Die Kräfte der Thrymm’tack waren erschöpft nach den zehrenden Kämpfen gegen die weißen Mäntel und die verdorbenen Kreaturen, die sie „Kühe“ nannten. Viele Stammesmitglieder hatten sich zurückgezogen, um ihre Wunden zu lecken, Rat bei den Ahnen zu suchen oder in stiller Einkehr neue Stärke zu sammeln. Doch an jenem Abend füllte sich Fjellgat wieder mit Leben. Das dumpfe Schlagen der Hörner und die Rufe der Krieger hallten durch die Straßen, und bald war das Dorf erfüllt vom Lärm der Waffen und der Stimmen.
Die Männer und Frauen des Stammes erhoben Äxte, Bögen und Stäbe, dem Ruf zur Hatz folgend, und zogen hinaus ins Land. Tief knirschte der Schnee unter ihren Stiefeln, während der Atem in weißen Schwaden aufstieg. Sie jagten ihre Beute durch Wälder und über gefrorene Ebenen, hetzten sie bis in Schluchten und gegen Felsen, wo kein Entkommen mehr war. Die Bögen sangen, Speere schwirrten, Äxte fielen, und der Kampf ließ das Blut dampfend im Schnee verdampfen, bis Weiß und Rot nicht mehr zu unterscheiden waren. Schreie der Beute mischten sich mit dem Dröhnen der Kriegslieder, die die Thrymm’tack anstimmten, während sie den Sieg erzwangen. Unerbittlich stellten sie ihre Feinde, bis nichts mehr übrigblieb als Stille, Rauch und das Heulen des Windes.
Als der Abend dunkler wurde, kehrten sie zurück, um sich in einer der Methallen zu versammeln. Dort floss das Met reichlich, Fleisch brutzelte über den Flammen, und das Lachen der Krieger mischte sich mit dem Knacken der Feuerstellen.
Doch selbst in ausgelassener Stimmung durfte Wichtiges nicht unausgesprochen bleiben. So wurde in jener Nacht beraten und entschieden:
Die Lage der „kleinen Brüder“, der Dawi, die sich abgewandt hatten und nun an der Seite von Solgrad und den goldhäutigen Spitzohren standen, war ein heiß diskutiertes Thema. Mit lauter Stimme und doch einmütigem Geist kam der Stamm zu dem Beschluss, dass das Land von Schnee und Eis, das Erbe Sarmatijaschs, unter keinen Umständen preisgegeben werden dürfe. Die Abtrünnigen sollten den Zorn der Thrymm’tack zu spüren bekommen, damit niemand vergesse, wem der Norden gehörte.
Ein weiteres Gespräch galt der Bedrohung durch die Sphäre und die Minotauren. Hier war man sich schnell einig: Die Gegebenheiten des Nordens sollten genutzt werden. Engpässe, Schluchten und verschneite Übergänge sollten den Feind schwächen und in Fallen locken. Rashka selbst erklärte, in den kommenden Tagen Barrikaden zu errichten und den Schutz Fjellgats zu erhöhen – ein Vorhaben, das umso wichtiger schien, nachdem Tjondar, der lange verschollene Sohn Fjellgats, von einem feindlichen Spion berichtete. Eine Frau war es gewesen, die sich vor seinen Augen in ein Schlangenwesen verwandelt und ihn angegriffen hatte.
Auch der Bau der Drachenboote war ein Thema. Die Surom hatten bereits einen Boten entsandt, der verkündete, dass Holz und weitere Waren gesammelt seien und nur noch der Transport fehle. Vallaron, die Säule des Krieges, übernahm die Verantwortung für den Transport, während Tarabasch aus Fjellgat entsandt wurde, um sich dieser Aufgabe anzunehmen. Rasch sollten die Schiffe fertiggestellt werden, damit sie bald zu Wasser gelassen werden konnten – und mit ihnen die Suche nach den Schlangenwesen beginnen möge.
Darüber hinaus wurde von einer jungen Frau gesprochen, die der Stamm vor wenigen Zehnttagen aus den Fängen des Drachenclans befreit hatte. Haldron, der sie wiedergetroffen hatte, berichtete von ihrem Gespräch. Sie hatte ihm von der „Legende der Dicken Haut“ erzählt und ihm ein Rätsel aufgegeben. Es war in Hathrangerede gesprochen – jenen verworrenen Worten, die oft mehr verschleiern als enthüllen. Vieles blieb unklar, doch eines verstand Haldron: Die Legende hatte etwas mit den Trollen und den einäugigen Zyklopen zu tun. Rashka, bedacht, auch dieses lose Ende in die Geschichte des Stammes zu verweben, entsandte die Soeker. Tyra sollte sich bei den Einäugigen umsehen, während Yngvildr den Trollen nachspüren würde.
Als die ernsten Worte gesprochen waren, wandte man sich wieder den Festlichkeiten zu. Met wurde in Strömen gereicht, Fleischstücke wanderten von Hand zu Hand, und das Feuer erhellte die Halle mit rotem Glanz. Inmitten dieser Freude erhob sich Bjornar und verkündete, dass sein Haus vollendet sei und er Freyja zur Frau nehmen wolle. Wie es Brauch war, gab der Johtar seine Zustimmung. Ragnar, wohlvertraut mit den Bräuchen, sprach von den Riten, die nun zu erfüllen seien.
Und während das Gelächter anschwoll und die Hörner wieder und wieder gefüllt wurden, erhob sich Freyja, die Skaldin. Mit Harfe und Stimme erfüllte sie die Halle mit Liedern von Jagd und Sieg, von Ahnen und Heimkehr. Ihre Melodie schwebte über dem Gelärm, trug die Beschlüsse des Stammes in die Erinnerung und ließ Freude und Ernst zu einem einzigen Klang verschmelzen. So endete die Versammlung nicht nur mit schweren Entscheidungen, sondern auch mit einem Lied, das die Herzen erwärmte.
So ging jener Abend in Fjellgat in die Chronik des Stammes ein: Ein Tag von Blut und Jagd, von Rat und Beschluss, und ein Abend von Feuer, Fleisch, Liedern – und dem Klang der Ahnen, die mit den Stimmen der Lebenden mitschwingen.