Gegenwart: Die Neue Welt
Gegenwart: Die Neue Welt
Der Morgen war kühl genug, dass Fel unter der dünnen Decke fröstelte, die sie am gestrigen Abend an den Docks Nebelhafens halb erkauft, halb erbettelt hatte. Eine Schiffsbrüchige konnte nicht wählerisch sein, daran erinnerte sie genauso auch das Knurren des Magens - die eigenartige Frucht, die sie am Feuer unter der Anleitung Noa Feldspans verspeist hatte, war schon lange verdaut.
Hunger war gut. Hunger bedeutete Antrieb und Motivation, solange man ihn nicht soweit wachsen ließ, dass er schließlich am Bewusstein selbst zehrte. In gewisser Weise war all das vertraut: Das Nächtigen an zufällig ausgewählten Plätzen in notdürftig zurechtgemachten Lagern, das Grummeln im Magen zu Beginn jedes Morgen, verlässlicher als selbst das Aufgehen der Sonne, die sich gerade heute hinter einer dichten Wolkendecke verbarg.
Gewiss: Die letzten Jahre hatten wenig davon gesehen, aber die Erinnerungen an damals waren präsent, wie tiefe Kerben in Holz, die wieder sichtbar wurden, wenn man die dünne Schicht an Farbe darüber abscheuerte.
'Aber ich bin nicht mehr, wer ich damals war.'
Der Gedanke kam mit einem Fetzen von Reue: Die Ankunft hier in Nebelhafen nach dem Ende der "Siebentrutz" hatte die Möglichkeit eines vollkommenen Neuanfangs geboten, aber ohne den rechten Kopf um damit zu planen, war ihr die Möglichkeit eines falschen, eines neuen Namens nicht in den Sinn gekommen. Nun war es bereits zu spät.
'Wenn Namen Identität sind, dann bin ich allein dadurch an meine Vergangenheit gebunden, wie eine Marionette an ihre Fäden.'
Während eines Spaziergangs an den Docks entlang, spielte Fel mit dem Gedanken, was ein passender Name gewesen wäre, steigerte sich schließlich in mehr und mehr lächerliche Konstrukte, die sich durch eine Vielzahl von Apostrophen und Zwischensilben auszeichneten, bis der knurrende Magen beinahe vergessen war.
Diese neue Welt .. das war Potenzial. Ein einziger Abend hatte bereits ausgereicht um das zu verdeutlichen: Nicht einmal war sie auf Anhieb auf eine Elfe gestoßen - und eine andere Gestalt, bei der es sich möglicherweise ebenfalls um eine Elfe handelte - noch dazu hatte sich gezeigt, dass es eine Varianz in den Worten der Macht gab: Das stabile Fundament auf dem Fel ihre Ausbildung bis dahin erbaut sah, begann bereits zu bröckeln in Anbetracht dieser neuen Informationen. In Ussaria gab es nur einen einzigen Pfad der Magier - hier gleich deren vier. Was hatte das zu bedeuten? Welche Ordnung ließ sich dahinter ausmachen?
Während die Sonne sich endlich aus der Umklammerung der Wolken befreite, erkundete Fel weiter Nebelhafen.
Hunger war gut. Hunger bedeutete Antrieb und Motivation, solange man ihn nicht soweit wachsen ließ, dass er schließlich am Bewusstein selbst zehrte. In gewisser Weise war all das vertraut: Das Nächtigen an zufällig ausgewählten Plätzen in notdürftig zurechtgemachten Lagern, das Grummeln im Magen zu Beginn jedes Morgen, verlässlicher als selbst das Aufgehen der Sonne, die sich gerade heute hinter einer dichten Wolkendecke verbarg.
Gewiss: Die letzten Jahre hatten wenig davon gesehen, aber die Erinnerungen an damals waren präsent, wie tiefe Kerben in Holz, die wieder sichtbar wurden, wenn man die dünne Schicht an Farbe darüber abscheuerte.
'Aber ich bin nicht mehr, wer ich damals war.'
Der Gedanke kam mit einem Fetzen von Reue: Die Ankunft hier in Nebelhafen nach dem Ende der "Siebentrutz" hatte die Möglichkeit eines vollkommenen Neuanfangs geboten, aber ohne den rechten Kopf um damit zu planen, war ihr die Möglichkeit eines falschen, eines neuen Namens nicht in den Sinn gekommen. Nun war es bereits zu spät.
'Wenn Namen Identität sind, dann bin ich allein dadurch an meine Vergangenheit gebunden, wie eine Marionette an ihre Fäden.'
Während eines Spaziergangs an den Docks entlang, spielte Fel mit dem Gedanken, was ein passender Name gewesen wäre, steigerte sich schließlich in mehr und mehr lächerliche Konstrukte, die sich durch eine Vielzahl von Apostrophen und Zwischensilben auszeichneten, bis der knurrende Magen beinahe vergessen war.
Diese neue Welt .. das war Potenzial. Ein einziger Abend hatte bereits ausgereicht um das zu verdeutlichen: Nicht einmal war sie auf Anhieb auf eine Elfe gestoßen - und eine andere Gestalt, bei der es sich möglicherweise ebenfalls um eine Elfe handelte - noch dazu hatte sich gezeigt, dass es eine Varianz in den Worten der Macht gab: Das stabile Fundament auf dem Fel ihre Ausbildung bis dahin erbaut sah, begann bereits zu bröckeln in Anbetracht dieser neuen Informationen. In Ussaria gab es nur einen einzigen Pfad der Magier - hier gleich deren vier. Was hatte das zu bedeuten? Welche Ordnung ließ sich dahinter ausmachen?
Während die Sonne sich endlich aus der Umklammerung der Wolken befreite, erkundete Fel weiter Nebelhafen.
Re: Gegenwart: Die Neue Welt
Letztlich war Fel nicht vollkommen sicher, wie weit es mit der Gastfreundschaft der Schneiderin tatsächlich her war, aber für den Moment war es ausreichend ein richtiges, wenn auch einfaches Bett zu fühlen, die Möglichkeit zu haben die Türe hinter sich zu schliessen. Die "Siebentrutz" hatte solchen Luxus nicht einmal für ihren Kapitän geboten, umso weniger für mitreisende Gäste, die sich die knappen Schlagplätze in Schichten teilten.
Die Warnung war unverzüglich erfolgt: Nur für zwei Nächte. Aber das waren Sorgen für morgen oder übermorgen. Bis dahin konnte sich bereits alles geändert haben. Schon ein einziger Tag hatte gewaltige Unterschiede gemacht, hatte Fel erlaubt Bekanntschaften zu knüpfen, erste vorsichtige Bande zu flechten - speziell zu dem argwöhnischen Lama, das nun irgendwie zu ihrem Haustier geworden war.
Im gleichen Maße hatte Fel aber auch erkannt, wie abgeschieden vom Fortschritt Ussaria mit seinen Jahrhunderten von Eigenbrödelei und Bürgerkrieg war, wie viele Einsichten und Wunder die Welt drumherum kannte. Tränke, mit denen sich Lebewesen zusammenschrumpfen ließen? Sie konnte auf Anhieb nicht einmal ein Prinzip formulieren, um diese erstaunliche Wirkung in Spruchzauberei zu übersetzen.
Gleich fünf Pfade der Magie warteten hier, erlaubten eine bislang unbekannte Spezialisierung.
All diese Eindrücke mussten niedergeschrieben, fixiert werden, solange sie noch frisch waren.
Auf der Rückseite eines abgerissenen Aushangs formulierte Fel schliesslich im kargen Licht der einzelnen Talgkerze.
Die Warnung war unverzüglich erfolgt: Nur für zwei Nächte. Aber das waren Sorgen für morgen oder übermorgen. Bis dahin konnte sich bereits alles geändert haben. Schon ein einziger Tag hatte gewaltige Unterschiede gemacht, hatte Fel erlaubt Bekanntschaften zu knüpfen, erste vorsichtige Bande zu flechten - speziell zu dem argwöhnischen Lama, das nun irgendwie zu ihrem Haustier geworden war.
Im gleichen Maße hatte Fel aber auch erkannt, wie abgeschieden vom Fortschritt Ussaria mit seinen Jahrhunderten von Eigenbrödelei und Bürgerkrieg war, wie viele Einsichten und Wunder die Welt drumherum kannte. Tränke, mit denen sich Lebewesen zusammenschrumpfen ließen? Sie konnte auf Anhieb nicht einmal ein Prinzip formulieren, um diese erstaunliche Wirkung in Spruchzauberei zu übersetzen.
Gleich fünf Pfade der Magie warteten hier, erlaubten eine bislang unbekannte Spezialisierung.
All diese Eindrücke mussten niedergeschrieben, fixiert werden, solange sie noch frisch waren.
Auf der Rückseite eines abgerissenen Aushangs formulierte Fel schliesslich im kargen Licht der einzelnen Talgkerze.
Fels Notizen hat geschrieben: Bislang war für mich die Wirkung und Funktionsweise von Reagenzien simpel: Sie liefern eine spezifische Form von Energie, die bei ausreichender Kompatibilität genutzt werden kann, um einen Zauber zu wirken. Sie sind damit eine der absolut unerlässlichen Grundbedingungen neben den Worten der Macht, Mana und dem Intent. Wenngleich die Wirkungsweise der Reagenzien bisweilen Raum zur Diskussion lässt, war bislang eines zumindest für mich vollkommen klar: Sie liefern eine objektive, theoretisch sogar meßbare Menge an Energie, verlässlich, weitgehend reproduzierbar und gänzlich unabhängig von den Eigenheiten des Zauberwirkers.
Die Ausführungen von Soryia Schwarz haben mich nun auf die Spur von vier, mir bislang unbekannten Reagenzien gesetzt: Obsidian, Molchaugen, Knochen und Fruchtbare Erde. Diese vier Reagenzien stehen in engem Zusammenhang zu den mir bislang ebenfalls unbekannt gewesenen fünf Pfaden - vieren eben dieser Pfade wird genau eine dieser neuen Reagenzien zugeordnet.
Ich war noch nicht genau in der Lage zu evaluieren, ob die reine Möglichkeit Energie aus den Rwagenzien zu ziehen, bereits pfadgebunden ist. Falls ja ermöglicht das einige weitere Spekulationen über die dahinterstehenden Prinzipien und damit vielleicht auch eine Erklärung, warum die bekannten acht Reagenzien überhaupt funktionieren.
Seien wir ehrlich: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir unter den Tausenden und Abertausenden an Stoffen und Teilen dieser Welt ausgerechnet die einzigen acht gefunden hätten, die für Magie geeignet sind, ist so gering, dass es keiner Diskussion wert ist. Ich habe mich daher stets gefragt, ob es nicht noch Unmengen an anderen potentiellen Reagenzien gibt, die sich uns schlicht noch nicht erschlossen haben und - falls ja - was uns daran hindert sie zu nutzen.
Die Thematik mit den Pfaden lässt mich nun nachdenken, ob noch mehr dahintersteht: Kann es sein, dass etwas an uns Zauberwirkern schlicht mit der richtigen Reagenzie resoniert? Falls ja müsste das aber bedeuten, dass fremdartige Völker oder Rassen dann auch Zugriff auf andere, für uns nutzlose Reagenzien haben könnten.
Re: Gegenwart: Die Neue Welt
Die kleine Kammer unter dem Dach des Gasthauses war ursprünglich Teil eines weit grösseren Raums gewesen. Findiges Geschäftsinteresse hatte den zuvor brachliegenden Dachboden allerdings rasch als mögliche Goldgrube erkannt: Direkt nach der ersten Welle von Ankömmlingen hier auf dem neuen Kontinent, waren dünne Zwischenwände eingefügt worden, teilten den verfügbaren Platz in präzise, knappe Rechtecke.
