Die Tag neigte sich bereits seinem Ende entgegen, dicke Regentropfen prasselten unaufhörlich auf das Dach und gegen die Fenster. Mortirus saß in seiner Schreibstube und studierte die Aufzeichnungen und flüchtigen Notizen seiner Forschungsergebnisse. In der letzten Zeit hatte er sich zunehmend, neben seinen Forschungen im Gebiet der Alchemie, mit der Erschaffung von magischen Gegenständen befasst. Er kam gut voran und machte erfolgversprechende Fortschritte.
Es hämmertejemand mehrmals an der hölzernen Eingangstür, grummelnt legte Mortirus die Pergamente zurück in den Folianten. Er stapfte,verärgert durch die Dreistigkeit einer solch späten Störung, zurEingangstür und riss diese mit erbostem Blick auf. Ein vollkommen durchnäster Bote übergab ihm augenblicklich einen versiegelten Brief und verschwand sofort wieder, ehe Mortirus seinen Ärger zum Ausdruck bringen konnte. Etwas verdutzt schaute er dem Boten hinterher, dessen Umrisse allmählich in der Dämmung verschwanden. Er schloss die hölzerne Tür und schaute wie erstarrt den versieglten Brief an. Er kannte es nur zu gut, das gräulich silberne Wachs und die verschnörkelten Initialen M R. Das Siegel seines Vaters, Mortimer Ryllandar. Mit schnellen Schritten ging er zu seinem Schreibtisch, entzündete die alte Öllampe und brach das Siegel.
Werter Herr Mortirus Ryllandar,
mein Name ist Hadrian Stayn und ich stehe nun seit einigen Jahren als Verwalter in den Diensten ihres Vaters.
Mit bedauern muss ich Ihnen mitteilen, dass der werte Herr Mortimer Ryllandar durch einUnglückoffensichtlich nicht mehr unter uns weilt.
Zur Verwaltung des Nachlasses, möchte ich Sie bitten sich zeitnah auf dem Anwesen ihres Vaters einzutreffen damit die Angelegenheiten zu klären.
Sobald Sie hier eingetroffen sind, werde ich Ihnen selbstverständlich für jedwede Fragen zu Verfügung stehen.
Hochachtungsvoll,
Hadrian Stayn, Verwalter
Er legte den Brief zurück auf den Tisch. Unterdrückte Erinnerungen und verwirrende Gefühle krochen in Ihm wieder hervor. Es müssen sicher schon acht Winter vergangen sein, seitdem er das Anwesen seines Vaters verlassen hatte. Ihre unterschiedlichen Ansichten betreffend der Nutzung von Magie, insbesondere mit seinen Forschungen des Pfades der Nekromantie, hatten Sie entzweit. Ja, er war noch jung, ungeduldig und wollte sich selbst beweisen... wollte es Ihm beweisen. Seine Anerkennung für seine Forschung und seine magische Begabung gewinnen. Doch sein Vater war engstirnig und missbilligte die Nekromantie. Mortirus sollte sich, nach den Vorstellungen seines Vaters, doch eher mit der Illusions- und Beschwörungsmagie befassen, so wie er selbst.Es dürstete ihn nach Macht und Wissen. Er wollte sein Potential ausreizen und seine Grenzen erproben. Die ständigen Auseinandersetzungen und Vorwürfe engten Ihn ein,die Entscheidung sein Zuhause zu verlassen viel ihm damals nur umso leichter.Mortirus schob gedanklich die Erinnerungen wieder zurück in die tiefen seines Selbst. Er lehnte sich zurück und blickte gedankenverloren zur Decke. Von Neugier getrieben erhob er sich und verschwand in seinen Gemächern, eine solche Reise musste vorbereitet werden.
