augenbraue hoch, als ich anfange zu schluchzen. "Aus mir wird nie eine richtige Magierin".

"Ein jeder Anfang ist schwer," sagt Caerwen beschwichtigend und tritt einen Schritt auf mich zu. "Im Kampf die Konzentration zu halten, benötigt Zeit und Erfahrung. Trolle haben eine schnelle Regeneration. Gift und Feuer unterbrechen diese. Darum hat man Euch diese Kombination empfohlen."

"Sie warfen mit Felsbrocken nach mir. Ich musste fliehen," gestehe ich schniefend.

Caerwen nickt ernst. "Darum sind Trolle gefährlich und nicht geeignet für eine Schülerin allein."

Caerwen bietet mir ihre Hilfe an: "Wenn Ihr möchtet, begleite ich Euch zu den Trollen."

"Das ist sehr gütig, aber ich möchte die Trolle heute meiden. Ich sollte andere Aufträge annehmen und meine Fähigkeiten verbessern. Außerdem brauche ich dringend bessere Kleidung," antworte ich und deute auf mein dünnes Hemd.

"Wie Ihr möchtet. Wenn Ihr Hilfe braucht, hinterlasst eine Nachricht bei Hadrian, dem Bankier in Solgard. Ich werde sie erhalten," sagt Caerwen freundlich.

"Danke, Caerwen. Ich schätze Euer Angebot sehr und hoffe, dass sich unsere Wege wieder kreuzen. Danke, dass Ihr zugehört und versucht habt mich zu verstehen. Das hat mich sehr erleichtert"

"Ich wünsche Euch eine sichere Heimreise," antwortet Caerwen und lächelt.

Mit einem Gefühl der Erleichterung und neuer Entschlossenheit verabschiede ich mich von Caerwen und mache mich auf den Weg zurück nach Nebelhafen. Jeder Schritt, den ich mache, wird begleitet von einer wachsenden Klarheit in meinen Gedanken. Die Worte der Druidin hallen in meinem Kopf nach, und ich beginne zu verstehen, dass Fehler Teil des Lernprozesses sind, dass sie mich nicht definieren, sondern formen.

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Als ich den Pfad entlanggehe, fühlt sich die Luft frischer an, die Farben des Waldes leuchtender. Die Abendsonne bricht durch das Blätterdach und wirft tanzende Lichtflecken auf den Boden. Ein Gefühl von Frieden durchströmt mich, gemischt mit dem unbändigen Willen, stärker und besser zu werden. Die Begegnung mit Caerwen hat mir gezeigt, dass ich nicht allein bin, dass es Menschen gibt, die bereit sind zu helfen und zu lehren.

Die Erinnerung an die Eidechse schmerzt noch immer, aber sie dient auch als Mahnung. Ich kann es besser machen, ich werde es besser machen. Diese Reise ist nicht nur eine physische, sondern auch eine Reise zu meinem inneren Selbst. Jeder Schritt zurück nach Nebelhafen bringt mich näher zu meinem Ziel, eine verantwortungsbewusste Magierin zu werden.

Ich denke an die Bewohner von Nebelhafen, die kleinen Kinder, die neugierig meinen kleinen Zaubertricks zugesehen haben, die alten Weisen, die mir Rat gegeben haben. Sie alle zählen auf mich, auch wenn sie es vielleicht nicht wissen. Die Aufgabe, die vor mir liegt, ist gewaltig, aber sie ist auch eine Chance. Eine Chance mehr über mich selbst zu erfahren, zu wachsen und zu lernen.

Die Straßen von Nebelhafen kommen in Sicht. Ich spüre ein warmes Gefühl der Zugehörigkeit. Dies ist mein Zuhause, der Ort, an den mich mein Schicksal geführt hat und wo ich immer wieder zurückkehren werde. Die Menschen hier kennen mich. Selbst wenn ich Fehler mache, glauben sie an mein Potenzial. Dieser Gedanke gibt mir Kraft.

Als ich schließlich die Tore von Nebelhafen durchschreite, fühle ich mich leichter, befreit von einem Teil der Last, die ich getragen habe. Ich werde Caerwen's Rat beherzigen, meine Fähigkeiten weiterentwickeln und dabei nicht vergessen, dass jeder Anfang schwer ist. 

Die Sonne geht nun langsam unter und mit jedem Schritt durch die vertrauten Straßen von Nebelhafen spüre ich, wie meine Motivation wächst. Ich bin Claire de Lune, eine Magiekundige auf dem Weg zur Meisterschaft. Nichts wird mich davon abhalten. Die Reise ist noch lang, aber ich bin dafür bereit. Ich bin bereit sie zu meistern... (Fortsetzung folgt)

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Re: Im Bann des Unbekannten - Ein neuer Anfang

Beitrag von Claire de Lune »

- Die Tutora - 

Gedankenversunken schlendere ich durch die Straßen von Nebelhafen, die im Schein des Sonnenuntergangs erstrahlen. Die späte Abendsonne taucht die Häuser und Gassen in ein warmes, goldenes Licht. Ich denke über die Ereignisse des Tages nach. Der Kampf gegen die Trolle, den ich nicht gewinnen konnte und meine panische Flucht vor ihnen. Meine Begegnung mit der Druidin Caerwen und die wertvolle Lehre ich daraus gezogen habe. Ich begreife, wie töricht es von mir war, als unerfahrene Novizin allein loszuziehen und einen Kampf gegen übermächtige Gegner zu suchen. Immer mehr wird mir klar, dass ich meinen Weg nicht alleine gehen kann. Ich benötige Unterstützung. Jemanden der mich ausbildet, jemanden, der meine Entwicklung hin zu einer mächtigen und verantwortungsvollen Magierin begleitet.

Da sehe ich sie – Ruweena. Sie steht an einem kleinen Marktstand und betrachtet konzentriert einige Kräuter. Mein Herz macht einen kleinen Sprung. Ihre beeindruckende Größe von bestimmt 190 Fingerbreiten überragt die meisten Menschen um sie herum. Ihr langes, dunkelrotes Haar fällt über ihre Schultern bis tief in den Rücken. Das Licht der untergehenden Sonne tanzt über die feurigen Strähnen, was ihrer ohnehin schon charismatischen Ausstrahlung noch mehr Intensität verleiht.