'Ein wenig wie die Koben eines Schweinestalls.'
Ganz zu Beginn - so hatte Fel sich zumindest erzählen lassen - gab es nur Vorhänge aus muffig riechendem Segeltuch jeweils vor den Ausgängen. Dieser Tage versprachen abschließbare Türen zumindest ein wenig private Abgeschiedenheit in den fensterlosen kleinen Kammern, gerade eben gross genug für ein schmales Bett und ein Nachtschränkchen an dessen Kopfende. Bislang war die Enge nur an den heissen Tagen des Sommers ein Problem gewesen: Wenn das Dach sich aufheizte, gab es für die Luft selbst bei geöffneter Türe so gut wie keine Möglichkeit mehr zu entkommen. Aber gutes Wetter versprach eben auch die Möglichkeit von hier zu fortzugehen, auswärts zu schlafen wie viele der Glücklosen, die keine feste Bleibe gefunden hatten und sich mit einem Zelt oder auch nur einer Plane glücklich schätzten.
So wie die Tage aber kürzer und kürzer wurden, stieg der Bedarf an einem festen Dach über dem Kopf und das wiederum trieb die wochenweise zu zahlende Miete für die Unterkunft in stetig neue Höhen.
Für Fel verhieß das nichts Gutes: Das Auskommen für Hilfsarbeiten beim Hafen, bei der Korrektur von Büchern und dem Verfassen von Briefen war unregelmässig und gering, gerade eben genug um bislang mit den Preisen für das Leben als solches mitzuhalten. Selbst das Sammeln von Kräutern erwies sich jeden Tag als ein wenig schwieriger, unproduktiver: Die nähere Umgebung Nebelhafens war schon lange abgegrast, dass es nun langwierigere Wege brauchte und damit auch die stetige Gefahr gefährlichen Wildtieren über den Weg zu laufen. Mit der Ahnung des Winters am Horizont schien klar, dass auch diese kargen Einkünfte nicht sehr viel länger halten würden.
'Zumindest hätte ich dann wieder mehr Zeit um etwas zu lernen.'
Der Galgenhumor an diesem Gedanken schmeckte ein wenig zu bitter wegen der Wahrheit darin: Die Studien hatten gelitten und die verfügbaren Mittel erlaubten ihr schon länger nicht mehr über Theorien und Worte zu schreiben - weder Papier noch Feder oder Tinte gab es für umsonst und das hieß die begonnene Zusammenfassung einst erworbenen Wissens war zu diesem Zeitpunkt kaum mehr als eine Absichtserklärung. Nicht genug um irgendjemanden von Potential zu überzeugen.
Selbst jetzt gehörten die kostbaren Abendstunden der Arbeit, beugten sich der Notwendigkeit Wäsche zu erledigen, gesammelte Kräuter und Pilzen an aufgespannten Leinen quer durch die kleine Kammer aufzuhängen und die Beute früherer Tage sorgsam zu trocknen und auf mögliche Schäden zu untersuchen. Eine ganze Anzahl Alraunen warteten unter dem Bett nur auf den nächsten Mondwechsel für die weitere Verarbeitung und der schon länger wartende Ginseng war kurz davor in klebrige Paste verarbeitet zu werden.
'Alles hängt davon ab, dass ich wenigstens diese Kammer hier halten kann. Wo sollte ich das sonst aufgewahren?'
Dabei - das hatte sich unverhofft gefügt - war dieser letzte Abend ein erstaunlicher Erfolg in verschiedener Hinsicht gewesen: Zum Einen hatte Fel es fertiggebracht den ersten Teil ihrer Wäsche fertigzustellen ohne den mitgenommenen Stoff weiter zu beschädigen, zum anderen hatte sich ein wenn auch wackeliges Arbeitsangebot ergeben - fast schon genug, um die Warnungen des Magiers in den Hintergrund treten zu lassen. Dessen Anspielungen ließen erahnen, dass es sich bei dem rotbeschopften Barden um einen eher zwielichtigen Gesellen handeln musste: Vielleicht ein Trickbetrüger oder tatsächlich ein an Land gespülter Pirat. Das Gespräch war auf jeden Fall kurzweilig gewesen, eine willkommene Abwechslung zu viel eintönigeren Pflichten und Notwendigkeiten.
Und am Ende: Der Ork.
Die geforderte Botschaft zu übermitteln war eine Kleinigkeit gewesen und die dafür gezahlte Belohnung versetzte Fel einen regelrechten Stich: Das so beiläufig ausgeschüttete Handgeld war genug um die Miete der kleinen Kammer für die kommenden zwei Wochen zu zahlen und der Ork schenkte es mit einem barbarischen Grinsen fort, als wäre es bedeutungslos.
Das war ein Gedanke, der bei Fel blieb, während sie noch Stunden später nach oben auf die kreuz und quer verlaufenden Schnüre durch ihr winziges Zimmerchen starrte, darauf wartend, dass die Nachbarn endlich ihren täglichen Streit beendeten und dem Geschrei nicht weniger laute, aber zumindest absehbare Tätigkeit folgen ließen.
'Lächle und sei froh, denn es könnte schlimmer kommen.'
Mit diesem Gedanken und dem Bild eines lächelnden Dunkelelfen vor Augen tauchte Fel schließlich in das nächtliche Vergessen ein.
'Ein wenig wie die Koben eines Schweinestalls.'
Ganz zu Beginn - so hatte Fel sich zumindest erzählen lassen - gab es nur Vorhänge aus muffig riechendem Segeltuch jeweils vor den Ausgängen. Dieser Tage versprachen abschließbare Türen zumindest ein wenig private Abgeschiedenheit in den fensterlosen kleinen Kammern, gerade eben gross genug für ein schmales Bett und ein Nachtschränkchen an dessen Kopfende. Bislang war die Enge nur an den heissen Tagen des Sommers ein Problem gewesen: Wenn das Dach sich aufheizte, gab es für die Luft selbst bei geöffneter Türe so gut wie keine Möglichkeit mehr zu entkommen. Aber gutes Wetter versprach eben auch die Möglichkeit von hier zu fortzugehen, auswärts zu schlafen wie viele der Glücklosen, die keine feste Bleibe gefunden hatten und sich mit einem Zelt oder auch nur einer Plane glücklich schätzten.
So wie die Tage aber kürzer und kürzer wurden, stieg der Bedarf an einem festen Dach über dem Kopf und das wiederum trieb die wochenweise zu zahlende Miete für die Unterkunft in stetig neue Höhen.
Für Fel verhieß das nichts Gutes: Das Auskommen für Hilfsarbeiten beim Hafen, bei der Korrektur von Büchern und dem Verfassen von Briefen war unregelmässig und gering, gerade eben genug um bislang mit den Preisen für das Leben als solches mitzuhalten. Selbst das Sammeln von Kräutern erwies sich jeden Tag als ein wenig schwieriger, unproduktiver: Die nähere Umgebung Nebelhafens war schon lange abgegrast, dass es nun langwierigere Wege brauchte und damit auch die stetige Gefahr gefährlichen Wildtieren über den Weg zu laufen. Mit der Ahnung des Winters am Horizont schien klar, dass auch diese kargen Einkünfte nicht sehr viel länger halten würden.
'Zumindest hätte ich dann wieder mehr Zeit um etwas zu lernen.'
Der Galgenhumor an diesem Gedanken schmeckte ein wenig zu bitter wegen der Wahrheit darin: Die Studien hatten gelitten und die verfügbaren Mittel erlaubten ihr schon länger nicht mehr über Theorien und Worte zu schreiben - weder Papier noch Feder oder Tinte gab es für umsonst und das hieß die begonnene Zusammenfassung einst erworbenen Wissens war zu diesem Zeitpunkt kaum mehr als eine Absichtserklärung. Nicht genug um irgendjemanden von Potential zu überzeugen.
Selbst jetzt gehörten die kostbaren Abendstunden der Arbeit, beugten sich der Notwendigkeit Wäsche zu erledigen, gesammelte Kräuter und Pilzen an aufgespannten Leinen quer durch die kleine Kammer aufzuhängen und die Beute früherer Tage sorgsam zu trocknen und auf mögliche Schäden zu untersuchen. Eine ganze Anzahl Alraunen warteten unter dem Bett nur auf den nächsten Mondwechsel für die weitere Verarbeitung und der schon länger wartende Ginseng war kurz davor in klebrige Paste verarbeitet zu werden.
'Alles hängt davon ab, dass ich wenigstens diese Kammer hier halten kann. Wo sollte ich das sonst aufgewahren?'
Dabei - das hatte sich unverhofft gefügt - war dieser letzte Abend ein erstaunlicher Erfolg in verschiedener Hinsicht gewesen: Zum Einen hatte Fel es fertiggebracht den ersten Teil ihrer Wäsche fertigzustellen ohne den mitgenommenen Stoff weiter zu beschädigen, zum anderen hatte sich ein wenn auch wackeliges Arbeitsangebot ergeben - fast schon genug, um die Warnungen des Magiers in den Hintergrund treten zu lassen. Dessen Anspielungen ließen erahnen, dass es sich bei dem rotbeschopften Barden um einen eher zwielichtigen Gesellen handeln musste: Vielleicht ein Trickbetrüger oder tatsächlich ein an Land gespülter Pirat. Das Gespräch war auf jeden Fall kurzweilig gewesen, eine willkommene Abwechslung zu viel eintönigeren Pflichten und Notwendigkeiten.
Und am Ende: Der Ork.
Die geforderte Botschaft zu übermitteln war eine Kleinigkeit gewesen und die dafür gezahlte Belohnung versetzte Fel einen regelrechten Stich: Das so beiläufig ausgeschüttete Handgeld war genug um die Miete der kleinen Kammer für die kommenden zwei Wochen zu zahlen und der Ork schenkte es mit einem barbarischen Grinsen fort, als wäre es bedeutungslos.
Das war ein Gedanke, der bei Fel blieb, während sie noch Stunden später nach oben auf die kreuz und quer verlaufenden Schnüre durch ihr winziges Zimmerchen starrte, darauf wartend, dass die Nachbarn endlich ihren täglichen Streit beendeten und dem Geschrei nicht weniger laute, aber zumindest absehbare Tätigkeit folgen ließen.
'Lächle und sei froh, denn es könnte schlimmer kommen.'
Mit diesem Gedanken und dem Bild eines lächelnden Dunkelelfen vor Augen tauchte Fel schließlich in das nächtliche Vergessen ein.
Der Geist und die Dunkelheit
Mitten in der Nacht war der Regen gekommen: Unverhofft und unangekündigt, ein Wolkenbruch wie der Wutausbruch eines Kindes, dessen Zorn sich binnen weniger Minuten wieder erschöpfte. Das Trommeln des Wassers auf dem Dach hätte Fel unter anderen Umständen aus dem Schlummer gerissen, aber heute war der tosende Lärm des auf hohl liegende Schindeln fallenden Wassers eine willkommene Abwechslung in schlafloser Unruhe.
Dem vorausgegangen waren Stunden des Starrens auf die kreuz und quer gespannten Fäden, das Blättern in der wilden Sammlung mitgenommener Papiere. Selbst an der Ergänzung der eigenen Notizen mit den Hinweisen und Korrekturen der zufällig besuchten Unterweisung zu den Worten der Macht hatte Fel sich bereits versucht, aber ein um das andere Mal ertappte sie sich dabei, wie die Hand verharrte und die Gedanken zu dem Zusammentreffen des letzten Abends zurückkehrten.
