Der Sammler... [Kapitel II]

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Melvin Mercury
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Der Sammler... [Kapitel II]

Beitrag von Melvin Mercury »

Thalos würgte…

Erneut griff er an seinen Gürtel, löste die kleine Feldflasche und benetzte das Halstuch welches er sich bis über die Nase gezogen hatte, mit dem kostbaren Nass. Er hasste dieses unwirtliche Gestein, den Gestank, das Brennen in den Augen… Die Hitze, schlimmer als in der Wüste um Nalveroth, die Asche, die sich immer weiter in jede Falte seines kärglichen Gewandes hineinfraß… aber er brauchte das Gold.

„Eine… eine verdammte Kiste… das schaffst Du“, raunte er zu sich selbst. „Nur diese eine verdammte Kiste voll von dem Zeug…“. Immer wieder wanderten seine zerschlissenen Finger über den Boden, prüfend, sondierend… hektisch wanderte sein Blick hin und her.
Ein gezielter Griff nach einem vermeintlichen Kiesel; ein prüfender Blick; und ein breites Grinsen, welches selbst hinter dem Tuch noch sichtbar war, huschte über sein Gesicht. Das schwarze Glasgestein wanderte unverzüglich in einen Lederbeutel. Es war ihm egal, was dieser merkwürdige Knilch mit dem Zeug vorhatte, aber er würde gut zahlen. Obsidian…

„Was auch immer…“, keuchte Thalos…

Immer weiter bahnte er sich seinen Weg durch die kargen Schluchten. Das Zischen, die Hitze, der Qualm, der durch die engen Schächte seinen Weg nach oben suchte. Es war, als würde man die Erde atmen hören.

Er wusste genau, wo er war… Jahrhunderte lang hatten sich die Legenden um diesen Ort gerankt, überliefert in uralten Schriften, besungen und erhalten von Barden und Gesindel, welche ihr unbedeutendes Leben dadurch zu erhalten versuchten, die Menschen da draussen mit Geschichten und Ränkespielen zu ängstigen und dafür auch noch entlohnt zu werden. Noch zwei, drei Wochen, dann würde er genug gesammelt haben und dem abgehalftertem Alten die volle Kiste übergeben können. Er brauchte das Geld… zwei seiner ehemals vier Kinder musste er bereits zu Grabe tragen… sie hatten den Winter nicht überlebt. Sein Weib, eine Seele aus Gold, würde es nicht verkraften, ein weiteres Mal Ihr eigen Fleisch und Blut unter Zentnern von Steinen zu begraben.

Mit einem nahezu galantem Schwung entschwand er der engen Schlucht, die ihm seit Stunden seinen Weg vorgab. Vor ihm öffnete sich das Areal und gab eine große Ebene frei… der Boden schien geradezu zu leben, überall ächzte und qualmte es, man konnte spüren, wie das Magma unter seinen Füßen kämpfte, um sich endlich als Lava über die Ebene zu ergießen.
Auf diesen Ort hatte er sich „gefreut“. Er war immer der Abschluss seiner Route. Die Aktivitäten waren hier am stärksten. So konnte er hier immer fast ein gutes Drittel seiner Beute machen. Geübten Blickes und mit festem Schritt widmete er sich dem letzten Abschnitt seiner Tour…
 
Er stockte… irgendetwas, irgendetwas war anders… anders als sonst… Wochen schon hatte er genau diesen Weg genommen. Er kniff die Augen zusammen und liess seinen Blick schweifen. Alles wie üblich, alles wie er es kannte. Wieder griff er zu der Feldflasche und ergoss den letzten Rest Wasser über das Tuch vor seinem Gesicht. Er schüttelte den Kopf... „Nichts zu sehen“, dachte er. Dennoch… das merkwürdige Gefühl wollte nicht weichen… und Gänsehaut hatte er an DIESEM Ort noch nie verspürt…

Sein Wissen um diesen Ort hatte ihn bisher behütet und beschützt… sicher, in den langen Stollen der Höhlen hausten einige der schlimmsten Kreaturen, die einem auf vielfältige Art das Leben nehmen konnten… aber gesehen hatte er noch nie einen von ihnen…

Dennoch fuhr es ihm heute zum ersten Mal durch den Kopf… DIE DRACHEN!
Zuletzt geändert von Melvin Mercury am 06 Okt 2020, 20:13, insgesamt 3-mal geändert.
Melvin Mercury
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Vorgeschichte von "Der Sammler..."

Beitrag von Melvin Mercury »

Vor langer Zeit...
 
Eingeschlossen in das astrale Gefängnis, gehalten durch die unzerstörbaren Ketten, die Asharadalon ihm im Streit anlegte, ruhte er… Fanorak… Selbst als Asharadalon aufhörte zu existieren und ein Teil des Karaz´geworden war, minderte sich die Kraft der Bindungen nicht. Zu gering war Fanorak‘s Macht, die Fesseln eines Kindes des Ppyr zu brechen.
 
Auch sein Ziehsohn Berinnor hatte es seinerzeit nicht vermocht, ihm den Weg herab zu ebnen und ihn wiedererstarken zu lassen. Sein heißes Blut, gegeben einem ehemaligen Menschen, in uralten Ritualen übertragen und beseelt mit seinem Geist, brandete wie eine Welle gegen Klippen… und erkaltete…
 
Die Zeit verging, und endlose Male hob er den Kopf, schaute in die ihn umgebende Leere, ins schwarze Nichts. Kleine Sphären, getragen von Ätherwellen die Nordlichtern glichen, umkreisten ihn, wie die Gestirne auf ihrem Weg über das Firmament. Einige brauchten dafür nur wenige Jahre, andere wiederum derer tausend. Je älter sie waren, je früher er den Seelen seine Gunst zuteil werden lies, desto mehr dehnte sich ihre Laufbahn aus.
Nach und nach hatte er Tropfen seiner Seele an Auserwählte gegeben, hatte sie gestärkt, sie von ihren schwächlichen Hüllen befreit und zu sich zu eigen gemacht. So wie er sah, dass auch sie dem Untergang geweiht waren, überkam ihn große Trauer. Nach und nach verblassten die einst glänzenden Sphären. Mit jedem Verlust der Essenz eines seiner Kinder verloren sie zuerst ihren Glanz, wurden dunkler, und umkreisten schlussendlich nur noch als schwarze, matte, tote Kugeln sein Habitat.
 