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Je länger ich sie betrachte, desto mehr spüre ich die Faszination, die von ihr ausgeht. Ihre Präsenz ist nicht nur wegen ihrer Größe und natürlichen Schönheit so überwältigend, sondern auch wegen ihres scharfen Intellekts und der magischen Kraft, die in ihren Blicken funkeln. Und da ist noch etwas. Etwas, das ich nicht genau erklären kann. Es ist, als ob eine höhere Macht meine Schritte zu ihr hinlenkt, wie wenn eine Hand, die nicht meine eigene ist, mich sanft, aber bestimmt in ihre Richtung zieht. Es ist als ob die höhere Macht mir sagen will, dass Ruweena für mich noch sehr wichtig werden könnte. Unschlüssig stehe ich da, horche in mich hinein. Dann schüttele ich meinen Kopf, befreie mich von meinen Gedanken und gehe mit einem tiefen Atemzug auf sie zu.

„Den Elementen zum Gruße." ruft sie aus, als sie mich bemerkt. Ihre Stimme ist ruhig und fest. Ihre Augen heben sich von den Kräutern und mustern mich aufmerksam.

Ich lächele Ruweena schüchtern an während ich sie begrüße. Ich bin ein wenig aufgeregt. Ihre blauen Augen, so scharf und durchdringend, ruhen auf mir. Für einen Moment zögere ich, doch dann überkommt mich der Drang ihr alles zu erzählen.

„Ruweena,“ beginne ich, meine Stimme klingt leiser als beabsichtigt, „ich hatte heute eine schlimme Begegnung mit Trollen.“

Ihre Augenbrauen heben sich leicht, und ich fahre fort, ohne auf eine Antwort zu warten. „Ich habe die Worte der Macht benutzt, so wie ich sie mir eingeprägt habe, aber... sie waren nicht sehr wirksam. Die Trolle waren zu stark. Ich musste fliehen.“ Ich erzähle Ruweena alle Einzelheiten des Kampfes und wie ich schließlich um mein Leben rennen musste.

Ruweena bleibt still. Ihre Miene verändert sich nicht, doch ich sehe, wie sie mich aufmerksam betrachtet. In ihren Augen liegt ein Ausdruck, den ich nicht ganz deuten kann – vielleicht Besorgnis, vielleicht etwas anderes. Ich fühle mich verwundbar unter ihrem prüfenden Blick, als ob sie tief in mein Inneres schauen könnte und all meine Unsicherheit erkennt. Sie lässt mich einen Moment in Stille verharren, bevor sie schließlich nickt.

„Claire,“ sagt sie mit ihrer ruhigen und festen Stimme, „folgt mir.“ 

Sie dreht sich um und verlässt den Marktstand ohne ein weiteres Wort zu sagen. Ich spüre, wie eine neue Welle von Gefühlen in mir aufsteigt – Unsicherheit, aber auch Erleichterung, dass sie mich nicht gleich getadelt hat. Ohne zu zögern, gehe ich hinter Ruweena her, meinen Blick fest auf sie gerichtet. Die Stille zwischen uns ist nicht unangenehm, aber sie ist voller Spannung und lässt mich ahnen, dass mir etwas Wichtiges bevorsteht.

Während ich Ruweena folge, versuche ich meine Gedanken zu ordnen. Plötzlich taucht vor uns eine junge Frau auf, die meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Sie ist größer als ich, doch nicht ganz so groß wie Ruweena. Ihr langes, rabenschwarzes Haar umrahmt ihr hübsches Gesicht und fällt in glänzenden Wellen über ihre Schultern. Ihr offenes, strahlendes Lächeln hat eine Herzlichkeit, die mich sofort einnimmt.

Ihre Kleidung ist auffällig anders als die der anderen Bewohner von Nebelhafen. Das Kleid, das sie trägt, ist kurz geschnitten, aber doch elegant und gibt viel von ihren schlanken Beinen preis. Es verleiht ihr einen Hauch von Verwegenheit und Selbstbewusstsein. Die Blicke der umstehenden Männer sind unverkennbar auf sie gerichtet, doch sie scheint sich dessen nicht bewusst zu sein oder daran zu stören.

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Bevor ich mich versehe, stürmt sie auf uns zu. Ihre Augen leuchten vor Freude. „Salutari!“ ruft sie und umarmt Ruweena herzlich.

Ich kann nicht anders, als lächelnd zuzuschauen – ihre Freude wirkt so echt und natürlich, dass ich mich augenblicklich davon anstecken lasse.

Ruweena lächelt amüsiert und erwidert ebenso herzlich: „Heute wieder stürmisch, Soryia?“ In ihrer Stimme schwingt unüberhörbare Freude über das Wiedersehen mit. Sie löst sich sanft aus der Umarmung und wendet sich mir zu. „Claire, das ist Soryia Schwarz, eine meiner besten Freundinnen,“ sagt sie und Soryia ergänzt mit einem breiten Lächeln: „Und Schwester im Geiste.“

Ich lächle zurück. Die junge Frau ist mir auf Anhieb sympathisch. Ruweena stellt mich Soryia vor: „Das ist Claire, eine angehende Magierin.“ Dann, mit einem amüsierten Blick zu Soryia, fügt sie hinzu: „Es scheint, als hätte ich einen besonderen Eindruck bei Claire hinterlassen, dass sie ab und zu meine Ratschläge benötigt.“

Soryia lacht leise und reicht mir die Hand. „Nun, das überrascht mich nicht. Ruweena hat viele Talente. Es freut mich dich kennenzulernen, Claire.“

Ich kann nicht anders als lächelnd zu nicken und wortlos ihre Hand zu ergreifen. Ich merke, wie sich jede Anspannung von mir löst. Die Leichtigkeit, die Soryia ausstrahlt, nimmt meine Unsicherheit. Es fühlt sich fast so an, als ob ich eine alte Freundin wiedertreffe.