Dabei hatte der Abend allzu gewöhnlich begonnen: Eine Konfrontation mit dem trübäugigen Nachbarn aus der Nebenkammer, dessen Schnarchen sich später selbst gegen das Tosen des Regens behaupten sollte. Die Zahlung der Miete für die nächste Woche - der Anblick der mühsam verdienten Münzen, die in der Tasche der spröde lächelnden Vermieterin verschwanden, brach Fel schier das Herz. Und natürlich all die kleinen Aufgaben, die zu ergattern sie in der Lage gewesen war: Heu wenden auf einem der Felder, die Fütterung übernehmen für ein ganzes Rudel kläffender Hunde, Wäsche sortieren für besser betuchte Haushalte. Nichts davon war an sich herausfordernd - Zeit war letztlich die einzig notwendige Ressource, die es einzusetzen gab. Besser bezahlte Aufgaben hatte es einige, aber sowohl die Arbeit in einem der Holzfällertrupps als auch die Unterstützung im Bergwerk erforderten mehr Kraft und Durchhaltevermögen als Fel ihr eigen nannte.
Und dann die Dunkelelfen, das Gespräch in tiefen Schatten vor bröckelnden feuchten Ziegelmauern: süße Versprechen, zusammengewoben mit scharfen Drohungen. Zuckerbrot und Peitsche, die gebende und die bestrafende Hand, beide jeweils ausgestreckt in der vermeintlichen Verheissung einer Wahlmöglichkeit.
Die Gefahr, obgleich sie das Herz Fels zur Eile trieb, hatte etwas eigenartig Vertrautes, rührte an fast verblassten, ungeliebten Erinnerungen früher Tage. Damals schien jeder Tag von Giganten beherrscht, die aus einer Laune heraus Leben oder Tod brachten. Meist war es besser sich zu ducken, in den Schatten zu verweilen, unaufällig bis die prüfende Aufmerksamkeit vorübergezogen war.
'Aber nicht hier. Nicht mit Kreaturen, die in die Schatten verbannt wurden und darin lebten, bis sie selbst ein Teil davon wurden.'
Und doch, nun, da die Gedanken ruhelos über die Ereignisse, die gewechselten Worte und die Eindrücke des Abends kreisten, vermochten sie nicht anders als sich auf Details zu fokussieren, Muster und Möglichkeiten gleichermaßen an die Oberfläche zu zerren. Die Umstände waren .. ähnlich.
'Ich bin nicht mehr, wer ich damals war. Nicht ganz.'
In der vermeintlich glatten Front hatte es Spannungen gegeben. Noch keine Sprünge, noch keine Risse, aber vielleicht, wenn an der richtigen Stelle ein wenig gebohrt, ein wenig erprobt wurde ..
Der Schlaf mochte auch nach dem Ende des Regens nicht kommen, aber Fel träumte nichtsdestotrotz.
Dem vorausgegangen waren Stunden des Starrens auf die kreuz und quer gespannten Fäden, das Blättern in der wilden Sammlung mitgenommener Papiere. Selbst an der Ergänzung der eigenen Notizen mit den Hinweisen und Korrekturen der zufällig besuchten Unterweisung zu den Worten der Macht hatte Fel sich bereits versucht, aber ein um das andere Mal ertappte sie sich dabei, wie die Hand verharrte und die Gedanken zu dem Zusammentreffen des letzten Abends zurückkehrten.
Dabei hatte der Abend allzu gewöhnlich begonnen: Eine Konfrontation mit dem trübäugigen Nachbarn aus der Nebenkammer, dessen Schnarchen sich später selbst gegen das Tosen des Regens behaupten sollte. Die Zahlung der Miete für die nächste Woche - der Anblick der mühsam verdienten Münzen, die in der Tasche der spröde lächelnden Vermieterin verschwanden, brach Fel schier das Herz. Und natürlich all die kleinen Aufgaben, die zu ergattern sie in der Lage gewesen war: Heu wenden auf einem der Felder, die Fütterung übernehmen für ein ganzes Rudel kläffender Hunde, Wäsche sortieren für besser betuchte Haushalte. Nichts davon war an sich herausfordernd - Zeit war letztlich die einzig notwendige Ressource, die es einzusetzen gab. Besser bezahlte Aufgaben hatte es einige, aber sowohl die Arbeit in einem der Holzfällertrupps als auch die Unterstützung im Bergwerk erforderten mehr Kraft und Durchhaltevermögen als Fel ihr eigen nannte.
Und dann die Dunkelelfen, das Gespräch in tiefen Schatten vor bröckelnden feuchten Ziegelmauern: süße Versprechen, zusammengewoben mit scharfen Drohungen. Zuckerbrot und Peitsche, die gebende und die bestrafende Hand, beide jeweils ausgestreckt in der vermeintlichen Verheissung einer Wahlmöglichkeit.
Die Gefahr, obgleich sie das Herz Fels zur Eile trieb, hatte etwas eigenartig Vertrautes, rührte an fast verblassten, ungeliebten Erinnerungen früher Tage. Damals schien jeder Tag von Giganten beherrscht, die aus einer Laune heraus Leben oder Tod brachten. Meist war es besser sich zu ducken, in den Schatten zu verweilen, unaufällig bis die prüfende Aufmerksamkeit vorübergezogen war.
'Aber nicht hier. Nicht mit Kreaturen, die in die Schatten verbannt wurden und darin lebten, bis sie selbst ein Teil davon wurden.'
Und doch, nun, da die Gedanken ruhelos über die Ereignisse, die gewechselten Worte und die Eindrücke des Abends kreisten, vermochten sie nicht anders als sich auf Details zu fokussieren, Muster und Möglichkeiten gleichermaßen an die Oberfläche zu zerren. Die Umstände waren .. ähnlich.
'Ich bin nicht mehr, wer ich damals war. Nicht ganz.'
In der vermeintlich glatten Front hatte es Spannungen gegeben. Noch keine Sprünge, noch keine Risse, aber vielleicht, wenn an der richtigen Stelle ein wenig gebohrt, ein wenig erprobt wurde ..
Der Schlaf mochte auch nach dem Ende des Regens nicht kommen, aber Fel träumte nichtsdestotrotz.
Re: Gegenwart: Die Neue Welt
Jeden Tag wurden die Nächte ein wenig länger: Was im Sommer nach ein gemütlicher Spaziergang bequem nach Sonnenaufgang gewesen war, hatte sich spätestes mit der Ankunft des Herbstes gewandelt: Dieser Tage schlich Fel in einen dicken Mantel gewickelt noch vor dem ersten Licht aus dem Tor Nebelhafens, fröstelnd in der klammen Kälte und darauf hoffend, dass die Stiefel einen weiteren Übergriff von Tau überstehen würden.
Es war immerhin die richtige Jahreszeit für die Suche nach gewissen Moosen und Pilzen, die sich im abgeworfenen Laub der Bäume versteckten - aber dieses offene Geheimnis trieb auch genug Konkurrenz an, dass die zurückzulegenden Wege jeden Tag ein Stück weiter wurden. Nur abseits der ausgetretenen Pfade und der bequemen Wildwechsel ließ sich noch ergiebige Beute machen aber das wiederum zog die Stiefel zusätzlich in Mitleidenschaft.
Andere, dessen war Fel sich nur zu bewusst, drehten sich zu dieser Stunde noch einmal im Bett um. Das war eine Lektion, die sie bereits früh gelernt hatte: Manche besaßen eine Begabung aus der sie - im übertragenen Sinne - Geld machen konnten: Geschickte Hände, blitzschnelle Auffassungsgabe, eine robuste Natur oder natürliche Streitlust. Andere hatten eifrige Lehrmeister, bemühte Tutoren und geduldige Patrone. Einige vereinten gleich Beides miteinander und vermochten auf diese Weise über sich und ihre Anlagen hinauszuwachsen, reiften zu inspirierenden Koryphäen, zu bedeutenden Anführern oder zumindest bewunderten Handwerkern heran.
In diesen Gedanken lag eine Erkenntnis, die auch jetzt, Jahre nach dem ersten Bewusstwerden noch immer stach: All das war ausserhalb von Fels Reichweite.
Dabei, so sinnierte sie, während sie sich unter dichten Brombeergestrüpp duckte und taufeuchtes Moos behutsam von einem toten Baumstamm entfernte der beinahe vollkommen überwuchert worden war, war das weniger eine Frage der Bereitschaft, als schlicht eine Frage des fehlenden Talents: Kein Geschick für Handwerk, eine gewisse Zielstrebigkeit aber ohne die brilliante Auffassungsgabe, die Andere auszeichnete, generell eine gewisse .. Langsamkeit, vermutlich irgendwo auf den Anteil des elfischen Erbes zurückgehend: Für das alte Volk spielten ein paar Jahre oder sogar Jahrzehnte vermutlich keine Rolle.
'Es ist als hätte ich das Schlechteste von beiden Seiten bekommen. Kein Fisch und kein Fleisch, irgendetwas in der Mitte.'
Unter dem dichten Moos verbarg sich dichtes, weissliches Pilzgeflecht, dem Fel nun sorgsam zuleibe rückte: Die Berührung von Metall, so hatte man es ihr eingeschärft, würde die besonderen Eigenschaften ebenso ruinieren wie der Einfluss direkten Sonnenlichts. Genauso verboten war jedoch auch der direkte Kontakt mit der Haut, in diesem Falle jedoch nicht wegen eines etwaigen Schadens für den Pilz: Der "austreibende Bortenträger" war berüchtigt dafür auch lebendes Gewebe zu befallen und die farbigen Schilderungen hatten Fel beinahe genug abgeschreckt. Beinahe. Aber die Miete zahlte sich eben nicht allein.
Der Fund blieb an diesem Morgen der Einzige dieser Art, aber der freie Streifzug hätte sich dennoch ausgezahlt, wenn Fel dann nicht ein Loch in der Sohle ihrer Stiefel entdeckt hätte. Das ruinierte die Bilanz des Tages bereits nachhaltig und gemahnte sie einmal mehr daran, dass es im Wettrennen gegen den kommenden Winter nur einen Sieger geben konnte.
'Also alles auf eine Karte.'
Knappe drei Stunden später wurde in der Bank von Solgard ein Schreiben hinterlegt, die letzten Münzen investiert in frische Tinte und ein neues Stück Pergament.
Es war immerhin die richtige Jahreszeit für die Suche nach gewissen Moosen und Pilzen, die sich im abgeworfenen Laub der Bäume versteckten - aber dieses offene Geheimnis trieb auch genug Konkurrenz an, dass die zurückzulegenden Wege jeden Tag ein Stück weiter wurden. Nur abseits der ausgetretenen Pfade und der bequemen Wildwechsel ließ sich noch ergiebige Beute machen aber das wiederum zog die Stiefel zusätzlich in Mitleidenschaft.
Andere, dessen war Fel sich nur zu bewusst, drehten sich zu dieser Stunde noch einmal im Bett um. Das war eine Lektion, die sie bereits früh gelernt hatte: Manche besaßen eine Begabung aus der sie - im übertragenen Sinne - Geld machen konnten: Geschickte Hände, blitzschnelle Auffassungsgabe, eine robuste Natur oder natürliche Streitlust. Andere hatten eifrige Lehrmeister, bemühte Tutoren und geduldige Patrone. Einige vereinten gleich Beides miteinander und vermochten auf diese Weise über sich und ihre Anlagen hinauszuwachsen, reiften zu inspirierenden Koryphäen, zu bedeutenden Anführern oder zumindest bewunderten Handwerkern heran.
In diesen Gedanken lag eine Erkenntnis, die auch jetzt, Jahre nach dem ersten Bewusstwerden noch immer stach: All das war ausserhalb von Fels Reichweite.