Die ersten Sonnenstraheln schwimmerte auf den feuchten Mauern von Ansilon, der Regen hatte glücklicherweise bei Anbruch der Dämmerung aufgehört. Mortirus verhandelte mit dem Kapitän eines im Hafen liegenden Handelsschiffes, kurz darauf brachten zwei beklagenswerte aussehende Matrosen seine Reisetruhen unter Deck in seine gemietet Kabine. Sie liefen aus dem Hafen aus, der Wind wehte aus einer günstigen Richtung und das Meer war nahezu ruhig. Die Reise würde einige Wochen in Anspruch nehmen. Somit hatte er, zwecks fehlender alternativen, viel Zeit in seiner Kabine zu hocken und nachzudenken. Über sich selbst, seine Vergangenheit und seiner Zukunft. Was war den seinem Vater zugestoßen oder eher was genau für ein Unglück? Er wollte es unbedingt herausfinden, trotz ihrer Vergangenheit. Von Zeit zu Zeit glitten seine Gedanken in längst vergangene Erinnerungen zurück. Als Kind hatte er es geliebt, die bunten Lichter, Trugbilder und fremdartigen Kreaturen die sein Vater für Ihn heraufbeschworen hatte. Das warme und ungetrübte Gefühl von kindlicher Geborgenheit brodelte kurz in Ihm auf ehe er dieses wieder Tief in seinem Inneren verbannte. Der Hafen seiner Heimatstadt hatte sich kaum verändert, das gleiche trostlose Gesindel bettelte nach Almosen oder boten körperliche Zärtlichkeiten den herumstreifenden Seeleuten an.
Mit einer Kutsche gelangte er auf direkten Wege zum Anwesen. Es hatte sich in den Jahren kaum verändert, natürlich sind einige Bäume gewachsen und der Efeu wuchs ebenfalls unaufhörlich an der Fachwerkfassade empor. Der schwere gusseisener Türklopfer donnerte gegen die Eingangstür. Nach einer Weile öffenete ein kleiner hagerer Mann, mit schwarzen lockigem Haar und guter Kleidung die Tür.
Seid gegrüsst, womit kann ich dienen?
Entfuhr es dem Mann mit einer hohen fizeligen, aber freundlichenStimme. Mortirus betrachtet den Mann eingehend, er musste schmunzeln und übergab ihm den Brief.
Zum Gruß….Ihr seid augenscheinlich Herr Hadrian Stayn.
Ich bin Mortirus … Mortirus Ryllander. Ihr habt mir geschrieben hinsichtlich des Nachlasses meines Vaters. Und Ihr seid mir noch eine Erläuterung hinsichtlich seines Ablebens schuldig.
Der Mann nickte und verfiel augenblicklich in einen Plauderton.
Kommt herein! Es ist eine freude euch kennen zu lernen. Ich hoffe eure Reise war nicht allzu beschwerlich, es muss ein langer Weg gewesen sein. Schon vor geraumer Zeit hatte ich mit Ihnen gerechnet…. Wie es sicherlich der Wunsch eures Vaters gewesen wäre, habe ich hier alles am Laufen gehalten. Keine Staubkörner dürften Sie auf den Regalen finden, selbst die Holzdielen sind gewachst… Doch zunächst möchte ich euch in die Bibliothek bitten, die Besitzurkunden des Anwesens und der umliegenden Länderein liegen dort für euch bereit.
Mortirus legte nachdenklich die Stirn in Falten. Die erdrückende Vertrautheit machten Ihn benommen und ließen Ihn nur schweigend folgen.Sie liefen an der Küche und dem Kaminzimmer vorbei und stiegen die massive hölzerne Treppe zur Bibliothek empor. Es war wirklich alles blitzeblank, selbst die großen und schweren Wandbilder waren alle feinsäuberlich abgewischt worden. In der Bibliothek angekommen überreichte Ihm Hadrian die in einen ledernden Folianten verstauten Urkunden. Der hagere Mann blickte ihn erwartungsvoll, mit auf dem Rücken verschränkten Armen, an. Er sichtete die Urkunden kurz und nickte knapp.
Und nun folgt mir bitte… hinsichtlich des.. Unfalls eures Vaters muss ich Euch zunächst etwas zeigen.
Zielstrebig durchschritten Sie die Bibliothek, vorbei an diversen Bücherregalen, direkt auf eine steinernden Wand zu. Zu Mortirus Überraschung, drückte Hadrian auf einen unscheinbaren Stein in der Wand. Dieser war kaum von den anderen zu unterscheidenen, doch plötzlich rumpelte es und das knacken von Zahnräder war zu hören. In der Wand öffnete sich ein Durchgang.
Bitte folgt mir.