Ruweena schaut zu mir und schlägt vor: „Warum setzen wir uns nicht zu Dritt in der Taverne zusammen? Ich möchte mit Euch noch etwas besprechen, Claire “ Dann wendet sie sich an uns beide: „Ihr könnt schon einmal vorausgehen. Ich habe kurz etwas zu erledigen und komme dann nach.“

Soryia nickt begeistert und hakt sich bei mir unter, als wäre es das Natürlichste der Welt. „Komm, Claire, wir gehen schon mal vor. Die beste Taverne in Nebelhafen wartet auf uns.“

In Rosalide's Taverne angekommen, fühle ich mich wie so oft von der warmen, gemütlichen Atmosphäre eingenommen. Soryia und ich finden einen Platz an einem Tisch in der Ecke, abseits des Trubels und bestellen uns ein Glas Rotwein. Kaum haben wir uns gesetzt, entwickelt sich zwischen uns ein offenes, lebhaftes Gespräch, so als würden wir uns schon seit Jahren kennen.

Soryia beginnt, mir von ihrer Zeit im Konvent der drei Sphären zu erzählen, dem sie und Ruweena einst gemeinsam angehörten. Ihre Augen leuchten, als sie von den Maestrae spricht und all den anderen Mitgliedern, die für sie zu engen Freunden wurden. Doch dann verdunkelt sich ihr Blick als sie fortfährt. „Es war eine intensive Zeit,“ sagt sie leise, während sie gedankenverloren mit ihrem Weinglas spielt. „Aber ich hatte persönliche Probleme mit einer Angehörigen des Konvents. Es war kompliziert, und irgendwann musste ich eine Entscheidung treffen. Ich bin ausgetreten, um mich selbst zu finden und meinen eigenen Weg zu gehen.“

Ihre Stimme wird weicher als sie weiterspricht: „Doch trotz allem bleiben das Konvent, die Maestrae und natürlich Ruweena eine Familie für mich. Sie haben mir so viel beigebracht, mir so viele wertvolle Lektionen mit auf meinen Weg gegeben. Sie haben mich zu dem gemacht, was ich heute bin.“

Ich höre ihr aufmerksam zu, spüre den Schmerz, aber auch die Entschlossenheit in ihren Worten. „Das muss eine schwierige Entscheidung gewesen sein,“ sage ich leise, und sie nickt, ihr Lächeln kehrt langsam zurück.

„Ja, das war es. Aber manchmal muss man seinen eigenen Weg finden, auch wenn dies bedeutet, schmerzhafte Entscheidungen zu treffen.“

Ich nippe an meinem Wein. Das Gespräch gibt mir den Mut etwas von mir selbst preiszugeben. „Ich bewundere dich dafür, dass du das Selbstvertrauen und die Kraft hattest, deinen eigenen Weg zu gehen,“ beginne ich, und Soryia sieht mich aufmunternd an. „Ich selbst möchte auch meinen Weg finden… als Magierin.“ Ich zögere kurz, bevor ich fortfahre: „Aber es gibt noch etwas anderes, das mich antreibt. Ich… ich habe meine Erinnerungen verloren. Ich weiß nicht, wer ich wirklich bin oder woher ich komme. Die Magie ist meine Hoffnung diesen verlorenen Teil von mir zurückzuerlangen.“. Ich erzähle von meiner Ankunft in Nebelhafen, von meiner ersten Begegnung mit Ruweena, wie sie einen Schutzzauber auf mich wirkte und wie der Zauber die Erinnerungen an meine magischen Fähigkeiten freisetzte. Ich erzähle ihr von meinem Wunsch jemanden zu finden, der mich als Magierin ausbildet und von meiner Hoffnung, dass Ruweena diese Person sein könnte.

Soryia legt ihre Hand auf meine und drückt sie leicht. „Das, was du durchmachst, muss unglaublich schwer sein, Claire. Aber du bist stark, das spüre ich. Und mit der richtigen Unterstützung wirst du deine Erinnerungen zurückgewinnen.“ Ihre Worte sind sanft, aber voller Überzeugung. Sie geben mir mehr Hoffnung als ich es erwartet hätte.

„Danke,“ sage ich, gerührt von ihrer Anteilnahme. „Ich habe das Gefühl, dass ich mit dir und Ruweena die richtigen Menschen gefunden habe. Menschen, denen ich mich anvertrauen kann und die mir zuhören.“

Soryia lächelt breit, ihre Augen funkeln im Kerzenlicht. „Was deine Ausbildung angeht, ich an deiner Stelle würde Ru einfach fragen. Das Konvent könnte ebenfalls ein guter Ort für dich sein, um Anschluss zu finden. Dann bist du ganz sicher nicht allein auf deinem Weg.“

In diesem Moment kommt Ruweena durch die Tür und schaut sich suchend um. Als sie uns entdeckt, wandert ein leichtes Lächeln über ihr Gesicht, und sie bewegt sich auf uns zu. Soryia und ich tauschen einen Blick aus. Ich spüre die gewachsene Vertrautheit zwischen uns.

Als Ruweena sich zu uns an den Tisch setzt, breitet sich sofort eine ruhige, aber bedeutungsvolle Atmosphäre aus. Ich spüre, dass der Moment wichtig ist und nehme einen tiefen Atemzug. Dann beginne ich unser Gespräch zusammenzufassen.

„Soryia und ich haben gerade über das Konvent gesprochen,“ sage ich und blicke zwischen den beiden Frauen hin und her. „Soryia hat mir erzählt, wie wichtig diese Gemeinschaft für sie war und immer noch ist, auch wenn sie ihren eigenen Weg gehen musste. Ich habe ihr von meinem Wunsch erzählt, eine Magierin zu werden und wie sehr ich dabei auf Hilfe hoffe.“ Meine Stimme wird ein wenig leiser, als ich fortfahre: „Ruweena, ich halte so viel von Euch und Euren magischen Fähigkeiten. Es wäre schon ein großes Glück für mich, wenn ich Euch nur ab und zu um Rat fragen könnte.“

Ruweena schaut mich einen Moment lang nachdenklich an. Ich spüre, wie etwas in der Luft schwebt, etwas, das zunächst unausgesprochen bleibt. Dann lehnt sie sich leicht vor, ihre Stimme fest, aber sanft. „Claire,“ beginnt sie, „Eure Bewunderung ehrt mich, aber ich denke, dass wir über mehr sprechen sollten als nur gelegentlichen Rat.“

Ich blinzle überrascht und versuche ihre Worte zu erfassen als sie fortfährt. „Ihr habt viel Potenzial, das spüre ich. Doch es fehlt Euch noch an Erfahrung und an einer gezielten Ausbildung. Was würdet Ihr davon halten, wenn ich mehr wäre als nur Eure Ratgeberin?“ Sie hält einen Moment inne, um meine Reaktion zu beobachten, bevor sie weiterspricht: „Ich möchte Euch anbieten Eure Tutora zu werden, Claire. Ich würde Euch in der Magie ausbilden, und Ihr könntet, wenn Ihr es wollt, Mitglied im Konvent der drei Sphären werden.“

Meine Augen weiten sich vor Überraschung, und mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Die Worte hallen in meinem Kopf wider, doch es dauert einen Moment, bis ich sie wirklich begreife. „Wirklich?“ frage ich fast flüsternd, unfähig meine Freude zu verbergen.