Dabei, so sinnierte sie, während sie sich unter dichten Brombeergestrüpp duckte und taufeuchtes Moos behutsam von einem toten Baumstamm entfernte der beinahe vollkommen überwuchert worden war, war das weniger eine Frage der Bereitschaft, als schlicht eine Frage des fehlenden Talents: Kein Geschick für Handwerk, eine gewisse Zielstrebigkeit aber ohne die brilliante Auffassungsgabe, die Andere auszeichnete, generell eine gewisse .. Langsamkeit, vermutlich irgendwo auf den Anteil des elfischen Erbes zurückgehend: Für das alte Volk spielten ein paar Jahre oder sogar Jahrzehnte vermutlich keine Rolle.
'Es ist als hätte ich das Schlechteste von beiden Seiten bekommen. Kein Fisch und kein Fleisch, irgendetwas in der Mitte.'
Unter dem dichten Moos verbarg sich dichtes, weissliches Pilzgeflecht, dem Fel nun sorgsam zuleibe rückte: Die Berührung von Metall, so hatte man es ihr eingeschärft, würde die besonderen Eigenschaften ebenso ruinieren wie der Einfluss direkten Sonnenlichts. Genauso verboten war jedoch auch der direkte Kontakt mit der Haut, in diesem Falle jedoch nicht wegen eines etwaigen Schadens für den Pilz: Der "austreibende Bortenträger" war berüchtigt dafür auch lebendes Gewebe zu befallen und die farbigen Schilderungen hatten Fel beinahe genug abgeschreckt. Beinahe. Aber die Miete zahlte sich eben nicht allein.
Der Fund blieb an diesem Morgen der Einzige dieser Art, aber der freie Streifzug hätte sich dennoch ausgezahlt, wenn Fel dann nicht ein Loch in der Sohle ihrer Stiefel entdeckt hätte. Das ruinierte die Bilanz des Tages bereits nachhaltig und gemahnte sie einmal mehr daran, dass es im Wettrennen gegen den kommenden Winter nur einen Sieger geben konnte.
'Also alles auf eine Karte.'
Knappe drei Stunden später wurde in der Bank von Solgard ein Schreiben hinterlegt, die letzten Münzen investiert in frische Tinte und ein neues Stück Pergament.
An Livius Quintus,
Oberster Hüter der Bewahrer
Ich habe Euren Antwort auf meine Aushänge mit Aufmerksamkeit studiert. Vielen Dank dafür: Die Ausführungen haben mir bereits erlaubt einiges an meinen Schlüssen bezüglich der Pfade und ihrer Eigenschaften zu korrigieren und zu ergänzen.
Ihr habt das Interesse ausgedrückt solche Gespräche auch auf andere Themen auszuweiten. Ich würde Euch hier gern beim Wort nehmen und erbitte hiermit Eure Zeit für eine persänliche Unterredung - zunächst einfach um Erwartungen und Möglichkeiten kurz zu diskutieren. Ich bin mir bewusst, dass Eure Zeit wertvoll ist, würde mich bezüglich eines Termins - und Treffpunktes daher ganz nach Euch richten.
Mit den besten Grüssen
Fel Maris
Im Herzen des Sturms
Den ganzen Tag über hatte der Sturm bereits am Horizont gegrollt: Ein dumpfes, beleidigt wirkendes Rumpeln wie von unterdrückter Wut, gefangen in einem Band dunkler Wolken.
Dem Betrieb am Hafen tat das keinen Abbruch, nur dann und wann äugten Seeleute herüber, um abzuschätzen, wie viel Zeit noch blieb, um Ladung zu löschen oder einzubringen. Der Sturm, so hatten sie gelernt, war letztlich eine Kraft wie die Gezeiten oder die Strömungen - vielleicht etwas unberechenbarer, aber letztlich in gleicher Weise unvermeidbar. Das hinderte sie nicht daran Gesichter in den sich zusammenballenden Wolken zu suchen, einen Willen hinter den Winden, dem trommelnden Regen und den zuckenden Blitzen.
Seeleute, so dass Fel stets gefunden, waren ein abergläubisches Volk, immer bereit Geschichten zu spinnen über zürnende Geister des Meeres, über verfluchte Schiffe und rastlose Suchen nach Schatzkisten.
Früher, in einer Zeit, die ihr nun wie ein anderes Leben erschien, war das mehr von Bedeutung gewesen als dieser Tage, da sie sich hütete, einen Fuß auf irgendein Schiff zu setzen. Nicht wegen Aberglaube natürlich - nur aus einem gesunden Gefühl von Respekt heraus.
'Und doch bin ich hier.'
Wie gewöhnlich war der Tag von Pflichten gefüllt gewesen: Die Prüfung von Ladungslisten in einem schäbigen kleinen Kontor ganz am Rande des Hafens, das den Eindruck erweckte aus Treibholz und Trümmern zusammengesetzt worden zu sein und nun nur dank störrischer Hoffnungen des Eigners von einem Tag auf den Anderen überlebte. Die Aufsicht über einen vertätschelten winzigen und überaus schlechterzogenen Hund, der in selbstmörderischer Kühnheit alles ankläffte, was sich ihm näherte und mit bemerkenswerter Aggression nach Stöckchen, Fingern und Steinen schnappte. Der Transport ganzer Körbe mit Wäsche, die nur darauf wartete, anschließend gefaltet und gelegt zu werden.
Dazwischen hatte es wenig Zeit gegeben, über die Wendungen und Ereignisse der letzten Tage nachzusinnen, über den Impuls von Veränderung, der sich heute - so war zumindest der Plan - in einem vorläufigen Höhepunkt entladen würde. Dabei waren diese Entwicklungen von überwältigender, den ganzen Alltag bestimmender Bedeutung: Das kleine Zimmerchen, welches sie sich nun mit Veronica teilte, war nicht sehr viel günstiger als die winzige Dachkammer, aber es erlaubte eine gewisse Luft zum atmen, war geräumig genug für einen richtigen Tisch und ein paar Stühle. Bis jetzt hatte sich die kleine Wohngemeinschaft als unkompliziert erwiesen, auch wenn die raue Nachbarschaft künftige Probleme erahnen ließ.
Das Gespräch mit Livius Quintus war schließlich der letzte Anstoß gewesen, hatte den entscheidenden Impuls für den Entschluss geliefert, der dazu führte, dass Fel nun, während die Sturmfront nahte, auf einem winzigen Ruderboot im Hafenbecken Nebelhafens ausharrte.
Eigentlich, dessen war sie sich nur zu bewusst, hätte dies eine Konfrontation auf hoher See sein müssen, heroisch auf Deck eines größeren Schiffes, das sich wagemutig - und trotzig - in den Einflussbereich des Sturms wagte. Das kleine Ruderboot im Hafenbecken war die realistische und halbwegs kostengünstige Variation.
Irgendwann sollte ich lernen zu schwimmen.'
Die ersten Ausläufer der Sturmfront wühlten das Wasser auf, sprühten Gischt und trugen Regen mit sich, der Fel binnen weniger Momente bis auf die Knochen durchnässte. Es war kalt, kälter als sie erwartet hatte, aber nun war es zu spät für einen Rückzieher.
Letztlich war es nicht der Sturm gewesen, der die “Siebentrutz” ihre Existenz gekostet hatte, sondern etwas darin, eine Kraft, die die Magie Jerwalsons verbog und deformierte, sie ausschlagen ließ, bis ihre Berührung Metall zu Wasser und Holz zu Nebel wandelte. Auch jetzt, Monate später, war Fel unbegreiflich, welche Prinzipien dahinter standen, welche Mechanik eine solche Verschiebung verantworten konnte.
Aber diese Fragen konnten warten: Damals hatte sie überlebt, willkürlich und zufällig, eine Laune des Schicksals, die in erbarmungsloser Gelassenheit eines von einhundert Leben verschont hatte.
Heute war sie zurückgekommen, um einen Pakt zu schließen und schrie die Herausforderung, das Angebot gegen das Heulen des Sturms und das Donnern der Blitzschläge.
"Ich wähle diesen Pfad! Den Weg zwischen den Wegen! Zu verstehen und aufzudecken, zu erforschen und zu begreifen. Nie zufrieden zu sein und nie innezuhalten. Nicht allein für mich, sondern für jene, die nach mir kommen."
Zu kalt.
Andere Worte, sorgsam vorbereitet und auswendig gelernt, erstarben auf zitternden Lippen und schnatternden Zähnen - im Herzen des Sturms, sich an die Wände des schwankenden Ruderbootes klammernd und überschüttet von eisigem Regen verstand Fel, dass sie ihren vorbereiteten Vertrag nicht loswerden würde: Der Sturm war zu überwältigend.
Aus der Furcht dämmerte Einsicht und ein Moment von Inspiration. Vier weitere kurze Sätze wurden gegen das Grollen geschrieben.
"Weisheit über Willkür!
Fortschritt über Tradition!
Wahrheit über Täuschung!
Gemeinsinn über Eigennutz!"
Etwas funkelte in der Dunkelheit des Sturms, blaues Elmsfeuer das knisternd erwachte, auf den hochgezogenen Bordwänden des kleinen Ruderbootes tanzend. Und für einen Moment, während sie auf die unruhigen, sich dem Sturm widersetzenden Funken starrte, sich weiter mit aller Kraft am Holz festklammern, glaubte sie von irgendwo aus dem Sturm die Stimme ihres früheren Mentors zu vernehmen.
"Diese Worte .. werden angenommen."
Dem Betrieb am Hafen tat das keinen Abbruch, nur dann und wann äugten Seeleute herüber, um abzuschätzen, wie viel Zeit noch blieb, um Ladung zu löschen oder einzubringen. Der Sturm, so hatten sie gelernt, war letztlich eine Kraft wie die Gezeiten oder die Strömungen - vielleicht etwas unberechenbarer, aber letztlich in gleicher Weise unvermeidbar. Das hinderte sie nicht daran Gesichter in den sich zusammenballenden Wolken zu suchen, einen Willen hinter den Winden, dem trommelnden Regen und den zuckenden Blitzen.
Seeleute, so dass Fel stets gefunden, waren ein abergläubisches Volk, immer bereit Geschichten zu spinnen über zürnende Geister des Meeres, über verfluchte Schiffe und rastlose Suchen nach Schatzkisten.
Früher, in einer Zeit, die ihr nun wie ein anderes Leben erschien, war das mehr von Bedeutung gewesen als dieser Tage, da sie sich hütete, einen Fuß auf irgendein Schiff zu setzen. Nicht wegen Aberglaube natürlich - nur aus einem gesunden Gefühl von Respekt heraus.
'Und doch bin ich hier.'
Wie gewöhnlich war der Tag von Pflichten gefüllt gewesen: Die Prüfung von Ladungslisten in einem schäbigen kleinen Kontor ganz am Rande des Hafens, das den Eindruck erweckte aus Treibholz und Trümmern zusammengesetzt worden zu sein und nun nur dank störrischer Hoffnungen des Eigners von einem Tag auf den Anderen überlebte. Die Aufsicht über einen vertätschelten winzigen und überaus schlechterzogenen Hund, der in selbstmörderischer Kühnheit alles ankläffte, was sich ihm näherte und mit bemerkenswerter Aggression nach Stöckchen, Fingern und Steinen schnappte. Der Transport ganzer Körbe mit Wäsche, die nur darauf wartete, anschließend gefaltet und gelegt zu werden.
