Zeit ist flüchtig. Ganz und gar wie das kalte Nass eines schmelzenden Gletschers, welches sich zu einem reißenden Fluss formt. Genauso bahnt sich Zeit, eben wie der Strom des Wassers, seinen eigenen Weg um Hindernisse und lässt sich weder durch Widerstand noch durch Höhen oder Tiefen halten. Scheinbar greifbar, rinnt es zwischen den Rillen und Fugen der Hand hindurch, entgleitet der eigenen Kontrolle.
Auch Teana konnte diesen Fluss der Zeit mitansehen. Über Sonnenzyklen hinweg waren die Jahre an ihr vorübergezogen. Auch wenn das Gesicht sich ungewöhnlich viel ihrer ursprünglichen Jugend behalten konnte, waren es nach genauerem Hinsehen bleicher gewordene Haarsträhnen, die durch eben diese Zeit gezeichnet wurden.
Dem Arkanum, welches ein Teil ihrer Selbst geworden war, gewährte sie nun schon seit mehr als einem Sonnenzyklus keinen Eintritt mehr. Die magischen Kräfte waren seit den vergangenen Ereignissen mehr und mehr zu einer Fessel geworden. Ein Fluch, der sie dazu verdammte mit den Wiedergängern zu wandeln, wenn sie denn das Mana verwendet, welches ihr Sein durchströmte. Sie überschätzte ihre eigenen Kenntnisse, Fähigkeiten und erreichten Erfahrungen um die Studien der Schatten. Der Fluch des alten Nekromanten – ihres ehemaligen Meisters – war eine Warnung, eine Lehre und eine Strafe zugleich. Es sollte sie daran erinnern, wie schwach, zerbrechlich und hilflos sie am Ende doch war. In Gefüge des Seins vorzupreschen, die unbekannt, unerforscht und scheinbar unendlich waren und Kontrolle über diese erreichen zu wollen, waren wohl zu sehr von Hochmut begleitet.
Es begab sich in einer kleinen, unbestimmten und äußerst unscheinbaren Taverne im Norden des Landes, das sich ihr Denken änderte. Federleichte Rauchschwaden befanden sich in einem langsamen, aber fortwährenden Tanz durch den mit altem Holz verkleideten Raum. Die Sonne schien schon nicht mehr durch die verdreckten und milchigen Fenster. Der Fackelschein erhellte die Areale des Raumes. Hin und wieder trugen alte, metallene Scharniere Kunde von neuen Gästen, die durch die Türe in der Taverne kamen. Mit ihnen zog auch der kalte Wind ungefragt in die Räumlichkeit ein, forderte die Rauchschwaden dazu auf, ihren Ländler zu beschleunigen.
Teana selbst saß nahe einer einsamen Ecke des Raumes - ungestört und allein. Die Kleidung ihrer Gemeinschaft hatte sie schon vor einer gefühlten Ewigkeit abgelegt. Ein grauer, dicker Mantel aus Stoff hielt sie warm. Sorgsam war dieser über ihren Stuhl gefaltet worden. Ein leichtes, graues Hemd – etwas zu groß, wurde von ihren Schultern getragen, als sie am Tisch saß. Das rötliche Haar war ein wenig länger geworden und wurde nicht mehr so umsorgt wie vor Zeiten.
Sie gab sich selbst dem lauwarmen Wein des Schankwirts hin, schenkte dem Gesöff ihre ganze Aufmerksamkeit. Es half ihr die Gedanken zu beschwichtigen und zu akzeptieren was passiert war. Der Wein ließ die Zeit an ihr vorüberkehren und ließ sie schlicht vergessen.
So lief es nun Tage und Wochen. Ja gar ganze Mondzyklen hatte sie diese Art des Lebens geführt.