Ruweena lächelt leicht und nickt. „Ja, aber ich muss ehrlich zu Euch sein. Es ist nicht allein meine Entscheidung. Die Maestrae müssen zustimmen und solange kann ich es nicht versprechen. Doch ich sehe keinen Grund, warum sie es Euch verwehren sollten. Ihr habt eine besondere Begabung, Claire. Ich glaube fest daran, dass Ihr einen Platz bei uns finden werdet.“

Die Freude, die mich durchströmt, ist überwältigend. Es fühlt sich an, als ob all meine Wünsche und Hoffnungen plötzlich Realität werden. „Ich... ich weiß gar nicht, was ich sagen soll,“ stammele ich, meine Stimme bricht vor Emotionen. „Das ist mehr, als ich je zu hoffen gewagt habe.“

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Soryia lächelt mich ermutigend an. Ihre Augen leuchten vor Freude über meine Reaktion. „Du wirst sehen, Claire, das wird eine sehr spannende Reise für dich.“

Ich bin fassungslos vor Glück. Alles, was ich mir erträumt habe – die Hoffnung meine Erinnerungen wiederzufinden, die Chance eine Magierin zu werden und nun auch noch die Möglichkeit, Mitglied des Konvents zu werden – scheint sich zu erfüllen. Eine starke Euphorie durchströmt meinen Körper. Ich bin fest entschlossen, alles in meiner Macht stehende zu geben.

„Danke,“ sage ich schließlich, meine Stimme zittert vor Rührung. „Danke, Ruweena. Und auch dir, Soryia. Ich verspreche, ich werde euch nicht enttäuschen.“

Ruweena legt eine Hand auf meine. Ich spüre die Wärme und Kraft in ihrer Berührung. „Das weiß ich, Claire. Das weiß ich.“

(Fortsetzung folgt)
 
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Re: Im Bann des Unbekannten - Ein neuer Anfang

Beitrag von Claire de Lune »

- Träume und ein Hauch von Lavendel -

Ich liege im Bett, die weiche Decke um mich geschlungen. Ich blicke auf die schimmernden Lichtspiele, die der Nachthimmel durch das Fenster auf den Boden meines Zimmers wirft. Es ist spät geworden. Die Taverne ist in eine friedliche Stille getaucht. Nur das gelegentliche Knarren des alten Holzes und das leise Murmeln des Windes draußen sind zu hören. Der Mond steht voll am Firmament. Sein Licht flutet sanft durch die Fensterscheibe und taucht das Zimmer in ein magisches, silbriges Leuchten.

Obwohl die Müdigkeit schwer auf mir lastet, spüre ich eine tiefe Zufriedenheit in mir. Der Tag begann mit dem gefährlichen Ereignis bei den Trollen, aus dem ich eine wertvolle Lektion gelernt habe, doch es ist vor allem die Begegnung mit Ruweena und Soryia, die ein Gefühl der Dankbarkeit in meinem Herzen hinterlässt. Ich kann mich glücklich schätzen, dass Ruweena sich als meine Tutora zur Verfügung stellen will. Ihre Ruhe und Weisheit werden mir Halt geben. Sie wird jemand sein, die mich auf meinem Weg anleitet und mich zukünftig vor meinem Leichtsinn und meiner Naivität schützt. Und dann ist da Soryia. Ihre offene Art hat mich sofort beeindruckt. Es ist selten, dass mir jemand auf Anhieb sympathisch ist. Sie strahlt eine Herzlichkeit aus, die meine Unsicherheit in den Hintergrund treten lässt. In ihrer Gegenwart fällt es mir leicht, mich so zu geben wie ich bin. Es ist eine glückliche Fügung, Menschen wie sie beide getroffen zu haben, Menschen, die vielleicht zu Freunden werden könnten – echten Freunden. Sie bedeuten mir jetzt schon sehr viel. Es ist schön zu wissen, dass ich anscheinend auch ihnen etwas bedeute, dass sie mich akzeptieren und in ihrer Mitte willkommen heißen. Meine Gedanken kreisen weiter um die Geschehnisse des Tages bis mir die Augen zufallen. Ein Lächeln umspielt meine Lippen und eine Mischung aus Dankbarkeit und Freude begleitet mich, während ich unter dem Licht des Mondes ins Land der Träume hinübergleite.

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Kaum bin ich eingeschlafen, kehren die Bilder zurück, die mich seit meiner Ankunft verfolgen. Ich befinde mich wieder auf dem Anlegersteg in Nebelhafen. Eine kühle Brise durchzieht die Nacht. In der Ferne höre ich das Rauschen des Meeres. Mir ist kalt. Ich drehe mich langsam um und da erblicke ich sie - die Gestalt, der ich immer und immer wieder begegne. Sie steht in einiger Entfernung vor mir. Ich schaue in ihr Gesicht, in ihre durchdringenden roten Augen. Angst überkommt mich und schnürt meine Kehle zu.

Ich sehe wie sie ihren Mund öffnet, wie sie zu mir spricht. Wieder höre ich die gleichen Worte. Jedes einzelne davon schneidet wie ein Messer durch die Stille der Nacht: „Sie hat es dir nicht gesagt, Claire de Lune? Du wusstest von nichts?“ Der unnatürliche Tonfall jagt mir einen Schauer den Rücken hinunter. Ich bin mir sicher, dass sie ein schlimmes Geheimnis mit sich trägt, eines, das nur sie kennt. Ich sehe, wie die Gestalt sich an meiner Angst und meiner Hilflosigkeit ergötzt. Aber ist sie überhaupt eine reale Bedrohung oder ist sie nur ein Gespenst meiner eigenen krankhaften Fantasie?

