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Bjornar war sich sicher, dass sie noch lebte. So leicht würde die verschollene Hathran nicht aus seiner Heldengeschichte verschwinden!
Tarsnjor, die Träne im Schnee, „Tars“, wie der Stamm sie liebevoll nannte. Nebelsprecherin. Wort-Winderin. Geisterseherin.
Es waren Monate vergangen, seit dem Beginn ihrer Bransla und er glaubte, dass sie nun bald länger fort sein müsse, als er selbst bei Meister Davind gewesen war. Also sehr lang.
Dann—das erwartete Lebenszeichen! Auf Adlersschwingen kam dem alten Schamanen
Segimer eine Vision. Er musste einen Wind-Ort aufsuchen, um in der Geisterwelt nach der Hathran zu sehen. Hinauf in die Berge führte der Flug des Adlers, hinein in den Sturmwind.
Gern halfen
Ynge und Bjornar dem knochigen Alten bei der beschwerlichen Kletterei über die Klippen der Eisigen Einhöde, hievten ihn hinauf zu den Drochsaal-Zinnen, vorbei am tückischen, jäh abfallenden Skjoldfloss. Federleicht war der klapprige Alte und pure Willenskraft trieb ihn an.
Frei an den lotrechten Wänden des Skjoldfoss hängend, fühlte Bjornar den Sog der Tiefe. Er überlegte, ob er von hier aus wohl den
"Heldensprung" ausführen würde, sollte er selbst zufällig so alt und grau werden, wie Thjondar oder Segimer? Die Stelle war malerisch, die Wand blickte nach Osten übers Eismeer, in den Morgen hinein, der Wind pfiff einen Heul-Gesang. Genau richtig. Sicher würde er es von hier aus tun! Dann würde seine eigene Geschichte so enden:
…und er sprang mit letzter Kraft vom Skjoldfloss in den Sonnenaufgang.
Doch so gewaltig war selbst seine letzte Kraft, dass er an Solkrs Sonnenwagen prallte, der gerade ausgeritten war und aus dem Meer aufstieg.
Bjornar donnerte gegen die Seite des Götter-Wagens und rutschte beinahe ab. In der Tiefe heulten die verfluchten Toten vor Furcht, dass er zu ihnen hinabstürzen könnte.
Unten in Helheim, da wollten sie ihn wahrlich nicht haben!
Doch im letzten Moment gelang es ihm, sich im Fell des Sonnenbären Kovakarhu festzukrallen, der den Wagen zog.
Solkr lachte. Den Deppen kannte und mochte er bereits, aber den Tageslauf würde er für ihn nicht aufhalten!
So musste Bjornar sich anklammern und den ganzen Tag mit Solkr über den Himmel fahren, bevor er schließlich wolkengegerbt des Abends in die Ahnenhallen hineingeritten wurde.
Derart beeindruckt waren die Ahnen und die Nachkommen von seinem letzten Sprung, dass sie einen neuen Tag in den Kalender einführten: Von da an feierten die Trymm’takk den Bjornarstag, an dem sie seitlich am Reitbären hängend, das Dorf umkreisten. Der ... oder die! ... letzte, die erschöpft hinunter fiel, würde dann für jenen Tag zum Bjornarstagsbjorn gekrönt werden.
Der ganze Stamm durfte dann den ruhmreichen Schlaf des Bjornarstagsbjorns bewachen, und am nächsten Morgen wachte er auf, umringt von den leckersten der Leckereien...
Oben auf der Skjoldfloss-Sturmklippe vollführte Segimer seine Geisterreise, das Schamenkraut öffnete ihm den Kopf, der Adler trug seine Seele davon – hin zu Tars, um ihr beizustehen – ein Geisternebel hüllte sie ein. Sein Körper blieb reglos und starr. So warteten sie. Ynge vertrieb bösartige Vindfruwen, mit dem Bogen, Meisterschüsse im Wind; der Sturm wurde schlimmer; die Hänge erzitterten; Lawinen fuhren herab.
Der größte Feind aber, war die Kälte.
Ynge und er wickelten den dürren Schamanen in ihre Pelze. Reichte das aus? Hoffnungsvoll brüllte Bjornar sein bestes Bärenbrüllen in das Tal hinab und da kam der beste Pelz herbei. Der hing nämlich warm an einem lebendigen Bären: Waelbjarn, Bjornars Bärenbruder, war seinem Ruf bis hinauf auf die Klippen gefolgt. Eng aneinandergeschmiegt, schützten sich die drei gegenseitig und hielten den reglosen Schamanen mit ihren Körpern warm.
Währenddessen heulten die Geister im Unwetter, das über den Klippen drohte. Die Stimmen der Verfluchten Reiter drangen an ihr Ohr. Jene Wilde Jagd, die in der Drochsaal-Feste tobte und schauerte? Wieder und wieder riefen sie nach Pandor! Leise tuschelten Ynge und Bjornar. Ob sie ihn wohl finden würden? Als die Gespenster ausblieben und nur die Zeit lang wurde, redeten sie über dies und über jenes und dabei lernte Bjornar sogar von Ynge ein neues Geheimnis der Frauen. Das war etwas! Wie Freyja sich freuen würde!
Bjornar war glücklich, strich sich über die gebrochene Nase, die Ynge ihm im Zorn zerschmettert hatte: Heute, da war es fast wie früher, zwischen ihnen. Danach hatte er sich gesehnt.
Es gab neues von Tars. Danach hatte er sich auch gesehnt.
Der Schamane erwachte schließlich und den beschwerlichen Abstieg meisterte die kleine Truppe mit Leichtigkeit – zu groß waren ihre Riesen-Kräfte, um sich von Wind, Fels, Sturm und Müdigkeit bezwingen zu lassen. Der Schamane hatte ein neues Rätsel aus dem Traum mit ins Dorf gebracht. Da würde Bjornar mit Freuden zusehen, wie Ynge es löst – die beste Rätsel-Versteherin der Insel!
Auch danach hatte er sich gesehnt.
Alldem konnte er nun mit Freude entgegenblicken.
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