>>Wirt!<<
Gab sie laut von sich, so dass der alte Kauz hinter dem Tresen sie gut verstehen konnte. Das reichte als Botschaft auch schon aus. Man kannte Teana in dieser bedeutungslosen Taverne bereits. Der alte Wirt nahm eine Flasche aus dem alten und wackeligen Holzregal und machte sich auch schon auf, um sie Teana zu bringen. Langsam, gebückt - von der Zeit gezeichnet – ging der Alte los. Ein Murren drang aus Teanas Hals. Er brauchte zu lange – ihr Glas war leer.
Doch Teanas Durst nach dem roten Glück verzerrte die Wahrnehmung. Der Alte war trotz der lädierten Knochen schnell unterwegs und sogleich er den Tisch erreicht hatte, entkorkte er die Flasche mit einer gekonnten, ja gar flüssigen Handbewegung und führte den Hals des gläsernen Behältnisses an Teanas Glas heran.
Teana ließ die geschlossene Rechte auf den Tisch fallen, öffnete diese und einige Silberlinge traten zum Vorschein.
>>Lass die Flasche hier.<<
Bereitwillig setzte der Alte die Flasche auf dem wackeligen Holztisch ab, strich mit der Hand über die Silberlinge und sammelte diese ein. Wortlos wandte er sich um und kehrte hinter den Tresen zurück.
Die Mimik der Frau veränderte sich nicht. Sie griff lediglich nach der Flasche und füllte ihr Glas erneut auf. So passierte es schon einige Male am besagten Abend.
Je später es wurde desto mehr Menschen traten in die Taverne ein. Vorwiegend Holzfäller und Minenarbeiter, die ihr Tagwerk verrichtet hatten. Sie ließen den Erfolg ihres Tages in dieser Taverne ausklingen. Erfolg, welcher Teana schon vor unbestimmter Zeit verlassen hatte und sie alleine zurückließ.
An einem bestimmten Tisch, fast mittig in der kleinen Taverne, trafen mehrere Mannen ein. Staub und Kohlerückstände schmückten Partien der Gesichter. Allesamt stämmig und von feierseliger Launer. Sie lachten, tranken, brüllten und feierten ausgiebig. Einige Stunden zogen an Teana und den anderen Gästen vorbei. Am Tisch der feierwütigen klirrten die Krüge in regelmäßigen Zügen aneinander. Auch Teanas Flasche leerte sich, so weit bis nur noch wenige Tropfen in der Flasche überblieben. Ein angestrengtes Stöhnen entkam ihrem Hals und sie warf dem Wirt einen eindeutigen Blick zu. Aufmerksam wie der alte Kauz war, brauchte es nicht lange, bis er das Zeichen richtig deuten konnte und kramte erneut eine Flasche hervor.
Ein stämmiger, großgewachsener Mann bei der lärmenden Runde deutete mit einem Nicken zu Teana hinüber. Normalerweise durfte sie Aufmerksamkeit und Vorsicht ihr Eigen nennen. Der süße und betörende Beerensaft ließ all diese Angewohnheiten dahinsiechen. Sie konzentrierte sich lediglich auf die Flasche, die der Alte im nächsten Moment an den Tisch gebracht hatte.
>>Euch scheint der Wein wirklich sehr zu munden, hm?<<
Ertönte die männliche Stimme. Teana hob ihren Blick an und sah den muskulösen, hellhaarigen und vollbärtigen Mann der stimmungsvollen Truppe, der sich bei ihr zu Tische niedergelassen hatte.
>>Ja, sehr bekömmlich.<<
Antwortete sie mit einem breit aufgesetzten Lächeln, ehe sich ihre Mimik wieder verfinsterte.
>>Und jetzt verpisst Euch.<<
Für einen Moment wirkte der Mann etwas erstaunt. Doch dem Erstaunen folgte ein aufgeheitertes Lacheln.
>>Ein wildes Weib, das in einer Schenke zwischen einer Mannschaft beim Saufen mithält – Euch gebührt mein voller Respekt.<<
Er deutete eine gespielte Verbeugung an, ehe er weiter sprach.