Dazwischen hatte es wenig Zeit gegeben, über die Wendungen und Ereignisse der letzten Tage nachzusinnen, über den Impuls von Veränderung, der sich heute - so war zumindest der Plan - in einem vorläufigen Höhepunkt entladen würde. Dabei waren diese Entwicklungen von überwältigender, den ganzen Alltag bestimmender Bedeutung: Das kleine Zimmerchen, welches sie sich nun mit Veronica teilte, war nicht sehr viel günstiger als die winzige Dachkammer, aber es erlaubte eine gewisse Luft zum atmen, war geräumig genug für einen richtigen Tisch und ein paar Stühle. Bis jetzt hatte sich die kleine Wohngemeinschaft als unkompliziert erwiesen, auch wenn die raue Nachbarschaft künftige Probleme erahnen ließ.
Das Gespräch mit Livius Quintus war schließlich der letzte Anstoß gewesen, hatte den entscheidenden Impuls für den Entschluss geliefert, der dazu führte, dass Fel nun, während die Sturmfront nahte, auf einem winzigen Ruderboot im Hafenbecken Nebelhafens ausharrte.
Eigentlich, dessen war sie sich nur zu bewusst, hätte dies eine Konfrontation auf hoher See sein müssen, heroisch auf Deck eines größeren Schiffes, das sich wagemutig - und trotzig - in den Einflussbereich des Sturms wagte. Das kleine Ruderboot im Hafenbecken war die realistische und halbwegs kostengünstige Variation.
Irgendwann sollte ich lernen zu schwimmen.'
Die ersten Ausläufer der Sturmfront wühlten das Wasser auf, sprühten Gischt und trugen Regen mit sich, der Fel binnen weniger Momente bis auf die Knochen durchnässte. Es war kalt, kälter als sie erwartet hatte, aber nun war es zu spät für einen Rückzieher.
Letztlich war es nicht der Sturm gewesen, der die “Siebentrutz” ihre Existenz gekostet hatte, sondern etwas darin, eine Kraft, die die Magie Jerwalsons verbog und deformierte, sie ausschlagen ließ, bis ihre Berührung Metall zu Wasser und Holz zu Nebel wandelte. Auch jetzt, Monate später, war Fel unbegreiflich, welche Prinzipien dahinter standen, welche Mechanik eine solche Verschiebung verantworten konnte.
Aber diese Fragen konnten warten: Damals hatte sie überlebt, willkürlich und zufällig, eine Laune des Schicksals, die in erbarmungsloser Gelassenheit eines von einhundert Leben verschont hatte.
Heute war sie zurückgekommen, um einen Pakt zu schließen und schrie die Herausforderung, das Angebot gegen das Heulen des Sturms und das Donnern der Blitzschläge.
"Ich wähle diesen Pfad! Den Weg zwischen den Wegen! Zu verstehen und aufzudecken, zu erforschen und zu begreifen. Nie zufrieden zu sein und nie innezuhalten. Nicht allein für mich, sondern für jene, die nach mir kommen."
Zu kalt.
Andere Worte, sorgsam vorbereitet und auswendig gelernt, erstarben auf zitternden Lippen und schnatternden Zähnen - im Herzen des Sturms, sich an die Wände des schwankenden Ruderbootes klammernd und überschüttet von eisigem Regen verstand Fel, dass sie ihren vorbereiteten Vertrag nicht loswerden würde: Der Sturm war zu überwältigend.
Aus der Furcht dämmerte Einsicht und ein Moment von Inspiration. Vier weitere kurze Sätze wurden gegen das Grollen geschrieben.
"Weisheit über Willkür!
Fortschritt über Tradition!
Wahrheit über Täuschung!
Gemeinsinn über Eigennutz!"
Etwas funkelte in der Dunkelheit des Sturms, blaues Elmsfeuer das knisternd erwachte, auf den hochgezogenen Bordwänden des kleinen Ruderbootes tanzend. Und für einen Moment, während sie auf die unruhigen, sich dem Sturm widersetzenden Funken starrte, sich weiter mit aller Kraft am Holz festklammern, glaubte sie von irgendwo aus dem Sturm die Stimme ihres früheren Mentors zu vernehmen.
"Diese Worte .. werden angenommen."
Am Anfang aller Fragen
Fels Vorahnungen hatten sich bestätigt: Mit dem Voranschreiten des Herbstes waren die Preise gestiegen und die Greifen zeigten keine Ambition dieser Entwicklung in irgendeiner Weise Einhalt zu gebieten. In Teilen war das nicht verwunderlich: Sie waren – letztlich – eine an Gewinn interessierte Organisation und mit den nach oben wandernden Kosten waren eben auch entsprechende Abgaben, Steuern und Gebühren verbunden.
Das verschlechterte Wetter ließ im gleichen Zug die Nachfrage nach Arbeit sinken und mit steigendem Mangel und wachsendem Druck ging die Bezahlung der Tagelöhner nur zurück. Das, so notierte die Halbelfe ganz nüchtern im Licht einer unruhig flackernden Talgkerze, wäre schon vor mehr als zwei Wochen genug gewesen, um eine harte Entscheidung einzufordern: Entweder wohnen mit einem Dach über dem Kopf – oder Essen.
'Oder Solgard.'
Dass sich die Frage nicht akut gestellt hatte, war nicht etwa Fel selbst zu verdanken, sondern einer puren Laune von Glück, die – natürlich – ganz unvermeidlich mit dem Unglück eines Anderen einherzugehen hatte. Nur der Tod von Meister Konstantin Pherendanz hatte dafür gesorgt, dass aus der flüchtigen Bekanntschaft mit Veronica eine behutsame Freundschaft zu sprießen begann, dass die erstaunlichen Gemeinsamkeiten und die sehr viel weniger verwunderlichen Unterschiede auf eine Art und Weise zusammenpassten, die dafür sorgte, dass es nun ein gemeinsam bewohntes Zimmer in der kleinen Arbeitersiedlung gab.
Die Kosten dafür waren nicht zu vernachlässigen, aber immerhin stabil und drohten nicht länger jede Woche neue, dieses Mal unerreichbare Höhen zu erreichen.
Die Wirkung ging aber darüber hinaus: Auch wenn die Tage weiterhin von harter, ungeliebter Arbeit gefüllt waren, blieb damit dann doch noch Raum dafür einmal durchzuatmen, um die eigenen Aufzeichnungen zu sichten, die viel zu lange keine Ergänzungen und Korrekturen erfahren hatte, um neue Texte in die Notizen aufzunehmen. Jeder Morgen brachte neue Fragen und die Möglichkeit von Antworten, oft ausgedrückt durch Fragezeichen hinter umkringelten Worten auf geduldigem Papier.
Alles in allem, so musste Fel anerkennen, hatte sich ihre Lage beträchtlich verbessert: Die Wohnstatt gesichert, der regelmäßige Kontakt mit dem Herren Quintus zur Diskussion allfälliger Fragen, eine kleine Gruppe von .. Bekannten, die von anderer Seite bereits als „Freunde“ bezeichnet worden waren. Die letztliche Wahl eines Pfades.
All die Möglichkeiten, die aus diesem vereinten Bodensatz wuchsen.
All die Gefahren aus den weniger offensichtlichen Nebenbedingungen.
Die Untersuchung des Drachenherzens und des Drachenblutes hatte sich als interessant, aber wenig ergiebig erwiesen: Ein fähiger Alchemist hätte etwas aus beiden Materialien schaffen können, aber Fels Kenntnisse dieser Kunst waren so gering, dass sie kaum über das Verkochen von Wasser über einem Brenner hinausgingen. Die Literatur hatte sich hier als interessanter erwiesen und letztlich zu völlig anderen Fragen geführt, wie alle angeführt von einem „Warum?“
Warum funktionierte all das? Warum gab es so viele unbedeutend erscheinende Abweichungen in Details, die aber – wenn man sie dann ganz genau betrachtete – geradezu auf systematische Unverträglichkeiten hindeuteten? Wer hatte all das bereits einmal erforscht und bewertet?
Je mehr Fel über solchen Details brütete, desto mehr verdichtete sich alles auf eine Frage hin:
„Warum funktioniert das überhaupt?“
Das verschlechterte Wetter ließ im gleichen Zug die Nachfrage nach Arbeit sinken und mit steigendem Mangel und wachsendem Druck ging die Bezahlung der Tagelöhner nur zurück. Das, so notierte die Halbelfe ganz nüchtern im Licht einer unruhig flackernden Talgkerze, wäre schon vor mehr als zwei Wochen genug gewesen, um eine harte Entscheidung einzufordern: Entweder wohnen mit einem Dach über dem Kopf – oder Essen.
'Oder Solgard.'
Dass sich die Frage nicht akut gestellt hatte, war nicht etwa Fel selbst zu verdanken, sondern einer puren Laune von Glück, die – natürlich – ganz unvermeidlich mit dem Unglück eines Anderen einherzugehen hatte. Nur der Tod von Meister Konstantin Pherendanz hatte dafür gesorgt, dass aus der flüchtigen Bekanntschaft mit Veronica eine behutsame Freundschaft zu sprießen begann, dass die erstaunlichen Gemeinsamkeiten und die sehr viel weniger verwunderlichen Unterschiede auf eine Art und Weise zusammenpassten, die dafür sorgte, dass es nun ein gemeinsam bewohntes Zimmer in der kleinen Arbeitersiedlung gab.
Die Kosten dafür waren nicht zu vernachlässigen, aber immerhin stabil und drohten nicht länger jede Woche neue, dieses Mal unerreichbare Höhen zu erreichen.
Die Wirkung ging aber darüber hinaus: Auch wenn die Tage weiterhin von harter, ungeliebter Arbeit gefüllt waren, blieb damit dann doch noch Raum dafür einmal durchzuatmen, um die eigenen Aufzeichnungen zu sichten, die viel zu lange keine Ergänzungen und Korrekturen erfahren hatte, um neue Texte in die Notizen aufzunehmen. Jeder Morgen brachte neue Fragen und die Möglichkeit von Antworten, oft ausgedrückt durch Fragezeichen hinter umkringelten Worten auf geduldigem Papier.
Alles in allem, so musste Fel anerkennen, hatte sich ihre Lage beträchtlich verbessert: Die Wohnstatt gesichert, der regelmäßige Kontakt mit dem Herren Quintus zur Diskussion allfälliger Fragen, eine kleine Gruppe von .. Bekannten, die von anderer Seite bereits als „Freunde“ bezeichnet worden waren. Die letztliche Wahl eines Pfades.
All die Möglichkeiten, die aus diesem vereinten Bodensatz wuchsen.
All die Gefahren aus den weniger offensichtlichen Nebenbedingungen.
Die Untersuchung des Drachenherzens und des Drachenblutes hatte sich als interessant, aber wenig ergiebig erwiesen: Ein fähiger Alchemist hätte etwas aus beiden Materialien schaffen können, aber Fels Kenntnisse dieser Kunst waren so gering, dass sie kaum über das Verkochen von Wasser über einem Brenner hinausgingen. Die Literatur hatte sich hier als interessanter erwiesen und letztlich zu völlig anderen Fragen geführt, wie alle angeführt von einem „Warum?“
Warum funktionierte all das? Warum gab es so viele unbedeutend erscheinende Abweichungen in Details, die aber – wenn man sie dann ganz genau betrachtete – geradezu auf systematische Unverträglichkeiten hindeuteten? Wer hatte all das bereits einmal erforscht und bewertet?
Je mehr Fel über solchen Details brütete, desto mehr verdichtete sich alles auf eine Frage hin:
„Warum funktioniert das überhaupt?“
Re: Gegenwart: Die Neue Welt
(Kreuzposting: viewtopic.php?p=33938#p33938, der Vollständigkeit halber auch hier)
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Zumindest in der Theorie vermochte Fel den Umfang des Feenwaldes zu erfassen: Im Süden begrenzt durch die schroffen Kanten der Trollschluchten, im Osten bis an das Ufer der Nebelbucht ragend, im Westen begrenzt durch das in Sumpf übergehende Jagdrevier der Orks. Auf einem Pergament machten die Linien und schraffierten Farben durchaus Sinn: Wege. Wald. Lichtungen. Eine alte Ruine, hübsch illustriert mit dem Symbol eines geborstenen Helms.