Ihre Worte hallen in mir wider. Ein Echo aus einer Zeit, die mir verschlossen bleibt. „Claire de Lune“ – warum nennt sie mich bei meinem vollen Namen? Ist mein Name das einzige, das mir erhalten bleiben sollte? Und erneut frage ich mich: wer hat mir was nicht gesagt? Wenn sie diese Worte spricht, berühren sie etwas in mir. Etwas, das tief verborgen liegt, eine Wahrheit, die sich meinem Bewusstsein entzieht. Ich spüre dieses Wissen ist wichtig. Es birgt etwas Dunkles, aber Entscheidendes in sich, doch ich kann es noch immer nicht greifen. Und während ihr schadenfrohes Lachen erklingt, fühle ich die Angst vor dem, was ich nicht weiß und die Angst, dass diese Gestalt - wer oder was sie auch ist - eine Macht über mich besitzt, der ich mich nicht entziehen kann.

Dann verändert sich die Szenerie. Abermals sind es die Bilder eines vorangegangenen Traums. Ich befinde mich in einer düsteren Kammer, die nur schwach von flackerndem Kerzenlicht erhellt wird. Vor mir liegt eine Frau auf einem Bett. Ihr entblößter Rücken ist mir zugewandt und hebt sich im diffusen Licht sanft ab. Ihr Haar fällt in dunklen Wellen über die freien Schultern und verdeckt ihr Gesicht. Das Spiel von Licht und Schatten auf ihrer Haut zieht mich magisch an. Wieder spüre ich eine unerklärliche Sorge. Die Sorge steigert sich zu einem tiefen inneren Schmerz. Wer ist sie? Warum fühle ich mich so stark zu ihr hingezogen? Warum bin ich so besorgt um ihr Schicksal? Es ist, als ob eine unsichtbare Verbindung zwischen uns existiert, eine Anziehung, die sich nicht in Worte fassen lässt, die aber unbestreitbar da ist. Ich will zu ihr. Ich will wissen, wer sie ist und warum sie mir so vertraut vorkommt. Aber die unwirkliche Kraft des Traumes hält mich gefangen. Eine unsichtbare Barriere hindert mich daran ihr näherzukommen.  

Die Szenerie ändert sich erneut. Ich sehe mich selbst, schlafend in meinem Zimmer. Wieder erblicke ich eine junge Frau oder ist es dieselbe wie zuvor? Ihre Gestalt ist schemenhaft, als wäre sie von einem dichten Nebel umgeben. Sie beugt sich über mich. Ihre Stimme - sanft und beruhigend - spricht zu mir. Auch wenn ich ihre Worte nicht verstehe, verursachen sie in mir eine seltsame Mischung aus Trost und Sehnsucht.

Als ich schließlich erwache, fühle ich mich innerlich aufgewühlt. Diese Träume – sie hinterlassen Spuren. Meine Gedanken kreisen um die Frau ohne Namen, ohne Gesicht. Warum übt sie eine so starke Anziehung auf mich aus. Ist sie der Schlüssel zu einem Teil meiner Selbst? Ein Teil, den ich aufgrund der Umstände, in denen ich mich befinde, bislang verdrängt habe?

Ich liege still da, das Echo der Träume noch in mir nachhallend. Und obwohl viele Fragen offen sind, spüre ich, dass ich auf dem Weg zu meiner Selbst bin. Ich horche in mich hinein. Ich denke nach. Was wollen mir diese Träume sagen? Sie handeln von der Angst vor meiner Vergangenheit, von der Sorge um eine mir wichtige Person und von der Zuversicht, dass alles gut wird.

Angst, Sorge, Zuversicht... aber da ist noch etwas, das sich in den Tiefen meines Unterbewusstseins regt. Eine vage, unausgesprochene Erkenntnis beginnt sich in mir zu manifestieren, ein Gedanke, der langsam Gestalt annimmt. Meine Sehnsüchte und Vorstellungen scheinen nicht den üblichen gesellschaftlichen Normen zu folgen. Ein Gefühl der Verwirrung steigt in mir auf, als ich von meinem Bett aus zum Fenster blicke. Die ersten Sonnenstrahlen dringen hindurch und tauchen den Raum in ein zartes, goldenes Licht. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Ich war, nein ich bin… verliebt.

Doch bevor ich diesen Gedanken zu Ende denken kann, stocke ich. Die plötzliche Angst vor der Wahrheit ergreift von mir Besitz, und ich verbiete die in mir aufkeimenden Gefühle. Ich darf und kann diese nicht an mich heranlassen oder zumindest… noch nicht. Ich richte mich abrupt in meinem Bett auf und zwinge mich dazu, mich auf die Aufgaben des Tages zu konzentrieren. Es gibt viel zu tun. Die Händler von Nebelhafen haben mir Botengänge aufgetragen, die ich nicht länger aufschieben darf. Entschlossen stehe ich auf, kleide mich an und mache mich auf den Weg, um den neuen Tag zu beginnen.

Während ich durch die geschäftigen Straßen gehe, haben sich meine Träume und Gedanken verflüchtigt. Die frische Luft und das Treiben der Stadt lenken mich ab. Ich erledige meine Aufträge, bis ich auf einem der Märkte unerwartet Soryia treffe. Ihre fröhliche Art steigert meine Laune, und wir begrüßen uns herzlich.

„Claire, wie geht es dir?“ fragt sie, ihre Augen leuchten interessiert.

Ich kann mir ein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen. „Ach Soryia, wenn du wüsstest, was für eine lausige Magierin ich bin. Ich sollte mehr meine magischen Fähigkeiten üben, statt durch die Gegend zu laufen und Nachrichten zu überbringen.“

Soryia lacht herzlich. „Na, wenn das so ist, warum üben wir dann nicht zusammen? Ich bin auch noch keine Meisterin der Magie, aber wenn wir zu zweit sind, kann doch nichts mehr schiefgehen, oder? Was hältst du davon, wenn wir dieses Troll-Lager aufsuchen, von dem du mir erzählt hast?“

Ich zögere kurz, doch dann nicke ich. „Das klingt gut. Ich würde mich ihnen gerne noch einmal stellen. Gestern musste ich vor ihnen fliehen, aber gemeinsam und mit deiner Erfahrung sind wir mit Sicherheit stark genug.“

„Und dieses Mal werden die Trolle vor uns fliehen“, sagt Soryia lachend, hebt eine Augenbraue und fügt ernst hinzu, „Lass uns dorthin gehen. Diese bösartigen Stämme sind eine Bedrohung für uns alle. Aber vorher muss ich noch zur Bank, um ein paar geschäftliche Dinge zu regeln. Begleitest du mich?“

„Natürlich,“ antworte ich, und wir machen uns auf den Weg.