>>Wir sind hier um Freude zu haben – entspannt Euch.<<
Teana brachte dem Mann keine Gegenworte entgegen, nahm sich ihr Glas und füllte es erneut mit Wein und trank einen Schluck davon. Ein leises Ächzen drang aus der Kehle hervor. Für einige Momente herrschte Stille. Der Minenarbeiter musterte Teana einen Augenblick lang, sah wie sehr sie durch den Alkohol in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dann ergriff er erneut das Wort.
>>Ich sehe Euch hier schon seit einigen Mondgängen immer wiederkehren. Ihr wirkt betrübt. Wollt Ihr darüber sprechen?<<
Dann wieder für einige Zeit Stille. Teana kippte erneut die rote Flüssigkeit in den Mund. Nach dem Absetzen des Glases verließen tatsächlich klare Worte ihren Mund – scheinbar wohl unbeeinflusst von all dem Wein.
>>Ich sitze etwas aus.<<
Der Kerl schien höchst vergnügt, als er die Stimme der Frau hörte.
>>Erzählt mehr, meine Aufmerksamkeit gehört Euch.<<
Sie winkte schließlich nur ab. Er aber wurde neugieriger.
>>Doch, doch. Sagt es mir. Ich lausche dem Klang Eurer lieblichen Stimme.<<
Sie empfand das Gespräch als ermüdend, wollte selbst nicht viel sprechen und dachte daran wie viel unnötige Kraft sie eine Konversation den kosten würde. Trotzdem tat sie ihm den Gefallen, bündelte das tatsächliche in ein knappes Geflecht aus Worten.
>>Ich bin eine verfluchte Hexe, die Gefahr für jeden Gesprächspartner bedeutet.<<
>>Eine verfluchte Hexe also?<<
Staunte der stämmige Mann nicht schlecht und sprach weiter.
>>So hab ich zuletzt die Dirne hinter der Weide genannt.<<
Ein resignierendes Seufzen entkam ihr.
>>Ist es das was Ihr wollt?<<
Er wirkte etwas überrascht und antwortete prompt.
>>Sitzt ihr nicht deswegen Tag ein Tag aus hier?<<
Sie schüttete wieder Wein in den Mund, wohl um den faden Beigeschmack seiner Worte wegspülen zu können. Selbstsicher mit dem Hauch einer Provokation verlautbarte sie dann ihre Botschaft.
>>Da hätte ich weitaus Besseres zur Auswahl als einen Fleischkoloss.<<
Der Mann schluckte dann schwerfällig, versuchte Fassung zu behalten. Teana hatte diese ins Wanken gebracht.
>>Was noch?<<
Er erhob sich schließlich und umwanderte den Tisch, näherte sich dabei Teana sehr nahe und bückte sich etwas, und kam mit seinem Mund kurz vor Teanas Ohren zum Stillstand.
Sie behielt ihn in ihrem peripheren Blickfeld, konzentrierte sich jedoch auch weiter auf den Wein. Schließlich formte seine Lippen einige Worte.
>>Glaub mir, danach wirst du dich viel besser fühlen.<<
Dann streichelte er mit seinen dicken Zeigefinger über das lange und rote Haar von Teana.
Ein kalter Schauder wanderte ihren Rücken hinab. Er näherte seinen Kopf noch mehr an Teana heran und sog tief - und für Teana hörbar – Luft durch die Nasenlöcher ein.
>>Du duftest nach Bedauern.<<
Für Teana waren das zu viele vermeintlich, schmeichelnde Worte. Sie umgriff das Glas mit der Rechten und die Hand schnellte zu dem Gesicht des Mannes.
Die Reaktion des Mannes konnte jedoch mit ihrem Schlag mithalten. Er sah voraus und reagierte. Mit seiner Rechten fing er Teanas Unterarm ab und drückte fest zu.
>>Du kleines, wildes Biest. Auf solche Spielchen stehst du also, hm?<<
Er drückte fester zu. So fest, dass Teana Schmerzen im ganzen Unterarm spürte und das Glas fallen ließ, welches am Boden zerklirrte und die alten, staubigen Holzdielen in Wein tränkte.