Karten versprachen Ordnung. Karten verkündeten den Sieg des Forschers über das Ungebändigte, über das Ungemessene und Unbekannte durch das Anlegen von Maßstäben und die Vergabe von Namen. Die Zähmung der Wildnis war in dem Moment vollkommen, in dem der letzte verwinkelte Strom bis zu seiner Quelle zurückverfolgt und dann in einem glorreichen Moment, für die Geschichtsbücher verewigten Moment, "Bierbach" getauft wurden.
Nichts davon war geeignet gewesen, um Fel auf das Naherlebnis des Feenwaldes vorzubereiten. Alles hier war Chaos, übergangslos ineinander übergehendes Grün, das ohne Plan und Ziel wucherte. Wege öffneten sich nur um später als Wildwechsel im Schatten des allgegenwärtigen Grüns zu versickern, dichtes Gesträuch reckte sich auf Lichtungen, trieb Blüten aus, die dem Lauf der Sonne folgten.
Und es war laut: Eine nie ferne Kakophonie ungezählter Stimmen, gewoben aus Triumphen und Niederlagen, so vielgestaltig und gleichzeitig beständig wie das Grün selbst.
'Wenigstens ein Teil von mir sollte etwas drin finden. Muster. Vertrautheit. Gewissheit.'
In Wahrheit spürte Fel nichts davon, während sie durch das Zwielicht des Waldes stolperte, über gefallene und moosbewachsene Baumriesen kletterte, vergeblich den Ursprung eines kleinen Bachs suchte, nur um dann, nach gefühlten Stunden des verwirrten Herumirrens mit dem ersten Schritt zurück wieder dort zu stehen, wo sie ihre Reise begonnen hatte.
'Wie kann das sein? Das widerspricht jeder Logik. Ich sollte einen Vorteil hier haben und stattdessen bin ich noch unbeholfener als Fenrik.'
Der Gedanke kam mit einem allzu vertrauten Gefühl von Scham, ergänzt durch einen Funken von Zorn.
Noch vor einem Jahr hätte Fel hier aufgegeben, sich die Niederlage eingestanden und dann reumütig nach Hilfe gesucht. Diese Fel hätte akzeptiert und sich bescheidet, geschluckt und gelächelt, wo Tränen angebrachter gewesen wären.
"Heute nicht. Du wirst mir das nicht madig machen. Das ist ein besonderer Tag, einer, den ich in Erinnerung behalten werde. Der Tag an dem ich nicht aufgebe, mich nicht entmutigen, mich nicht verscheuchen lasse. Ich werde die Knospe finden!"
Für den Feenwald war es ein Samstag.
Er blieb indifferent, unbeirrt, unbeeindruckt, unverändert im stetigen Wandel, selbst über den Moment hinaus, als die zornige Halbelfe schließlich doch aufgab, zu erschöpft um weiter zu versuchen diese spezielle Lichtung zu finden und sich, genau wie zuvor, nur ein Halbdutzend Schritte vom Reisepunkt entfernt wiederfand.

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Zumindest in der Theorie vermochte Fel den Umfang des Feenwaldes zu erfassen: Im Süden begrenzt durch die schroffen Kanten der Trollschluchten, im Osten bis an das Ufer der Nebelbucht ragend, im Westen begrenzt durch das in Sumpf übergehende Jagdrevier der Orks. Auf einem Pergament machten die Linien und schraffierten Farben durchaus Sinn: Wege. Wald. Lichtungen. Eine alte Ruine, hübsch illustriert mit dem Symbol eines geborstenen Helms.
Karten versprachen Ordnung. Karten verkündeten den Sieg des Forschers über das Ungebändigte, über das Ungemessene und Unbekannte durch das Anlegen von Maßstäben und die Vergabe von Namen. Die Zähmung der Wildnis war in dem Moment vollkommen, in dem der letzte verwinkelte Strom bis zu seiner Quelle zurückverfolgt und dann in einem glorreichen Moment, für die Geschichtsbücher verewigten Moment, "Bierbach" getauft wurden.
Nichts davon war geeignet gewesen, um Fel auf das Naherlebnis des Feenwaldes vorzubereiten. Alles hier war Chaos, übergangslos ineinander übergehendes Grün, das ohne Plan und Ziel wucherte. Wege öffneten sich nur um später als Wildwechsel im Schatten des allgegenwärtigen Grüns zu versickern, dichtes Gesträuch reckte sich auf Lichtungen, trieb Blüten aus, die dem Lauf der Sonne folgten.
Und es war laut: Eine nie ferne Kakophonie ungezählter Stimmen, gewoben aus Triumphen und Niederlagen, so vielgestaltig und gleichzeitig beständig wie das Grün selbst.
'Wenigstens ein Teil von mir sollte etwas drin finden. Muster. Vertrautheit. Gewissheit.'
In Wahrheit spürte Fel nichts davon, während sie durch das Zwielicht des Waldes stolperte, über gefallene und moosbewachsene Baumriesen kletterte, vergeblich den Ursprung eines kleinen Bachs suchte, nur um dann, nach gefühlten Stunden des verwirrten Herumirrens mit dem ersten Schritt zurück wieder dort zu stehen, wo sie ihre Reise begonnen hatte.
'Wie kann das sein? Das widerspricht jeder Logik. Ich sollte einen Vorteil hier haben und stattdessen bin ich noch unbeholfener als Fenrik.'
Der Gedanke kam mit einem allzu vertrauten Gefühl von Scham, ergänzt durch einen Funken von Zorn.
Noch vor einem Jahr hätte Fel hier aufgegeben, sich die Niederlage eingestanden und dann reumütig nach Hilfe gesucht. Diese Fel hätte akzeptiert und sich bescheidet, geschluckt und gelächelt, wo Tränen angebrachter gewesen wären.
"Heute nicht. Du wirst mir das nicht madig machen. Das ist ein besonderer Tag, einer, den ich in Erinnerung behalten werde. Der Tag an dem ich nicht aufgebe, mich nicht entmutigen, mich nicht verscheuchen lasse. Ich werde die Knospe finden!"
Für den Feenwald war es ein Samstag.
Er blieb indifferent, unbeirrt, unbeeindruckt, unverändert im stetigen Wandel, selbst über den Moment hinaus, als die zornige Halbelfe schließlich doch aufgab, zu erschöpft um weiter zu versuchen diese spezielle Lichtung zu finden und sich, genau wie zuvor, nur ein Halbdutzend Schritte vom Reisepunkt entfernt wiederfand.

Re: Gegenwart: Die Neue Welt
"Eure Anwesenheit ist hier generell nicht erwünscht. Geht zu den Edain, doch meidet unsere Länder. Ihr gehört nicht hierher."
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Trüber Nieselregen versprühte eben genug Feuchtigkeit um die Dächer im Nebelhafen feucht glänzen zu lassen. Aufgeweichte Wege erinnerten unglückliche Passanten bei jedem Schritt daran, dass dies keine Metropole war, keine Stadt, die solchen Wetter die spröde Schulter sorgsam gepflasterter Straßen und Gassen zeigte, sondern ein auf älteren Fundamenten erbauter und ein wenig ausgeuferter Handelsposten. Zumindest theoretisch war eine solche Ansiedlung auf Effizienz und die Bedürfnisse des Handels hin ausgerichtet, was gemeinhin bedeutete, dass das ganze Leben und Handeln der Stadt um Hafen, Marktplatz und Hauptwege herum rotierte.
Und doch lag der Hafen, der der ganzen Siedlung ihren Namen verliehen hatte, zu dieser Stunde nahezu vollkommen still, kaum ein Licht schien aus den verschiedenen Hütten, Zelten und Wägen unweit, die immer ein wenig den Eindruck erweckten, als hätte die letzte Flut sie hier einfach ungeordnet an Land gespült. Alles atmete den Charme eines Provisoriums kurz vor dem Zusammenbruch aus, zur Permanenz verpflichtet in der Erwartung einer Ablösung, einer Verbesserung, die nie kommen würde.
'Selbst sie haben darin eine Bestimmung.'
Selbst jetzt, Stunden später, lange nach der stillen, beschämten Flucht aus den Tiefen des Feenwaldes, stachen die Worte des Lichtelfen. Wie eine weißglühende Klinge hatten sie sich tief in das Herz gebohrt, altes, vernarbtes Gewebe aufgerissen, das nun ohne Unterlass zu bluten schien.
'Als hätte ich nur darauf gewartet. Verdammter B....'
Selbst in Gedanken vermochte Fel die Beleidigung nicht zu vollenden, scheute zurück vor der Grobheit, vor dem drohenden Ausbruch und starrte stattdessen auf die vom Nieselregel eigenwillig geglättete Oberfläche des Meeres. Und selbst jetzt wunderte sich ein Teil von ihr darüber, welchen Namen dieses Wasser wohl auf den offiziellen Karten tragen würde.
Diese Neugier hatte sie auf allen Irrwegen durch den Feenwald begleitet, war bei ihr gewesen bei jedem Schritt auf der Suche nach Shiras Knospe und der Lichtung darum. Als sich Fehlschlag an Fehlschlag reihte, war es aber nicht die Neugier gewesen, die ihr verboten hatte nach Hilfe zu suchen, die gefordert hatte nicht aufzugeben. Purer Trotz hatte den Verstand abgeriegelt, die Emotionen aufgebauscht. Noch ein Versuch. Nur noch einer.
Letztlich vergeblich: Es hatte die Ankunft Eliras und Cillians gebraucht, dazu die Begleitung einer bislang gänzlich unvertrauten Hochelfe namens Nyriel, damit Fel den Platz schliesslich wiederfand.
"Eure Anwesenheit ist hier generell nicht erwünscht. Geht zu den Edain, doch meidet unsere Länder. Ihr gehört nicht hierher."
Worte, das hatte sie bereits früh gelernt, waren aus sich selbst heraus bedeutungslos, nur mit der Macht beseelt, die ihnen eingeräumt wurde: Sowohl von dem, der ein Ultimatum aussprach oder Gefolge einforderte, als auch von dem, der sein Haupt beugte oder nach einer Zurückweisung erzitterte. Die Zeit auf den Straßen Breitenbachs war ein kalter Lehrmeister gewesen, ungnädig und erbarmungslos, hatte Fel ein um das andere Mal gezeigt, wie Worte und Taten einen Einklang erforderten und wie sich mit dem Einen das Andere vortäuschen ließ.
Und dennoch: Der Schmerz war nicht zu leugnen, ließ sich nicht davonlächeln oder überspielen.
'Weil es wahr ist. Selbst der Wald wusste es: Ich gehöre nicht dorthin.
Aber ich gehöre auch nicht hierher.
Es gibt keinen Platz für mich.'
Und während der Regen über Nebelhafen allmählich stärker wurden, richteten die Gedanken der Halbelfe sich in die Vergangenheit, streiften erneut den Tag an dem die kleine Hütte leer gewesen war. Den Tag an dem die blinde Seherin dem Galgen überantwortet wurde. Den Tag eines Handels mit einem Mann, dessen Selbstverachtung seine Brillianz noch überstieg. Den Tag eines stillen Verrats an allzu lang gepflegter Hoffnung.
Etwas .. regte sich in Fel, ein unwillkürlicher Reflex, der die Gedanken aus der selbstgewählten Trübheit riss und zu einem anderen Tag zurückführte, einer, der voller Verheissung und Versprechen gewesen war, zurück in ein Zelt, in dem eine alte Frau Karten mischte und sie verdeckt vor Fel auslegte.