Es gab nicht mehr viele seiner Spezies, so entschied er, sich niederzulegen… abzuwarten.
Gebändigt, geschlagen und verdammt überdauerte er Äonen…
 
Seit Ewigkeiten hatte er seinen Kerker nicht verlassen können, zu sehr hatte ihm das Darben geschwächt und die Fesseln gehalten. Gewiss, wenn es ihn dürstete, seinen Geist durch die Unendlichkeit zu senden, die Welten zu besuchen, sandte er einen Teil seiner Essenz durch den Äther und schuf ein Abbild einer gewöhnlichen Kreatur. Aber das Gefängnis verlassen... die Reisen als er selbst, Fanorak… nein… das würde wahrscheinliche nie wieder geschehen.
 
Mit halb geschlossenen Augen hob er den Kopf, seine Zunge leckte über die knochigen Lefzen. Die mächtigen Flügel auf dem massigen Körper abgelegt verharrte er und blickte wieder hoch zu den Sphären und folgte ihnen auf ihrer Reise.
Noch leuchteten einige wenige von ihnen, doch er wusste, dass der Grat zwischen Herrschaft und Niedergang sehr schmal, und sehr unberechenbar war. Die Völker des EINEN Kontinents, mit ihrem eigenbrödlerischen Tun, hatten ihn nicht nur ein mal um seine Pläne betrogen.
Fanorak legte den schweren Drachenschädel auf den schimmernden Boden und schloss die Augen. Stille… nur der Herzschlag des riesigen Wesens war zu vernehmen und erschütterte noch immer den Äther seines Gefängnisses. Jahrzehnte vergingen…
 
Vor 3.222 Jahren...
 
Der Drache erwachte… Langsam erhob er sich und schüttelte sein Haupt. Er spürte, wie sich in ihm eine Unruhe ausdehnte. Irgend etwas stimmte nicht… Er schaute sich um, gemächlich wanderten seine Augen über das nachthimmelsgleiche Konstrukt um ihn herum. Die endlosen Weite, die unendliche Stille, die ihn umgaben… es schien alles unverändert. Gerade wollte er sich wieder zur Ruhe begeben… vernahm er ein Geräusch… nein, eher ein Gefühl… der Äther… er veränderte sich…
Da war etwas… etwas kleines… kaum zu bemerken, doch konnte er es spüren. Fanorak hielt inne, verharrte mit gesenktem Kopf, nur seine Augen blickten suchend hin und her, ohne jedoch etwas zu fixieren. Hin und wieder zuckte sein Schädel zur Seite, versuchend, die Quelle der Veränderung auszumachen. Wie eine Fledermaus auf der Suche nach ihrer Beute tastete er sich im Äther vor, den Ursprung zu ergründen. Und dann sah er es… eine der kleinen Sphären, eine der schwarzen, alten… sie begann zu glimmen… schwach und unstet, aber sie glimmte. Lautlos zog sie langsam ihre Bahn, wurde mal heller, dann wieder dunkler. Langsam bewegte er sich im Geiste auf das kleine Objekt zu und musterte es...
 
Komra… Wo Voth Mirmein Schüler... so warst Du doch nicht weit genug in die Ewigkeit vorgedrungen, wie es seinerzeit den Anschein hatte. Das ist gut… sehr gut...sammle Dich… und ich werde Dich zurückschicken… Durchlaufe noch einmal Deinen Orbit, ich werde auf Dich warten…
 
 
3.222 Jahre später (heute)
 
Schon lange hatte Fanorak sich auf diesen Moment vorbereitet… Er wusste, dass ihn das Ritual wieder schwächen würde, doch je mehr seiner Auserwählten erstarkten half ihm im Gegenzug, seine Kräfte schneller wiederzuerlangen. Jahrzehnte schon hatte er sich der sich wieder nähernden Sphäre zugewandt, sie beobachtet…
 
Er richtete sich auf… nahm den Kopf leicht zurück und atmete tief ein… mit infernalischem Krächtzen spie er uralte Phrasen in Richtung der kleinen, leuchtenden Kugel:
„Nedash Dereak… Manifet‘ra Urlakor... H'apera Viteron“
Der Äther erzitterte… der riesige Drache bäumte sich noch einmal auf… und stürzte entkräftet zu Boden...
 
 
Sekunden danach in einem Gewölbe, tief im Südwesten des Kontinentes
 
Lichtblitze zuckten durch die Höhlen, tief unter den Vulkanen bebte die Erde, doch diesmal nicht seismischen Ursprunges. Orkanartige Böen fegten über den staubigen Boden, dass selbst das Magma umherpeitschte wie die vom Sturm gepeinigte See.
Langsam materialisierte sich eine Gestalt… erst transparent, dann zunehmend sichtbarer. Knochen wurden verschlungen von beige-grünem Fleisch… dessen Oberfläche sich langsam verhärtete zu einer hornigen Schicht…
Die Luft beruhigte sich wieder, das Heulen verstummte… bis zur Stille…
 
Nein… nicht ganz… man vernahm, einen Atem...
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