Unerwartet schnellte dann seine Linke ausgebettet gen Teanas Gesicht. Der heftige Schlag erwischte sie mit voller Wucht. Sie wurde vom Stuhl geschleudert und der stämmige löste seinen Griff von ihrem Unterarm. Ein klirrendes und schmerzhaftes Summen durchdrang ihren Kopf und für einen Moment musste sie die Augen fest schließen.
Damit hatte sie nicht gerechnet. Niemand kam ihr zu Unterstützung als sie da am Boden lag. Am Boden liegend sah sie das das rege Treiben in der Taverne weiter ging. Der alte Wirt schenkte weiterhin aus und die feiernde Meute im Zentrum der Taverne kümmerte sich lediglich um die eigenen, leeren Bierkrüge.
Sie war benommen, hatte schon lange keinen solchen Schlag mehr abbekommen. Der stämmige Kerl schmiss den Stuhl vor sich um und ging vor Teana auf die Knie. Seine prankenartige Rechte fixierte ihren Hals am Boden und umschloss diesen mit Leichtigkeit.
Er näherte sein Gesicht wieder dem von Teana.
>>Dafür, dass du ein so ein hübsches Ding bist, hast du deine Manieren wohl auf halber Strecke verloren.<<
Sie drehte den Kopf dann zu ihm und wie von einem Instinkt geführt, dachte sie bereits daran das Arkanum zu verwenden.
Ein Dilemma, das sich vor ihr aufgetan hatte. Setzte sie sich zu wehr, würden ihre Kräfte nur zu einem Bruchteil genutzt werden können. Die ihr durch den Fluch einverleibte Nekromantie würde sich wie sonst auch ihres Fassungsvermögens von Mana bedienen und selbst agieren. Menschen würden verletzt werden oder gar sterben – sie jedoch könnte sich wohl aus dieser misslichen Lage retten.
Sie war nicht Herrin über die aus dem Fluch resultierte Nekromantie und somit wäre ein Ausgang unberechenbar gewesen.
Doch sie hatte sich selbst versprochen das Arkanum nie wieder zu nutzen, um Mortanius und seinem Fluch nie wieder die Möglichkeit des Gedeihens bieten zu müssen.
Er sprach wieder.
>>Lass mich dein hitzköpfiges Gemüt ein wenig abkühlen.<<
Dann presste er ohne Vorwarnung seine Lippen auf die von Teana. Sie schmeckte das schale Bier, das seine Lippen überzog und ekelte sich. Sie ekelte sich vor ihm und dem was ihr gerade passierte. Ihre offensichtliche Wehrlosigkeit löste tiefsitzende Angst in ihr aus.
Sie drückte ihre Rechte gegen den Hals des Angreifers, konnte diesem jedoch nichts entgegensetzen. Körperlich war sie ihm bei weitem unterlegen. Sie hatte nichts bei sich mit dem sie sich hätte wehren können. Verzweiflung keimte in ihr auf.
Sie verfluchte Mortanius in diesem Moment. Er hatte sie durch den Fluch gefesselt und somit eine Gegenwehr an Konsequenzen gebunden.
Durch dieses schreckliche Ereignis verfluchte sie erstmalig Mor’dan. Er, der ihr den Weg zur Erleuchtung versprochen hatte und sie geleiten wollte durch die Dunkelheit, ließ sie alleine im Dunkeln - mit diesem Fluch.
Vernunft und Gewissen ließen sie passieren und es bedurfte keiner Entschuldigung.
Sie öffnete das Schloss. Das Schloss, welches das Mana so lange Zeit von ihr ferngehalten hatte. Es durchströmte sie. Sie war immer noch dazu in der Lage die physikalische Welt um sich herum auszublenden. Sie spürte die sie durchströmende Energie. Auf die eine oder andere Art hatte sich eine jeweilig gleichberechtigte Katastrophe angebahnt.
Während seine Lippen auf den ihren klebten und sie mit ihrer Rechten kaum merkliche Gegenwehr ausübte, sprach sie schließlich die Worte.