"Vergangenheit und Gegenwart sind benannt. Das hier ist der wahrscheinlichste Pfad deiner Zukunft. Eine Karte beschreibt das Schicksal. Eine zweite beschreibt, was dir dabei hilft. Die dritte schliesslich ist das größte Hindernis auf deinem Weg. Deck auf."
"Woher weiss ich, welche der drei für was steht?"
"Das ist fast die beste Frage die ich in diesem Zelt in diesem Jahr gehört habe. Nun decke auf, Kind. Ich werde es für dich erläutern."
Dieses Mal gehorchte Fel und deckte die drei Karten nacheinander auf.
"Der Gehängte. Der Magier. Der Stern."
"Interessant. Ich habe selten eine so klare Kombination gesehen: Deine Zukunft ist der Stern: Du wirst dein Glück, deine Bestimmung finden. Der Stern ist ein machtvolles Zeichen der Hoffnung und Erfüllung. Interessanterweise steht er auch für das Elfenvolk. Das ist überaus gut und könnte bedeuten, dass du letztlich auch hier dein Schicksal findest.
Dir zur Seite steht dafür der Magier, dessen Anleitung und Weisung dich auf den richtigen Weg bringt.
Hüten musst du dich vor dem Gehängten, der hier fast schon wortwörtlich genommen werden muss: Das ist das argwöhnische Auge des Gesetzes, das alles verderben kann, was dir der Stern verheißt."
Die Erinnerung trieb zurück in das Zwielicht ungeformter Gedanken und möglicher Ideen, umrankt von anderen, daran geknüpfter Gedanken, hinterlassen in Aufzeichnungen, die dem Zorn des Meeres zum Opfer gefallen waren.
'Ich habe es nie geglaubt. Schon damals spürte ich die Diskrepanz, die Ungewissheit. Denk nach. Es gibt nicht so viele mögliche Kombinationen. Welche davon ist die Richtige? Welche ist die Richtige?'
Es regnete weiter und der trübe, wolkenverhangene Nachthimmel Nebelhafens sah gleichmütig hinab auf die erschöpfte, schon lange durchweichte Halbelfe am äußersten Rand des ins Meer führenden Stegs, die verbissen versuchte ein Rätsel zu lösen, das sich dem Begreifen immer entziehen würde. Und hätte dieser Nachthimmel ein Numen besessen, dann hätte dieses sich vielleicht dazu bewegt gefühlt (mit der Stimme eines gewissen L.Q.) einen spöttischen Kommentar abzugeben über Menschen - und Menschenähnliche - die sich selbst zu ernst nahmen.
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Trüber Nieselregen versprühte eben genug Feuchtigkeit um die Dächer im Nebelhafen feucht glänzen zu lassen. Aufgeweichte Wege erinnerten unglückliche Passanten bei jedem Schritt daran, dass dies keine Metropole war, keine Stadt, die solchen Wetter die spröde Schulter sorgsam gepflasterter Straßen und Gassen zeigte, sondern ein auf älteren Fundamenten erbauter und ein wenig ausgeuferter Handelsposten. Zumindest theoretisch war eine solche Ansiedlung auf Effizienz und die Bedürfnisse des Handels hin ausgerichtet, was gemeinhin bedeutete, dass das ganze Leben und Handeln der Stadt um Hafen, Marktplatz und Hauptwege herum rotierte.
Und doch lag der Hafen, der der ganzen Siedlung ihren Namen verliehen hatte, zu dieser Stunde nahezu vollkommen still, kaum ein Licht schien aus den verschiedenen Hütten, Zelten und Wägen unweit, die immer ein wenig den Eindruck erweckten, als hätte die letzte Flut sie hier einfach ungeordnet an Land gespült. Alles atmete den Charme eines Provisoriums kurz vor dem Zusammenbruch aus, zur Permanenz verpflichtet in der Erwartung einer Ablösung, einer Verbesserung, die nie kommen würde.
'Selbst sie haben darin eine Bestimmung.'
Selbst jetzt, Stunden später, lange nach der stillen, beschämten Flucht aus den Tiefen des Feenwaldes, stachen die Worte des Lichtelfen. Wie eine weißglühende Klinge hatten sie sich tief in das Herz gebohrt, altes, vernarbtes Gewebe aufgerissen, das nun ohne Unterlass zu bluten schien.
'Als hätte ich nur darauf gewartet. Verdammter B....'
Selbst in Gedanken vermochte Fel die Beleidigung nicht zu vollenden, scheute zurück vor der Grobheit, vor dem drohenden Ausbruch und starrte stattdessen auf die vom Nieselregel eigenwillig geglättete Oberfläche des Meeres. Und selbst jetzt wunderte sich ein Teil von ihr darüber, welchen Namen dieses Wasser wohl auf den offiziellen Karten tragen würde.
Diese Neugier hatte sie auf allen Irrwegen durch den Feenwald begleitet, war bei ihr gewesen bei jedem Schritt auf der Suche nach Shiras Knospe und der Lichtung darum. Als sich Fehlschlag an Fehlschlag reihte, war es aber nicht die Neugier gewesen, die ihr verboten hatte nach Hilfe zu suchen, die gefordert hatte nicht aufzugeben. Purer Trotz hatte den Verstand abgeriegelt, die Emotionen aufgebauscht. Noch ein Versuch. Nur noch einer.
Letztlich vergeblich: Es hatte die Ankunft Eliras und Cillians gebraucht, dazu die Begleitung einer bislang gänzlich unvertrauten Hochelfe namens Nyriel, damit Fel den Platz schliesslich wiederfand.
"Eure Anwesenheit ist hier generell nicht erwünscht. Geht zu den Edain, doch meidet unsere Länder. Ihr gehört nicht hierher."
Worte, das hatte sie bereits früh gelernt, waren aus sich selbst heraus bedeutungslos, nur mit der Macht beseelt, die ihnen eingeräumt wurde: Sowohl von dem, der ein Ultimatum aussprach oder Gefolge einforderte, als auch von dem, der sein Haupt beugte oder nach einer Zurückweisung erzitterte. Die Zeit auf den Straßen Breitenbachs war ein kalter Lehrmeister gewesen, ungnädig und erbarmungslos, hatte Fel ein um das andere Mal gezeigt, wie Worte und Taten einen Einklang erforderten und wie sich mit dem Einen das Andere vortäuschen ließ.
Und dennoch: Der Schmerz war nicht zu leugnen, ließ sich nicht davonlächeln oder überspielen.
'Weil es wahr ist. Selbst der Wald wusste es: Ich gehöre nicht dorthin.
Aber ich gehöre auch nicht hierher.
Es gibt keinen Platz für mich.'
Und während der Regen über Nebelhafen allmählich stärker wurden, richteten die Gedanken der Halbelfe sich in die Vergangenheit, streiften erneut den Tag an dem die kleine Hütte leer gewesen war. Den Tag an dem die blinde Seherin dem Galgen überantwortet wurde. Den Tag eines Handels mit einem Mann, dessen Selbstverachtung seine Brillianz noch überstieg. Den Tag eines stillen Verrats an allzu lang gepflegter Hoffnung.
Etwas .. regte sich in Fel, ein unwillkürlicher Reflex, der die Gedanken aus der selbstgewählten Trübheit riss und zu einem anderen Tag zurückführte, einer, der voller Verheissung und Versprechen gewesen war, zurück in ein Zelt, in dem eine alte Frau Karten mischte und sie verdeckt vor Fel auslegte.
"Vergangenheit und Gegenwart sind benannt. Das hier ist der wahrscheinlichste Pfad deiner Zukunft. Eine Karte beschreibt das Schicksal. Eine zweite beschreibt, was dir dabei hilft. Die dritte schliesslich ist das größte Hindernis auf deinem Weg. Deck auf."
"Woher weiss ich, welche der drei für was steht?"
"Das ist fast die beste Frage die ich in diesem Zelt in diesem Jahr gehört habe. Nun decke auf, Kind. Ich werde es für dich erläutern."
Dieses Mal gehorchte Fel und deckte die drei Karten nacheinander auf.
"Der Gehängte. Der Magier. Der Stern."
"Interessant. Ich habe selten eine so klare Kombination gesehen: Deine Zukunft ist der Stern: Du wirst dein Glück, deine Bestimmung finden. Der Stern ist ein machtvolles Zeichen der Hoffnung und Erfüllung. Interessanterweise steht er auch für das Elfenvolk. Das ist überaus gut und könnte bedeuten, dass du letztlich auch hier dein Schicksal findest.
Dir zur Seite steht dafür der Magier, dessen Anleitung und Weisung dich auf den richtigen Weg bringt.
Hüten musst du dich vor dem Gehängten, der hier fast schon wortwörtlich genommen werden muss: Das ist das argwöhnische Auge des Gesetzes, das alles verderben kann, was dir der Stern verheißt."
Die Erinnerung trieb zurück in das Zwielicht ungeformter Gedanken und möglicher Ideen, umrankt von anderen, daran geknüpfter Gedanken, hinterlassen in Aufzeichnungen, die dem Zorn des Meeres zum Opfer gefallen waren.
'Ich habe es nie geglaubt. Schon damals spürte ich die Diskrepanz, die Ungewissheit. Denk nach. Es gibt nicht so viele mögliche Kombinationen. Welche davon ist die Richtige? Welche ist die Richtige?'
Es regnete weiter und der trübe, wolkenverhangene Nachthimmel Nebelhafens sah gleichmütig hinab auf die erschöpfte, schon lange durchweichte Halbelfe am äußersten Rand des ins Meer führenden Stegs, die verbissen versuchte ein Rätsel zu lösen, das sich dem Begreifen immer entziehen würde. Und hätte dieser Nachthimmel ein Numen besessen, dann hätte dieses sich vielleicht dazu bewegt gefühlt (mit der Stimme eines gewissen L.Q.) einen spöttischen Kommentar abzugeben über Menschen - und Menschenähnliche - die sich selbst zu ernst nahmen.
Im Dunkel
"Bringt mir nur den Kopf von Golga von Assuan. Oder, noch besser, ihn lebend. Dann lasse ich Euch sogar nach Caladlorn ein."
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Die Scham folgte dem Zorn bereits in dem Moment als Fel die Füße über die Schwelle des Gasthauses setzte, hinausfloh in den winterkalten Abend Nebelhafens und den trüben Nebel, der träge über mit Raureif überzogenen Wegen hing. Die Wolken, die noch am späten Nachmittag Regen angedroht hatten, waren abgezogen, hatten den Himmel aufklaren lassen.
Zu einem anderen Zeitpunkt hätte die Halbelfe den vielfachen Glanz der Sterne sicherlich mit einer gewissen Neugier honoriert, aber jetzt führten rasche Schritte sie weiter.
Zur kleinen, mit Veronica geteilten Wohnung? Unmöglich.
Zu den Docks und den dort dem Wetter trotzenden Zelten, wo alle dieser Tage andere, eigene Sorgen hatten? In gleicher Weise mehr als unangemessen.
Also führte die Flucht sie in die Tiefe, hinab durch den Keller der Falkenrast in die klamme Feuchtigkeit der Unterwelt Nebelhafens - Eingeweide, die schon lange vor dem Handelsposten hier gewesen waren und vermutlich auch nach ihm noch da sein würden. Manche der tropfenden Gänge waren hoch und so breit wie schiffbare Kanäle, andere duckten sich sehr viel enger zusammen, boten Moosen und Algen allerlei Lebensraum. Kaum ein Platz, an dem sich nicht die Schritte von Ratten vernehmen ließen.