Als wir die Bank erreichen, sticht mir eine Frau ins Auge, die unweigerlich meine ganze Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ihr Alter schätze ich auf 35 bis 40 Winter. Sie steht ein wenig abseits, und doch kann sie nicht übersehen werden. Ihre schlanke Gestalt wirkt fast zerbrechlich, doch ihre stattliche Größe von etwa 180 Fingerbreiten und ihre kühle, distanzierte Art verleihen ihr eine dominante Präsenz. In ihrem Blick spiegeln sich große Weisheit und Lebenserfahrung. Ihr glattes, silbrig blondes Haar reicht ihr bis zu den Hüften. Die lavendelfarbenen Augen mustern jede vorbeigehende Person mit einem prüfendem Blick. Um ihren Hals hängt ein altes Amulett, dessen Oktogramm in seiner Mitte ein Auge umschließt – ein Symbol, das eine tiefere Bedeutung zu haben scheint. Ihre Haltung – aufrecht und kontrolliert – verrät die aristokratische Erziehung. Es wirkt, als wäre jede ihrer Bewegungen sorgfältig überlegt.

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Soryia wird neben mir plötzlich langsamer. Ihr fröhliches Lächeln weicht einer ernsteren Miene. Als ich in die Richtung schaue, in die Soryia blickt, bemerke ich, dass ihr die Frau ebenfalls aufgefallen ist. Soryia geht direkt auf sie zu und ich nehme einen Wechsel ihrer Körpersprache wahr – es ist eine Mischung aus Respekt und Demut. Ein Verhalten, das ich zuvor bei ihr noch nie gesehen habe.

„Maestra, es ist mir eine Freude Euch zu sehen.“ begrüßt Soryia die Frau, leicht den Kopf neigend. Ihre Stimme ist ruhig, fast ehrfürchtig.

Die Frau wendet sich uns zu. Ihre durchdringenden Augen mustern erst Soryia und dann mich. Einen Moment lang verschlägt es mir die Sprache. Die Autorität, die von ihr ausgeht, ist förmlich greifbar. Es fällt mir schwer, unter ihrem Blick nicht nervös zu werden. Die Stille zwischen uns dehnt sich aus, bis Soryia schließlich das Wort ergreift.

„Maestra, darf ich dir Claire de Lune vorstellen? Sie ist eine angehende Schülerin Ruweena‘s. Claire, dies ist Vyktorya Alvlem, Maestra des Konvents der drei Sphären.“

Ich schlucke und finde endlich meine Stimme wieder, auch wenn sie etwas unsicher klingt. „Es ist mir eine große Ehre Euch persönlich kennenzulernen, Maestra.“

Die Maestra betrachtet mich aufmerksam, ihre Augen scharf und durchdringend. „Eine Schülerin Ruweena’s, soso,“ sagt sie nachdenklich, fast als würde sie meine Eignung in diesem Moment bewerten. Ihre Stimme, die einen überraschend dunklen Klang hat, komplettiert ihre Erscheinung. Sie spricht mit einer distanzierten, fast emotionslosen Ruhe, die wenig Raum für persönliche Nähe lässt.  

Soryia‘s offene Art schätze ich normalerweise sehr, doch in diesem Augenblick bezweifle ich, ob es klug war, mich auf diese Weise vorzustellen. Ich fühle den Drang zu beschwichtigen und füge hastig hinzu: „Die Betonung liegt auf ‚angehend‘, Maestra, es ist nicht entschieden.“

Ein leichtes Lächeln spielt um die Lippen der Frau. Um uns herum wird der Lärm der Straße lauter. Die geschäftigen Gespräche und das Rumpeln der Karrenräder auf dem Kopfsteinpflaster klingen unerträglich in meinen Ohren. Die Maestra scheint dies ebenfalls zu stören, denn sie erhebt eine Hand, als wolle sie die Geräusche fortwischen. „Die Umgebung ist wenig geeignet für ein Gespräch,“ sagt sie, ihre Stimme weiterhin ruhig und kontrolliert. „Ich schlage vor, dass wir uns in der Taverne von Rosalinde Falkenrast niederlassen. Der Wein dort ist von guter Qualität, und wir können ungestört reden.“

Meine Gedanken wandern kurz zu den Trollen zurück, zu dem Vorhaben, das Soryia und ich geplant hatten. Doch ich weiß, dass es ein Fehler wäre, dieses Angebot auszuschlagen. Ruweena hatte mir den Konvent bereits näher gebracht und angedeutet, dass ich dort vielleicht Mitglied werden könnte. Dies ist meine Gelegenheit, die Maestra und den Konvent näher kennenzulernen.
Ich blicke Sorya kurz an und mit einem knappen Nicken stimmen wir zu. Gemeinsam folgen wir der Maestra zu dem Gasthaus, das mir inzwischen ein zu Hause geworden ist.

Als wir vor der Taverne ankommen, begegnet uns ein freundlicher junger Mann, der uns höflich die Tür aufhält. Sein Auftreten ist von einer gewissen Eleganz geprägt. Er scheint die Maestra und Soryia bereits zu kennen und verbeugt sich leicht. „Lady Alvlem, Lady Schwarz,“ begrüßt er die beiden in einer Art, die in dieser Gegend nur selten anzutreffen ist. Ich kann mir ein amüsiertes Stirnrunzeln nicht verkneifen – diese Anrede wirkt in der rauen Umgebung von Nebelhafen irgendwie fehl am Platz.