>>Kal Jux Quas.<<
Die Worte verlangten nach etwas. Es klang fast schon wie eine Order. Die allgegenwärtige Kraft, welche seit Monden nur noch so präsent in ihr war, wie es in den Bäumen, den Steinen und dem Wasser ist. Sie durchströmte Teana auf eine befriedigende, ja fast berauschende Art, wie sie Teana schon fast vergessen hatte.
Ihr Sein war hungrig danach nach eigenem belieben zu formen und diese gottgleiche Gabe nutzen zu können.
Einem Sein, das nur im Austausch gegen die Reagenzien und der alten Sprache, geformt werden konnte.
Ein wohles Kribbeln durchzog zunächst ihre Brust, dann den rechten Oberarm, hinaufwandernd bis zur Hand, die den Hals des Angreifers berührte. Es war ihr fast so als spürte sie wie etwas Gewicht aus ihrem Reagenzienbeutel verloren ging. Ihre Entschlossenheit wurde durch den zunehmend ausgeführten Druck auf den Hals des Angreifers zur Schau gestellt.
Äußerlich waren keinerlei Veränderungen an den genannten Stellen ihres Körpers zu erkennen und doch zeigte sich das dem Chaos verfallene Ergebnis äußerst schnell.
Überall dort wo Teanas Hand ihren Angreifer berührte, drang ein leises pustendes Geräusch hervor. Es brauchte ein oder zwei Sekunden bevor der Mann über Teana bemerkte, wie ihm geschah. Auch seine Haut kribbelte. Jedoch anders als bei Teana war es ein weitaus unangenehmeres Gefühl, welches ihm mitteilte, dass irgendetwas nicht stimmte. Sein Körper gab großes Warnsignal. Schmerzen breiteten sich an der Stelle seines Halses aus, die Teana berührt hatte. Prompt ließ er von Teana ab, sprang mit einem Satz auf und versuchte mit den Augen zu erkennen was an seinem Hals passierte. Dies jedoch ohne Erfolg. Teana richtete sich unterdessen langsam wieder auf, atmete hektisch und schien des Ereignisses wegen äußerst angespannt. Sie betrachtete ihren gegenüber, der etwa zwei Meter von ihr entfernt stand. Die Haut am Hals des Mannes bebte, schlug langsame Wellen. Ganz und gar so als hätte sich kleinstes Getier unter und auf seiner Haut befunden, welches wild Bahnen hin- und herzog.
>>Was hast du getan?<<
Stieß er lauthals gegen Teana aus. Gespannt blickte die Menge auf Teana und ihren beschäftigten Angreifer. Die Angst war sein unliebsamer und unerwarteter Gast. Sie bettete ihn sorgsam in ihren Mantel der Furcht.
Mit größter Vorsicht tastete er sich an die Stelle der Haut. Sie platzte auf und hunderte, kleine Spinnen kamen aus einer klaffenden Wunde hervor. Der Schrecken ließ ihn aufschreien, taumeln. Er wusch fortwährend die Wunde auf und ab, um die Spinnen loswerden zu können – ohne Erfolg. Er stürzte zu Boden und die Schreie wollten nicht verhallen. Einige seiner Saufkumpanen eilten zum Ereignis herbei, schienen aufgewühlt und konfrontierten Teana sofort.
>>Was habt Ihr mit ihm gemacht?! Warum brüllt er so?<<
Teana hatte es immer noch schwer zur Ruhe zu kommen, vor allem weil sie wusste was nun folgen würde.
>>Geht.<<
Verlangte sie dann von ihnen.
>>Was hast du mit Rabin gemacht?<<
Sie begriffen nicht was passierte, weil sie es nicht sehen konnten. Nur Teana selbst wusste was passierte. Sein Körper wurde wohl von ihrer arkanen Kunst berührt. Doch die Verletzungen, die Spinnenbeine auf seiner Haut und die Hysterie, waren lediglich Signale, die Teana gezielt geformt hatte, so dass sie in seinem Kopf Platz finden würden. Teana wollte keine Erklärung liefern. Dafür war ohnehin zu wenig Zeit. Ihr Blick wanderte zum alten Wirt.