Überrascht aber Neugierig tratt Mortirus in den Durchgang hinein, vor Ihm öffnete sich ein Raum. Es gab keine Fenster, an den Wänden waren eine vielzahl an Kerzenhalter und Lampen angebracht. Wachsklumpen lagen darunter auf dem steinenen Boden. In einer Ecke des Raumes stand ein großer hölzerner Tisch.Viele aufgeschlagene Bücher mit kaum leserlichen Notizen,allerhand magischen Apparaturen und diverse Edelsteine waren darauf verteilt. Auf den ersten Blick war die andere Seite des Raumes leer, die Oberfläche des Steinboden war dort geschwärzt und verkohlt. Doch bei genauerem Hinsehen könnte man nochdie verkohlten Überreste von Reagenzien ausmachen und auch die schwachen Linien eines Bannkreises waren zu erkennen. Eine verblassende magische Aura war zu spüren. Mortirus ahnte was hier passiert war, eher zu sich selbst huschte die Frage über seine Lippen. Was ist passiert? Was.. Was ist das für ein Raum?
Hadrian räusperte sich und machte sich für einen langen Monolog bereit.
Nun, wie Ihr euch sicherlich denken könnt war dies hier das… nun.. Arbeitszimmer eures Vaters. Soweit mir bekannt ist, wollte er es zu seinen Lebzeiten vor euch Geheimhalten. Warum ist mir nicht bekannt. Aber da Ihr ohnehin vor vielen Jahres verschwunden seit, war wohl die weitere Geheimhaltung letztendlich obsolet. Euer Vater stellte mich als sein Verwalter ein um Ihm bei seinen Forschungen zu unterstützen… Beschaffung von entsprechenden Reagenzien und dergleichen. Natürlich oblag mir ebenfalls die Verwaltung des Anwesens sowie sämtliche finanzenielle Angelegenheiten. Nun… euer Vater war in den letzten Tagen ausschließlich hier anzutreffen. Ich möchte an dieser Stelle nicht unbedingt von einer Besessenheit sprechen, aber er verließ diesen Raum nur für ein paar Stunden schlaf. Selbst die Mahlzeiten nahm er hier zu sich, oft hatte er kaum etwas davon angerührt. Aber.. ich schweife ab… Er war meist schon früh morgen hier in seinem Arbeitszimmer. Als ich Ihm sein Frühstück bringen wolltewar er zu meiner Verwunderung nicht anzutreffen, spurlos verschwunden. Lediglich diesen schwarzen Fleck und die Asche auf dem Boden dort war vorzufinden. Doch ich wagte mich nicht diesem zu nähern... Tja… mehrere Tage habe ich gewartet ehe ich euch diesen Brief schrieb. Der guten Ordnung halber seid Ihr ja nun der Herr im Haus und entsprechend sah ich es als meine Pflicht an euch zu kontaktieren.
Mortirus hörte nur beiläufig den Ausführungen des Mannes zu. Seine Finger glitten über die vielen Bücher, soweit er es beurteilen konnte behandelten Sie vorwiegend Beschwörungen. Die Apparaturen waren ihm ebenfalls kaum bekannt. Er schritt durch den Raum Richtung Bannkreis, die magische Aura war kaum zu spüren. In einer dunklen Ecke des Raumes erblickte er etwas kleines auf dem Boden liegen, einen bläulich funkelnder Stein. Etwas zögernd nahm er den Stein in die Hand und zu seiner Verwunderung spürte er nichts. Keine magische Energie. Keine Wärme oder Kälte. Nichts, nur die glatte Oberfläche. Gedankenverloren sprach er zu Hadrian.Lasst mich alleine, ich muss nachdenken.
Der Mann nickte und verschwand augenblicklich. Mortirus untersuchte die Überreste der verwendeten Reagenzien und auch den Bannkreis. Aber er konnte weder die Reagenzien bestimmen noch den Bannkreis entziffern. Vollkommen unbrauchbar, hier würde er nicht weiterkommen. Er wiegte den Stein in seiner Hand hin und her. Ihm war bewusst, dass er weiter forschen und auf neuen Pfaden wandeln musste um dieses Mysterium zu lösen. Auch wenn er und sein Vater damals im Zwist auseinander gingen, so war er immernoch ein Vater, seine Familie. Seine Neugier und sein Ehrgeiz waren geweckt. Kurzum erteilte er Hadrian den Befehl sämtliche Bücher, Apparaturen und dergleichen Sorgsam einzupacken und zu seinem Anwesen nahe Ansilon bringen zu lassen. Ebenfalls gab er Ihm auf sich weiterhin um Verwaltung des Anwesens zu kümmern. Ein neuer Pfad und eine neue Aufgabe lag nun vor Ihm.