„Ah, der junge Magus von der Krypta,“ erwidert die Maestra. Ihre Augen sind mit einem Anflug von Neugier auf den Mann gerichtet. „Bei Eurem Namen müsst Ihr mir noch einmal helfen.“

Der junge Mann, der offensichtlich ebenfalls ein Magier ist, lächelt charmant und verbeugt sich erneut. „Ihr erinnert Euch? Mein Name ist Alaric Dunkelmoor, zu Euren Diensten, Maestra.“

„Alaric Dunkelmoor,“ wiederholt die Maestra nachdenklich, als ob sie den Namen abwägt, dann nickt sie zufrieden.

Alaric wendet sich an uns alle und fragt höflich: „Ich wollte mich gerade alleine an den Tresen setzen, aber darf ich stattdessen Euch Gesellschaft leisten?“ Seine sympathische und galante Art lässt keinen Raum für Einwände, und so stimmen wir alle bereitwillig zu. Gemeinsam betreten wir das Gasthaus, das mit seinem warmen Licht und dem Duft nach frischen Speisen eine – wie so oft ‐ unnachahmliche, gemütliche Atmosphäre verbreitet. Wir wählen einen Tisch in einer ruhigeren Ecke, wo wir uns ungestört unterhalten können.

Kaum haben wir Platz genommen, bestelle ich eine große Karaffe des besten Rotweins für uns alle. „Der Wein ist hier wirklich ausgezeichnet,“ sage ich, während ich in die Runde blicke. Die Maestra, Soryia und Alaric nehmen meine Einladung mit einem freundlichen Nicken an.

Soryia blickt sich in der Taverne um, und ich sehe, wie ihre Augen plötzlich aufleuchten, als sie jemanden erkennt. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, steht sie auf. „Entschuldigt mich kurz,“ sagt sie und steuert mit schnellen Schritten auf eine junge Frau zu, die mit dem Rücken zu uns sitzt und uns offenbar nicht bemerkt hat. Mit einer liebevollen Geste umarmt Soryia die Frau von hinten und gibt ihr einen zarten Kuss auf die Wange. Die junge Frau zuckt überrascht zusammen, doch als sie sich umdreht und Soryia erblickt, erhellt ein liebevolles Lächeln ihr Gesicht, und sie erwidert den Kuss sanft. Soryia nimmt die Hand der jungen Frau in ihre und deutet mit einer leichten Kopfbewegung zu unserem Tisch. Anscheinend möchte sie uns diese Frau vorstellen. Hand in Hand und mit glücklichen Gesichtern kehren die beiden zurück. „Dies ist Elnora,“ stellt Soryia sie uns mit einem strahlenden Lächeln vor. „Sie ist meine Partnerin.“

Ich lächle das Paar an, spüre jedoch gleichzeitig eine leichte Scham, als mir die Gedanken von heute Morgen in den Sinn kommen. Da liege ich in meinem Bett, verloren in Überlegungen über gesellschaftliche Normen und der Angst vor meiner eigenen Orientierung, während für Soryia und Elnora ihre Beziehung das Selbstverständlichste auf der Welt zu sein scheint. Aber hätte ich es von Soryia anders erwartet? Nein, sicherlich nicht. Ihre Offenheit und Unbeschwertheit, mit der sie ihr Leben führt, beeindruckt mich einmal mehr.
„Ich freue mich für euch beide,“ sage ich ehrlich und versuche, meine Gedanken beiseitezuschieben. Sie wirken glücklich zusammen. Sie so zu sehen, erfüllt mich mit einer Wärme, die meine eigenen Zweifel für den Moment verblassen lassen. „Kommt, setzt euch zu uns, Elnora. Es ist genug Wein für alle da.“

Elnora lächelt freundlich, als sie sich setzt. „Es freut mich sehr, euch kennenzulernen,“ sagt sie mit einer warmen Stimme, die perfekt zu ihrem sanften Wesen passt. „Leider habe ich nur wenig Zeit. Ich habe gleich eine Besprechung im Bund der Handwerker, aber ein Glas Wein kann ich mir gönnen.“ Ihre Worte klingen bedauernd, aber sie strahlt eine Zufriedenheit aus, die zeigt, wie wichtig ihr dieser Moment mit Soryia ist. Während ich den Wein einschenke, denke ich daran, wie schnell sich unsere Runde vergrößert hat. Es ist schön Elnora zumindest kurz kennenzulernen.

Als wir alle mit einem Glas Wein in der Hand anstoßen und uns danach in Unterhaltungen vertiefen, fällt mein Blick immer wieder auf die Maestra. Ihre Präsenz ist beeindruckend. Zugleich fühle ich wie die Neugier in mir aufsteigt. Irgendwann kann ich die Frage, die mir auf der Zunge brennt, nicht länger zurückhalten. „Maestra,“ beginne ich vorsichtig, bemüht meinen tiefen Respekt zu überwinden, „hat Ruweena… hat sie bereits mit Euch über meine Person gesprochen?“

Die Maestra schaut mich aufmerksam an. Ihre Augen durchdringen mich, als würden sie tief in mir nach etwas suchen. Doch dann schüttelt sie langsam den Kopf. „Nein, Claire. Ruweena hat Euch bislang nicht erwähnt. Unsere letzten Gespräche betrafen andere Angelegenheiten, die unsere volle Aufmerksamkeit erforderten.“ Ihre Antwort ist zunächst enttäuschend, weckt aber dennoch mein Interesse. „Es involvierte Ruweena und… ein Geschehnis,“ fügt sie hinzu. Ich bemerke, wie sich ein Hauch von Sorge in ihrer Stimme einschleicht. Bei ihren Worten beschleicht mich ein ungutes Gefühl.

Soryia nickt langsam, ihre Miene wird ernst. „Ja,“ sagt sie leise, als würde sie in Gedanken versinken, „ich hätte nicht noch eine Nacht bei Ru verbringen können.“

Die Worte erschrecken mich. Was ist bei Ruweena vorgefallen, das solche Reaktionen hervorruft? Meine Gedanken überschlagen sich, aber ich wage nicht nachzufragen. Irgendetwas sagt mir, dass es nicht meine Angelegenheit ist – zumindest noch nicht. Die Maestra bemerkt meine Unruhe und legt sanft ihre Hand auf meine. „Das ist ein Problem, das Ruweena selbst betrifft, Claire. Nur sie allein hat das Recht, darüber zu sprechen.“

Ich nicke stumm, auch wenn die Sorge in mir nicht nachlässt. Es scheint so viel zu geben, das ich noch nicht verstehe, so viele verborgene Geheimnisse, die mich umgeben. Aber ich weiß, dass ich warten muss. Ruweena wird mir vielleicht eines Tages selbst davon erzählen.