All das war Fel auf schwer zu greifende Art und Weise .. vertraut. Nicht, weil sie bereits viel Zeit hier unten zugebracht hätte, sondern in der Art, wie sich ähnliche Erfahrungen auf neue, unbekannte Umstände übertragen ließen. Auch im Berg hatte es Feuchtigkeit gegeben, stetig von der Decke tropfend, Ratten und anderes Getier durchwanderten die steinernen Gedärme der längst aufgegebenen Bergwerksbereiche hinab in jene Tiefen, in denen auch dieser Tage noch gearbeitet wurde.
Im Berg hatten die Verurteilten die Steine gebrochen und nach oben gekarrt, ohne bis zum Ablauf ihrer Strafe je wieder das Tageslicht zu sehen. Hier, in den Tiefen unter Nebelhafen, wurde weder nach Quarzen noch nach Metallen geschürft, aber trotzdem gab es hier Menschen: Glücklose und Verzweifelte, Gierige und Unangepasste. Manche, die ein Sturm hier hinab gespült hatte und Andere, die hier freiwillig lauerten.
Und trotz des Gefühls der brennenden Demütigung, erbaut aus dem Zusammenwirken gleich dreier so grundverschieden wirkender Männer, erinnerte sich an Teil von Fel an eine nicht unähnliche Flucht vor mehr als einem Vierteljahrhundert, an die Panik in den enger und enger werdenden Stollen und schliesslich Rissen im Felsen, durch die sich selbst ein für die Jahre ungewöhnlich kleines Kind letztlich nicht mehr zu quetschen vermochte. Wie damals trug sie auch heute weder Fackel noch Laterne bei sich, aber dieser Tage war die Magie ein vertrauter Begleiter, der die Dunkelheit zurückhielt.
'Wie habe ich damals etwas gesehen? Magie? Aber das war vor meinem Erwachen, war es?'
Der Gang, dem Fel gefolgt war, geduckt auf den letzten zwanzig Schritten, öffnete sich in eine Kreuzung mit drei abgehenden Kanälen, alle nicht breiter als die Schultern eines Mannes und nur halb so hoch. Ein Funke von Licht aus dem Rechten versprach irgendeine Form von menschlicher Präsenz, also duckte Fel sich nach links, folgte dem Lauf gurgelnden Wassers in diese Tiefe und wartete darauf, dass der zähe Klumpen ohnmächtiger Demütigung sich allmählich in klamme Resignation verwandelte.
Die kalte Abweisung des Lichtelfen war nach dem letzten Zusammentreffen nicht unerwartet gekommen, aber heute hatte sich eine besondere, fast schon persönliche Qualität dazugesellt. Jede einzelne seiner spitzen Bemerkungen war wie der Stoß eines Rapiers - immer auf die Schwachstellen zielend, nicht darauf aus zu töten, sondern zu verwunden.
'Zu demütigen.'
Das allein - so redete sich sich zumindest ein, während sie einen halb aufrechtführenden Gang emporkletterte, hinweg über von Algen bewachsene Stufen und vorbei an in die Wände eingelassenen Bronzerohren, die ins Nirgendwo zu führen schienen - wäre kaum ausreichend gewesen um ihre Beherrschung zu brechen, aber dass die Herren Feldspan und Tyladriel sich schliesslich gefallen hatten noch selbst in bereits gerissene Wunden zu stechen: Das hatte das Faß zum überlaufen gebracht.
Und in dem Moment war Flucht die einzige Lösung vor dem aufkochenden Zorn und der unmittelbar folgenden Schuld.
'Ich hätte darüber stehen sollen. Ein paar seichte Scherze, eine Flasche Wein. Ist das nicht, was ich gelernt habe? Die Lügen sind leicht. Nur die Wahrheit schmerzt.'
Zu spät wurde Fel bewusst, dass sie, sich den Kopf zerbrechend, unwillkürlich doch einem der vagen Lichter gefolgt sein musste bis hier zu dieser Kammer, in die sie aus der Wandöffnung heraus stolperte in ein behelfsmässiges Lager voller Kisten und Säcke. Hehlerware, zur Seite geschafft unter Umgehung der Greifen, vorbei an der ohnehin schon laxen Hafenaufsicht. Drei Augenpaare starrten herüber auf die durchnässte Gestalt, im ersten Moment verplex, dann alarmiert. Eben noch zwischen den Fingern gehaltene Karten fielen auf ausgelegte Bretter hinab, während nach einem Messer gegriffen wurde.
Und Fel spürte, noch während sie einen halben Schritt zurückwich, wie aller Schmerz und alle Scham sich lösten. Das hier war, in vielerlei Hinsicht, so vertraut wie die Rückseite der eigenen Hand.
"Kalle sagt in der Drecksbude findet man nichts."
"Was?"
Der Moment der Irritation war genug, um ihr den eiligen Rückzug zu ermöglich, zurück in das enge Rohr, zunächst nur gefolgt von einem Fluch, bevor die drei sich an die Verfolgung machten. Schon nach einem Halbdutzend Schritten war Fel sich gewiss, dass keiner der Häscher sie hier einholen würde.
'Vielleicht ist das ja der richtige Ort für mich. Im Dunkel, wo die Sonne mich nicht sehen muss.'
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Die Scham folgte dem Zorn bereits in dem Moment als Fel die Füße über die Schwelle des Gasthauses setzte, hinausfloh in den winterkalten Abend Nebelhafens und den trüben Nebel, der träge über mit Raureif überzogenen Wegen hing. Die Wolken, die noch am späten Nachmittag Regen angedroht hatten, waren abgezogen, hatten den Himmel aufklaren lassen.
Zu einem anderen Zeitpunkt hätte die Halbelfe den vielfachen Glanz der Sterne sicherlich mit einer gewissen Neugier honoriert, aber jetzt führten rasche Schritte sie weiter.
Zur kleinen, mit Veronica geteilten Wohnung? Unmöglich.
Zu den Docks und den dort dem Wetter trotzenden Zelten, wo alle dieser Tage andere, eigene Sorgen hatten? In gleicher Weise mehr als unangemessen.
Also führte die Flucht sie in die Tiefe, hinab durch den Keller der Falkenrast in die klamme Feuchtigkeit der Unterwelt Nebelhafens - Eingeweide, die schon lange vor dem Handelsposten hier gewesen waren und vermutlich auch nach ihm noch da sein würden. Manche der tropfenden Gänge waren hoch und so breit wie schiffbare Kanäle, andere duckten sich sehr viel enger zusammen, boten Moosen und Algen allerlei Lebensraum. Kaum ein Platz, an dem sich nicht die Schritte von Ratten vernehmen ließen.
All das war Fel auf schwer zu greifende Art und Weise .. vertraut. Nicht, weil sie bereits viel Zeit hier unten zugebracht hätte, sondern in der Art, wie sich ähnliche Erfahrungen auf neue, unbekannte Umstände übertragen ließen. Auch im Berg hatte es Feuchtigkeit gegeben, stetig von der Decke tropfend, Ratten und anderes Getier durchwanderten die steinernen Gedärme der längst aufgegebenen Bergwerksbereiche hinab in jene Tiefen, in denen auch dieser Tage noch gearbeitet wurde.
Im Berg hatten die Verurteilten die Steine gebrochen und nach oben gekarrt, ohne bis zum Ablauf ihrer Strafe je wieder das Tageslicht zu sehen. Hier, in den Tiefen unter Nebelhafen, wurde weder nach Quarzen noch nach Metallen geschürft, aber trotzdem gab es hier Menschen: Glücklose und Verzweifelte, Gierige und Unangepasste. Manche, die ein Sturm hier hinab gespült hatte und Andere, die hier freiwillig lauerten.
Und trotz des Gefühls der brennenden Demütigung, erbaut aus dem Zusammenwirken gleich dreier so grundverschieden wirkender Männer, erinnerte sich an Teil von Fel an eine nicht unähnliche Flucht vor mehr als einem Vierteljahrhundert, an die Panik in den enger und enger werdenden Stollen und schliesslich Rissen im Felsen, durch die sich selbst ein für die Jahre ungewöhnlich kleines Kind letztlich nicht mehr zu quetschen vermochte. Wie damals trug sie auch heute weder Fackel noch Laterne bei sich, aber dieser Tage war die Magie ein vertrauter Begleiter, der die Dunkelheit zurückhielt.
'Wie habe ich damals etwas gesehen? Magie? Aber das war vor meinem Erwachen, war es?'
Der Gang, dem Fel gefolgt war, geduckt auf den letzten zwanzig Schritten, öffnete sich in eine Kreuzung mit drei abgehenden Kanälen, alle nicht breiter als die Schultern eines Mannes und nur halb so hoch. Ein Funke von Licht aus dem Rechten versprach irgendeine Form von menschlicher Präsenz, also duckte Fel sich nach links, folgte dem Lauf gurgelnden Wassers in diese Tiefe und wartete darauf, dass der zähe Klumpen ohnmächtiger Demütigung sich allmählich in klamme Resignation verwandelte.
Die kalte Abweisung des Lichtelfen war nach dem letzten Zusammentreffen nicht unerwartet gekommen, aber heute hatte sich eine besondere, fast schon persönliche Qualität dazugesellt. Jede einzelne seiner spitzen Bemerkungen war wie der Stoß eines Rapiers - immer auf die Schwachstellen zielend, nicht darauf aus zu töten, sondern zu verwunden.
'Zu demütigen.'
Das allein - so redete sich sich zumindest ein, während sie einen halb aufrechtführenden Gang emporkletterte, hinweg über von Algen bewachsene Stufen und vorbei an in die Wände eingelassenen Bronzerohren, die ins Nirgendwo zu führen schienen - wäre kaum ausreichend gewesen um ihre Beherrschung zu brechen, aber dass die Herren Feldspan und Tyladriel sich schliesslich gefallen hatten noch selbst in bereits gerissene Wunden zu stechen: Das hatte das Faß zum überlaufen gebracht.
Und in dem Moment war Flucht die einzige Lösung vor dem aufkochenden Zorn und der unmittelbar folgenden Schuld.
'Ich hätte darüber stehen sollen. Ein paar seichte Scherze, eine Flasche Wein. Ist das nicht, was ich gelernt habe? Die Lügen sind leicht. Nur die Wahrheit schmerzt.'
Zu spät wurde Fel bewusst, dass sie, sich den Kopf zerbrechend, unwillkürlich doch einem der vagen Lichter gefolgt sein musste bis hier zu dieser Kammer, in die sie aus der Wandöffnung heraus stolperte in ein behelfsmässiges Lager voller Kisten und Säcke. Hehlerware, zur Seite geschafft unter Umgehung der Greifen, vorbei an der ohnehin schon laxen Hafenaufsicht. Drei Augenpaare starrten herüber auf die durchnässte Gestalt, im ersten Moment verplex, dann alarmiert. Eben noch zwischen den Fingern gehaltene Karten fielen auf ausgelegte Bretter hinab, während nach einem Messer gegriffen wurde.
Und Fel spürte, noch während sie einen halben Schritt zurückwich, wie aller Schmerz und alle Scham sich lösten. Das hier war, in vielerlei Hinsicht, so vertraut wie die Rückseite der eigenen Hand.
"Kalle sagt in der Drecksbude findet man nichts."
"Was?"
Der Moment der Irritation war genug, um ihr den eiligen Rückzug zu ermöglich, zurück in das enge Rohr, zunächst nur gefolgt von einem Fluch, bevor die drei sich an die Verfolgung machten. Schon nach einem Halbdutzend Schritten war Fel sich gewiss, dass keiner der Häscher sie hier einholen würde.
'Vielleicht ist das ja der richtige Ort für mich. Im Dunkel, wo die Sonne mich nicht sehen muss.'