Die Briefe werden nicht wie sonst üblich von einem Boten beim Anwesen von Fenria und Sloan abgegeben, sondern von Mirja persönlich vorbeigebracht. Tatsächlich würden die beiden Vildaban die Briefe auf dem Esstisch vorfinden. Verschlossen und versiegelt und jeweils einer an Fenria und einer an Sloan adressiert.
Geliebte Modír,
leider erwische ich dich nie und natürlich hast du derzeit gewiss sehr viel zu tun. Dennoch hoffe ich, dass es dir gut geht und wir noch ein persönliches Gespräch führen können, bei Met und gutem Essen.
So wie ich Sloan kenne, weißt du schon von unseren Plänen und ich möchte dir auch gern persönlich noch davon erzählen. Da wir jedoch bereits die ersten Schritte eingeleitet haben, möchte ich nicht zu viel Zeit verlieren und dich womöglich in eine kompromittierende Lage bringen, weil du zu wenig Kenntnis über die Sachlage hast.
Ganz konkret haben wir – also Pandor, die Zwillinge und ich – beschlossen, dass wir nicht mehr zu Solgard passen. Sicherlich gibt es noch immer Werte und Vorstellungen, die zusammenpassen, aber die Art und Weise wie diese umgesetzt werden und der teilweise aufkeimende Religiöse Fanatismus fühlt sich für uns nicht mehr gut an.
Wir sind damals mit dir und Sloan nach Solgard gekommen, um euch beim Aufbau zu helfen und weil damals die Kinder zu Klein für die andere Option waren. Heute blüht Solgard auf und auch wenn wir uns nicht mehr dort wohl fühlen, heißt das nicht, dass aus dieser Stadt nicht etwas Schönes und Großes geworden ist und wir sind auch froh und dankbar, dass wir ein Teil davon sein durften und uns hier von den Ereignissen der Alten Welt und der Flucht erholen konnten. Es ist jedoch für uns Zeit, nun unsern Weg zu gehen und ein wenig an unsere Wurzeln zurückzukehren. Wie du weißt, haben Stadtmauern mir schon immer gestunken. Ich habe sie immer gerne beschützt, aber innerhalb von ihnen zu leben, fühlte sich nie gut für mich an. Selenja folgt mir dabei mit ihrem Gefühl und Arken… nun, er hasst Sand zwischen seinen Buchseiten sowieso. Pandors Abenteuerdran kennst du ja.
Viel Worte um eine klare Sache: Wir haben also beschlossen, dass wir nach Nebelhafen umsiedeln. Dabei wollen wir uns klar, von dem harten Fanatismus der Paladine abgrenzen. Und wir werden – so wie wir es in Nordhain schon immer waren – offen sein, auch für andere. Du kennst uns, unsere Werte und Moral. Wir wenden uns nicht von dir ab und nicht vom Licht, aber wir wissen auch, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt.
Damit wir unseren Kindern keine Obdachlosigkeit antun wollen, haben wir als Familie beschlossen, dass Selenja und ich in Nebelhafen die Bürgerschaft beantragen, um dann alsbald das Wohnrecht zu erhalten und für die Familie ein Obdach zu erhalten. Erst dann werden auch Pandor und Arken die Bürgerschaft in Solgard ablegen und wir ziehen um.
Bis alle Formalitäten geregelt sind, hoffe ich, dass Selenja und ich dennoch in Solgard willkommen sind und auf dem Bauernhof wohnen dürfen.
Du kennst ja das Prozedere, das läuft in Nebelhafen nicht anders. Es werden Gespräche stattfinden, Pergamente gewälzt und natürlich muss dann auch ein Wohnraum zur Verfügung stehen, aber wir sind zuversichtlich und werden dieses Abenteuer angehen. Zur Not gibt es eben doch die Zelte im Wald. Auch wenn Arken davon wenig erfreut sein wird.
Apropos: Wir würden uns auch für Arken freuen, wenn er trotzdes Umzugs die Akademie in Solgard besuchen darf.
Ich hoffe, du kannst unseren Schritt nachvollziehen. Solltest du je die Nase voll von alldem haben, wirst du uns jederzeit willkommen sein. Und natürlich würden wir dich immer gerne besuchen kommen dürfen.
Din kjaere dottir
Mirja
Liebste Schwester,
ich gehe davon aus, dass du unsere Modír bereits über unsere Pläne informiert hast. In meinem Brief habe ich ihr ebenfalls davon berichtet.
Damit du ebenfalls in Kenntnis bist: Selenja und ich haben die Bürgerschaft von Solgard abgelegt und einen Antrag in Nebelhafen gestellt. Wir werden noch einige Gespräche führen und es wird dauern, bis die Formalitäten geregelt sind.
Ich habe Modír gebeten, dass Selenja und ich so lange weiter auf dem Bauernhof leben dürfen, bis wir in Nebelhafen eine Bleibe für die Familie auftreiben konnten.
Ich hoffe, all das gibt keinen Ärger für euch beide.
Und falls doch: die Türen, die wir dann hoffentlich irgendwann in Nebelhafen haben, stehen euch immer offen!
Deine Mirja