Elnora erhebt sich und lächelt entschuldigend in die Runde. „Es tut mir leid, dass ich schon wieder gehen muss. Die Besprechung wartet.“ Sie drückt Soryias Hand ein letztes Mal, bevor sie sich verabschiedet und die Taverne verlässt.

Kaum ist sie gegangen, bemerke ich, wie Alaric nervös auf seinem Stuhl hin und her rutscht. Seine Blicke wandern immer wieder zur Maestra, und schließlich zieht er mit etwas unsicherer Stimme das Gesprächsthema auf sich. „Maestra,“ beginnt er, „ich wollte euch von meinem Wunsch erzählen, in den Rängen der Magie aufzusteigen. Allerdings habe ich noch keinen Pfad gewählt… des Weiteren wäre ich sehr daran interessiert in den Konvent aufgenommen zu werden.“

Die Maestra mustert ihn mit einem wohlwollenden Lächeln und nickt, während sie spricht. „Bedenkt junger Magus, nicht der Magier bestimmt seine magische Ausrichtung, sondern es ist die Magie, die den Magier wählt.“ Ihre weisen Worte berühren etwas in mir. Sie erinnern mich daran wie Ruweena‘s elementarer Schutzzauber unerwartet die magischen Fähigkeiten in mir erweckt hat. Gedankenversunken nicke ich zustimmend. Ist es doch genau das, was mir selbst widerfahren ist.

In diesem Moment öffnet sich die Tür der Taverne und Ruweena tritt ein. Der Blick der großgewachsenen Magierin schweift über die Gäste, bis sie unseren Tisch entdeckt. Sie bleibt kurz stehen, als wäre sie überrascht uns hier zu sehen, dann setzt sie sich lächelnd in Bewegung. „Salutari,“ ruft sie uns mit ihrer vertrauten Stimme zu, als sie sich nähert. 

Die Runde begrüßt Ruweena herzlich und lädt sie ein uns Gesellschaft zu leisten. Erfreut setzt sie sich, nimmt sich ein Glas Wein und lauscht aufmerksam den Gesprächen, die am Tisch geführt werden. Alaric fährt fort und spricht nun über seine Interessen. Man merkt wie sich seine anfängliche Nervosität gelegt hat. Er erzählt von seiner Liebe zur Natur und dem Wunsch, den druidischen Pfad einzuschlagen.

„Das Gleichgewicht der Natur ist etwas, das mir sehr am Herzen liegt,“ sagt er, und ich sehe, wie die Maestra mit einem interessierten Glitzern in den Augen seine Worte aufnimmt. Es scheint fast so, als habe sie seine Ausführungen bereits bewertet und eine Entscheidung getroffen, Alaric in den Konvent aufzunehmen. Ihre Reaktion freut mich sehr für ihn. Ich lehne mich leicht zu ihm rüber, um ihm flüsternd zu gratulieren. Er nickt dankend und sein Lächeln verrät mir, dass er mit dem Verlauf des Gesprächs rundum zufrieden ist.

Auch wenn ich mich für Alaric freue, macht sich eine gewisse Unruhe in mir breit. Ich scheue mich meine eigenen Wünsche an die Maestra heranzutragen. Die Unsicherheit nagt an mir, besonders da Ruweena offiziell noch nicht als meine Tutora bestätigt wurde. Je länger der Abend andauert und die Gespräche sich hinziehen, desto ungeduldiger werde ich. Ich blicke immer wieder zu Ruweena, in der Hoffnung, dass sie dieses Thema bei der Maestra anspricht. Ruweena, die meine ungeduldigen Blicke zu deuten weiß, scheint sich einen Spaß daraus zu machen, mich ein wenig zappeln zu lassen. Schmunzelnd wendet sie sich schließlich an die Maestra und fragt mit einem leichten Lächeln: „Hat die junge Dame neben mir mit euch schon darüber gesprochen, dass ich mich angeboten habe ihre Tutora zu werden?“

Bevor die Maestra antworten kann, wirft Soryia etwas betreten ein: „Das habe wohl ich getan,“ und erntet dafür einen halb missbilligenden, halb amüsierten Blick von Ruweena.

Ruweena fährt fort und ihre Stimme wird ernst. „Claire fühlt sich zur Elementarmagie hingezogen. Sie hat Talent und zeigt große Wissbegierde. Ich würde gerne meiner Rolle als Tutora gerecht werden und sie ausbilden. Im Laufe der Ausbildung werde ich erkennen, ob Claire darüber hinaus zu unserem Konvent passt.“

Die Maestra nickt zustimmend. „Ich vertraue deinem Urteil voll und ganz, Ruweena. Ich bin gespannt darauf zu erfahren, welche Fortschritte Claire macht.“ Die Maestra schaut mich dabei wohlwollend an und schenkt mir ein leichtes, aufmunterndes Lächeln.

Ein Stein fällt mir von Herzen. Mit diesen Worten ist es besiegelt: Ruweena ist nun auch offiziell meine Tutora. Ein Gefühl unbändiger Freude und Erleichterung durchströmt mich. Ich kann nicht anders und strahle über das ganze Gesicht. Mit einem Hochgefühl erhebe ich mein Glas, blicke durch unsere kleine Runde und stoße mit allen auf die Zukunft an – die Maestra Vyktorya Alvlem, meine Tutora Ruweena Shire, Soryia Schwarz, Alaric Dunkelmoor und ich, Claire de Lune.

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Der Nachmittag gleitet allmählich in den Abend über. Die Gespräche am Tisch bleiben lebhaft und unterhaltsam. Mit jedem Wort, das gewechselt wird, fühle ich mich mehr und mehr als Teil dieser Gemeinschaft, als Teil von etwas Größerem, das mein Leben verändern wird. Es ist das Gefühl eines neuen Anfangs, ein Gefühl der Zugehörigkeit und es erfüllt mich mit einem tiefen, beständigen Glück.

(Fortsetzung folgt)
 
"Im sanften Licht des Mondes findet die Seele Frieden."
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