>>Verschwindet hier, ehe ihr es nicht mehr könnt.<<
Der Alte kannte Teana schon seit einiger Zeit, hatte nie wirklich gefragt was ihr denn auf dem Herzen lag und doch wusste er, dass die Frau komplizierte Probleme auf den Schultern tragen musste. Es war weniger Vertrauen in die Worte als eine Vorahnung auf das was kommen würde, als er in Teanas müdes Gesicht sah.
Zügig ging der Alte zu dem Kleiderständer hinter der Theke, nahm seinen Mantel und warf ihn sich über.
>>Geht heim, ich bin ohnehin leer.<<
Rief er der Kundschaft zu. Ungläubig sah die Meute zum Alten, der sich sogleich wortlos aufmachte und seine bescheidene Taverne verließ.
>>Tut es ihm gleich, wenn ihr wisst was gut für euch ist.<<
Riet Teana den Gästen der Schenke.
>>Hexe! Sie ist eine vermaledeite Hexe und hat mich verflucht!<<
Schrie derjenige, der mit Teana Plätze getauscht hatte und sich wie ein Häufchen Elend am Boden windete.
Einer seiner Freunde ging hastig auf Teana zu und schubste ihre Schulter.
>>Nehmt es von ihm!<<
Just in diesem Moment durchdrang die arkane Kraft durch Teana und kehrte ein auf die nächste Person. Die kleine und unpräzise Berührung hatte ausgereicht, um ein Flammenmeer zu entfachen. Es begann mit der Hand, mit der er Teana geschubst hatte. Sie fing Flammen und die Schmerzen waren brennend, tobend und nagten sofort am Verstand des Arbeiters.
Auch er begann zu schreien und trat zurück. Die anderen versammelten Arbeiter sahen sich irritiert einander an.
Schließlich bebten einzelne Bretter des Bodens der Taverne und das an verschiedenen Stellen der Räumlichkeit. Sie knarrten und gaben laute von sich. Dieses Tun erlangte die Aufmerksamkeit aller. Auch Teana war es bewusst, dass es sich hierbei nicht um etwas anderes handelte. Sie wusste was passierte und genau in diesem Moment war ihr als hätte sie eine Stimme in ihrem Kopf vernommen.
>>Ich werde immer an deiner Seite sein, ganz gleich wie sehr du dich auch selbst verleumden möchtest.<<
Die Stimme des alten Mortanius – des Nekromanten erklang in ihrem Kopf. War dies die Wahrheit oder hatten sich ihre arkanen Kräfte abermals gegen sie gerichtet? Sie konnte es nicht mit Gewissheit sagen.
Eines der Bretter wurde aus den Nägeln geklopft. Ein Stöhnen war aus dem Kellergeschoss zu vernehmen.
>>Was ist das?<<
Dann ein weiteres Brett an einer anderen Stelle des Raumes, welches seine Fassung verlor. So ging es innerhalb der nächsten Sekunden an verschiedenen Stellen weiter. Das Stöhnen vermehrte sich, wurde allmählich zu einem unheilsamen Chor.
Aus der Tiefe erhoben sich Hände, welche nur unregelmäßig mit getrockneter und ledriger Haut bekleidet waren. Knochen ragten an Fingern und Armen hervor, benetzt mit einer Schicht aus nasser Erde.
Obwohl der fehlenden Muskelmasse, konnten sich diese Hände nach oben hieven und die Tiefe verlassen.
>>Das sind Wiedergänger!<<
Ohne ein Wort der Begrüßung, stürzten sich die Untoten auf die Lebenden, kratzten sie, schlugen und bissen nach ihnen.
