Die unfreiwilligen Gäste der örtlichen Taverne gaben ein seltsames Sammelsurium ab: alterslose, ätherische Elfen, faltige Greise und betagte Mütterchen, ächzend Dahinsiechende und Kinder, die das ganze entweder als Spiel sahen und fröhlich kreischend durch die Räume und Gänge der Notunterkunft flitzten oder die nach ihren Eltern weinten, welche in Winterberg geblieben waren, um ihre Heimat vor der Dämonenbrut zu verteidigen.
In den Augen vieler Alten stand die stumme Frage geschrieben, womit sie solch ein Los verdient hatten. Anstatt ihren Lebensabend zufrieden im Kreise der Familie zu verbringen wurden sie entwurzelt, von ihren Lieben getrennt und zur Flucht gezwungen.
Ein paar würden es nicht schaffen; sie saßen mit gebeugten Schultern und leeren Blick auf ihren Pritschen oder waren bereits so krank, dass sie ohnehin in ein paar Tagen ihren letzten Frieden gefunden hätten - die zehrende Flucht und das Exil beschleunigten das Unvermeidliche nur.
In anderen wiederum entfesselte die Wut über den Verlust von Heim und Herd ungeahnte Kräfte und sie wetterten lauthals gegen die Dämonen und reckten ihre blaugeäderten Fäuste empor. Am liebsten wären sie wohl wieder umgekehrt, um sich den unheimlichen Feinden entgegenzustellen.
Und was für ein Anblick wäre das wohl gewesen!
Ich trudelte zerknautscht und angetrunken wie immer in der Taverne ein. Es gab genug zu tun und ich packte mit an wo immer meine Hilfe von Nöten war. Manchmal warf man mir scheele Blicke zu. Im Gegensatz zu Finja oder Atrelegis sah ich eher wie ein Strauchdieb aus, der sich am Unglück anderer bereichert. Doch die Flüchtlinge hatten andere Sorgen und vergaßen ihre Vorbehalte gegen meine Person recht schnell.
Ich hätte nicht kommen müssen. Sloan war natürlich nach Winterberg gereist. Ich hatte gedacht, dass sie als Vertreterin der Truchsess in Silberburg bleiben würde und war eigentlich ganz froh darum gewesen, sie nicht in erster Gefechtslinie zu wissen. Doch ich hatte wohl nur wieder mit einem Ohr hingehört; zudem entsprach es weder ihrem Naturell oder Können. Natürlich war sie dort wo sie gebraucht wurde.
So hatte ich niemanden, dem ich Rechenschaft schuldig gewesen wäre und ich hätte die Tage und Nächte auf meine übliche Art und Weise verbringen können.
Ganz ehrlich, wem war dieser Tage nicht nach einem ausgiebigen Saufgelage zumute?
Doch der
Abend der Gartenbühne war mir noch allzu frisch im Gedächtnis und ich wollte wenigstens einmal meinen Nutzen beweisen. Außerdem tat es erstaunlich gut, anderen helfen zu können, auch wenn es nur kleine Gesten und Handreichungen waren und ich im Grunde genommen am Seelenschmerz der Winterberger nichts ändern konnte.
Vielleicht hoffte ich auch, dass mir jemand einmal helfen würde, würde ich in eine ähnlich bedauernswerte Situation geraten.
Hatte schon jemand getan und tat es immer wieder - Sloan.
Das erste Chaos hatte sich gelichtet. Wenngleich viele auch nicht schlafen konnten, war es ruhiger in der Taverne geworden. Eine leise, elfische Melodie erklang im Schankraum, hier und da klirrten noch Gläser, wurden eher gedämpfte Gespräche geführt. Ein guter Moment, um nach Hause zu gehen. Nicht, dass ich das Zünglein an der Waage gewesen wäre, aber die Tavernenangestellten und die anderen Helfer würden auch ohne mich zurecht kommen.
Die Straßen der Stadt waren unheimlich still. Als ob die Welt den Atem angehalten hätte. Ein gutes oder schlechtes Omen? Ich wusste es nicht. Ich war nur froh darum, meine Tür zu schließen und die Ruhe meiner eigenen vier Wände umfing mich wie mit Watte. In all' dem Trubel hatte ich gar nicht gemerkt, wie sehr mich die Ereignisse mitnahmen. Meine Hände zitterten nicht nur, weil ich kaum etwas gegessen oder getrunken hatte.
Erst Ivrenmir, dann Winterberg. Was kam wohl als nächstes?