Einige der Mannen erreichten ihren Tisch, griffen nach maroden Arbeitswerkzeugen. Ein Kampf hatte begonnen und Teana selbst spürte wie der Ursprung dieses kriegerischen Akts an ihr nagte. All das Mana, welches ihren Körper durchfloss und in ihr aufgenommen wurde um das Arkanum nutzen zu können, wurde genutzt um zu beseelen was schon längst nicht mehr lebendig war. Nein – es war nicht ihr Wille oder ihre Kraft. Sie war lediglich das Gefäß, welches erneut für diese widerlichen Erzeugnisse missbraucht wurden.
Sie nahm ihren Mantel und ging in Eile und mit äußerstem Geschick an Menschen und Wiedergänger vorbei. Die Ereignisse hatten den Alkohol verblassen lassen und das Adrenalin in ihrem Körper hatte die Vorherrschaft übernommen und schärfte ihre Sinne für den Moment.
Schreie – sowohl die des Leids als auch die des Kampfes waren laut zu hören, wo vor wenigen Minuten noch redegesellige Feierlaune herrschte.
Sie verließ die Räumlichkeit und ließ die Menschen in der Taverne alleine. Hatten sie es verdient? Sie wagte nicht darüber zu urteilen. Sie waren geblendet, durch Vorurteile, Triebe und Indoktrination.
Sanfter Regen fiel, er würde wohl die Nacht über noch andauern. Der Boden war bereits in ein kühles Nass getränkt. Eine Zeit lang sah sie sich dann um. Ihr Blick erreichte einen breiten Baumstamm. Sie zog ihn heran an das Gebäude und verbarrikadierte damit die Eingangstür. Sie rüttelte etwas an der Tür.
War es gerecht die Menschen dort einzusperren und sie ihrem Schicksal zu überlassen? Nein – das stand für Teana eindeutig fest. Sie hatte sie gewarnt. Sie sollten verschwinden, wurden mehr als nur einmal gewarnt.
Sie wollte die Machenschaften des Nekromanten Moratnius nicht auf die Menschen loslassen. Dann kramte sie ein kleines, faustgroßes Fläschchen hervor. Sie betrachtete die fast schon zähe Flüssigkeit darin, welche glänzend schimmerte. Dann wendete sie sich ab entfernte sich einige Meter von der Hütte. Schließlich warf sie das Fläschchen gegen die hölzerne Wand der Taverne. Die Flüssigkeit wurde freigesetzt und fing wie durch Magie Feuer – was es jedoch nicht war.
Das bereits eingenässte Strohdach fing Flammen. Sie zückte ein weiteres Fläschchen mit derselben Flüssigkeit heraus. Dieses Mal traf sie eine Fensterscheibe. Noch beim Zerbrechen der Fensterscheibe, ging die Flüssigkeit in Flammen auf, verteilte sich auf die Außenwand und den Innenbereich der Taverne. Ein anschließendes Seufzen war bittere Nachgeschmack der Wehmut, welche die Entscheidung dieses Dilemmas aufgetischt hatte.
Sie wanderte durch den regennassen Wald, ließ das Geschehene Revue passieren. Das Arkanum würde sie für Reisen nicht mehr nutzen. Sie fühlte sich verraten und alleingelassen, von all denjenigen, die sie einst Meister, Freunde oder Geschwister nannte. Nicht nur der Mortanius, dem offensichtlichen Verräter. Auch der Pfad des ewigen Ausgleichs hatte sie alleingelassen.
Ihr Pfad auf dem Weg zum Ausgleich hatte sie vorangebracht. Doch wie weit? Die unpassierbare Passage vor ihr hinderte sie am Erreichen ihres Zieles. Der Weg war vernebelt, dunkel und alle Richtungen hätten sie zum Ziel oder zum Verderben führen können. Im Moment stand sie still wusste nicht wohin. Das wegweisende Licht fehlte ihr.
Sie musste sich auf die Suche nach dem führenden Licht machen. Fernab all der Dinge, die sie kennengelernt hatte und die sie in eine unliebsame Bequemlichkeit der Gewohnheit gebracht hatten und sie schlussendlich lähmten und ihren Stillstand bedeutete.
